Urteil des BPatG vom 02.11.2009

BPatG (marke, bestandteil, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, zeichen, beschwerde, publikum, grad, gefahr, klasse)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 92/09
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
2. November 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 305 46 038
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2009 durch Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht, Richter Dr. van Raden und Richter Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der am 5. August 2005 angemel-
deten, für
geschützten Marke Nr. 305 46 038
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Widerspruch eingelegt aus ihrer am 28. Februar 2005 angemeldeten und seit
30. November 2005 für
eingetragenen Gemeinschafts-Bildmarke 2 596 609
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Erstbeschluss vom 11. Dezember 2006 und Erinnerungsbeschluss vom 10. Sep-
tember 2008 den Widerspruch mangels hinreichender Zeichenähnlichkeit zurück-
gewiesen. Durch die unterschiedliche grafische Ausgestaltung, besonders aber
durch die unterschiedlichen Wortbestandteile unterschieden sich beide Marken so
weit, dass trotz der teilweisen Warenidentität angesichts der geringen Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke als Zahl, die sich in der Größenordnung von
Konfektionsgrößen bewege, eine Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten sei.
Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr bestehe nicht, weil der übereinstim-
mende Bestandteil „SEVENTY“ zum einen in der jüngeren Marke sich als Teil
eines durch den Zahlbegriff 77 geprägten Gesamtbegriffs darstelle und zum ande-
ren schon wegen der Eignung als Größenangabe nicht als Stammbestandteil einer
möglichen Markenserie in Betracht komme.
Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie
hält ihre Marke für durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Die Marken seien auch
hinreichend ähnlich, da der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke in der jünge-
ren Marke vollständig, und zwar am besonders beachteten Wortanfang, enthalten
sei und „Seven“ verdoppelt auftrete.
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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 11. Dezember 2006 und vom
10. September 2008 aufzuheben und die Löschung der Marke
305 46 038 anzuordnen.
Die Markeninhaberin schließt sich im Wesentlichen der Argumentation der Mar-
kenstelle an und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu
Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Wider-
spruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken
nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückge-
wiesen.
Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren
Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden
Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähn-
lichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die
Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinan-
der gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Diese Komponenten ste-
hen miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer
Komponente durch den größeren Grad einer anderen ausgeglichen werden kann
(st. Rspr.; vgl. EuGH, MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] - Lloyd/Loints; BGH
GRUR 1999, 241, 243 - Lions).
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Bei den vorliegenden Marken ist der Grad der Markenähnlichkeit zu gering, um
trotz hochgradiger Warenähnlichkeit selbst bei normaler Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
Für die Annahme verminderter Kennzeichnungskraft bestehen allerdings Anhalts-
punkte, weil die Widerspruchsmarke einen warenbeschreibenden Sinngehalt, Grö-
ßenangabe im Modebereich, aufweist.
Selbst bei einer maximal zugrunde zu legenden durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke ist hier aber eine Verwechslungsgefahr zu ver-
neinen, weil der Grad an Zeichenähnlichkeit zu gering ist.
In ihrem Gesamteindruck, von dem die Beurteilung der Markenähnlichkeit vorran-
gig abhängt (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390, Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR
2000, 233 f. - Rausch/Elfi Rauch), unterscheiden sich beide Marken infolge der in
der Widerspruchsmarke nicht enthaltenen Ziffernfolge in der jüngeren Marke „77“,
die die Wortbestandteile „SEVENTY“ und „SEVEN“ erläutert und zu einem
Gesamtbegriff zusammenfügt, so deutlich voneinander, dass das Publikum keine
Mühe hat, beide Zeichen voneinander abzugrenzen. Grafisch ebenso wie klang-
lich und begrifflich können die Unterschiede nicht hinter der Gemeinsamkeit, dem
Wortbestandteil „SEVENTY“, zurücktreten. Entgegen der Ansicht der Widerspre-
chenden dominiert oder prägt der beiden Marken gemeinsame Wortbestandteil
den durch die jüngere Marke hervorgerufenen Gesamteindruck nicht. Das ange-
sprochene Publikum, angesichts der beanspruchten Waren die inländische
Gesamtbevölkerung, hat nämlich aufgrund der Bedeutung und der Gestaltung der
jüngeren Marke, die unübersehbar das englischsprachige Zahlwort „SEVENTY
SEVEN“, also „siebenundsiebzig“, darstellt, keinen Anlass, diese auf den
Bestandteil „SEVENTY“ zu verkürzen oder in „Seventy“ den kennzeichnenden Teil
zu sehen.
Eine Markenähnlichkeit ergibt sich vorliegend auch nicht in Form des gedankli-
chen Inverbindungbringens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz MarkenG, der
nur zu bejahen ist, wenn der Verbraucher zwar die hinter den Zeichen stehenden
Unternehmen auseinanderhält, aber unzutreffend den Eindruck gewinnt, diese
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seien wirtschaftlich miteinander verbunden. Die zusätzlichen Bestandteile der jün-
geren Marke, nämlich „77 SEVEN“, stellen kein zu „SEVENTY“ hinzugefügtes
Unternehmenskennzeichen der Inhaberin der angegriffenen Marke dar. Auch
sonst kann der übereinstimmende Bestandteil „SEVENTY“ nicht als besonderer
Herkunftshinweis auf die Widersprechende angesehen werden. Das Publikum ent-
nimmt dem übereinstimmenden Element keinen Hinweis auf den Inhaber der älte-
ren Marke, weil „Seventy“ kein Stamm mehrerer Zeichen der Widersprechenden
ist. Weder hat die Widersprechende bereits eine Zeichenserie mit dem Bestandteil
„SEVENTY“ gebildet noch kann angenommen werden, dass das Publikum diesen
Bestandteil, der im Bekleidungsbereich auch eine Größenangabe darstellen kann,
als geeignet für die Bildung einer Zeichenserie ansieht (vgl. BGH GRUR 1999,
587, 589 - Cefallone).
Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1
Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, bleibt es
dabei, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu
tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Dr. Albrecht
Kruppa
Dr. van Raden
Ju/Fa