Urteil des BPatG vom 20.05.2009

BPatG: stand der technik, patentfähige erfindung, patentanspruch, zustand, anzeige, speicher, neuheit, batterie, naheliegen, rückzahlung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 32/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. Mai 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 101 12 673.5-35
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl.-Phys. Dr. Mayer sowie den Richter Dipl.-Phys. Dr. Hartung, die Richterin
Werner und den Richter Dipl.-Ing. Gottstein
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde der Patentanmelderin wird zurückgewiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 04 B - hat die
am 16. März 2001 mit der Bezeichnung „Gerät der Unterhaltungselektronik mit
abnehmbaren Bedienteil“ eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom
15. März 2004 zurückgewiesen. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird in vollem
Umfang Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Im ersten - und einzigen - Prüfungsbescheid vom 12. November 2001, auf dessen
Inhalt ebenfalls in vollem Umfang Bezug genommen wird, führte die Prüfungsstelle
in drei Sätzen aus, dass der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Patent-
anspruchs 1 wegen fehlender Neuheit im Hinblick auf die DE 199 39 433 A1 - im
Prüfungsbescheid als Druckschrift (1) bezeichnet - nicht patentfähig sei. Eine
Auseinandersetzung mit den einzelnen Merkmalen des damals geltenden Patent-
anspruchs 1 hat die Prüfungsstelle nicht vorgenommen. Zu den Unteransprüchen
heißt es in dem Beschluss wörtlich:
„4. Unteransprüche:
Auf die zusätzlich genannten Dokumente wird verwiesen. Sie las-
sen auch in den weiteren Anspruchsgegenständen zunächst ent-
weder nur vollständig vorweg genommene, fachgemäße oder
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nahe gelegte Merkmale erkennen, die eines erfinderischen Zutuns
ebenfalls nicht bedürfen. Da über eine Anmeldung nur einheitlich
entschieden werden kann, sind die rückbezogenen Anspruchsge-
genstände ebenfalls offensichtlich nicht patentfähig.“
Die „zusätzlich genannten Dokumente“ waren elf weitere Patentschriften, darunter
unter der Ordnungsnummer (3) EP 0 982 732 A1
und unter der Ordnungsnummer (5) DE 197 41 854 A1.
Unter Abschnitt 5. des Prüfungsbescheids hatte die Prüfungsstelle der Anmelderin
sinngemäß anheimgestellt, neue - geänderte - Patentansprüche einzureichen und
deren Patentfähigkeit einleuchtend zu begründen. Sollte die Anmelderin dagegen
auf dem vorliegenden oder einem demgegenüber nur unwesentlich geänderten
Patentbegehren beharren, müsse mit der Zurückweisung der Anmeldung gerech-
net werden.
Der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 1 lautet:
„1. Gerät (1) mit einem abnehmbaren Bedienteil (9), welche über
mindestens eine mechanische und mindestens eine elektrische
Kontaktstelle (14) verbindbar sind und eingefügtem Zustand des
abnehmbaren Bedienteils (9) in das Gerät (1) der Unterhaltungs-
elektronik eingegebene Bedienbefehle über Tasten (10) des ab-
nehmbaren Bedienteils (9) an einen im Gerät (1) angeordneten
Mikrocomputer tragen werden und das abnehmbare Bedienteil (9)
mit einem Display (15) und eine Stromversorgungseinheit (S) aus-
gestattet,
dadurch gekennzeichnet,
das abnehmbare Bedienteil (9) den Mikrocomputer (
µC) und min-
destens einen Audioausgang (12) aufweist.“
- 4 -
Mit ihrer Eingabe vom 1. Februar 2002, eingegangen beim Deutschen Patent- und
Markenamt am 5. Februar 2002, legte die Anmelderin neue Ansprüche 1 bis 8 mit
einer geänderten Beschreibung nebst Figuren vor. In Patentanspruch 1 hat die
Anmelderin die Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 2 und 3
aufgenommen. Dem Anspruch 1 hat die Anmelderin Unteransprüche 2 bis 8 hin-
zugefügt, die Merkmale aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3 bis 5,
14, 26, 29 und 31 aufgreifen. Die ursprünglich eingereichten Ansprüche 6 bis 13,
15 bis 25 und 27, 28, 30 hat die Anmelderin in einer Teilanmeldung weiter verfolgt.
Anspruch 1 vom 1. resp. 5. Februar 2002 lautet:
„1. Gerät (1) der Unterhaltungselektronik, insbesondere Autora-
dio, TV-Gerät, Satellitenempfänger, Mobilfunktelefon, mit einem
abnehmbaren Bedienteil (9), welche über mindestens eine me-
chanische und mindestens eine elektrische Kontaktstelle (14) ver-
bindbar sind und im eingefügtem Zustand des abnehmbaren Be-
dienteils (9) in das Gerät (1) der Unterhaltungselektronik eingege-
bene Bedienbefehle über Tasten (10) des abnehmbaren Bedien-
teils (9) an einen Mikrocomputer (
µC) übertragen werden und das
abnehmbare Bedienteil (9) mit einem Display (15) und eine
Stromversorgungseinheit (S) ausgestattet, wobei das abnehmbare
Bedienteil (9) mindestens einen Audioausgang (12) aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
das abnehmbare Bedienteil (9) den Mikrocomputer (
µC), ein In-
terface (I), eine multimediale Kontaktstelle (M), einen D-A Wand-
ler (W) und einen Speicher (SP) aufweist.“
Des Weiteren hat die Anmelderin in ihrer Eingabe die Auffassung vertreten, dass
der neu eingereichte Patentanspruch 1 gegenüber der von der Prüfungsstelle ge-
nannten Druckschrift (1) neu sei, und hat darum gebeten, die Prüfung der Anmel-
dung fortzusetzen und die Erteilung des Patents in Aussicht zu stellen.
- 5 -
Mit Beschluss vom 15. März 2004 wies die Prüfungsstelle die Anmeldung zurück.
Zur Begründung hat die Prüfungsstelle auf den Bescheid vom 12. November 2001
verwiesen, in dem ausführlich dargelegt und begründet sei, warum im Gegenstand
des (vormals geltenden) Patentanspruchs 1 keine patentfähige Erfindung gesehen
werden kann. Diese Auffassung müsste auch unter Berücksichtigung der Ausfüh-
rungen der Anmelderin und dem neu eingereichten Patentanspruch 1 vom 1. resp.
5. Februar 2002 aufrechterhalten werden. Im Folgenden führte die Prüfungsstelle
im Einzelnen aus, warum der geltende Patentanspruch 1 wegen fehlender Neuheit
im Hinblick auf die DE 199 39 433 A1 (Druckschrift (1)) nicht gewährbar sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Mit Schreiben vom
15. April 2009 hat die Anmelderin ihre Beschwerde begründet. In Abgrenzung zum
Stand der Technik nach der Druckschrift (1) reicht die Beschwerdeführerin einen
neuen Anspruchssatz als Hauptantrag ein, des Weiteren reicht sie einen weiteren
Anspruchssatz als Hilfsantrag ein.
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag vom 15. April 2009 lautet unter
Hinzufügung einer Merkmalsgliederung:
„M1
Gerät (1)
der
Unterhaltungselektronik,
insbesondere
Autoradio, TV-Gerät, Satellitenempfänger, Mobilfunktele-
fon,
M2
mit einem abnehmbaren Bedienteil (9),
M2.1
welches über mindestens eine mechanische
M2.2
und mindestens eine elektrische Kontaktstelle (14) mit
dem Gerät (1) verbindbar ist
M2.3
und im eingefügtem Zustand des abnehmbaren Bedien-
teils (9) in das Gerät (1) der Unterhaltungselektronik
M2.3.1 eingegebene
Bedienbefehle
über
Tasten (10)
des
abnehmbaren Bedienteils (9)
M2.3.2
an einen Mikrocomputer (
µC) übertragen werden
- 6 -
M2.4
und das abnehmbare Bedienteil (9) mit einem Dis-
play (15)
M2.5
und einer Stromversorgungseinheit (S) ausgestattet ,
M2.6.1
wobei das abnehmbare Bedienteil (9) mindestens einen
Audioausgang (12),
M2.6.2
den Mikrocomputer (
µC),
M2.6.3
ein Interface (I),
M2.6.4
eine multimediale Kontaktstelle (M),
M2.6.5
einen D-A Wandler (W)
M2.6.6
und einen Speicher (SP) enthält,
dadurch gekennzeichnet,
M3
im abgenommenen Zustand des abnehmbaren Bedien-
teils (9) der Mikrocomputer (
µC) die Anzeige auf dem
Display (15) invertiert, um Energie zu sparen.“
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet, ebenfalls unter Hinzufügung einer
Merkmalsgliederung und Änderungen gegenüber dem Hauptantrag hervorgeho-
ben (Merkmal M4):
„M1
Gerät (1) der Unterhaltungselektronik, insbesondere
Autoradio, TV-Gerät, Satellitenempfänger, Mobilfunkte-
lefon,
M2
mit einem abnehmbaren Bedienteil (9),
M2.1
welches über mindestens eine mechanische
M2.2
und mindestens eine elektrische Kontaktstelle (14) mit
dem Gerät (1) verbindbar ist
M2.3
und im eingefügtem Zustand des abnehmbaren Bedien-
teils (9) in das Gerät (1) der Unterhaltungselektronik
M2.3.1
eingegebene Bedienbefehle über Tasten (10) des ab-
nehmbaren Bedienteils (9)
M2.3.2
an einen Mikrocomputer (
µC) übertragen werden
- 7 -
M2.4
und das abnehmbare Bedienteil (9) mit einem Dis-
play (15)
M2.5
und einer Stromversorgungseinheit (S) ausgestattet ,
M2.6.1
wobei das abnehmbare Bedienteil (9) mindestens einen
Audioausgang (12),
M2.6.2
den Mikrocomputer (
µC),
M2.6.3
ein Interface (I),
M2.6.4
eine multimediale Kontaktstelle (M),
M2.6.5
einen D-A Wandler (W)
M2.6.6
und einen Speicher (SP) enthält,
dadurch gekennzeichnet,
M3
im abgenommenen Zustand des abnehmbaren Bedien-
teils (9) der Mikrocomputer (
µC) die Anzeige auf dem
Display (15) invertiert, um Energie zu sparen
M4
und
ein
Multifunktionsregler (3)
am
Gerät (1)
angeordnet ist, welcher eine Drück-Dreh-Funktion
ermöglicht
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Unterklasse H 04 B des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2004 aufzuhe-
ben
und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der folgenden Un-
terlagen:
-
Patentansprüche 1 bis 7 aus dem Schriftsatz vom
15. April 2009,
- 8 -
hilfsweise:
-
Patentansprüche 1 bis 6 aus dem Schriftsatz vom
15. April 2009,
für beide Anträge Beschreibung und Zeichnungen
Figuren 1 bis 8 wie Offenlegungsschrift.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des
Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und der Gegenstand des Patentanspruchs 1
nach dem Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
2.
Als für die Beurteilung der Lehre der Anmeldung und des Standes der Technik
maßgeblichen Fachmann sieht der Senat einen Diplomingenieur der Fachrichtung
Nachrichtentechnik an, der über Erfahrung auf dem Gebiet der Unterhaltungs-
elektronik und über umfassende Kenntnisse der dort genutzten Gerätschaften und
Benutzer-Schnittstellen sowie der Entwicklung und der Fertigung solcher Systeme
verfügt.
3.
Zum Hauptantrag
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag umfasst den Ge-
genstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag. Nachdem
letzterer - wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag zeigen - nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist auch der Gegenstand des Patentanspru-
ches 1 nach Hauptantrag nicht patentfähig.
- 9 -
4.
Zum Hilfsantrag
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist dem Fachmann
durch das Gerät der Unterhaltungselektronik gemäß der DE 199 39 433 A1
(Druckschrift (1 )) i. V. m. seinem Fachwissen und Fachkönnen nahe gelegt.
Aus der DE 199 39 433 A1, vgl. die Figuren 1 und 2, die zugehörige Beschreibung
Sp. 3, Z. 68, bis Sp. 4, Z. 68, und weiter den Wortlaut der Ansprüche Sp. 5 Z. 3 bis
Sp. 6, Z. 46, ist ein Gerät der Unterhaltungselektronik (hier: Autoradio, Basisein-
heit 1 - Merkmal M1) mit allen Merkmalen im Oberbegriff des geltenden An-
spruchs 1 als bekannt entnehmbar. Das bekannte Gerät ist in Übereinstimmung
mit dem Anspruchsgegenstand mit einem abnehmbaren Bedienteil (2 - Merk-
mal M2) versehen, welches über mindestens eine mechanische und mindestens
eine elektrische Kontaktstelle (Schnittstelle 3 - Merkmale M2.1 und M2.2) mit dem
Basisteil verbindbar ist. Im eingefügten Zustand des abnehmbaren Bedienteils (2)
in das Gerät (1) werden eingegebene Bedienbefehle über Tasten (Bedienele-
mente 5) des abnehmbaren Bedienteils (2) an einen Mikrocomputer (Rechenein-
heit 8) übertragen (Merkmale M2.3, M2.3.1 und M2.3.2). Das abnehmbare Be-
dienteil (2) ist mit einem Display (Anzeigeeinheit 4) und einer Stromversorgungs-
einheit (wiederaufladbare Batterie 12) ausgestattet (Merkmale M2.4 und M2.5),
wobei das abnehmbare Bedienteil (5) mindestens einen Audioausgang (An-
schluss 6), auch für einen externen Lautsprecher aufweist (vgl. z. B. Anspruch 7,
Sp. 5, Z. 39 bis 44 - Merkmal 2.6.1). Weiterhin ist aus der DE 199 39 433 A1, vgl.
insbesondere Figur 2 und die Beschreibung Sp. 4, Z. 38-68, als bekannt ent-
nehmbar, dass das abnehmbare Bedienteil (2) einen Mikrocomputer (8), ein In-
terface (7), eine multimediale Kontaktstelle (diese kann zusätzlich z. B. zum Aus-
lesen von Chipkarten vorgesehen sein, vgl. Sp. 4, Z. 33-37), einen D/A-Wand-
ler (10) und einen Speicher (Massenspeicher 9) aufweist (Merkmale M2.6.2
bis M2.6.6).
- 10 -
Das Merkmal M3 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag, dass im abgenomme-
nen Zustand des abnehmbaren Bedienteils (9) der Mikrocomputer (
µC) die An-
zeige auf dem Display (15) invertiert, um Energie zu sparen, versteht der Fach-
mann im Lichte der Beschreibung der Anmeldung, vgl. die geltenden Beschrei-
bungsunterlagen gemäß Eingabe vom 1. Februar 2002, S. 8, Z. 3 bis 5, entspre-
chend der Offenlegungsschrift, Sp. 6, Abschnitt [0044], dahingehend, dass mit der
beanspruchten Maßnahme insbesondere Energie gespart werden soll; das Inver-
tieren der Anzeige im Zuge dieser Energie-Einsparung kann nach dem Verständ-
nis des Fachmanns auch ein zumindest zeitweises Abschalten der Energieversor-
gung umfassen (BGH in GRUR 2007, 859-862 - Informationsübermittlungsverfah-
ren I, i. V. m. § 14 PatG). Für einen solcherart sparsamen Umgang mit der Energie
zum Betreiben des Bedienteils im abgenommenen Zustand sieht sich der Fach-
mann durch den Stand der Technik nach der DE 199 39 433 A1 veranlasst, nach-
dem bei dem dort als bekannt entnehmbaren Gerät das abnehmbare Bedienteil
zur Energieversorgung eine wiederaufladbare Batterie enthält, vgl. (1), Sp. 4, Z. 63
bis 68. Diverse Möglichkeiten für Maßnahmen zum Energiesparen bei Geräten der
Unterhaltungselektronik sind dem Fachmann aus seinem Fachwissen heraus ge-
läufig, beispielhaft belegt durch die bereits im Prüfungsverfahren genannte
EP 0 982 732 A1 (dort als Druckschrift (3) bezeichnet), in der für ein Gerät der
Unterhaltungselektronik (MP3 Player) ein „auto power-off“-Modus ein Abschalten
des Displays umfasst (Sp. 11, Z. 8 bis 16 - Merkmal M
3).
Die Anordnung eines Multifunktionsreglers am Gerät, welcher eine Drück-Dreh-
Funktion ermöglicht, wie mit Merkmal M4 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag
gefordert, war zum Anmeldetag eine durchaus gängige und dem Fachmann prä-
sente Maßnahme im Bereich der Geräte der Unterhaltungselektronik, um eine effi-
ziente und benutzerfreundliche Bedienung zu ermöglichen in Anbetracht der durch
das abnehmbare Bedienteil vorgegebenen räumlichen Verhältnisse des Geräts
und nicht zuletzt auch veranlasst durch Benutzerwünsche (GRUR 2002, 418 -
Selbstbedienungs-Chipkartenausgabe). Nur ergänzend sei zu diesem Fachwissen
verwiesen auf die ebenfalls im Prüfungsverfahren genannte DE 197 41 854 A1
- 11 -
(dort als Druckschrift (5) bezeichnet), vgl. Sp. 2, Z. 14 bis 16 und Z. 34 bis 40,
i. V. m. Fig. 1.
Die Beschwerdeführerin hat den Standpunkt vertreten, dass in der
DE 199 39 433 A1 (Druckschrift (1)) die Problematik, Energie zu sparen, nicht ex-
plizit angesprochen sei, auch sei aus der EP 0 982 732 A1 (Druckschrift (3)) keine
Invertierung des Displays als bekannt entnehmbar. Wie vorstehend dargelegt,
sieht sich der Fachmann jedoch schon durch das Vorhandensein einer wieder-
aufladbaren Batterie veranlasst, Maßnahmen zum Energiesparen zu ergreifen,
wobei der Fachmann unter einer Abschaltung des Displays auch eine Invertierung
des Displays subsumiert, wenn hierdurch Energie eingespart wird.
Auch der Gesamtheit der vorstehend erörterten vom Stand der Technik nach der
DE 199 39 433 A1 (Druckschrift (1)) zum Anspruchsgegenstand führenden Maß-
nahmen ist nach Auffassung des Senats keine Erfindungsqualität zuzuerkennen,
da sie, wie aus den obigen Darlegungen hervorgeht, - wenn auch formal in zwei
gesonderte Maßnahmen auflösbar - lediglich eine Weiterführung einzelner im
Stand der Technik nach Druckschrift (1) bereits vorgezeichneter Maßnahmen zum
Sparen von Energie, oder aber eine routinemäßige Anwendung des dem Fach-
mann zur Verfügung stehenden Wissens und Könnens insbesondere hinsichtlich
der Bedienung von Geräten der Unterhaltungselektronik darstellen, ohne dass da-
bei der Rahmen durchschnittlichen fachmännischen Könnens verlassen oder ein
besonderer technischer Wirkzusammenhang der Einzelmaßnahmen sichtbar wird.
Die Gesamtheit dieser Einzelmaßnahmen bedeutet keine Fortentwicklung vom
Stand der Technik nach (1) in zwei aneinander anschließenden Schritten zur Er-
reichung einer besonderen Qualität, sondern - nur - die Anpassung an den prakti-
schen Bedarfsfall unter Berücksichtigung weitgehend unabhängiger üblicher For-
derungen mit Abwägung bekannter Vor- und Nachteile. Auch liegt hier kein der
BGH-Entscheidung „Stoßwellen-Lithotripter“ (Mitt. 1998, 356) zugrunde gelegener
Sachverhalt vor, bei dem das Naheliegen der Einzelmerkmale einer Vorrichtung
für sich noch nicht das Naheliegen der Gesamtheit dieser Merkmale begründete
- 12 -
(a. a. O. Leitsatz). Dort gab es keine Anregung dafür, an sich bekannte Merkmale
aus technischen oder nutzerspezifischen Überlegungen heraus durch weitere an
sich bekannte Merkmale zu ergänzen (a. a. O. III. 2.), und es sprachen für das
Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit weitere Gesichtspunkte, wie das Verlas-
sen der üblichen Wege des Denkens und ein lang anhaltendes unbefriedigtes Be-
dürfnis nach einer einfachen Vorrichtung (a. a. O. III. 2. letzter Abs.).
5.
Mit dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag fallen auch die ihm zugeordneten
Unteransprüche 2 bis 6, da das Patent nur so erteilt werden kann, wie es bean-
tragt ist und ein eigenständiger Erfindungsgehalt der Unter- bzw. Nebenansprüche
von der Anmelderin nicht geltend gemacht wurde (BGH, Beschluss vom
26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - elektrisches Speicherheiz-
gerät; Beschluss vom 21. Dezember 1982 - X ZB 10/82, GRUR 1983, 171 -
Schneidhaspel). Ein solcher eigenständiger erfinderischer Gehalt der Unteran-
sprüche ist angesichts des aus der Druckschrift (1) als bekannt entnehmbaren di-
gitalen Rundfunkempfängers auch für den Senat nicht ersichtlich. Das Entspre-
chende gilt für die dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag zugeordneten Unter-
ansprüche 2 bis 7.
III.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war aus Billigkeitserwägungen anzu-
ordnen, § 80 Abs. 3 PatG; denn die Prüfungsstelle hat im patentamtlichen Verfah-
ren gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs verstoßen und es kann nicht
ausgeschlossen werden, dass die Anmelderin bei einer ordnungsgemäßen
Durchführung des patentamtlichen Prüfungsverfahrens keine Beschwerde einge-
legt hätte.
Gemäß § 45 Abs. 2 PatG hat die Prüfungsstelle, wenn sie zu dem Ergebnis
kommt, dass keine nach §§ 1 bis 5 patentfähige Erfindung vorliegt, dies der Pa-
tentsucherin unter Angabe der Gründe mitzuteilen, d. h. die Umstände oder Grün-
- 13 -
de, auf denen die spätere Entscheidung der Prüfungsstelle beruht, sind dem An-
melder vor der Entscheidung mitzuteilen. Dies hat die Prüfungsstelle unterlassen
und damit der Anmelderin das rechtliche Gehör versagt.
Nachdem die Anmelderin mit ihrer Eingabe vom 1. resp. 5 Februar 2002 neue An-
sprüche 1 bis 8 mit einer geänderten Beschreibung nebst Figuren zur Entschei-
dung vorgelegt und dazu die Meinung vertreten hatte, dass der neu eingereichte
Patentanspruch 1 gegenüber der von der Prüfungsstelle im vorangegangenen
Prüfbescheid genannten Druckschrift (1) neu sei, hätte die Prüfungsstelle vor einer
endgültigen Zurückweisung der Anmeldung die Anmelderin zunächst im Wege ei-
nes weiteren Prüfbescheides über ihre Meinung zu den neu eingereichten Unter-
lagen unterrichten und der Anmelderin Gelegenheit zur Stellungnahme geben
müssen. Das hat die Prüfungsstelle jedoch unterlassen und hat statt dessen sofort
den angegriffenen, das patentamtliche Verfahren abschließenden Zurückwei-
sungsbeschluss erlassen.
Die Ausführungen in diesem Beschluss dazu, warum auch der neue Patentan-
spruch 1 vom 1. resp. 5. Februar 2002 im Hinblick auf die DE 199 39 433 A1 (1)
nicht gewährbar sei, waren kein Gegenstand des vorangegangenen Prüfungsver-
fahrens gewesen und deswegen für die Anmelderin neu. Dass die für die Zurück-
weisung maßgebenden Umstände zumindest hinsichtlich eines Teils des An-
spruchs 1 vom 1. resp. 5. Februar 2002 bereits in dem Prüfungsbescheid vom
12. November 2001 angesprochen worden waren, ändert nichts an diesem Er-
gebnis. Denn die zwei Sätze, mit denen im Prüfungsbescheid vom
12. November 2001 die fehlende Neuheit des ursprünglichen Patentanspruchs 1
konkret begründet worden war, waren schon im Hinblick auf die ursprünglichen
Anmeldeunterlagen in wesentlichen Punkten unvollständig und als Information der
Anmelderin über die Gründe für eine mögliche Zurückweisung der ursprünglichen
Ansprüche ungeeignet. Es fehlte die notwendige Auseinandersetzung mit den ein-
zelnen Merkmalen des damals geltenden Patentanspruchs 1 und hinsichtlich der
Schutzfähigkeit der damals geltenden Unteransprüche 2 bis 31 war der Prüfungs-
- 14 -
bescheid gänzlich nichtssagend. Daher waren die Ausführungen dieses Beschei-
des erst recht nicht dazu geeignet, die Anmelderin zuverlässig über die Er-
folgsaussichten der neuen Patentansprüche vom 1. resp. 5. Februar 2002 zu un-
terrichten. Das wird auch daran deutlich, dass die Prüfungsstelle vor Erlaß des
angegriffenen Zurückweisungsbeschlusses keine konkrete, sachlich nachvollzieh-
bare Stellungnahme zu den Merkmalen der ursprünglich eingereichten Unteran-
sprüche 2 und 3 abgegeben hatte, die die Anmelderin später in den neuen Pa-
tentanspruch 1 vom 1. resp. 5. Februar 2002 aufgenommen hat.
Wäre die Prüfungsstelle ordnungsgemäß verfahren und hätte sie die Anmelderin
gemäß § 45 Abs. 2 PatG in Form eines zweiten Prüfungsbescheids über ihre Ein-
wände gegen die neuen Anmeldeunterlagen vom 1. resp. 5. Februar 2002 voll-
ständig und nachvollziehbar unterrichtet, hätte das der Anmelderin die Gelegen-
heit gegeben, die Anmeldeunterlagen in einer Weise zu modifizieren, wie es jetzt
erst im Beschwerdeverfahren geschehen konnte. Es kann daher nicht ausge-
schlossen werden, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung des patentamtlichen
Prüfungsverfahrens die Anmelderin die Zurückweisung ihrer Anmeldung akzeptiert
und keine Beschwerde mehr eingelegt hätte.
Dr. Mayer
Dr. Hartung
Werner
Gottstein
Pr