Urteil des BPatG vom 11.12.2001

BPatG (marke, leder, beschwerde, klasse, verkehr, eugh, gefahr, zeichen, abweichung, aufhebung)

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 246/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
11. Dezember 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 396 00 867
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2001 unter Mitwirkung der
Vorsitzenden Dr. Schermer sowie der Richter Albert und Schwarz
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der
Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 14. Ap-
ril 2000 aufgehoben und der Beschluss der Markenstelle
für Klasse
25 vom 26.
Januar
1998 dahingehend
abgeändert, dass die Löschung der angegriffenen Marke
396 00 867 auch für die Waren „Waren aus Leder und
Lederimitationen“ angeordnet wird.
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der Wortmarke 396 00 867
BLUE BROTHERS
für
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Leder und
Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in Klasse
18
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enthalten); Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwal-
tung; Büroarbeiten
ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke
BLUES BROTHERS
eingetragen unter der Nr. 2 029 239 für
Verpflegung von Gästen; Bekleidungsstücke, nämlich Freizeitbe-
kleidung und Kopfbedeckungen.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss des Erstprüfers die teilweise Löschung der Marke für die Waren
„Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ angeordnet. Auf die
Erinnerung beider Beteiligter hat der Erinnerungsprüfer unter Aufhebung dieses
Beschlusses und Zurückweisung der Erinnerung der Widersprechenden den
Widerspruch insgesamt mit der Begründung zurückgewiesen, dass ungeachtet der
Frage der Warenähnlichkeit die angegriffene Marke selbst bei Anlegung strengster
Maßstäbe einen hinreichend großen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte.
Denn durch den zusätzlichen Buchstaben „s“ der älteren Marke und den damit
verbundenen prägnanten Unterschied im jeweiligen, leicht fassbaren Sinngehalt
(„Blues Brüder“ und „traurige Brüder“ bzw. „blaue Brüder“) differierten die Ver-
gleichszeichen derart deutlich, dass sie in ihrem Gesamteindruck den ange-
sprochenen Verkehrskreisen eine sichere Abgrenzung ermöglichten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle vom 14. Ap-
ril 2000 und teilweiser Aufhebung des Beschlusses der Marken-
stelle vom 26. Januar 1998 die angegriffene Marke für die Waren
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„Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Waren aus
Leder und Lederimitationen (soweit in Klasse 18 enthalten“ zu
löschen.
Ihrer Auffassung nach ist zunächst die Inhaberschaft der angegriffenen Marke
unklar, da der im Beschluss genannte Markeninhaber nicht mit dem ur-
sprünglichen Anmelder identisch sei, ohne dass ein Umschreibungsantrag gestellt
worden sei. Wegen ihrer großen klanglichen und schriftbildlichen Nähe seien die
beiden gegenüberstehenden Zeichen hochgradig ähnlich, da die einzige
Abweichung, nämlich das in der älteren Marke eingefügte „s“, wie bereits der
Erstprüfer ausgeführt habe, bei weitem für den erforderlichen Abstand nicht
ausreiche. Auch liege kein unterschiedlicher Sinngehalt vor, da die Verbraucher
beide Zeichen als feststehende englischsprachige Begriffe werten würden, ohne
sie im Wege einer analytischen Betrachtung Wort für Wort zu übersetzen. Im
übrigen könne der Verkehr einen möglichen unterschiedlichen Sinngehalt erst
erfassen, wenn er beide Zeichen richtig erfasse, was bei einem hier
wahrscheinlichen Verhören oder Verlesen aber ausscheide. Angesichts der
bestehenden Warenidentität, zumindest aber hochgradigen Warenähnlichkeit
hinsichtlich der im Beschwerdeantrag genannten Waren der angegriffenen Marke
sei diese daher teilweise zu löschen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat zur Beschwerde keine Stellungnahme
abgegeben.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II
Die zulässige (§ 66 Abs 1 MarkenG) Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Denn
zwischen den Vergleichszeichen besteht im beantragten Umfang Verwechs-
lungsgefahr im Sinne der § 42 Abs 2 Nr 1, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die
miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der
Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen
erfaßten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH
GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei
ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der
Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR
1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. -
Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243; st. Rspr.). Nach diesen Grundsätzen lässt
sich hier eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Waren „Bekleidungsstücke,
Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Waren aus Leder und Lederimitationen“ nicht
verneinen.
Zutreffend hat der Erstprüfer eine hochgradige klangliche und schriftbildliche
Ähnlichkeit der Marken „BLUE BROTHERS“ und „BLUES BROTHERS“ bejaht,
weil die einzige Abweichung in dem fehlenden Buchstaben „S“ am Ende des
Wortbestandteils „BLUE“ der jüngeren Marke so geringfügig ist, daß sie von einem
beachtlichen Teil der angesprochenen breiten Abnehmerkreise mit Sicherheit
überhaupt nicht wahrgenommen wird. Aufgrund der starken Annäherung der
Marken im Gesamteindruck ist auch die begriffliche Abweichung in den
Wortbestandteilen „BLUE“ (=blau) und „BLUES“ (= musikalische Stilrichtung) nicht
geeignet, Verwechslungen auszuschließen, denn wer schon das Fehlen des „S“
beim Hören oder Lesen nicht bemerkt, dem kann auch der der unterschiedliche
Begriffsgehalt nicht als Abgrenzungshilfe dienen (vgl Althammer/Ströbele/Klaka,
MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn 90). Der Auffassung des Erinnerungsprüfers, daß sich
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der Begriffsunterschied im Rahmen der Gesamtmarken sofort und ohne jede
analysierende Betrachtung erschließe, kann nicht gefolgt werden. Dagegen spricht
bereits, daß sich der Verkehr die Marken häufig allein nach dem Gesamteindruck
einprägt, ohne auf die einzelnen Wortelemente und ihre Bedeutung weiter zu
achten. Abgesehen davon ruft das mit „BLUE“ etymologisch eng verwandte Wort
„BLUES“ in Verbindung mit Bekleidung, insbesondere Blue Jeans, von Haus aus
eher den Gedanken an den Farbbegriff „blau“ als an den musikalischen Begriff
„Blues“ hervor. Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke im Verfahren vor der
Markenstelle geltend gemacht hat, die Wortkombination „BLUE BROTHERS“ solle
zum Ausdruck bringen, daß die Firmengründer zwei Brüder seien, die Jeans aus
Blue Denim herstellten, handelt es sich um eine dem Verkehr nicht erkennbare
rein subjektive Absicht, die der Gefahr von Markenverwechslungen nicht
entgegenwirken kann.
Angesichts der hochgradigen Markenähnlichkeit ist nach den eingangs
dargestellten Grundsätzen eine Verwechslungsgefahr nicht nur hinsichtlich der
von den Marken erfaßten identischen Waren „Bekleidungsstücke“ und
„Kopfbedeckungen“ zu bejahen, sondern auch hinsichtlich der Waren
„Schuhwaren“ und „Waren aus Leder und Lederimitationen“, für welche die
angegriffene Marke ebenfalls Schutz beansprucht. Der Auffassung des
Erstprüfers, diese Waren lägen nicht im Ähnlichkeitsbereit der Waren
„Bekleidungsstücke, nämlich Freizeitbekleidung“" der Widerspruchsmarke, kann
nicht gefolgt werden.
Zwar hat der Bundesgerichtgshof in der „JOHN LOBB“-Entscheidung vom
16. Juli 1998 (GRUR 1999, 164, 166) festgestellt, daß eine Warenähnlichkeit
zwischen Bekleidungsstücken und Schuhen nicht allein daraus hergeleitet werden
kann, daß das Angebot dieser Waren vereinzelt, vor allem bei Anbietern
hochpreisiger Erzeugnisse, im Verkaufsgeschäft in engem räumlichen
Zusammenhang erfolgt. Aufgrund der in jüngster Zeit eingetretenen
Veränderungen in der Modebranche beschränken sich die Berührungspunkte
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zwischen „Bekleidungsstücken, nämlich Freizeitbekleidung“ einerseits und
„Schuhwaren“ andererseits heute aber nachweislich nicht mehr auf die gleichen
Verkaufsstätten. Wie das LG Düsseldorf mit zahlreichen Belegen ausgeführt hat
(vgl Mitt 2001, 456, 458), sind zahlreiche bekannte Hersteller von
Markenbekleidung einschließlich Freizeitbekleidung dazu übergegangen, unter
ihren eingeführten Marken auch (Freizeit-)Schuhe zu vertreiben (zB ua Wrangler,
LEVIS, HIS, Lee, Esprit, Marco Polo, Strenesse, Jil Sander, Joop, Aigner, Betty
Barclay). Aufgrund dieses Wandels in der Vertriebspolitik und der damit
einhergehenden Änderung der Kennzeichnungsgepflogenheiten in der Beklei-
dungsbranche kann das Käuferpublikum zu der Annahme gelangen, daß
Schuhwaren, die unter der (vermeintlich) gleichen Marke angeboten werden wie
Bekleidungsstücke, aus derselben betrieblichen Ursprungsstätte oder jedenfalls
aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl EuGH
GRUR 1998, 922, 923 Tz. 23; BGH GRUR 1999, 731, 732 „Canon II“; 1999, 245,
246 „LIBERO“; 1999, 496, 497 „TIFFANY“; ferner bereits für den Bereich
Sportbekleidung/Sportschuhe BGH GRUR 1986, 248, 249 „Sporthosen“). Ob der
Grad der Ähnlichkeit der beiden Warengruppen als eher entfernt oder als enger
einzustufen ist, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da
aufgrund der hochgradigen Markenähnlichkeit die Gefahr von Verwechslungen
selbst bei Annahme einer eher entfenten Warenähnlichkeit zu bejahen ist.
Gleiches gilt auch für die von der angegriffenen Marke ebenfalls beanspruchten
„Waren aus Leder und Lederimitationen“, die ua Sporttaschen, Reisetaschen,
Gürteltaschen und Rucksäcke umfassen. Diese Waren werden, wie das
Bundespatentgericht in der „CHEVY“-Entscheidung (BPatGE 42, 1 ff) anhand
zahlreicher Belege aus Katalogen von Sporthäusern festgestellt hat, häufig unter
der gleichen Marke angeboten wie Freizeitbekleidung (zB Adidas, Nike, Reebok,
ascis, CAMEL, MAMMUT, VAUDE, Bogner, Jack Wolfskin usw). Für den Verkehr
liegt unter diesen Umständen ohne weiteres die Vorstellung nahe, daß die sich in
ihrem Verwendungszweck ergänzenden und in Sportgeschäften sowie den
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Sportabteilungen der Kaufhäuser zusammen angebotenen Waren „Freizeit-
bekleidung“ und „Freizeit- und Sporttaschen aus Leder und Lederimitationen" aus
demselben Unternehmen stammen. Begegnet er den Waren unter den außer-
ordentlich ähnlichen Kennzeichen „BLUE BROTHERS“ und „BLUES
BROTHERS“, ist die Gefahr von Markenverwechslungen daher nicht gering zu
erachten.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden war daher der Erinnerungsbeschluss
der Markenstelle aufzuheben und der Erstbeschluss unter Bestätigung der
angeordneten Teillöschung für „Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen“ dahin-
gehend abzuändern, daß die angegriffene Marke auch für „Waren aus Leder und
Lederimitationen“ zu löschen ist (durch Streichung der Worte „und Waren daraus“
aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis).
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2
MarkenG verwiesen.
Dr. Schermer
Albert
Schwarz
Na