Urteil des BPatG vom 15.05.2003

BPatG: kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, aufmerksamkeit, gesamteindruck, datenverarbeitung, produkt, befragung, umfrage, urlaub, durchschnitt

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 176/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 397 06 043.2
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hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 15. Mai 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems
sowie des Richters Engels und der Richterin Bayer
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortbildmarke
siehe Abb. 1 am Ende
ist unter der Nummer 397 06 043.2 für die Dienstleistungen "Erstellen von Pro-
grammen für die Datenverarbeitung" im Markenregister eingetragen. Dagegen hat
die Inhaberin der für die Waren und Dienstleistungen "mit Programmen versehene
maschinenlesbare Datenträger aller Art, DV-Programme einschließlich dazugehö-
rigem schriftlichen Begleitmaterial; Beratung über Einsatz und Anwendung von
DV-Programmen" geschützten Widerspruchsmarke Nr 1153534
SAP
Widerspruch erhoben.
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Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch in zwei Beschlüssen, von denen einer in der Erinnerung ergangen
ist, zurückgewiesen.
Der Erstprüfer hat ausgeführt, dass zwischen den sich gegenüberstehenden
Waren und Dienstleistungen Identität bzw. ein ausgesprochen hoher Grad von
Ähnlichkeit zu bejahen sei. Auch wenn man zugunsten der Widersprechenden
noch von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgehe,
obwohl es sich dabei um ein Fachkürzel für "service access point" handele, kämen
sich die Vergleichsmarken unter keinem Gesichtspunkt verwechselbar nahe. Im
Gesamteindruck höben sich die Marken in Anbetracht der graphischen Ausge-
staltung der jüngeren Marke erheblich voneinander ab. In klanglicher Hinsicht sei
zu berücksichtigen, dass es sich je um ausgesprochen kurze und leicht über-
schaubare einsilbige Wörter handele, bei denen schon eine Abweichung in einem
Mitlaut (hier die je an der stärker beachteten ersten Lautstelle stehenden Abwei-
chungen zwischen dem als stimmlosen Plosivlaut "ks" ausgesprochenen Anlaut
"X" und dem stimmhaften alveolaren Reibelaut "s") die Verwechslungsgefahr aus-
schließen könne, soweit sie überhaupt als zusammenhängende Wörter und nicht
als Buchstabenfolgen ausgesprochen würden. Kollisionsmindernd sei ferner
beachtlich, dass auf dem hier vorliegenden Sektor die Verwendung von Kurzwör-
tern ausgesprochen häufig sei und somit erhöhter Aufmerksamkeit begegneten,
zum anderen die gemeinsame Endung "AP" auf diesem Sektor die bekannte,
beschreibend verwendete und verbrauchte Bedeutung von "Application Program",
also von "Anwenderprogramm" habe, so dass die Aufmerksamkeit stärker auf den
Wortanfang gelenkt werde. Zudem trete die Vornahme mündlicher Bestellungen
ohnehin eher in den Hintergrund. Auch in schriftbildlicher Hinsicht sei der Abstand
ausreichend. Auch hier sei zu berücksichtigen, dass es sich um Kurzwörter han-
dele und darüber hinaus sich die softwaretechnischen Erzeugnisse an ein Fach-
publikum wendeten, das zu erhöhter Aufmerksamkeit neige.
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Die Erinnerungsprüferin hat ausgeführt, dass zwar zwischen den Waren der
Widerspruchsmarke und den Dienstleistungen der angegriffenen Marke Identität
bestünden mit der Folge, dass an den Abstand, den die jüngere Marke einhalten
müsse, strenge Anforderungen zu stellen seien. Auch unter Berücksichtigung der
von der Widersprechenden geltend gemachten gesteigerten Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke, die von den Inhabern der jüngeren Marke nicht bestritten
werde, sei die Gefahr von Verwechslungen dennoch im Ergebnis zu verneinen.
Der klangstarke Konsonant "X" verschaffe angesichts der Kürze der Markenwörter
ein hinreichend divergierendes Klangbild. Auch in schriftbildlicher Hinsicht unter-
schieden sich die Vergleichsmarken wegen ihrer Kürze durch die Abweichung in
den Buchstaben "X" und "S" am ohnehin stärker beachteten Wortanfang in ausrei-
chendem Maße.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag
(sinngemäß),
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Lö-
schung der angegriffenen Marke anzuordnen.
An den zu fordernden Markenabstand seien wegen der Identität der sich gegen-
überstehenden Waren und Dienstleistungen strenge Anforderungen zu stellen.
Hinzu komme die nicht bestrittene erhöhte Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke. Unter diesen Umständen sei die Gefahr klanglicher Verwechslun-
gen nicht auszuschließen. Die Marken stimmten in den Lauten "AP" überein. Der
Konsonant "X" der angegriffenen Marke werde wie "ks" ausgesprochen und weise
in dem Anfangslaut "S" der Widerspruchsmarke eine Entsprechung auf.
Während des Beschwerdeverfahrens wurde die Marke auf die jetzige Inhaberin
der angegriffenen Marke umgeschrieben. Die Umschreibung erfolgte am
17. April 2002. Die Rechtsnachfolgerin, die den Umschreibungsantrag am 26. Fe-
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bruar 2002 gestellt hatte, ist in das Verfahren mit Schriftsatz vom 12. März 2002
an Stelle der alten Markeninhaberin eingetreten und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Verkehrsgutachten sei in diesem Ver-
fahren nicht zugunsten der Beschwerdeführerin verwertbar, da die hier relevante
Zielgruppe der Entscheidungsträger im Softwarebereich in dieser Umfrage nicht
repräsentiert sei. Das Verkehrsgutachten befasse sich zudem nur mit der
Bekanntheit der Marke "SAP", jedoch nicht mit der Bekanntheit von einzelnen Pro-
dukten oder Dienstleistungen. Die Bekanntheit der Marke "SAP" selbst in einem
nicht-softwarespezifischen Umfeld schließe gleichzeitig eine Verwechslung mit der
Marke "XAP." aus. Die Fachverkehrskreise begegneten Kennzeichen im Software-
sektor mit erhöhter Aufmerksamkeit. Die Bekanntheit der Marke "SAP" dürfte in
diesem Umfeld deutlich höher sein als im von der Beschwerdeführerin vorgelegten
Verkehrsgutachten. Schließlich sei auch die Beschwerdegegnerin und ihr Produkt
"XAP" keine unbekannte Größe in den Fachverkehrskreisen. Die Argumentation
der Beschwerdeführerin sei widersprüchlich, da sie "SAP" als einprägsames
Kennwort bezeichne, und dennoch eine – tatsächlich nichtgegebene – Verwechs-
lungsgefahr bestehen solle. Es liege keine Warenidentität vor. Der Verkehr treffe
hier auch keine kurzfristigen und unbedachten Entscheidungen. Die Identität
zweier Buchstaben sei unbeachtlich. Außerdem sei die Marke "SAP" ein Firmen-
name, die Marke "XAP." dagegen ein Produkt. Die Produkte der beiden Firmen
würden nicht telefonisch bestellt, zumindest nicht ohne sich vorher genau zu infor-
mieren. Außerdem sei die angegriffene Marke eine Wort-/Bildmarke, die Wider-
spruchsmarke eine Wortmarke.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Rechtsnachfolgerin der Widersprechenden
konnte das Beschwerdeverfahren fortführen. Dafür ist keine Zustimmung der
Gegenseite erforderlich (§ 28 Abs. 2 Satz 3 MarkenG). Die Beschwerde hat in der
Sache jedoch keinen Erfolg.
Auch nach Auffassung des Senats besteht bei den sich gegenüberstehenden Mar-
ken nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG,
so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war (§ 43 Abs. 2
Satz 2 MarkenG).
Im vorliegenden Verfahren kann nicht von einer gegenüber dem Durchschnitt
deutlich erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen
werden. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen reichen nicht
aus, eine erhöhte Verkehrsgeltung zu bejahen, da die eingereichte Verkehrsbefra-
gung nicht erkennen lässt, für welche Waren und Dienstleistungen die Wider-
spruchsmarke bekannt ist und zudem fraglich ist, ob die Umfrage aus dem Zeit-
raum Januar/Februar 1999 auf Februar 1997 rückbezogen werden kann, dem
Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke, welcher für eine Berücksichtigung
ebenfalls maßgeblich ist (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz 6.
Aufl §
9
Rd 24). Allerdings hat die Beschwerdegegnerin die erhöhte Kennzeichnungskraft
nicht ausdrücklich bestritten. Sie macht jedoch in der Beschwerde geltend, die ein-
gereichte Befragung sei nicht repräsentativ, und belege nicht die Bekanntheit der
Marke für einzelne Waren und Dienstleistungen. Einer erhöhte Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke
kann daher nicht zugrunde gelegt werden, auch wenn die Beschwerdegegnerin
davon ausgeht, dass (heute) im Softwarebereich die Kennzeichnungskraft von
"SAP" bei den einschlägigen Verkehrskreisen noch höher sei als aus der Befra-
gung ersichtlich. Ob bereits wegen des vom Erstprüfer festgestellten beschreiben-
den Gehalts der Abkürzung "SAP" für "service access point" eine ursprüngliche
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Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke resultiert, kann dahingestellt
bleiben, denn selbst wenn sich eine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche nicht
nachweisen ließe, und man sogar von einer leicht erhöhten Kennzeichnungskraft
ausginge, reichten die Unterschiede aus, um eine Verwechslungsgefahr zu verhin-
dern.
Die gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen sind zwar nicht identisch,
da die Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" im
Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke nicht aufge-
führt sind. Jedoch besteht eine zumindest mittlere Ähnlichkeit, da die Programme,
auf deren Herstellung die Dienstleistungen der angegriffenen Marke gerichtet sind,
identisch sein können mit denen, die Gegenstand der in der Widerspruchsmarke
geschützten Beratungsdienstleistungen sind, oder die auf den Waren gespeichert
sind, für die die Widerspruchsmarke geschützt ist.
Ist jedenfalls im vorliegenden Verfahren von einer durchschnittlichen oder nur
leicht erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, rei-
chen selbst bei einem unterstellten hohen Grad der Ähnlichkeit der geschützten
Waren und/oder Dienstleistungen die vorhandenen Unterschiede aus, um eine
Verwechslungsgefahr zu verhindern, wobei nach ständiger Rechtsprechung der
durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher maßge-
bend ist.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kommt es auf die Bekanntheit
der angegriffenen Marke für die Frage der Verwechslungsgefahr nicht an, und
deren Bekanntheit würde jedenfalls nicht verwechslungsmindernd wirken
(Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 Rd 155). Ein Widersprechender
ist auch davor zu schützen, dass seine Marke versehentlich deswegen für die
angegriffene Marke gehalten wird, weil man diese kennt und deshalb fälschlicher-
weise annimmt, man habe sie gehört oder gelesen. Der weiteren Ansicht der
Beschwerdegegnerin, bei hoher Bekanntheit und Kennzeichnungskraft der Wider-
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spruchsmarke sei die Verwechslungsgefahr geringer, kann nicht gefolgt werden,
denn sie berücksichtigt nicht, dass eine erhöhte Kennzeichnungskraft nach allge-
meiner Auffassung zu einem größeren Schutzumfang der Widerspruchsmarke füh-
ren würde. Da jedoch zum Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke nicht von
einer deutlich erhöhten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden kann, wirkt
sich die von der Inhaberin der angegriffenen Marke zum jetzigen Zeitpunkt unbe-
strittene Bekanntheit der Widerspruchsmarke für sie nicht nachteilig aus.
Die angegriffene Marke hält sowohl klanglich als auch schriftbildlich den gebote-
nen Abstand von der Widerspruchsmarke ein. Entscheidend ist dabei der Gesamt-
eindruck der sich gegenüber stehenden Zeichen (Althammer/Ströbele, Markenge-
setz, 6. Aufl, § 9 Rd 80).
Eine Verwechslungsgefahr aufgrund schriftbildlicher Ähnlichkeit der Marken ist
nicht gegeben, da das Schriftbild deutlich unterschiedlich ist. Die Buchstaben "X"
und "S" stehen am besonders beachteten Zeichenanfang. Die Zeichen sind sehr
kurz, so dass diese deutlich unterschiedlichen Anfangsbuchstaben nicht überse-
hen werden können. Zudem tritt in bildlicher Hinsicht auch die graphische Ausge-
staltung der angegriffenen Marke stärker in den Vordergrund, die sie ebenfalls von
der Widerspruchsmarke, der eine entsprechende Grafik fehlt, deutlich abhebt.
Eine die Gefahr von Verwechslungen beachtlichen Umfangs begründende klangli-
che Ähnlichkeit liegt ebenfalls nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beschwer-
degegnerin ist die Verwechslungsgefahr auch unter diesem Gesichtspunkt zu prü-
fen, da auch mündliche Empfehlungen zu Verwechslungen führen können, selbst
wenn die Produkte später schriftlich bestellt werden.
Die weit überwiegenden Verkehrskreise werden die aus jeweils drei Buchstaben
bestehenden Zeichen nicht als Wort, sondern als Buchstaben "X-A-P" bzw "S-A-P"
aussprechen. Buchstabenabkürzungen werden auf dem vorliegenden Sektor häu-
fig verwendet. Die Aufeinanderfolge von jeweils drei Großbuchstaben, ohne dass
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sie ein verständliches Wort ergeben, wird der Verkehr daher regelmäßig als Buch-
stabenzeichen werten und entsprechend aussprechen. Dies gilt insbesondere
auch für die angegriffene Marke, die mit dem markanten Buchstaben "X" beginnt,
der den allgemeinen Verkehrskreisen häufig in Abkürzungen begegnet (zB "XL",
"XS"), und es im Deutschen nur wenige Wörter gibt, die mit dem Laut "X" begin-
nen.
Die Zeichen "SAP" bzw "XAP" sind unabhängig davon, ob sie als Buchstaben oder
als Wort ausgesprochen werden, klanglich sehr verschieden. Die Marken unter-
scheiden sich am Zeichenanfang, der vom Verkehr regelmäßig stärker beachtet
wird als das Zeichenende. Zudem sind die Zeichenwörter so kurz, dass der Unter-
schied am Anfang der Wörter im Gesamteindruck stark hervortritt. "X" klingt als
auffälligster Konsonant des deutschen Alphabets sehr markant. Die angesproche-
nen Verkehrskreise sind Fachverkehr und interessierte Laien, die den Zeichen
zudem mit größerer Aufmerksamkeit begegnen. Außerdem ist zu berücksichtigen,
dass der größte Teil des Verkehrs die Marken buchstabenmäßig ausspricht, und
dann um so weniger der Gefahr von Verwechslungen unterliegt, da bei dieser
Wiedergabeart der Unterschied am Zeichenanfang noch auffälliger ist.
Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen in Verbin-
dung Bringens besteht ebenfalls nicht. Beide Zeichen weisen zwar jeweils drei
Großbuchstaben auf und enthalten die Buchstaben "AP". Als Stammbestandteil
einer Zeichenserie kommt die Buchstabenfolge "AP" nicht in Betracht, da die Zei-
chen jeweils eine Einheit bilden und der Verkehr keinen Anlass hat, willkürlich ein-
zelne Buchstabenfolgen als Stammbestandteil aufzufassen, zumal die Abkürzung
"AP" für "Application Program" (Applikationsprogramm) auf dem vorliegenden
Gebiet von Waren und Dienstleistungen im Softwarebereich eine beschreibende
Bedeutung aufweist.
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
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Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
Kliems
Richter Engels hat Urlaub
und ist daher verhindert
zu unterschreiben.
Kliems
Bayer
Fa