Urteil des BPatG vom 08.11.2006

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, klasse, verkehr, gefahr, beschwerde, kennzeichnungskraft, verwechslung, reihenfolge, bestandteil)

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 78/06
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
15. Februar 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
08.05
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betreffend die Marke 398 38 065
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 8. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der
Markenstelle für Klasse
20 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 30. Januar 2003 aufgehoben und die Erinnerung
der Widersprechenden gegen den Beschluss der Markenstelle für
Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
12. Juli 2000 zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Eintragung der Wortmarke 398 38 05
Dorma Vita
für die Waren der Klasse
20: Bettrahmen;
Matratzen
24: Bettwaren (soweit in Klasse 24 enthalten)
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ist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 1 114 756
VITADORM
eingetragen für Waren der
Klasse 20: Matratzen.
Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 30. Januar 2003 ihren den Widerspruch zunächst zurückweisen-
den Erstbeschluss vom 12. Juli 2000 aufgehoben und die Löschung der angegrif-
fenen Marke angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es bestehe eine
Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die beiderseitigen
Waren seien zum Teil identisch, im Übrigen bestehe wegen der engen Berüh-
rungspunkte in Funktion und Vertrieb zumindest annähernd eine Ähnlichkeit mittle-
ren Grades. Der Widerspruchsmarke komme eine normale Kennzeichnungskraft
zu, auch wenn sie in ihren Bestandteilen „Vita“ ( lateinisch = Leben) und „dorm“
(enthalten im lateinischen und italienischen „dormire“ = schlafen sowie im gleich-
bedeutenden französischen „dormir“) warenbeschreibende Anklänge enthalten
möge. Unter diesen Umständen seien an den erforderlichen Markenabstand
durchschnittlich bis überdurchschnittlich strenge Anforderungen zu stellen, die von
der angegriffenen Marke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten wür-
den. Beide Marken seien ähnlich aufgebaut. Sie enthielten jeweils das Wortele-
ment „Vita“ und die klanglich weitgehend übereinstimmenden Bestandteile
„Dorma“ und „dorm“, wobei die betreffenden Zeichenteile nur unterschiedlich an-
geordnet seien. Dieser Aufbau der Marken erschließe sich dem Verkehr auch
ohne Weiteres, da zumindest der Begriff „vita“ dem Publikum geläufig sei und die
angegriffene Marke ohnehin aus zwei getrennten Wortelementen bestehe. Bei
derartigen Wörtern merke sich der Durchschnittsabnehmer bei flüchtiger Wahr-
nehmung häufig nur dessen einzelne Elemente, während er sich nicht mehr an
deren genaue Reihenfolge erinnern könne und deshalb versucht sei, in einem aus
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entsprechenden Teilen – aber in anderer Anordnung – gebildeten Wort die früher
gehörte Marke wieder zu erkennen. Damit sei auch im vorliegenden Fall zu rech-
nen, zumal sich die Gesamtaussage der Zeichen durch die Umstellung der Ein-
zelteile nicht verändere.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers. Er ist der Auffassung,
der vom Erinnerungsprüfer angesetzte Maßstab für den erforderlichen Markenab-
stand sei zu streng. Die Vergleichsmarken hielten auch in klanglicher Hinsicht ge-
nügend Abstand voneinander ein, denn sie wiesen eindeutige klangliche Unter-
schiede im Klangbild und in der Länge der Wörter auf. Der Begriff „dormire“ und
dessen Ableitungen werde in der hier interessierenden Warenklasse häufig ver-
wendet, weswegen der Verbraucher auf die Unterschiede in den Marken beson-
ders achte. Zudem sei nicht bekannt, ob die Widersprechende als Rechtsnachfol-
gerin der insolvent gewordenen ehemaligen Markeninhaberin A… GmbH
die Marke noch genutzt habe.
Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 30. Januar 2003 aufzuheben
und die Erinnerung gegen den Beschluss der Markenstelle vom
12. Juli 2000 zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Ausführungen der Markenstelle zur Verwechslungsgefahr als
zutreffend. Bei ungenauem Erinnerungsbild glaube der Verbraucher die eine
Marke in der anderen wieder zu erkennen und unterliege insoweit einer Ver-
wechslung. Hinzu komme aber auch eine Übereinstimmung im schriftbildlichen
Gesamteindruck. Der Endbuchstabe A der angegriffenen Marke weise keine be-
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sonderen Über- oder Unterlängen auf und werde angesichts der Gesamtlänge des
Zeichens leicht übersehen. Die Vertauschung der Reihenfolge der praktisch iden-
tischen Bestandteile sei schriftbildlich noch weniger relevant. In begrifflicher Hin-
sicht übernehme die angegriffene Marke das Konzept der Widerspruchsmarke
vollständig und vertausche lediglich die Reihenfolge der Bestandteile.
In dem auf den hilfsweisen Terminsantrag der Widersprechenden anberaumten
Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Markeninhaber entsprechend seiner
schriftlichen Ankündigung nicht erschienen.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewech-
selten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1.
Soweit der Markeninhaber die (weitere) Benutzung der Widerspruchsmarke
durch die Widersprechende in Frage gestellt hat, kann dahinstehen, ob die Ein-
rede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke durchgreift, was im Hin-
blick darauf, dass die von der Widersprechenden eingereichte eidesstattliche Ver-
sicherung ihres Produktmanagers B… nur für die Benutzung ab dem
Jahr 2001 aussagekräftig ist, nicht aber für die Zeiträume davor, zweifelhaft sein
kann. Jedenfalls hat die Markenstelle die Gefahr von Verwechslungen der Ver-
gleichsmarken i. S. d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unzutreffend bejaht, daher
ist die Beschwerde schon aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt heraus begrün-
det.
Nach diesen Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit
mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der
Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder
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Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, ein-
schließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung
gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemei-
nen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in
Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilen-
den Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in
der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder
Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch
eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden
kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2006, 859, 861 – Malteserkreuz;
GRUR 2005, 427, 428 – Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Die Wider-
spruchsmarke weist nur eine knapp durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf
(vgl. BPatG, Beschl. v. 28. Juni 2000 - 32 W (pat) 99/00 - ComKids / KIDSCOM).
Sie besteht zwar nicht nur aus Bestandteilen, von denen jeder Merkmale der Wa-
ren, hier von Matratzen, beschreibt (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rn. 39
- BIOMILD), denn weder der Bestandteil „vita“ noch der Bestandteil „dorm“ (von
dormire, dormir) ist für die hier in Betracht kommenden Matratzen rein beschrei-
bend. Der Verkehr assoziiert aber jedenfalls im Hinblick auf das Wort „vita“ wegen
seiner allgemeinen Gebräuchlichkeit die Bedeutung „Leben, Vitalität“. Selbst bei
den Verkehrskreisen, denen sich die Herkunft und Bedeutung von „dorm“ nicht
ohne Weiteres erschließt, bleibt es bei der Feststellung einer Schwächung des
Gesamtwortes durch Drittzeichen, denn der Bestandteil „Vita“ wird, wie die Wider-
sprechende nicht in Abrede gestellt hat, bei Matratzen wegen der Assoziation zu
gesundem Schlaf, dem allgemein eine große Bedeutung für eine gewisse Vitalität
zugemessen wird, vielfältig auch von Konkurrenten verwendet; er ist damit abge-
griffen.
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Wegen des eingeschränkten Schutzbereichs kann eine Verwechslungsgefahr trotz
einer teilweisen Identität der Waren, für die die sich gegenüberstehenden Marken
geschützt sind, mangels hinreichender Ähnlichkeit der Zeichen nicht bejaht wer-
den. Bei der Prüfung des Vorliegens von Verwechslungsgefahr sind bei der Beur-
teilung der Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Marken die fraglichen Mar-
ken jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck mitein-
ander zu vergleichen, und zwar im Hinblick auf ihre klangliche, visuelle und be-
griffliche Ähnlichkeit (stg. Rspr., vgl. BGH a. a. O. – Malteserkreuz – m. w. N.).
Diese Gegenüberstellung führt jedoch nicht zu einer beachtlichen Ähnlichkeit der
Marken. In klanglicher Hinsicht weist die Widerspruchsmarke 3 Silben, die ange-
griffene Marke dagegen 4 Silben auf. Ihr Vokalbestand ist insgesamt unterschied-
lich und zudem anders angeordnet (I-A-O bzw. O-A-I-A) Unterschiedlich sind auch
die jeweiligen Anfangssilben, die erfahrungsgemäß vom Verkehr besonders be-
achtet werden und hier im Zusammenspiel mit dem unterschiedlichen Ausspra-
cherhythmus beider Markenwörter zu einem stark differierenden Höreindruck füh-
ren (vgl. ebenso PAVIS-PROMA HABM, Beschl. v. 11. Juli 2006 - R 0107/06-2 -
PORTOCALA RESORT COSTA AZAHAR / CALA DEL PORTO). Nicht unbe-
merkt bleibt für den Verkehr auch, dass die Widerspruchsmarke in einem dunklem
Auslaut (O) endet, während die angegriffene Marke eine helle Vokalendung (A)
aufweist. Soweit die Widerspruchsmarke meint, es seien die Grundsätze der ana-
grammatischen Klangrotation anzuwenden, kann ihr nicht gefolgt werden (vgl.
Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rn. 134). Es mag zwar Fälle geben, in
denen eine bloße Umstellung der Bestandteile im Hinblick auf die Erfahrung, dass
der Verkehr sich häufig zwar an die Elemente einer Kennzeichnung, nicht dage-
gen an deren Reihenfolge erinnert, nicht ausreicht (vgl. BPatG, Beschl. v.
17. Oktober 1997 - 33 W (pat) 120/97 - E-DIN / DIN EN, m. w. N.; Beschl. v.
16. August 2000 - 28 W (pat) 66/00- VEGIMAX / VEGAMIX; beide veröffentlicht
bei PAVIS-PROMA). Vorliegend erscheint dies aber angesichts des oben erörter-
ten stark differierenden Gesamtklangbilds beider Marken - anders als im Hinblick
auf die von der Widersprechenden angeführten Marken „shake awake /
WAKE’N’SHAKE“ (HABM, Beschl. v. 16. Oktober 2003) - nicht hinreichend wahr-
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scheinlich. Zurückhaltung bei einer solchen Annahme ist zudem wegen der Ver-
bindung kennzeichnungsschwacher Bestandteile geboten (vgl. Ströbele/Hacker,
a. a. O., m. w. N.). Die Gefahr der Verwechslung nach dem visuellen Eindruck ist
ebenfalls nicht gegeben, weil die Widerspruchsmarke aus einem Wort besteht, die
angegriffene Marke dagegen aus zwei Wörtern. Dieser Unterschied ist schlechthin
nicht zu übersehen. In begrifflicher Hinsicht scheidet eine Verwechslung im Er-
gebnis ebenfalls aus. Soweit der Verkehr, wie die Widersprechende meint, den
Bestandteil „dorm(a)“ nicht als Anspielung auf das Wort „Schlaf“ versteht, kommt
schon eine begriffliche Übereinstimmung zwangsläufig nicht in Betracht. Im Hin-
blick auf die Verkehrskreise, die diese Anspielung in beiden Markenworten dage-
gen erkennen, scheidet eine Verwechslungsgefahr wegen der sich aus dem be-
schreibenden Gehalt beider Markenwörter ergebenden Kennzeichnungsschwäche
aus Rechtsgründen aus.
Die Gefahr einer mittelbaren Verwechslung der sich gegenüberstehenden Marken
ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass die Verwechslungsgefahr
auch nicht aus diesem Gesichtspunkt zu bejahen ist.
III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2
MarkenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
gez.
Unterschriften