Urteil des BPatG vom 09.12.2004

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BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 47/03
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die angegriffene Marke 395 01 717
hat der 30. Senat (Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung
vom 9.
Dezember
2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann, des Richters Schramm und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der
Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenam-
tes vom 6. Dezember 2002 aufgehoben soweit die Löschung der
Marke 395 01 717 angeordnet ist.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Deutsche
Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I.
Die unter der Nr 395 01 717 eingetragene Wortmarke
ZIROX
beansprucht nach Beschränkung im Erinnerungsverfahren noch Schutz für die
Waren
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elektrische Meßgeräte für chemische oder physikalische Meßgrö-
ßen; wissenschaftliche und industrielle Forschung.
Die Veröffentlichung der Eintragung ist am 20. Januar 1996 erfolgt.
Widerspruch hat erhoben die zu diesem Zeitpunkt in der Rolle eingetragene Inha-
berin –
die R… in L…
- der unter der Nr
1
062
570 seit
dem 27. April 1984 für die Waren
Informationsübertragungsgeräte und daraus bestehende Systeme;
Datenverarbeitungsgeräte, Computer und elektronische Rechner,
Textverarbeitungsgeräte, Ton- und Bildaufzeichnungs- und –wie-
dergabegeräte; elektrotechnische und elektronische Geräte (so-
weit in Klasse 9 enthalten); Software, nämlich Daten und Informa-
tionsträger in Form von Halbleiterspeichern, Magnetkernspei-
chern, Lochkarten, Lochstreifen, Magnetbändern, Magnetkarten
und Magnetplatten sowie in Form von Druckschriften und anderen
lesbaren Daten und Informationsträgern; Lasergeräte (nicht für
medizinische Zwecke); elektrische und elektronische Schreib- und
Druckgeräte; Faksimilesende- und Empfangsgeräte; Teile sämtli-
cher vorstehend genannter Waren und Geräte
eingetragenen Wortmarke
XEROX.
Die Widerspruchsmarke ist noch unter der Nr. 1 000 176 für Dienstleistungen der
Klassen 37, 35, 40, 42 WZ sowie unter 853 948 für Waren der Klassen 9, 1, 7, 16
und unter DD 637 861 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 3, 9, 16, 20
eingetragen.
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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat im
Erstprüferbeschluß auf der Grundlage des ursprünglichen Waren- und Dienstlei-
stungsverzeichnisses die Verwechslungsgefahr ua aufgrund der oben genannten
älteren Marke Nr 1 062 570 bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke an-
geordnet.
Im Erinnerungsverfahren hat die Inhaberin der jüngeren Marke das Waren- und
Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt und im wesentlichen ausgeführt, daß
zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren der elektrischen
Meßtechnik und den von der Widerspruchsmarke beanspruchten optischen Ge-
räten und Laser keine Warenähnlichkeit bestehe.
Sie hat die Einrede der Nichtbenutzung erhoben und auf die von der Widerspre-
chenden vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung die Benutzung zugestan-
den für Kopiertechnik im umfassenden Sinn und die Entwicklung von Hard- und
Software.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Erinnerung zurückgewiesen, da bei hochgradiger klanglicher Ähnlichkeit der Ver-
gleichsmarken bei durchschnittlichem Schutzumfang der Widerspruchsmarke
selbst bei nur entfernter Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und
Dienstleistungen die Verwechslungsgefahr nicht verneint werden könne. Nachdem
die Benutzung für Kopiertechnik und Hard- und Software zugestanden sei, könne
jedenfalls zwischen den von der Widerspruchsmarke 1 062 570 beanspruchten
„DV-Geräten, Computern, elektronischen Rechnern“ sowie „Software“ und den
von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht
jede Ähnlichkeit verneint werden.
Die Widerspruchsmarke 1 062 570 wurde während des Erinnerungsverfahrens
gemäß Verfügung vom 28. März 2001, die Widerspruchsmarke 1 000 176 gemäß
Verfügung vom 31. Juli 2001, die Widerspruchsmarke 853 948 gemäß Verfügung
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vom 28.
März
2001 von der R… Ltd in L… auf die jetzige
Markeninhaberin die X… (US) umgeschrieben. Für diese
Widerspruchsmarken sind als Vertreter benannt H.W… und Kollegen bzw.
W… & W… in M… Die Widerspruchsmarke DD
637
861 wurde
gemäß Verfügung vom 9. April 1999 auf die X… Ltd in L… umgeschrieben,
als Vertreter sind benannt Patentanwälte von K…, S…, W… in K….
Die Zustellung des Erinnerungsbeschlusses erfolgte lediglich an die Vertreter der
X… Ltd in L…, die Patentanwälte von Kreisler, die von der ursprünglichen
Inhaberin der Widerspruchsmarken –
der R… Ltd in L… für das Wi-
derspruchsverfahren bevollmächtigt waren.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt mit im wesentli-
chen den im Erinnerungsverfahren geäußerten Gründen. Im übrigen erklärt sie,
der Nachweis der Benutzung sei lediglich für „Kopier-, Druck- und Scantechnolo-
gie“ geführt worden, der Nachweis der Benutzung für „Datenverarbeitungsgeräte,
Computer und elektronische Rechner“ sei unterblieben.
Sie beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
10. Juni 1998 und vom 6. Dezember 2002 aufzuheben, soweit
darin die Löschung der Marke 395 01 717 angeordnet ist.
Die Widersprechende beantragt:
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat im Beschwerdeverfahren Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benut-
zung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
- 6 -
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Erinnerungs-
beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Mar-
kenamt. Das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt leidet auf-
grund der Nichtberücksichtigung der Umschreibung der Widerspruchsmarke
1 062 570 und der daraus folgenden Verletzung rechtlichen Gehörs an einem we-
sentlichen Mangel.
Die Markenstelle hat im Erinnerungsverfahren lediglich den Vertretern der betei-
ligten R… Ltd in L… den Beschluss vom 6.
Dezember
2002 zuge-
stellt, obwohl diese mit der gemäß Verfügung vom 28. März 2001 erfolgten
Umschreibung der Widerspruchsmarke 1
062
570 auf die X… -
(US) ihre Befugnis, Rechte aus der Marke geltend zu machen, verloren
hatte.
Gemäß § 28 Abs 3 Satz 1 MarkenG sind Beschlüsse, die der Zustellung an den
Inhaber der Marke bedürfen, dem als Inhaber Eingetragenen zuzustellen. So wie
§ 28 Abs 2 MarkenG für den Fall der Rechtsnachfolge eine spezielle Regelung
enthält und dem nach § 28 Abs 2 Satz 1 legitimierten Rechtsnachfolger ein eigen-
ständiges Beschwerderecht zuschreibt, so enthält auch § 28 Abs 3 MarkenG eine
Spezialvorschrift, die den materiell rechtlichen Regelungsgehalt des § 28 Abs 1
MarkenG verfahrensrechtlich ergänzt (vgl BPatG, BlPMZ 2001, 356
– Ostex/Ostac/OSTARIX).
Daher kommt es insoweit nicht auf die Frage an, ob im Falle einer vollzogenen
Umschreibung einer an den Rechtsnachfolger übertragenen Marke der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs zu folgen ist, wonach § 265 Abs 2 Satz 1 ZPO
im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung findet
und damit der bisher beteiligte Rechtsinhaber unabhängig von der materiellen
Rechtslage weiterhin als gesetzlicher Prozesstandschafter Beteiligter des Verfah-
rens bleibt, solange nicht der neue Rechtsinhaber das Verfahren übernimmt (vgl
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BGH GRUR 1998, 940 – Sanopharm; aA Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 28
Rdn 24).
Damit war zudem hier auch nicht die Frage zu klären, ob § 265 Abs 2 ZPO hier
schon deshalb nicht anzuwenden ist, weil die Übertragung der Marke nicht im
Wege der Veräußerung oder Abtretung als Einzelrecht erfolgt ist, sondern im
Wege einer gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung oder Firmenänderung (vgl
BPatG 24 W (pat) 59/96 – ASIS/ASI, PAVIS PROMA Kliems).
Durch die ausschließliche Einbeziehung der früheren Inhaberin der Wider-
spruchsmarke ist zugleich das rechtliche Gehör der eingetragenen Inhaberin der
Widerspruchsmarke, der X… (US) verletzt worden. Dass die-
ser der Beschluss der Markenstelle entgegen § 61 Abs 1 Satz 1, § 28 Abs 3
Satz 1 MarkenG nicht zugestellt worden ist, ist ein erheblicher Verfahrensmangel,
der die Zurückverweisung gemäß § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG erforderlich macht.
Bei ihrer Entscheidung wird die Markenstelle zu berücksichtigen haben, dass
nunmehr lediglich eine Benutzung der Widerspruchsmarke für Software im Be-
reich Kopier-, Druck- und Scantechnologie zugestanden ist.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die ursprünglich für „Kopiertechnik“ im
umfassenden Sinn und die Entwicklung von „Hard- und Software“ zugestandene
Benutzung im Beschwerdeverfahren zulässig eingeschränkt auf „Kopier-, Druck-
und Scantechnologie und die Benutzung für „DV-Geräte, Computer und elektroni-
sche Rechner“ ausdrücklich bestritten.
Die Erklärung, mit der die Inhaberin der angegriffenen Marke im Erinnerungsver-
fahren ursprünglich die Benutzung im oben genannten Umfang zugestanden hatte
und insoweit die Nichtbenutzungseinrede für „Datenverarbeitungsgeräte, Compu-
ter und elektronische Rechner“ fallengelassen hatte, hat keine für alle Instanzen
bindende Wirkung. Bei der rechtserhaltenden Benutzung nach § 26 MarkenG
handelt es sich nicht um eine Tatsache, sondern um eine Rechtsfrage, die einem
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Geständnis im Sinne des § 288 ZPO nicht zugänglich ist (vgl BGH GRUR 2000;
886, - Bayer/BeiChem). Die prozessuale Einrede der mangelnden Benutzung ge-
mäß § 43 MarkenG kann auch noch im Beschwerdeverfahren (wieder) erhoben
werden, auch wenn sie im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt
nicht aufrechterhalten worden ist, sofern darin kein Verzicht zu sehen ist (vgl § 306
ZPO; Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 43 Rdn 49). Ein Verzicht kann in der
bloßen Erklärung, die Benutzung für einen Teil der Waren zuzugestehen und in-
soweit die Einrede nicht weiterzuverfolgen, nicht gesehen werden. Eine derart
weitreichende Bedeutung hat diese Erklärung nur, wenn zusätzliche besondere
Umstände vorliegen. Davon ist, da an die konkludente Annahme eines Verzichts
strenge Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich nicht auszugehen (vgl BGH
aaO Bayer/BeiChem).
Danach gilt bei der Widerspruchsmarke die Benutzung von Hardware im Bereich
Kopier-, Druck- und Scantechnik nicht mehr als zugestanden.
Zudem wird die Markenstelle eine Prüfung auch anhand der weiteren Wider-
spruchsmarken vorzunehmen haben, die im Erinnerungsbeschluss noch keine
Berücksichtigung gefunden haben.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist anzuordnen, da dies angesichts der
unrichtigen Sachbehandlung durch die Markenstelle der Billigkeit entspricht, § 71
Abs 3 MarkenG.
Dr. Buchetmann
Schramm
Hartlieb
Hu