Urteil des BPatG vom 28.05.2003

BPatG: form der ware, dreidimensionale marke, verkehr, unterscheidungskraft, gestaltung, wiedergabe, kennzeichen, produkt, marketing, verbraucher

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 178/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 301 54 335.6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
28. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Stoppel, die Richterin Schwarz-
Angele und den Richter Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die nachfolgend wiedergegebene, als dreidimensionale Marke (im Original farbig)
für eine Vielzahl von Waren der Klassen 29, 30 und 31, darunter
"Brot, feine Backwaren, Konditorwaren"
angemeldete Darstellung
siehe Abb. 1 am Ende
ist von der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patentamts teilweise, und
zwar allein für die vorgenannten Waren, wegen Fehlens jeglicher Unterschei-
dungskraft mit der Begründung zurückgewiesen worden, die Anmeldung er-
schöpfe sich in der bloßen Wiedergabe der äußeren Form der versagten Waren,
der der Verkehr angesichts der marktüblichen Erscheinungsform und der im
Backwarensektor vielfältigen Gestaltungsformen mangels entsprechender Ge-
wöhnung und Anhaltspunkte iS markenrechtlicher Originalität keine Individualität
beimesse, um darin das Kennzeichen eines bestimmten Unternehmens zu sehen.
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Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Anmelder geltend, daß
Schutz primär für die besonderen Gestaltungselemente der Ware und ihrer drei-
dimensionalen Abbildung beansprucht werde. Die für die Bejahung der Unter-
scheidungskraft erforderliche Eigenart ergebe sich aus dem nicht zum vertrauten
Formenschatz gehörenden Erscheinungsbild eines vertikal aufgeschnittenen
Brotlaibs mit Frischkäsefüllung, was für das angesprochene Warengebiet neu sei,
aus dem Rahmen des üblichen falle und damit typisch auf den Anmelder als Her-
steller hinweise.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Für den Senat ist bereits zweifelhaft, ob der angemeldeten Form, die sich auch
nach dem Vorbringen des Anmelders in einer naturalistischen Wiedergabe der
versagten Waren erschöpft, als dreidimensionales Gebilde überhaupt Markenfä-
higkeit im Sinne von § 3 MarkenG zukommt oder ob nicht ein Fall des § 3 Absatz
2 MarkenG vorliegt, denn der Anmelder trägt selbst vor, daß die Ware von der be-
sonderen Formgebung geprägt sei und mithin aus einer Form bestehe, die durch
die Art der Ware bedingt wird. Unabhängig von dieser Vorfrage fehlt der angemel-
deten Darstellung aber auch nach Auffassung des Senats zumindest jegliche Un-
terscheidungskraft; sie ist daher nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung
in das Markenregister ausgeschlossen.
Die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Gebilden der vorliegenden Art nach
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erfordert wie bei allen anderen markenfähigen Dar-
stellungen die Feststellung von Tatsachen, ob und inwieweit der Verkehr diesen in
bezug auf die konkret beanspruchten Waren eine Hinweisfunktion auf die betrieb-
liche Herkunft der Waren beimißt. Dabei ist von dem Erfahrungssatz auszugehen,
daß bei Marken, die lediglich aus der Form der Ware bestehen, eine Eignung, sie
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von Erzeugnissen anderer Unternehmen zu unterscheiden, idR nur dann gegeben
ist, wenn sie durch ihre Eigenheiten auffallen, vom Gewohnten und Erwarteten
abweichen und dadurch im Gedächtnis der Abnehmer haften bleiben. Das ist vor-
liegend ersichtlich nicht der Fall, da es sich bei der beanspruchten Darstellung um
typische Aufbackrohlinge handelt, wie sie in jedem Supermarkt zu finden sind. Da
der Verkehr auf dem vorliegend beanspruchten Gebiet der Backwaren an die Ver-
wendung solcher Formen als bloße Warengestaltung gewöhnt ist, stellt sich für ihn
die als Marke beanspruchte Darstellung mithin nur als ein Produkt unter vielen
ohne jegliche betriebliche Hinweisfunktion dar. Das gilt selbst bei einer erstmali-
gen Verwendung dieser speziellen Form, wie sie vom Anmelder behauptet wird,
da wie ausgeführt auf dem Gebiet der versagten Waren im Zuge entsprechender
Marketing- und Absatzmaßnahmen ständig neue Warenformen von verschiede-
nen Herstellern auf dem Markt erscheinen, wovon bereits die Markenstelle zurecht
ausgegangen ist und wovon sich jedermann bei einem Blick in das Warenangebot
zB eines Supermarktes überzeugen kann. Der Anmelder verkennt in diesem Zu-
sammenhang, daß bei der speziellen Gestaltung von Waren der vorliegenden Art
zwar durchaus eine gewisse Kreativität mitspielen kann, diese die angemeldete
Form aber nicht zwingend phantasievoll im Sinne einer unterscheidungskräftigen
Marke macht. Denn Kreativität bei der Gestaltung von Erzeugnissen ist auch und
gerade auf dem fraglichen Warensektor zur Erweckung eines Kaufanreizes von
besonderer Bedeutung. Eine neu eingeführte Form, zumal wenn sie sich wie vor-
liegend an vertraute Erscheinungsbilder anlehnt, vermag deshalb beim Verbrau-
cher nicht zwangsläufig schon den Eindruck zu erwecken, es handele sich um die
speziell kennzeichnende Form der Ware eines bestimmten Unternehmens.
Dagegen spricht auch der Umstand, daß der Verkehr dem Marktauftritt in dieser
Form bei den vorliegend versagten Waren tagtäglich ausgesetzt ist, so daß bei
ihm eine Gewöhnung eingetreten ist, in einer solchen Darstellung der Ware nur
diese selbst zu sehen, der äußeren Formgebung indes keinerlei kennzeichnende
Funktion beizumessen, solange sich diese in dem ihm geläufigen verkehrsübli-
chen Rahmen bewegt. Daß die angemeldete Darstellung bzw. die Formgebung
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der Ware selbst über diesen Rahmen hinausgeht und über die im Sinne modernen
Lebensmitteldesigns ansprechende Gestaltung der Ware hinausreichende Ele-
mente aufweist, die sich von einer bloßen Warendarstellung - und zwar gerade auf
dem vorliegenden Warengebiet - individualisierbar abheben, ist für den Senat
nicht ersichtlich. Die abgebildete Ware bzw. die Ware selbst müsste vielmehr
Gestaltungselemente aufweisen, die sich von den bereits üblichen Gestaltungen
soweit abheben, daß der Verkehr in der Ware nicht nur eine beliebige und mögli-
cherweise ansprechende Variation der bereits bekannten Formen sieht, sondern
darüber hinaus das Kennzeichen eines Unternehmens. Das ist indes wie ausge-
führt vorliegend nicht der Fall.
Aufgrund dieser tatsächlichen wie rechtlichen Umstände muß im Ergebnis davon
ausgegangen werden, daß der Verkehr der Formgebung der beanspruchten Wa-
ren und der gewählten Darstellungsform grundsätzlich nicht die Bedeutung als
betrieblicher Herkunftshinweis beimißt, sondern diese nur als Teil der Ware bzw.
als die Ware selbst ansieht. Markenrechtlich bedeutet diese Feststellung, daß der
angemeldeten Darstellung zumindest in Bezug auf die versagten Waren jegliche
Unterscheidungskraft fehlt und ihr deshalb von der Markenstelle zurecht insoweit
die Eintragung versagt worden ist, so daß auch die Beschwerde als unbegründet
zurückgewiesen werden mußte.
Stoppel Schwarz-Angele
Paetzold
Bb
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Abb. 1