Urteil des BPatG vom 15.02.2007

BPatG (stand der technik, technik, stand, sicherheitsgurt, perpetuatio fori, patent, gegenstand, fachmann, patentanspruch, einspruch)

BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 333/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
15. Februar 2007
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2007 unter Mitwirkung …
BPatG 154
08.05
- 2 -
beschlossen:
Das Patent wird widerrufen.
G r ü n d e
I
Auf die am 12. August 2002 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist
das nachgesuchte Patent 102 37 396 mit der Bezeichnung „Gurtstraffer für einen
Sicherheitsgurt eines Kraftfahrzeuges“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der
Erteilung ist am 29. April 2004 erfolgt.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.
Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf die Entgegen-
haltungen
D1: DE 202 00 741 U1
D2: US 2002/0105181 A1
D3: WO 96/13409 A1 und
D4: DE 85 29 017 U1.
Die Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des erteilten Patentan-
nik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe.
Allenfalls müsse noch die D2 oder die D4 in Betracht gezogen werden. Die Ge-
genstände sämtlicher Unteransprüche seien durch den Stand der Technik bzw.
das allgemeine Fachwissen bekannt oder zumindest nahegelegt.
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Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent beschränkt
mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentan-
sprüchen 1 bis 5 aufrecht zu erhalten.
Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass der im Verfahren befindliche
Stand der Technik dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patent-
hindernd entgegen stehe. Entsprechendes gelte für den Gegenstand des Patent-
anspruchs 1 nach Hilfsantrag.
Der erteilte, nach Merkmalen gegliederte Patentanspruch 1 lautet:
M1
Gurtstraffer für einen Sicherheitsgurt eines Kraftfahrzeuges
M2
mit einem aus einem Zylinderrohr, einem in dem Zylinderrohr
geführten Kolben
M3
und einer mit dem Kolben verbundenen Kolbenstange,
M4
welche an ihrem von dem Kolben abgewandten Ende ein
Verbindungsteil aufweist,
M5
an dem das Ende eines Sicherheitsgurtes befestigt ist
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M6
und ein Halteteil (19) vorgesehen ist, welches einen Befesti-
gungsansatz (5) für das Zylinderrohr (2) und eine Führungs-
einrichtung (6) für den Sicherheitsgurt (3) aufweist,
M7
wobei die Führungseinrichtung (6) und der Befestigungsan-
satz (5) einen wenigstens der Länge der Straffbewegung
entsprechenden Abstand aufweisen,
M8
und das Halteteil und das Zylinderrohr axial hintereinander
angeordnet sind.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist zweiteilig abgefasst und enthält in
M1
welche sich im kennzeichnenden Teil folgende Merkmale aus den erteilten Unter-
ansprüchen 2 und 3 anschließen:
M9
gebildet ist
M10
und der Sicherheitsgurt (3) in der Umlenkeinrichtung mittels
eines Befestigungselements (14) festlegbar ist,
M11
welches durch die Straffbewegung des Sicherheitsgurtes (3)
lösbar ist.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Ein-
spruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich
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30. Juni 2006 gültigen Fassung, da vorliegend die Einspruchsfrist nach dem
1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 ein-
gelegt worden ist und das Bundespatentgericht auch nach Ablauf der befristeten
Zuständigkeitsregelung des § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG durch das „Gesetz zur
Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostenge-
setzes“ vom 26. Juni 2006 (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) mangels einer aus-
drücklichen entgegenstehenden Regelung für die in dem bezeichneten befristeten
Zeitraum zugewiesenen Einspruchsverfahren nach dem allgemeinen Rechts-
grundsatz der fortwirkenden Zuständigkeit „perpetuatio fori“ zuständig bleibt (vgl.
hierzu BPatG Beschluss vom 19. Oktober 2006 23 W (pat) 327/04 ).
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beur-
teilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände
sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so
dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende
Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne
eigene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übri-
gen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
1)
M8
Halteteil und das Zylinderrohr axial hintereinander angeordnet sind, kann allenfalls
der Zeichnung (Figur 1), nicht jedoch den ursprünglichen Patentansprüchen und
der ursprünglichen Beschreibung entnommen werden.
2)
Hilfsantrag durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind, denn nach dem
Ergebnis der mündlichen Verhandlung beruhen die - zweifelsohne gewerblich an-
wendbaren - Gegenstände dieser Patentansprüche nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung von
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Kraftfahrzeug-Rückhaltesystemen befasster, berufserfahrener Diplom-Physiker
oder Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau zu definieren ist.
3)
genannten Art derart zu verbessern, dass es für verschiedene Gurtzulaufrichtun-
gen verwendet und im Aufbau entsprechend kleiner dimensioniert werden kann
(Absatz [0007]).
a)
mann durch den Stand der Technik nahegelegt.
D1
wie die Beschreibung Seite 6, letzter Absatz bis Seite 8, 1. Absatz) ist eine Vor-
richtung bekannt, von der sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1
M3
D1
fahrzeuges (Fahrzeuginsassen-Rückhaltesystem mit Sicherheitsgurt und Gurt-
M1
M2
einem mit dem Kolben verbundenen Angriffsmittel (30). An dem dem Kolben ab-
gewandten Ende des Angriffsmittels (30) ist ein Verbindungsteil (Gurtschloss 16,
M4
M5
gungselement 22) vorhanden mit einem (nicht bezeichneten ) Befestigungsansatz
für das Zylinderrohr und mit einer Führungseinrichtung (Umlenkung 36) für den
M6
D1
Figur 3) mindestens einen der Länge der Straffbewegung entsprechenden Ab-
M7
zielt werden kann. Schließlich sind das Halteteil (22) und das Zylinderrohr auch
M8
- 7 -
M3
Figur 2 i. V. m. Seite 2, vorletzter Absatz), das Angriffsmittel (30)
flexibel auszubilden, damit es um die Umlenkung (34) geführt werden kann. Der
D1
mann jedoch, dass es dort eines flexiblen Angriffsmittels nicht bedarf, weil dieses
lediglich eine geradlinige Bewegung zum Kolben hin durchführen muss. Es liegt
von daher im Ermessen des Fachmanns, das Angriffsmittel (30) in diesem Fall als
M3
ten Patentanspruchs 1 gelehrt wird, zumal dem Fachmann aus der einschlägigen
D4
rungsbeispiele sowie die zugehörige Beschreibung Seite 7, letzter Absatz bis
Seite 8, 1. Absatz) schon bekannt ist, dass bei Gurtstraffern das Verbindungs-
element zwischen Kolben und Gurt bzw. Kolben und Gurtschloss sowohl als
(starre) Kolbenstange als auch in Form eines (flexiblen) Drahtseiles ausgebildet
sein kann, je nach dem, ob das Verbindungselement lediglich eine geradlinige
Bewegung ausführen soll (Figur 1) oder aber zum Straffen des Gurtes umgelenkt
werden muss (Figur 2).
Sonach bedurfte es für den zuständigen Fachmann keiner erfinderische Tätigkeit,
D1
erteilten Patentanspruchs 1 zu gelangen.
b)
Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag wird dem Fachmann durch den Stand der
Technik nahegelegt.
D1
1. Absatz bis Seite 9, 1. Absatz) ist bereits bekannt, die Führungseinrichtung als
M9
diesem Stand der Technik (vgl. Figur 14 und die Beschreibung Seite 11, letzter
Absatz bis Seite 12, 1. Absatz) ein Befestigungselement (Rastelement 112) vor-
- 8 -
gesehen, welches das Verbindungselement (44g) zwischen dem Beschlag (18)
und dem Angriffsmittel
(30) am Halteteil
(22) fixiert. Das Befestigungsele-
ment (112) weist eine Sollbruchstelle (114) auf, infolge derer das Befestigungs-
element (112) durch die Straffbewegung des Sicherheitsgurtes (14) gelöst wird
M11
Auffassung der Patentinhaberin wird auch beim Stand der Technik gemäß Druck-
D1
M10
bene Art der Fixierung dient nicht nur - wie die Patentinhaberin geltend macht -
der Verhinderung eines Klappergeräusches, sondern ausdrücklich auch als Ver-
drehsicherung (vgl. Seite 11, Zeilen 3 und 4), deren Zweck es also mit anderen
Worten ist, den Sicherheitsgurt (14) in der Umlenkeinrichtung (36) festzulegen, wie
M10
gelehrt wird.
M9
spruchs 1 nach Hilfsantrag die Patentfähigkeit seines Gegenstandes nicht be-
gründen.
3)
Patentansprüche 2 bis 7. Entsprechendes gilt für die verbleibenden vier, auf den
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag rückbezogenen Patentansprüche.
- 9 -
4)
gez.
Unterschriften