Urteil des BPatG vom 20.12.2001

BPatG (marke, bestandteil, verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, beschwerde, beurteilung, gesamteindruck, eintragung, ware, verkehr)

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 158/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke 2 075 949
BPatG 152
10.99
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hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 20. Dezember 2001 des Vorsitzenden Richters Kliems sowie der
Richter Brandt und Engels
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewie-
sen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Magal-ISIS
ist am 30. März 1994 zur Eintragung für "Pharmazeutische Erzeugnisse, Arznei-
mittel" in das Markenregister angemeldet worden. Die Veröffentlichung der Eintra-
gung erfolgte am 30. September 1994.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 5. Februar 1993 zur Eintragung
angemeldeten und am 8. Juli 1998 für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich
rezeptpflichtige Magen-Darm-Präparate" eingetragenen Marke 2 104 961
Megal.
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Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in
einem Beschluss eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und
den Widerspruch zurückgewiesen. Ausgehend von möglicher Warenidentität,
einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und deshalb stren-
gen Anforderungen an den Markenabstand, welche wegen des auf Seiten der
Widerspruchsmarke angesprochenen Fachverkehrs etwas zu mildern seien, halte
die angegriffene Marke einen ausreichenden Markenabstand ein. Dem grundsätz-
lich maßgeblichen Gesamteindruck nach könne eine Ähnlichkeit der Marken
schon wegen des in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteil "ISIS" aus-
geschlossen werde, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finde. Ein
allein kollisionsbegründende Stellung von "Magal" scheide aus, da es sich um eine
Verkürzung der Wirkstoffbezeichnung (INN) "Magaldrat" handele. Dieser
Bestandteil der jüngeren Marke sei deshalb eher von unterdurchschnittlicher
Kennzeichnungskraft und könne deshalb gegenüber der reinen Phantasiebe-
zeichnung "ISIS" keine das Gesamtzeichen überwiegend prägende Kraft besitzen,
auch wenn es sich hierbei um das Firmenschlagwort der Widersprechenden han-
dele. Diesem komme vielmehr im Kollisionsfalle neben einem kennzeichnungs-
schwachen Markenbestandteil nach der Rechtsprechung des Bundespatentge-
richts eine entscheidende Bedeutung zu.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung
der angegriffenen Marke anzuordnen.
Eine Verwechslungsgefahr sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass die jüngere
Marke zusätzlich ein Firmenschlagwort aufweise, welches gegenüber der mit der
Widerspruchsmarke nahezu identischen Produktbezeichnung in der Hintergrund
trete. Der Verkehr unterscheide nämlich meist nicht nach dem Herstellernamen,
sondern nach der Produktkennzeichnung. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der
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Verkehr wisse, dass der Hersteller eine ganze Produktpalette unter unterschiedli-
chen Kennzeichnungen anbiete.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht
geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die
Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie
form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache
hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des
Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der
Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden,
§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.
Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels entgegenstehender Anhalts-
punkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen
Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.
Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die gegenüberste-
henden Marken wegen der weiten Oberbegriffe "Pharmazeutische Erzeugnisse"
und "Arzneimittel" im Warenverzeichnis der jüngeren Marke auf identischen
Waren, nämlich Arzneimitteln zur Behandlung von Magen-Darm Erkrankungen
begegnen. Jedoch wirkt sich zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke
kollisionsmindernd die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke festge-
schriebene Rezeptpflicht aus. Denn als maßgebende Verkehrskreise stehen bei
rezeptpflichtigen Arzneimitteln Fachleute, insbesondere Ärzte und Apotheker,
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deutlich im Vordergrund (BGH GRUR 1993, 118, 119 - Corvaton / Corvasal;
GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal / Indohexal), was in gewissem Umfang auch bei
nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muss (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 154,
156 - Cefallone). Diese sind aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im
Umgang mit Arzneimitteln sehr sorgfältig und unterliegen daher Markenverwechs-
lungen weniger als Endverbraucher (vgl hierzu auch BGH MarkenR 2000, 138,
139 - Ketof / ETOP; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 219 - Taxanil), was nicht nur
der klanglichen, sondern auch der hier im Vordergrund stehenden schriftlichen
Verwechslungsgefahr deutlich verwechslungsmindernd entgegenwirkt (vgl
BPatGE 44, 33 - ORBENIN). Wenngleich hierdurch weder Markenbenennungen
durch weniger geschulte medizinische Hilfskräfte oder durch Laien ausgeschlos-
sen werden können (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), so sind diese
doch deutlich reduziert. Im übrigen ist auch bei Laien grundsätzlich nicht auf einen
sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich
informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen
Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch
sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH
GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239
unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit
zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH
GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).
Selbst wenn danach unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung
einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG noch strenge
Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu
stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats den-
noch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen
zu bejahen wäre.
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Eine Verwechslungsgefahr kann vorliegend von vornherein nur dann in Betracht
gezogen werden, wenn für die Beurteilung der Ähnlichkeit der angegriffenen
Marke "Magal-ISIS" mit der Widerspruchsmarke "Megal" dem Firmenbestandteil
"ISIS" nur eine untergeordnete und dem Wortbestandteil "Magal" eine selbständig
kollisionsbegründende Bedeutung zukommt. Hieran fehlt es nach Auffassung des
Senats.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann - abweichend von
dem Grundsatz, dass zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr
einander gegenüberstehenden Bezeichnungen auf den Gesamteindruck der
jeweiligen Marke abzustellen ist - unter Umständen einem einzelnen Bestandteil
einer Marke eine die Gesamtmarke prägende Kennzeichnungskraft beizumessen
und deshalb bei einer Übereinstimmung einer anderen Kennzeichnung mit der so
geprägten Marke die Verwechslungsgefahr zu bejahen sein (vgl BGH MarkenR
2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH mwN). In diesem Zusammenhang ent-
spricht es auch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Beur-
teilung der Bedeutung eines Herstellernamens in mehrgliedrigen Kombinations-
zeichen, insbesondere auch für den Bereich der Arzneimittelkennzeichnungen,
dass die zusammen mit dem produktbezogenen Sortennamen verwendete Her-
stellerangabe häufig in den Hintergrund tritt, weil der Verkehr auch auf dem Gebiet
der pharmazeutischen Mittel die Waren meist nicht nach dem Namen des
Herstellers unterscheide, sondern seine Aufmerksamkeit mehr auf die sonstigen
Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richte (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817
- Nitrangin / Nitrangin Isis; LORA DI RECOARO, MarkenR 1999, 161, 163 mwN;
vgl auch Jaeger, MarkenR 1999, 217 ff). Jedoch hat der Bundesgerichtshof stets
gleichzeitig betont, dass es verfehlt wäre, insoweit von einem Regelsatz auszuge-
hen und es vielmehr der Beurteilung des Einzelfalles vorbehalten bleibe, ob aus
der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe im Gesamtzeichen in den Hinter-
grund trete oder nicht (vgl BGH MarkenR 1999, 161, 162 - LORA DI RECOARO;
GRUR 1998, 927, 929 - COMPO-SANA; GRUR 1997, 897, 899 - IONOFIL). Maß-
geblich hierfür ist neben der Bekanntheit oder Erkennbarkeit der Herstellerangabe
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die Kennzeichnungskraft der Produktbezeichnung und damit die Eignung zur Prä-
gung des Gesamteindrucks (BGH Nitrangin aaO; BGH GRUR 1996, 404, 405
- Blendax Pep; vgl auch BPatG GRUR 1998, 821, 823 - Tumarol / DURADOL
Mundipharma).
Auch wenn der Senat es im Hinblick auf die nach dem Erwägungsgrund 10 zur
MarkenRL insbesondere zu berücksichtigende Herkunftsfunktion einer Marke, die
in der jüngsten Rechtsprechung des EuGH zur Warenähnlichkeit (WRP 1998,
1165, 1166 - Canon; MarkenR 2001, 403, 405 Tz 23 und 24 - Bravo) sowie des
BGH (zB MarkenR 1999, 61, 63 - LIBERO; MarkenR 2001, 29, 30 - SWISS
ARMY) besonders herausgestellt wird, für bedenklich hält, von einem derartigen
Regel- Ausnahmeverhältnis bei der Beurteilung von Herstellerangaben in Verbin-
dung mit weiteren, produktidentifizierenden Bezeichnungen auszugehen, da
gerade Firmenschlagworte sich regelmäßig in hohem Maße dazu eignen, den
beteiligten Verkehrskreisen den Aspekt der "Ursprungsidentität" der gekennzeich-
neten Ware oder Dienstleistung zu vermitteln und Markeninhaber auch gegen eine
auf dem Firmenschlagwort beruhende irrtümlich fehlerhafte betriebliche
Zuordnung zu schützen sind (vgl hierzu ausführlich Kliems, Reduzierter Schutz für
Unternehmenskennzeichen in kollidierenden Marken? GRUR 2001, 635 ff), bedarf
dies vorliegend keiner Vertiefung. Denn entgegen der Ansicht der Wider-
sprechenden ist vorliegend auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht davon auszugehen, dass der auf die Firmenkennzeich-
nung "Alpharma-Isis" hinweisende Bestandteil "ISIS" in der angegriffenen Marke in
den Hintergrund tritt und "Magal" als eigentliche Produktbezeichnung den
Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägt.
Wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt ist, lehnt sich "Magal"
erkennbar an die Wirkstoffbezeichnung (INN) "Magaldrat" an, eines vielfach für
Magen-Darm Arzneimittel verwendeten Wirkstoffs, und besitzt deshalb nur eine
verringerte Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis oder Produktkennzeich-
nung. Hieraus folgt, dass - anders als in der BGH-Entscheidung "Nitrangin /
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Nitrangin Isis", wo dem Markenbestandteil "Nitrangin" wegen der Zusammenzie-
hung von zwei verschiedenen Fachausdrücken eine normale Kennzeichnungskraft
zuerkannt wurde (vgl GRUR 1998, 815, 816)
- nicht von einer normalen
Kennzeichnungskraft des Bestandteils "Magal" auszugehen ist, sondern eher von
einer gewissen Kennzeichnungsschwäche, die einer alleinigen Prägung des
Gesamteindrucks entgegensteht (vgl hierzu auch BPatG GRUR 1982, 105
- paracet von ct / PARA-CET Woelm mit Hinweis auf BGH GRUR 1965, 183
- derma; COMPO - SANA, aaO, 928 re Sp, 929 li Sp, zur Frage alleiniger Prägung
vgl auch BGH MarkenR 2000, 20, 21 und 22 – RAUSCH / ELFI RAUCH).
Dies belegt auch die Registerlage, nach der für die Klasse 5 neben "Magaldrat"-
Drittmarken eine andere Marke mit dem identischen Bestandteil "Magal" und
unterschiedlichem Herstellerhinweis (Magal-Azu) und weitere "Maga"-Marken ein-
getragen sind, sowie das aus dem Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" unter der
Hauptgruppe "Magen-Darm-Mittel" ersichtliche Marktangebot weiterer "Maga"-
Marken bzw "Magaldrat"-Marken. Schon deshalb werden jedenfalls die vorliegend
im Vordergrund stehenden Fachleute, aber auch interessierte Laien in dem
Bestandteil "Magal" eher keinen selbständigen betrieblichen Herkunftshinweis
sehen und ausschließlich diesen zur Unterscheidung heranziehen. Hierbei ist
auch zu berücksichtigen, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke eine große
Anzahl von Marken besitzt, in denen dem "ISIS" ein glatter oder deutlich erkenn-
barer Sachhinweis vorangestellt ist, so dass auch bei der konkret angegriffenen
Marke um so leichter der Eindruck entstehen kann, es handle sich wiederum um
einen unmittelbaren oder leicht abgewandelten Sach(Wirkstoff)hinweis (anders als
in der oben schon genannten BGH-Entscheidung "Nitrangin / Nitrangin Isis"), der
zur Abgrenzung von entsprechenden Produkten anderer Unternehmen eines
weiteren Unterscheidungsmerkmals bedarf. Hinzu kommt, dass "Isis" nur ein
Bestandteil einer in der Vergangenheit mehrfach geänderten, zusammengesetzten
Unternehmensbezeichnung ist (ISIS Puren, ISIS Pharma, Alpharma-Isis) und es
deshalb auch nahe liegt, den Bestandteil "ISIS" in der jüngeren Marke als
Stammbestandteilteil einer Markenserie der Inhaberin der angegriffenen Marke zu
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sehen, so dass dieser für den maßgeblichen Gesamteindruck um so weniger ver-
nachlässigt werden darf. Aber auch bei fehlenden Fachkenntnissen haben Ver-
braucher keinen Anlass, sich ausschließlich oder hauptsächlich an diesem Mar-
kenbestandteil zu orientieren. Diese werden vielmehr in der Regel in "ISIS" eine
zusätzliche Unterscheidungshilfe sehen, die in einer für das Gesamtzeichen
jedenfalls mitbestimmenden Art eingesetzt ist (vgl dazu BGH GRUR 1996, 406 f
- JUWEL; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 25 W (pat) 061/97 lovasta von ct
ROWASA; PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 137/99 Propafen-ISIS #
POSTAFENE), zumal bei Laien auch nicht ohne weiteres davon auszugehen ist,
dass ihnen "ISIS" als Firmenschlagwort geläufig ist.
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Engels
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