Urteil des BPatG vom 28.06.2010

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 519/10
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 002 606.5
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 28. Juni 2010 durch die Richterin Winter als Vorsitzende, den Richter
Paetzold und die Richterin Hartlieb
beschlossen:
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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I .
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung
Pure Power
für die Waren:
„Elektrische Energie. Solarzellen, Photovoltaikzellen, Solarmodule,
Photovoltaikmodule, jeweils zur Energieerzeugung (soweit in
Klasse 9 enthalten)“.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG beanstandet; die Marke sei in
der Bedeutung „reine Energie“ eine beschreibende Angabe. Nachdem eine Stel-
lungnahme der Anmelderin nicht einging, hat das Patentamt unter Bezugnahme
auf den Beanstandungsbescheid die Anmeldung zurückgewiesen.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält ohne nähere Begründung die
angemeldete Bezeichnung für die beanspruchten Waren für schutzfähig.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
8. März 2010 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.
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II.
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG statthafte sowie zulässige Beschwerde der
Anmelderin ist nicht begründet. Die angemeldete Wortmarke ist nach § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; ihr fehlt hinsichtlich der bean-
spruchten Waren der Klasse 9 jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. genannten
Vorschrift. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen
(§ 37 Abs. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zei-
chen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren als von einem bestimm-
ten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen ande-
rer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR Int. 2005, 135, Nr. 29
- Maglite; BGH GRUR 2009, 411, Nr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 952, Nr. 9
- DeutschlandCard). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ur-
sprungsidentität der gekennzeichneten Waren zu gewährleisten. Die Unterschei-
dungskraft einer Marke ist im Hinblick auf jede der beanspruchten Waren zu be-
urteilen, wobei es auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise an-
kommt. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten,
angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der
fraglichen Waren abzustellen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8
Rdn. 53, 81, 83 m. w. Nachw.). Ausgehend hiervon besitzt eine Wortmarke u. a.
dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihr die maßgeblichen Verkehrskreise im
Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund
stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004,
674, 678 (Nr. 81, 86) - Postkantoor; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 56 ff.) - EURO-
HYPO; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2006, 850, 854
(Nr. 18 f.) - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) - Deutschland-
Pure Power
die mit ihr beanspruchten Waren zu.
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Ist - wie hier - die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen
grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmar-
ken.
Was den Sinngehalt der als Marke angemeldeten Bezeichnung anbetrifft, so ist
auf die Wortfolge in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. z. B. BGH GRUR 2001, 162
- RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Dies schließt es allerdings nicht aus,
zunächst den Bedeutungsgehalt der einzelnen Wörter zu ermitteln und erst da-
nach der Frage nachzugehen, ob sich - aus der Sicht des angesprochenen Ver-
kehrs - die Kombination in der bloßen Aneinanderreihung nicht unterscheidungs-
kräftiger (warenbezogener) Angaben erschöpft oder einen darüber hinausgehen-
den herkunftshinweisenden Gesamteindruck vermittelt (vgl. Ströbele/Hacker, Mar-
kenG 9. Aufl. § 8 Rdn. 124).
Den Bedeutungsgehalt der Wörter „Pure" und „Power" in Verbindung mit den be-
anspruchten Produkten hat die Markenstelle - was die Anmelderin anscheinend
auch nicht in Abrede stellen will - zutreffend ermittelt und aufgezeigt; der Senat hat
jedenfalls keine abweichenden Feststellungen treffen können.
Das englische Wort „Pure“ bedeutet im Bereich der Technik allgemein „rein, ohne
Beimischung, sauber“, in Verbindungen wie „pure capacitance“ auch „verlustlose
Kapazität“ (vgl. Kucera, Wörterbuch der exakten Naturwissenschaften und der
Technik S. 28), in „pure air“ auch „saubere Luft“; als Fremdwort der deutschen
Sprache ist die Bedeutung „rein, unverfälscht, nichts anderes als“ (vgl. Duden,
Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. S. 1124; Duden, Das große Wörterbuch der
deutschen Sprache, 3. Aufl. Band 7 S. 3056, „purer Neid, purer Zufall“; vgl. zur
Bedeutung „rein“ auch BPatG 24 W (pat) 9/09 - PURE, veröffentlicht auf der Inter-
netseite des Gerichts). Das englische Wort „Power“ bedeutet „Energie, Strom,
Leistung, Kraft“ (vgl. Ernst, Wörterbuch der industriellen Technik S. 1054; Kucera
a. a. O. S. 1202) und ist als Fremdwort in die deutsche Sprache in den Bedeutun-
gen „Kraft, Stärke, Leistung, Leistungskraft“ eingegangen (vgl. Duden Fremdwör-
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terbuch a. a. O. S 1085; HABM R0862/06-4 - POWER, veröffentlicht auf der Inter-
netseite des HABM).
Sowohl für die deutsche als auch für die englische Sprache ergibt sich die Be-
deutung „reine Energie“ bzw. „nichts als Energie/Leistung“.
Bei den beanspruchten Produkten aus dem Bereich der Energieerzeugung durch
Solartechnologie geht es um die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische
Energie; unter Photovoltaik versteht man die direkte Umwandlung von Sonnen-
energie in elektrische Energie mittels Solarzellen. Die Strahlungsenergie der
Sonne kann in Elektrizität umgewandelt werden, ohne dass Nebenprodukte wie
Abgase (beispielsweise Kohlendioxid) entstehen.
Die Anmeldung ist damit eine werblich anpreisende, beschreibende Angabe be-
züglich der beanspruchten Produkte, die auf deren besondere Leistungsfähigkeit
Pure Power
halb wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 1 Satz 1 MarkenG von
der Eintragung ausgeschlossen.
Winter
Paetzold
Hartlieb
Cl