Urteil des BPatG vom 10.02.2003

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, bestandteil, beschwerde, beurteilung, verkehr, gesamteindruck, stoff, wiedergabe, bildmarke)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 22/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
10. Februar 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die angegriffene Marke 399 66 022
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Buchetmann und der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die
Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 7. November 2000 und vom
13. November 2001 in der Hauptsache aufgehoben. Der
Widerspruch aus der Marke 386 371 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Unter der Nummer 399 66 022 am 17. Januar 2000 in das Markenregister einge-
tragen und am 17. Februar 2000 veröffentlicht worden ist als Bildmarke (farbig) ua
für die Waren "Spiele, Spielwaren, Spielzeug, Figuren zu Spielzwecken ein-
schließlich Stoff- und Gummitiere sowie Maskottchen; Scherzartikel" folgende Dar-
stellung:
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siehe Abb. 1 am Ende
Beschränkt Widerspruch erhoben – gerichtet gegen die genannten Waren - hat
Petsy
gestopfte Tierfiguren" eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat wegen
Verwechslungsgefahr die Eintragung der angegriffenen Marke teilweise gelöscht
hinsichtlich der Waren "Spiele, Spielwaren, Spielzeug, Figuren zu Spielzwecken
einschließlich Stoff- und Gummitiere sowie Maskottchen; Scherzartikel", weil der
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Bestandteil "Petzi" der angegriffenen Marke bei der mündlichen Wiedergabe
alleinprägend sei. Zwischen "PETZI" und "Petsy" bestehe die Gefahr klanglicher
Verwechslungen.
Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Mit näheren Ausführungen hält
sie Verwechslungsgefahr nicht für gegeben, weil der Bestandteil "Petzi" in ihrer
Marke nicht alleinprägend sei.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben
und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält mit näheren Ausführungen die angefochtenen Beschlüsse der Marken-
stelle für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt sowie auf die
Beschlüsse des Patentamts Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache begründet. Es besteht keine
Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt danach ab von der Identität oder Ähnlich-
keit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der
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Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaßten Waren. Darüber
hinaus sind auch alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Ver-
wechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der
älteren Marke, wobei die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsge-
fahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung stehen (st Rspr vgl
BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/
TISSERAND jew mwN).
Auch wenn von zum Teil identischen Waren und einem normalen Schutzumfang
der Widerspruchsmarke ausgegangen wird, ist Verwechslungsgefahr zu vernei-
nen. Selbst bei Anlegung strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von Ver-
wechslungen ausreichender Markenabstand in jeder Hinsicht gewahrt.
Bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr mißt der Verkehr beim
Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen in der Regel zwar dem Wort als
einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu (vgl
Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 9 Rdn 194 mwN). Eine Verwechslungsge-
fahr kann vorliegend aber nur dann ernsthaft in Betracht gezogen werden, wenn
- wie auch die Widersprechende nicht verkennt - für die Beurteilung der Ähnlich-
keit der angegriffenen Wort-Bild-Marke – deren Wortbestandteil "PETZI UND
SEINE FREUNDE" lautet
- mit der Wortmarke der Widersprechenden der
Bestandteil "PETZI" eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung hat.
Davon kann jedoch nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen
nicht ausgegangen werden.
Selbständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann, wenn er den
Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt; davon ist auszugehen, wenn die
übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise
zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können, zB
wegen Kennzeichnungsschwäche (BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI
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RAUCH); ebensowenig kann von einer Prägung des Gesamteindrucks durch
einen Markenbestandteil ausgegangen werden, wenn sich dieser nur als gleich-
wertig mit anderen Markenbestandteilen darstellt (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9
Rdn 160, 180 mwN).
Eine allein oder selbständig kollisionsbegründende Wirkung kommt dem Bestand-
teil "PETZI" innerhalb des Wortbestandteils "PETZI UND SEINE FREUNDE" nicht
zu; dabei unterstellt der Senat zugunsten der Widersprechenden die Schutzfähig-
keit des Wortes "PETZI" und läßt es dahingestellt sein, ob dieses Markenelement
als Verkleinerungsform von "Petz" (Bär) hier kennzeichnungsschwach sein und
deshalb von vornherein nicht für die Prägung des Gesamteindrucks in Betracht
kommen könnte.
Allerdings ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, daß der Verkehr zwar dazu
neigt, längere Kennzeichen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit
erleichternden Weise zu verkürzen, daß er aber – soweit diese Notwendigkeit zur
Verkürzung nicht besteht – grundsätzlich die Marken in der Form aufnimmt, in der
sie ihm entgegentreten (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR
1998, 932, 933 - MEISTERBRAND). Im vorliegenden Fall sind keine nachvollzieh-
baren Gründe ersichtlich, die das Publikum veranlassen könnten, in dem Wortbe-
standteil "PETZI UND SEINE FREUNDE" aus Gründen der Bequemlichkeit oder
Vereinfachung nach einem den Gesamteindruck prägenden Einzelelement zu
suchen. Der Gesamteindruck des Wortbestandteils der angegriffenen Marke wird
durch all ihre Worte gleichermaßen geprägt. Unabhängig von dem allgemeinen
Erfahrungssatz, daß der Verkehr Marken regelmäßig ohne analysierende Betrach-
tungsweise aufnimmt und schon deshalb der Wortbestandteil der angegriffenen
Marke als Ganzes erfaßt wird, gibt auch eine genauere Untersuchung der konkre-
ten Marke keinen Anlaß für eine andere Beurteilung.
Zwar treten die Worte "UND SEINE FREUNDE" in der Schriftgröße gegenüber
"PETZI" zurück; es sind aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß diese
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Worte kaum mehr beachtet werden. Denn sie sind nicht etwa in geringer Schrift-
größe gestaltet (vgl BPatG GRUR 1994, 124 – Billy the kid); vielmehr verbinden
sie sich durch die Wiedergabe entsprechend der Länge des Wortes "PETZI", die
darüber hinaus seiner bogenförmigen Darstellung folgt, schon grafisch zu einer
Einheit mit "PETZI". Zudem wirkt "PETZI UND SEINE FREUNDE" in der Wort-
Bildmarke insgesamt als Überschrift des Bildbestandteils, nicht aber wie zum Bei-
spiel eine andere, von "PETZI" losgelöste Zusatzinformation. Weiter kommt hinzu,
das der Wortteil der Marke eine Art "geflügelten Satz" mit ohne weiteres erkennba-
rem Sinngehalt bildet, in dem der Bestandteil "PETZI" aufgeht zu einem einheitli-
chen Spruch mit erkennbarer Gesamtaussage (vgl BGH WRP 2002, 1279, 1281
- 1, 2, 3 im Sauseschritt; vgl auch BGH GRUR 1999, 733 – LION DRIVER/LIONS).
Die Erfaßbarkeit in diesem Sinn wird zudem unterstützt durch den Bildbestandteil
der Marke, der eine Freundesgruppe wiedergibt. Es handelt sich dabei auch um
einen festen, geschlossenen Freundeskreis aus untereinander gleichgewichtigen
Phantasiespieltieren, so daß mit Petzi das Gesamtzeichen nur verstümmelnd,
nämlich eines ganz wesentlichen Elements entbehrend wiedergegeben würde. Die
Freunde ergeben durch die Art ihrer Darstellung und ihrer Zusammenstellung erst
den besonderen Reiz der Marke. Unter diesen Umständen kann nicht davon aus-
gegangen werden, daß "UND SEINE FREUNDE" vom Verkehr vernachlässigt
werde. Damit kommt dem Bestandteil "PETZI" keine allein prägende und selb-
ständig kollisionsbegründende Bedeutung innerhalb der angegriffenen Marke zu.
Verwechslungen im rechtserheblichen Ausmaß sind daher nicht zu befürchten.
Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlas-
sung (§ 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG).
Dr. Buchetmann
Winter
Hartlieb
Fa
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Abb. 1