Urteil des BPatG vom 10.07.2009

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 3/09
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
10. Juli 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent DE 197 48 853
- 2 -
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2009 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt sowie der Richter Baumgärtner,
Dipl.-Phys. Dr. Morawek und Dipl.-Phys. Dr. M. Müller
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
27. September 2004 aufgehoben und das Patent DE 197 48 853
widerrufen.
G r ü n d e
I
Auf die am 5. November 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter In-
anspruchnahme der japanischen Priorität 9-138673 vom 28. Mai 1997 eingegan-
gene Patentanmeldung wurde das Patent 197 48 853 mit der Bezeichnung „Wär-
meempfindlicher Luftmassensensor und Einlasssystem einer Brennkraftmaschine“
erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 7. September 2000.
Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut (mit Merkmalsgliederung):
M1
Wärmeempfindlicher Luftmassensensor, umfassend:
M2
ein in einem Hauptrohr (1) angeordnetes Messrohr (21, 43, 62);
M3
ein in dem Messrohr (21, 43, 62) angeordnetes Flussmassenmessele-
ment (7) zur Feststellung der Masse eines Gases, welches in dem
Hauptrohr (1) fließt; und
M4
ein Vergleichmäßigungsteil (24, 27, 30, 33, 36, 48, 51, 54, 57, 63),
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M5
welches zwischen Hauptrohr (1) und Messrohr (21, 43, 62) in Axialrich-
tung des Messrohrs (21, 43, 62) angeordnet ist,
M6
um das in das Messrohr (21, 43, 62) hineinfließende Gas dadurch zu
vergleichmäßigen, dass das in dem Hauptrohr (1) fließende Gas ver-
gleichmäßigt wird,
M7
wobei das Vergleichmäßigungsteil (24, 27, 30, 33, 36, 48, 51, 54, 57,
63) nicht den gesamten Zwischenraum zwischen Hauptrohr (1) und
Messrohr (21, 43, 62) überbrückt
M8
und sich nur über die Länge des Messrohrs (21, 43, 62) oder weniger
erstreckt.
Der erteilte, nebengeordnete Patentanspruch 2 weist anstatt der Merkmalsgrup-
pe M8 die Merkmalsgruppe M8' auf:
M8'
und wobei das Vergleichmäßigungsteil (24, 27, 30, 33, 36, 63) am
Messrohr (21, 43, 62) angeordnet ist.
Der erteilte, nebengeordnete Patentanspruch 7 hat folgenden Wortlaut (mit Merk-
malsgliederung):
N1
Einlasssystem für eine Brennkraftmaschine,
N2
umfassend einen wärmeempfindlichen Luftmassensensor nach einem
der Ansprüche 1 bis 6,
N3
wobei das Hauptrohr (1) ein Einlassrohr (41, 64) ist, in welchem An-
saugluft fließt.
Für die weiteren abhängigen Patentansprüche 3 bis 6 und 8 wird auf die Patent-
schrift verwiesen.
- 4 -
Nach Prüfung des für zulässig erachteten Einspruchs hat die Patentabteilung 52
des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent mit Beschluss vom 27. Sep-
tember 2004 in vollem Umfang aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden, mit der
sie den Widerruf des Patents weiterverfolgt.
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und
Markenamtes vom 27. September 2004 aufzuheben und das Pa-
tent DE 197 48 853 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit den Pa-
tentansprüchen 1 bis 8 gemäß dem am 17. April 2009 bei Gericht
eingegangenem Hilfsantrag,
weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß Hilfsan-
trag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung am
23. April 2009, im Übrigen jeweils mit den erteilten Unterlagen,
und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen.
Die Patentansprüche gemäß dem Hilfsantrag vom 17. April 2009 weisen im Unter-
schied zu den erteilten Patentansprüchen lediglich in den Ansprüchen 1 und 2 in
Merkmalsgruppe M2 nach dem Wort "Hauptrohr" noch den Zusatz "und außerhalb
eines Bypass" auf.
Die Patentansprüche gemäß dem Hilfsantrag 2 vom 23. April 2009 weisen im Un-
terschied zu den erteilten Patentansprüchen lediglich in den Ansprüchen 1 und 2
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zwischen Merkmalsgruppe M3 und M4 noch zusätzlich folgende Merkmalsgrup-
pen auf:
M3.1
ein in dem Messrohr (21, 43, 62) angeordnetes wärmeempfindliches Wi-
derstandselement (8) zur Messung der Temperatur des Gases, welches
in dem Hauptrohr (1) fließt;
M3.2
eine elektrisch mit dem Flussmassenmesselement (7) und dem wärme-
empfindlichen Widerstandselement (8) verbundene Regelschaltung (23)
zum Aufheizen des Flussmassenmesselement (7) derart,
M3.3
dass dieses eine vorgegebene Temperaturdifferenz zu der Temperatur
aufweist, welche durch das wärmeempfindliche Widerstandelement (8)
gemessen wird,
M3.4
wobei die Regelschaltung (23) zudem einen Strom entsprechend der
Aufheizung des Flussmassenmesselements (7) in ein Ausgangssignal
des wärmeempfindlichen Luftmassensensors umwandelt.
Die Patentinhaberin ist der Auffassung, dass die Gegenstände der verteidigten
Patentansprüche neu und vom Stand der Technik auch nicht nahegelegt seien.
Die Einsprechende führt aus, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 ge-
mäß den Haupt- und Hilfsanträgen gegenüber der im Einspruchsverfahren u. a.
berücksichtigten Druckschrift
E5
EP 0 803 712 A2
nicht neu seien.
Die Patentinhaberin mit Sitz in T…, JP, hat inzwischen auch die mit Be-
schluss vom 23. April 2009 angeforderte Vollmacht als Inlandsvertreter (§ 25
Abs. 1 PatG) im Original zu den Akten gereicht
- 6 -
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die zulässige Beschwerde ist begründet, da die Gegenstände der Patentansprü-
che 1 gemäß den Haupt- und Hilfsanträgen nicht patentfähig sind. Sie sind nicht
mehr neu gegenüber dem Stand der Technik nach Druckschrift E5.
1. Die seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung des Ein-
spruchsvorbringens hat ergeben, dass der Einspruch in zulässiger Weise erhoben
worden ist. Denn der auf mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes
gestützte Einspruch ist innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des
§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit des
Einspruchs ist von der Patentinhaberin auch nicht bestritten worden.
2. Das Streitpatent befasst sich mit wärmeempfindlichen Luftmassensensoren, wie
sie beispielsweise im Ansaugrohr einer Brennkraftmaschine zur Messung der
Masse der Ansaugluft verwendet werden.
Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Fachrich-
tung Elektrotechnik oder einen Diplom-Physiker, der mit der Konstruktion und dem
Betrieb von thermischen Luftmassensensoren vertraut ist.
2.1. Der im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchte Luftmassensensor ist nicht
neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß der Druckschrift E5 aus der alle
Merkmale des Anspruchs 1 bekannt sind. Die Druckschrift E5 ist zwar nachveröf-
fentlicht, gilt aber aufgrund ihres älteren Zeitrangs gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 PatG
als Stand der Technik bei der Neuheitsprüfung.
- 7 -
Aus der Druckschrift E5 (siehe insbesondere die Fig. 11a, b in Verbindung mit
Fig. 1a, b, jeweils mit zugehöriger Beschreibung) ist ein
M1=
wärmeempfindlicher Luftmassensensor 13 (airflow meter) bekannt, um-
fassend:
M2=
ein in einem Hauptrohr 11 (intake pipe) angeordnetes Messrohr 15
(measuring body);
M3=
ein in dem Messrohr 15 angeordnetes Flussmassenmesselement 29, 30
(heat generating element und temperature sensing element auf Trä-
gern 31, 32 (supporting members)) zur Feststellung der Masse eines
Gases, welches in dem Hauptrohr 11 fließt; und
M4=
ein Vergleichmäßigungsteil 41 (wall),
M5=
welches zwischen Hauptrohr 11 und Messrohr 15 in Axialrichtung des
Messrohrs 15 angeordnet ist (siehe Fig. 11a, b),
M6=
um das in das Messrohr 15 hineinfließende Gas dadurch zu vergleich-
mäßigen, dass das in dem Hauptrohr 11 fließende Gas vergleichmäßigt
wird (siehe Spalte 18, Zeilen 13 bis 16: "Thereby, an effect of whirl flow
which is generated within the intake pipe 11 on the outlet flow of the by-
pass passage 18 is lessened and the outlet flow of the bypass passa-
ge 18 is stabilized."),
M7=
wobei das Vergleichmäßigungsteil 41 nicht den gesamten Zwischen-
raum zwischen Hauptrohr 11 und Messrohr 15 überbrückt (siehe
Fig. 11a, b)
M8=
und sich über weniger als die Länge des Messrohrs 15 erstreckt (siehe
Seitenansicht gemäß Fig. 11b).
2.2. Da die Patentinhaberin die Vollmacht des Inlandsvertreters rechtzeitig vorge-
legt hat, hat sie das bis dahin bestehende Verfahrenshindernis beseitigt, so dass
die von ihr gestellten Hilfsanträge zu berücksichtigen sind. Sie führen aber nicht zu
einer erfolgreichen Verteidigung des Streitpatents.
- 8 -
a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag vom 17. April 2009
ist nicht neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift E5, da das
weitere Merkmal "und außerhalb eines Bypass" ebenfalls aus der Druckschrift E5
bekannt ist.
Gemäß diesem Hilfsantrag ist beim Patentanspruch 1 gegenüber dem erteilten
Patentanspruch 1 das Messrohr in einem Hauptrohr und außerhalb eines Bypass
angeordnet (siehe Merkmalsgruppe M2). Bei dem wärmeempfindlichen Luftmas-
sensensor gemäß der Druckschrift E5 ist das Messrohr 15 ebenfalls nur in einem
Hauptrohr 11 angeordnet (siehe Fig. 11b) und somit auch nicht innerhalb eines
weiteren Rohres oder Bypasses.
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 vom
23. April 2009 ist nicht neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift
E5, da aus der Druckschrift E5 auch die weiteren Merkmale M3.1 bis M3.4 be-
kannt sind.
Der wärmeempfindliche Luftmassensensor gemäß Druckschrift E5 weist ebenfalls
M3.1=
ein in dem Messrohr 15 angeordnetes wärmeempfindliches Wider-
standselement 30 (temperature sensing element) zur Messung der
Temperatur des Gases auf, welches in dem Hauptrohr 11 fließt; und
M3.2=
eine elektrisch mit dem Flussmassenmesselement 29 (heat generating
element) und dem wärmeempfindlichen Widerstandselement 30 verbun-
dene Regelschaltung 14 (circuit module) zum Aufheizen des Flussmas-
senmesselement 29 (siehe Spalte 10, Zeilen 25 bis 38) derart,
M3.3=
dass dieses eine vorgegebene Temperaturdifferenz zu der Temperatur
aufweist (siehe Spalte 11, Zeilen 22, 23: "temperature difference be-
comes constant"), welche durch das wärmeempfindliche Widerstands-
element 30 gemessen wird,
- 9 -
M3.4=
wobei die Regelschaltung 14 zudem einen Strom (siehe Spalte 11, Zei-
le 24: "value of current") entsprechend der Aufheizung des
Flussmassenmesselements
30
in
ein
Ausgangssignal
des
wärmeempfindlichen Luftmassensensors umwandelt ("to measure the
intake airflow amount", siehe insgesamt in Spalte 11, Zeilen 19 bis 25).
Die Merkmale in den weiteren unabhängigen Patentansprüchen der Haupt- und
Hilfsanträge sind ebenfalls alle aus der Druckschrift E5 bekannt. Das Vergleichmä-
ßigungsteil 41 ist bei dem Luftmassensensor nach der E5 ebenfalls am Mess-
rohr 15 angeordnet (siehe Fig. 11a), gemäß Merkmalsgruppe M8' und der Luft-
massensensor 13 ist in einem Einlasssystem für eine Brennkraftmaschine ange-
ordnet, wobei das Hauptrohr ein Einlassrohr ist, in welchem Ansaugluft fließt, ge-
mäß den Merkmalsgruppen N1 bis N3 (siehe Spalte 8, Zeilen 43 bis 47).
Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Patent zu wi-
derrufen.
Dr. Winterfeldt
Baumgärtner
Dr. Morawek
Dr. Müller
Ko