Urteil des BPatG vom 20.01.2003

BPatG: ältere marke, verkehr, verwechslungsgefahr, eugh, unternehmen, begriff, gestaltung, koffer, bekleidung, bildmarke

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 60/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
g e g e n
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betreffend die Marke 300 13 596
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Schermer sowie die Richter Dr. van Raden und Richter
Schwarz am 30. März 2004
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden 2 wird der Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 20. Januar 2003 aufgehoben, soweit der
Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 698720 zurückge-
wiesen worden ist.
2. Die Löschung der Marke 300 13 596 wird aufgrund des Wider-
spruchs aus der Gemeinschaftsmarke 698720 angeordnet.
3. Das Verfahren hinsichtlich des Widerspruchs aus der Gemein-
schaftsmarke 1098375 wird für zur Zeit gegenstandslos erklärt.
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G r ü n d e
I.
Gegen die farbige Eintragung (rot, schwarz, weiß) der Wort-Bildmarke
300 13 596
siehe Abb. 1 am Ende
für die Waren
„Leder und Lederimitationen sowie alle Waren daraus, soweit in
Klasse
18 enthalten, insbesondere Taschen, Koffer, Börsen,
Brieftaschen, Schreibmappen, Taschenkalender und Kleinleder-
waren aller Art; Bekleidung, Kopfbedeckungen und Schuhe, so-
weit in Klasse 25 enthalten, Spiel- und Sportartikel, soweit in
Klasse 28 enthalten“
ist Widerspruch erhoben worden aus
1. der
u.a.
für
„18: Lederwaren, nämlich Koffer, Reisetaschen, Brieftaschen und
Schlüsseltaschen mit Autoabbildungen oder Bootsabbildungen;
Regenschirme und Sonnenschirme als Produkte zur Verkaufsför-
derung von Kraftfahrzeugen und Booten; 25: Baseballmützen;
Reisebekleidung, nämlich Jacken für Autofahrer; Bekleidung für
Rennbootfahrer und Sport-Bootschiffe; Bootsschuhe; 28: Modell-
autos, Modellboote“
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eingetragenen Gemeinschaftsmarke 1098375
siehe Abb. 2 am Ende
2.
der Gemeinschaftsmarke 698720
Red Bull
eingetragen u.a. für die Waren
„18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in
Klasse 18 enthalten), insbesondere Taschen und andere, nicht an
die aufzunehmenden Gegenstände angepaßte Behältnisse sowie
Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüs-
seltaschen, Handtaschen, Aktentaschen, Einkaufstaschen, Schul-
ranzen, Packsäcke, Umhängeriemen (Schulterriemen); Häute und
Felle; Reise- und Handkoffer; Reisenecessaires (Lederwaren);
Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen,
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Pferdegeschirre und Sattlerwaren; 25: Bekleidungsstücke, Schuh-
waren, Kopfbedeckungen; 28: Spiele, Spielzeug; Turn- und
Sportartikel (soweit in Klasse 28 enthalten)“.
Die Markenstelle für Klasse 18 hat beide Widersprüche zurückgewiesen. Hinsicht-
lich der Gemeinschaftsmarke 698 720 hat sie ausgeführt, dass trotz der hohen
Anforderungen, die wegen der Identität oder engsten Ähnlichkeit der sich gegenü-
berstehenden Waren an den Abstand der Marken zu stellen seien, keine Ver-
wechslungsgefahr bestehe, denn der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde
durch den Wortbestandteil „REDBULLS“ nicht geprägt. Ungeachtet der beschrei-
benden Bedeutung des Wortteils „BAG“ wirke die Wortbildung „REDBULLSBAG“
als einheitlicher Gesamtbegriff, den der Verkehr nicht in seine Einzelelemente
aufgliedern und auf „REDBULLS“ verkürzen werde. Einen weiteren Unterschied
zur Widerspruchsmarke wiese die jüngere Marke auch aufgrund ihrer grafischen
Gestaltung auf. Da der Wortteil „REDBULLS“ in der jüngeren Marke nicht eigen-
ständig hervortrete und damit keine selbständige betriebliche Kennzeichnungs-
funktion besitze, bestehe auch keine Gefahr mittelbarer Verwechslungen mit der
älteren Marke.
Die Gefahr von Verwechslungen der angegriffenen Marke mit der Gemein-
schaftsmarke 1 098 375 hat die Markenstelle verneint, weil die in beiden Marken
enthaltenen Stierdarstellungen in ihrer bildlichen Gestaltung deutlich voneinander
abwichen. Dies werde dem Verkehr auch nicht entgehen, weil die Verwendung
von Tiermotiven zur gängigen Werbepraxis gehöre und er daher gewöhnt sei, auf
Unterschiede genauer zu achten. Im übrigen werde sich der Verkehr bei der aus
Wort- und Bildbestandteil kombinierten angegriffenen Marke in der Regel an dem
Wort orientieren und die Marke danach benennen. Da dieses nicht die ungezwun-
gene erschöpfende Benennung des Bildmotivs der Widerspruchsmarke sei, be-
stehe auch keine begriffliche Verwechslungsgefahr. Eine assoziative Verwechs-
lungsgefahr wegen der Verwendung desselben Bildmotivs sei zu verneinen, weil
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die Stierdarstellung der jüngeren Marke nicht wie eine Serienfortsetzung oder Mo-
dernisierung der älteren Bildmarke wirke.
Gegen den Beschluss wenden sich beide Widersprechende mit der Beschwerde
und dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Widersprechende 2 hat zur Begründung vorgetragen, dass der Wortbestand-
teil der angegriffenen Marke vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und
verständigen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres im Sinne von „Redbull’s
Tasche“ gesehen werde, wobei er in „REDBULL“ das allein kennzeichnende Ele-
ment sehe. Daran könne auch die Auffassung der Markenstelle, „REDBULLSBAG“
sei ein Gesamtbegriff, nichts ändern, denn es führe kein Weg daran vorbei, dass
dieser ebenfalls nur „Taschen des Roten Bullen“ bedeute. Selbst wenn eine un-
mittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen sein sollte, bestehe jedenfalls die
Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden,
denn die ältere Marke sei identisch in der jüngeren Marke enthalten, lediglich er-
gänzt um den Gattungsbegriff „BAG“. Der Verkehr sehe in der angegriffenen
Marke daher eine zur Kennzeichnung einer bestimmten Warenart dienende Ab-
wandlung des kennzeichnenden Stammworts „REDBULL“.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt die kostenpflichtige Zurückwei-
sung der Beschwerde. Er ist der Ansicht, dass der Bildbestandteil gleichrangig ne-
ben dem Wortbestandteil stehe und mit diesem eine Einheit bilde. Er dürfe bei der
Beurteilung des Gesamteindrucks daher nicht vernachlässigt werden. Außerdem
sei „REDBULLSBAG“ eine Wortneuschöpfung, die vom Verkehr nicht in ihre Ein-
zelteile zerlegt werde. Die theoretisierenden Ausführungen der Beschwerdeführe-
rin hätten nichts mit der tatsächlichen Wahrnehmung der angegriffenen Marke
durch den flüchtigen Durchschnittsverbraucher zu tun. Es treffe auch nicht zu, das
„REDBULLS“ eine Genitivform sei, denn diese werde mit einem Apostroph vor
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dem „S“ gebildet. In ihrer Gesamtheit seien die Marken daher so verschieden,
dass eine Gefahr von Verwechslungen nicht bestehe.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden 2 ist zulässig und begründet, denn zwi-
schen der angegriffenen Marke und der Gemeinschaftsmarke 698720 besteht die
Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
In Anbetracht der Identität der durch die Marken erfassten Waren und der norma-
len Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die aus dem originellen und sich leicht
und nachhaltig einprägenden Begriff „Red Bull“ besteht, bedarf es nach ständiger
Rechtsprechung (vgl BGH GRUR 2003, 1044, 1045 – Kelly – m.w.Nachw) in
Wechselbeziehung dazu eines großen Abstands der Marken, um die Gefahr aus-
zuschließen, dass das Publikum glauben könnte, die damit gekennzeichneten Wa-
ren stammten aus demselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich oder organisato-
risch verbundenen Unternehmen (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 924, tz. 29, 30 –
Canon).
Dieser Abstand ist hier nicht gewahrt. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der
Marken in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht mag zwar zu verneinen
sein, einerseits wegen des zusätzlichen Bildbestandteils in der jüngeren Marke
und andererseits wegen der Schreibweise von „REDBULLSBAG“ als einheitliches
Wort, die der mündlichen Benennung der angegriffenen Marke allein mit
„REDBULLS“ trotz des glatt beschreibenden Charakters des Wortteils „BAG“ mög-
licherweise entgegensteht.
Auf jeden Fall ist aber damit zu rechnen, dass ein beachtlicher Teil des Verkehrs
die Marken im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 MarkenG gedanklich miteinan-
der in Verbindung bringt. Diese Art der Verwechslungsgefahr kommt in Betracht,
wenn der Verkehr die Unterschiede der Marken zwar erkennt, aber wegen Über-
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einstimmungen in einzelnen Bestandteilen oder aus anderen Gründen auf die Ur-
sprungsidentität der m it den Marken gekennzeichneten Waren schließt oder zu-
mindest annimmt, es bestünden wirtschaftliche oder organisatorische Verbindun-
gen zwischen den Herstellern oder Anbietern (vgl EuGH aaO – Canon). Im vorlie-
genden Fall ist die Widerspruchsmarke „Red Bull“ in dem Wortbestandteil
„REDBULLSBAG“ praktisch identisch enthalten, lediglich ergänzt um den engli-
schen Gattungsbegriff „BAG“ für „Tasche“. Auch wenn nicht jeder flüchtige Be-
trachter den Sinngehalt dieser relativ langen Wortkombination erfassen mag, wird
doch ein erheblicher Teil der angesprochenen durchschnittlich informierten, auf-
merksamen und verständigen Verbraucher, von denen bei der Beurteilung der
Verwechslungsgefahr auszugehen ist (vgl EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 Tz. 26
– Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 – ATTACHÈ/TISSERAND; 2001, 158, 160 –
Drei-Streifen-Kennzeichnung), bei der Betrachtung von „REDBULLSBAG“ ohne
weiteres erkennen, dass es sich um die Kombination des Phantasiebegriffs
„REDBULL“ mit dem zum einfachsten englischen Grundwortschatz gehörenden
Wort „BAG“ handelt, wobei das dem Bestandteil „REDBULLS“ angefügte „S“ den
nächstliegenden Gedanken einer Genitivform hervorruft im Sinne von „REDBULLS
Tasche“ bzw „Tasche von REDBULL“.
Das Fehlen des bei der Genitivbildung üblichen Apostrophs steht dieser Annahme
nicht entgegen. Bei der akustischen Wahrnehmung fällt es ohnehin nicht auf und
auch der Leser wird das Apostroph wegen der einheitlichen Schreibweise von
„REDBULLSBAG“ kaum vermissen. Im übrigen tritt der mit der Widerspruchs-
marke „Red Bull“ begrifflich übereinstimmende und schriftbildlich wesensgleiche
Wortteil „REDBULL“ in der Kombination „REDBULLSBAG“ derart dominierend
hervor, dass der Verkehr ganz unabhängig von dem zusätzlichen „S“ selbstver-
ständlich annehmen wird, es handele sich um das Stammzeichen der Widerspre-
chenden, ergänzt durch den Begriff „Tasche“ zur Kennzeichnung der von ihr ver-
triebenen Lederwaren und sonstigen Artikel. Diese gedankliche Verbindung liegt
umso näher, als es sich bei „Red Bull“ um den Firmennamen der Widersprechen-
den handelt, der durch das von ihr umfangreich vertriebene gleichnamige Ener-
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giegetränk große Bekanntheit erlangt hat (vgl dazu LG Frankfurt LRE 39, 205 ff).
Der Zuordnung der angegriffenen Marke zu dem Unternehmen der Inhaberin der
Marke „Red Bull“ steht auch der Bildbestandteil nicht entgegen, weil dieser den
Sinngehalt des Wortteils „REDBULL“ farblich und bildlich wiedergibt und daher nur
den Eindruck einer üblichen werbemäßigen Hervorhebung erweckt.
Nach alledem war die Löschung der angegriffenen Marke in vollem Umfang anzu-
ordnen. Damit ist das Verfahren hinsichtlich des Widerspruchs aus der weiteren
Gemeinschaftsmarke 1098375 derzeit gegenstandslos (vgl Ströbele/Hacker, Mar-
kengesetz, 7. Aufl., § 70 Rdn 8). Es wird weitergeführt, wenn die Löschungsan-
ordnung aufgrund der Marke 698720 nicht rechtskräftig wird.
Für eine Abweichung von dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine
Kosten selbst trägt (§ 71 Abs. 1 MarkenG), sind keine Gründe ersichtlich.
Dr. Schermer
Schwarz
Dr. van Raden
Na
Abb. 1
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Abb. 2