Urteil des BPatG vom 22.11.2006

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BUNDESPATENTGERICHT
7 W (pat) 335/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 44 29 227
BPatG 152
08.05
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hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 22. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Das Patent 44
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227 wird beschränkt aufrechterhalten mit
folgenden Unterlagen:
-
Patentanspruch 1 vom 2. November 2006,
- Patentansprüche 2 bis 31 vom 28. September 2006, wobei im
Anspruch 21 „(a)“ durch „(α)“ ersetzt ist,
- Beschreibung Seiten 1 bis 9 vom 28. September 2006, wobei
auf Seite 5, Zeile 7 von unten der Buchstabe „a“ nach dem
Wort „Winkel“ jeweils durch „α“ ersetzt ist,
-
Zeichnung (4 Figuren) gemäß Patentschrift.
G r ü n d e
I.
Gegen das Patent 44 29 227 mit der Bezeichnung
Formvorrichtung und Verfahren zum Formen eines Gegenstandes
mit der Formvorrichtung,
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dessen Erteilung am 16. Oktober 2003 veröffentlicht worden ist, hat die
A… in B …
am 16. Januar 2004 Einspruch erhoben.
Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand
der Technik nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik ist von der Einsprechenden die DE 32 42 280 C2 (kurz
D1) genannt worden.
Darüber hinaus macht die Einsprechende im Hinblick auf die Gegenstände der
erteilten Patentansprüchen 24 und 31 eine offenkundige Vorbenutzung geltend.
Zur Glaubhaftmachung hat sie eine Presse-Information der Fa.
C…
in
D…, mit der Überschrift „Kunststoffkotflügel mit
Signalstreifen“ vom 23. Januar 1991 vorgelegt und Zeugenbeweis angeboten.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung mit einer Zwischenverfügung des
Senats hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 1. September 2006 mitgeteilt,
dass sie an der Verhandlung nicht teilnehmen werde und eine Entscheidung nach
Aktenlage erwarte. Auf Grund der Aktenlage konnte die anberaumte mündliche
Verhandlung aufgehoben werden.
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Die Patentinhaberin hat dem Einspruchsvorbringen widersprochen. Sie hat zuletzt
beantragt,
das Patent 44 29 227 beschränkt aufrechtzuerhalten mit folgenden
Unterlagen:
- Patentanspruch 1 in der mit der Eingabe vom 2. Novem-
ber 2006 eingereichten Fassung,
-
Patentansprüche 2 bis 31 in der mit der Eingabe vom 28. Sep-
tember
2006 eingereichten Fassung, wobei im Unteran-
spruch 21 der Buchstabe „a“ im Zusammenhang mit „einem
Winkel“ durch „α“ zu ersetzen ist,
- Beschreibung Seiten 1 bis 9 in der mit der Eingabe vom
28. September 2006 eingereichten Fassung, wobei auf Sei-
te 5, Zeile 7 von unten der Buchstabe „a“ im Zusammenhang
mit „Der Winkel“ durch „α“ zu ersetzen ist,
-
Zeichnung (4 Figuren) gemäß Patentschrift.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Formvorrichtung (52) zum Formen von Gegenständen mit einem
gekrümmten Profil aus einer kontinuierlichen Bahn aus einem
thermisch verformbaren Material, wobei die Formvorrichtung
- Einrichtungen zur Erzeugung des gekrümmten Profils der
Bahn,
- Einrichtungen zum Ziehen der Bahn über die Einrichtungen
zur Erzeugung des gekrümmten Profils,
- Einrichtungen zum Abtrennen eines geformten Gegenstandes
vom Rest der Bahn und
-
Einrichtungen zum Erhitzen und Kühlen der Bahn aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
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-
dass die Einrichtungen zur Erzeugung des gekrümmten Profils
der Bahn (10) von einer Vielzahl von im Abstand angeord-
neten Formrollen (26, 28, 42) gebildet werden,
-
die an einem Rahmen (54) gehalten sind und
- die an dem Rahmen (54) entsprechend einem gekrümmten
Profil des auf ihnen zu formenden Gegenstands (48) posi-
tionierbar sind,
- dass die Einrichtungen zum Abtrennen eines geformten
Gegenstandes (48) vom Rest der Bahn (10) an einer der
letzten und angetriebenen Formrolle (42) nachgeordneten
Stelle angeordnet sind und
- dass die Einrichtung (24) zum Erhitzen der Bahn (10) vor der
ersten Formrolle (26) und die Einrichtung (46) zum Kühlen der
Bahn (10) nach der ersten Formrolle (26) angeordnet sind.
Der geltende Patentanspruch 19 lautet:
Verfahren zum Formen eines Gegenstandes (48) mit einem
gekrümmten Profil, bei welchem eine Bahn (10) aus einem
thermisch formbaren Material kontinuierlich extrudiert und über
eine Formvorrichtung (52) nach einem der Ansprüche 1 bis 18
geführt wird.
Nach geltender Beschreibung, Seite 2, vorletzter Absatz besteht die zugrunde
liegende Aufgabe darin, das für die Fertigung von Produkten unterschiedlicher
Größe erforderliche Werkzeugaufkommen und demzufolge auch die Kosten dafür
und den dafür bereitzustellenden Lagerraum zu verringern, den Zeitverlust beim
Auswechseln der Werkzeuge für die Fertigung unterschiedlicher Größen zu
reduzieren, die Fertigungsgeschwindigkeit zu steigern, die Trennung des
Endprodukts von der Trommel oder dem Rad zu erleichtern, das Abschneiden des
geformten Materials auf die geforderten Längenstücke zu vereinfachen, und eine
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Verformung des Endprodukts durch Materialschrumpfung auf der Trommel
auszuschließen.
Die Patentansprüche 2 bis 18 bzw. 20 bis 31 sind auf die weitere Ausgestaltung
der Formvorrichtung nach Patentanspruch 1 bzw. auf die weitere Ausgestaltung
des Verfahrens zum Formen eines Gegenstandes nach Patentanspruch 19
gerichtet.
Weitere Einzelheiten sind dem Akteninhalt zu entnehmen.
II.
1. Der Einspruch ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG in der Fassung des
Kostenbereinigungsgesetzes Art. 7 Nr. 37 vom 13. Dezember 2001, geändert
durch das Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Vorschriften des
gewerblichen Rechtsschutzes Art. 1 Nr. 2 vom 9. Dezember 2004 dem Be-
schwerdesenat des Bundespatentgerichts zur Entscheidung zugewiesen.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch
insoweit begründet, als er zu einer Beschränkung des Patents geführt hat.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt in der geltenden Fassung
eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.
Der geltende Patentanspruch 1 geht zurück auf die Patentansprüche 1, 3, 6, 22
und 23 des erteilten Patents unter Einbezug der Beschreibung, Abschnitte [0012]
und [0014]. Der geltende Patentanspruch 2 geht auf die erteilten Patentansprüche
2 bis 5 zurück. Die Offenbarung der geltenden Patentansprüche 3 bis 31 ist durch
die erteilten Patentansprüche 7 - 11, 13 - 21, 24, 25, 28 - 38 sowie 40 und 41
gegeben. Auf die erteilten Patentansprüche
26, 27 sowie 39 hat die
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Patentinhaberin verzichtet (s. Eingabe vom 28. September 2006). Die geltende
Beschreibung geht nicht über den Inhalt der Patentschrift hinaus. Die Änderungen
in den Absätzen
[0001], [0003] sowie [0011] der Beschreibung gemäß
Patentschrift beschränken sich auf reine Anpassungen, die nach den Änderungen
im Anspruchswortlaut erforderlich sind (Seiten
1 und 2 der geltenden
Beschreibung). Die geltenden Unterlagen sind damit zulässig.
Die Formvorrichtung nach Patentanspruch 1 ist neu. Die von der Einsprechenden
aufgegriffene D1, die mit der im Prüfungsverfahren berücksichtigten GB 2 110 157
A zu einer Patentfamilie gehört und mit dieser auf eine gemeinsame Priorität
zurückgeht, zeigt unbestritten eine Formvorrichtung mit den im Oberbegriff des
geltenden Patentanspruchs 1 genannten Merkmalen.
Beim Gegenstand der D1 sind zwar neben einer Biegetrommel weitere
trommelartige Vorrichtungsgegenstände wie Kalanderwalzen und eine Leitwalze
vorhanden, jedoch wird der eigentliche Biegevorgang nur von der einzigen
Biegetrommel erzielt (D1, S.
8, 3.
Abs. sowie Fig.
1 mit Trommel
5,
Kalanderwalzen 3 sowie Leitwalze 4). Demgegenüber unterscheidet sich der
Gegenstand des Streitpatents dadurch, dass zur Formgebung eines
Gegenstandes anstelle einer einzigen Trommel eine Vielzahl von im Abstand
angeordneten Formrollen vorgesehen und diese von einem Rahmen gehalten
sind. Ferner sind nach dem Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 die
Formrollen an dem Rahmen entsprechend einem gekrümmten Profil, also
bogenförmig, des auf ihnen zu formenden Gegenstands positionierbar. Eine
solche einer vorgebbaren und bogenförmig gekrümmten Form folgende
Positioniermöglichkeit weist der Gegenstand der D1 nicht auf. Damit wird deutlich,
dass eine Äquivalenz der Trommel der D1 und der Vielzahl von an einem Rahmen
zielgerichtet positionierbaren Formrollen nicht vorliegt, da keine gleichwirkenden
oder gleichwertigen Austauschmittel für die Formgebung zum Einsatz gelangen,
selbst dann nicht, wenn die Bedeutung des Begriffs „Trommel“ mit der des Begriffs
„Formrolle“ gleichgesetzt würde.
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Die Formvorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1, dessen gewerbliche
Anwendbarkeit nicht bezweifelt wird, beruht auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit. Der zuständige Fachmann ist ein Maschinenbau-Ingenieur auf dem
Gebiet der Werkzeugmaschinen für die Bearbeitung von thermisch formbarem
Kunststoffmaterial. Mit der aus der D1 bekannten Formvorrichtung mit einer
einzigen Trommel und deren durch Breite und Radius festgelegten Abmessungen
kann nur ein Produkt mit eben diesen Eigenschaften hergestellt werden. Nach
S.
8, Abs.
3 der D1 entspricht der Radius der Biegetrommel dabei im
Wesentlichen dem Krümmungsradius des zu fertigenden Produkts (Kotflügel). Der
Fachmann entnimmt dieser Druckschrift, dass er für jedes zu fertigende Produkt
mit bestimmter Breite und Krümmung eine darauf abgestimmte spezielle Trommel
einsetzen muss. Das führt zu den in der Beschreibungseinleitung der
Streitpatentschrift (Abschnitte[0003] bis [0009]) dargestellten Problemen.
Die D1 enthält keinerlei Anregung, zur Herstellung verschiedener Produkte, die
dabei jeweils angestrebte Formgebung durch eine Vielzahl von Trommeln oder
gar Formrollen gemäß den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 zu
erzielen. Sie gibt auch keinen Hinweis in Richtung auf eine Vorrichtung, mit der
beliebige, vorgebbare Profile durch den Einsatz von Formrollen statt Trommeln
herstellbar sind, wie es durch den Sinngehalt des geltenden Patentanspruchs 1
zum Ausdruck kommt.
Da die D1 nur eine einzelne Trommel zur Formgebung einer thermisch formbaren
Bahn offenbart, können auch die übrigen im Kennzeichenteil des Patentan-
spruchs 1 genannten Merkmale, wonach die Einrichtungen zum Abtrennen eines
geformten Gegenstandes vom Rest der Bahn an einer der letzten und
angetriebenen Formrolle nachgeordneten Stelle angeordnet sind, die Einrichtung
zum Erhitzen der Bahn vor der ersten Formrolle und die Einrichtung zum Kühlen
der Bahn nach der ersten Formrolle angeordnet sind, die also eine Vielzahl von
Formrollen voraussetzen, durch sie nicht nahegelegt sein.
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Der geltende Patentanspruch 19 nimmt Bezug auf die Formvorrichtung gemäß
Patentanspruch 1. Er setzt damit die Formvorrichtung zur Durchführung des
Verfahrens voraus. Die Feststellungen zum geltenden Patentanspruch 1 im
Hinblick auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit treffen sinngemäß auch für das
Verfahren des geltenden Patentanspruchs 19 zu.
Auch der Gegenstand der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung nimmt
die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 nicht vorweg und legt diese auch nicht
nahe, da sich das dazu vorgelegte Dokument überhaupt nicht mit Problemen der
Formgebung eines Gegenstandes aus einer kontinuierlichen Bahn beschäftigt. In
dem Dokument werden lediglich die Vorteile einer farbigen Zusatzwulst an einem
Kunststoffkotflügel dargestellt, wobei unklar bleibt, ob der Kotflügel überhaupt
durch eine gattungsgemäße Formvorrichtung hergestellt werden soll. Gleiches gilt
sinngemäß dann auch im Hinblick auf das Verfahren gemäß des geltenden
Patentanspruchs
19. Da auch der von der Einsprechenden angebotene
Zeugenbeweis im Hinblick auf die erteilten Patentansprüche
24 und 31
eingabegemäß nur auf den Nachweis der Bekanntheit einer farbigen Zusatzwulst
an einem Kotflügel abzielt, kann eine darauf ausgeweitete Aufklärung
unterbleiben, weil ein zur Entscheidungsfindung über Haupt- und Nebenanspruch
1 bzw. 19 verwertbarer Beitrag hierdurch nicht erwartet werden konnte.
Die im Prüfungsverfahren berücksichtigte FR 2 281 264 liegt noch weiter ab vom
angefochtenen Patentgegenstand als die D1.
Die Patentansprüche 2 bis 18 bzw. 20 bis 31 sind auf Merkmale gerichtet, mit
denen der Gegenstandes nach Patentanspruch 1 bzw. das Verfahrens nach
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Patentanspruch 19 weiter ausgebildet werden. Die Gegenstände bzw. Verfahren
dieser Ansprüche sind somit ebenfalls patentfähig.
Bei dieser Sachlage war das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.
gez.
Unterschriften