Urteil des BPatG vom 30.10.2007

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 12/08
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 306 29 080.4
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung
am
5. November 2008
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Dr. Fuchs-Wissemann, den Richter Reker und die Richterin Kopacek
beschlossen:
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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die anliegende Marke ist als sonstige Markenform (Positionsmarke) angemeldet
worden für die Waren
„Glaswaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind,
insbesondere Trinkgläser“.
Die Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergan-
gen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der angemeldeten
Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Be-
urteilung der Unterscheidungskraft einer Positionsmarke sei für alle übrigen Mar-
kenkategorien gleich . Die beiden miteinander verbundenen Fingerringe, die relief-
artig mehrere Zentimeter unterhalb des oberen Glasrands in einer Größe von ca. 2
bis 5 cm und einer Tiefe von bis zu 5 mm auf den Glaswaren angebracht seien,
erscheine dem Verbraucher als reine (Hochzeits-)Dekoration eines Glases und
damit absolut üblich. Sie weise keinerlei über die technisch-funktionelle oder das
typische Design von Gläsern hinausreichende charakteristische Gestaltung auf.
Bei Gebrauchsgegenständen und Haushaltswaren werde das Publikum selbst bei
besonderen Gestaltungsmerkmalen grundsätzlich nicht auf eine Marke, sondern
nur auf ein zweckmäßiges oder allenfalls dekoratives Element schließen, das nicht
betriebskennzeichnend wirke. Ausweislich einer Internet-Recherche gebe es Glä-
ser für Hochzeiten mit unterschiedlichen Motiven wie Herzen, Ringe, Mann und
Frau. Zwar weise die angemeldete Marke ein Relief von bis zu 5 mm auf. Aber der
Umstand der Einzigartigkeit begründe noch nicht die Annahme eines Herkunfts-
hinweises. Auf dem Glassektor seien weder das Design noch die Dekoration ein
Hinweis auf verschiedene Hersteller. Dies gelte insbesondere dann, wenn die De-
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koration für einen bestimmten Anlass exemplarisch stehe, wie dies vorliegend bei
zwei miteinander verbundenen Fingerringen als Symbol für Hochzeitsdekorationen
der Fall sei. Damit liege nur eine ästhetische Gestaltung und kein betrieblicher
Herkunftshinweis vor.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie vertritt die Auffassung,
die Einzigartigkeit der Applikation von zwei miteinander verbundenen Ringen, die
in einer Tiefe bis zu 5 mm an einer bestimmten, stets gleich bleibenden Position
eines Glases angebracht sei, eigne sich als konkretes Unterscheidungsmittel. Im
Warenbereich der Gläser sei es üblich, ein bestimmtes einzigartiges Design einem
bestimmten Hersteller zuzuordnen, wie dies Beispiele der bekannten Firmen
Rosenthal oder Riedel zeigten. Umso mehr gelte dies für eine reliefartige Applika-
tion, die in gleichbleibender Position auf dem jeweiligen Glas angebracht sei.
Die Anmelderin beantragt daher sinngemäß,
die versagenden Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet, da die angemeldete Mar-
ke keine ausreichende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
aufweist.
Die Marke wird beansprucht als „sonstige Aufmachung“ nach § 3 Abs. 1 MarkenG
als Positionsmarke mit folgender Beschreibung i. S. v. § 12 Abs. 3 MarkenG:
„-
zwei miteinander verbundene Fingerringe,
-
die reliefartig auf den schutzbegründenden Waren angebracht sind, und
zwar
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-
außen am Glas anliegend, mehrere cm unterhalb des oberen Glasran-
des (verhältnismäßig zur Höhe des jeweiligen Glases),
-
in einer Größe von circa zwei bis fünf cm im Durchmesser (verhältnis-
mäßig zur Größe des jeweiligen Glases) und einer Tiefe von bis zu
fünf mm (verhältnismäßig zur Größe des jeweiligen Glases).
Die Form- und Farbgebung des Glases ist beliebig.“
Abgesehen von den Bedenken, die gegen die Spruchpraxis geäußert werden, wo-
nach Positionsmarken grundsätzlich die erforderliche Unterscheidungskraft zuge-
sprochen werden kann, wenn die nicht unterscheidungskräftigen Bildelemente auf
einem bestimmten Warenteil an stets gleichbleibender Stelle in gleicher Form und
Größe angebracht sind (vgl. BPatG GRUR 1998, 819 ff. - Jeanstasche mit Ausru-
fezeichen; Ströbele/Hacker, Markengesetz 8. Aufl., § 8 Rdnr. 170), erfüllt die vor-
liegende Anmeldung bereits deshalb nicht die für Positionsmarken erforderlichen
Voraussetzungen, weil die der Anmeldung beigefügte Beschreibung keine Anga-
ben über die gleichbleibende Platzierung und Größe der Marke auf den bean-
spruchten Waren enthält. So beschränkt sich die Beschreibung auf die Angabe
„mehrere cm unterhalb des oberen Glasrandes (verhältnismäßig zur Größe des je-
weiligen Glases)“, wodurch eine bestimmte Positionierung nicht exakt bzw. ein-
deutig definiert ist.
Selbst wenn die Angaben zur Positionierung der reliefartigen Applikation als aus-
reichend angesehen würden, fehlt der angemeldeten Marke das erforderliche Min-
destmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Auch als be-
sondere Markenform unterliegt sie den gleichen rechtlichen Anforderungen wie
andere Kennzeichenarten.
Unterscheidungskraft im Sinn der vorgenannten Bestimmung ist die einer Marke
innewohnende konkrete Eignung, vom maßgeblichen Publikum als betrieblicher
Herkunftshinweis und Unterscheidungsmittel für die betreffenden Waren oder
Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen
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aufgefasst zu werden und damit die betriebliche Zuordnung dieser Waren zu er-
möglichen (vgl. BGH GRUR Cityservice). Auch dieses Eintragungshindernis ist im
Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm zugrunde liegt, und das darin
besteht, den freien Warenverkehr zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2002, 804,
805, 809 - Philips; GRUR Int 2004, 943 - Farbe Orange). Für kennzeichnungs-
rechtliche Monopole ist damit nur Raum, soweit diese geeignet sind, dem Verbrau-
cher die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren zu garantieren und da-
mit die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen. Es kommt darauf an, ob die Marke
aus der Sicht des von den jeweiligen Waren angesprochenen Durchschnittsver-
brauchers über technisch-funktionelle oder über die typische Gestaltung der Ware
hinausreichende charakteristische Merkmale aufweist, die aus dem verkehrsübli-
chen Rahmen der Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen (vgl.
EuGH GRUR 2005, 229 - Flaschenform; BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 163/04
- Silberstreifen).
Ein derart von der Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweichendes Gestal-
tungsmerkmal weist die angemeldete Marke nicht auf. Die auf dem Glas ange-
brachte reliefartige Applikation zweier miteinander verbundener Ringe stellt näm-
lich - wie auch bereits die Markenstelle ausgeführt hat - ein gebräuchliches Hoch-
zeitsmotiv und damit eine bloße Bestimmungsangabe dar. Aus den dem Be-
schluss der Markenstelle vom 30. Oktober 2007 angefügten Beispielen ergibt sich
die Geläufigkeit derartiger Motive. Die angesprochenen Verkehrskreise werden
diesen Motiven rein ästhetische bzw. Dekorationszwecke entnehmen, aber keinen
betrieblichen Herkunftshinweis. Dass der Verkehr gerade auf dem Glassektor an
vielfältige Designelemente gewöhnt ist, ergibt sich nicht zuletzt aus den von der
Anmelderin vorgelegten Beispielen. Der Umstand, dass das betreffende Motiv re-
liefartig auf den Gläsern angebracht ist, vermag bereits deshalb keine Unterschei-
dungskraft zu begründen, weil dies für den unbefangenen Betrachter auf Anhieb
gar nicht wahrnehmbar erscheint.
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Allein aus der Positionierung der nicht unterscheidungskräftigen reliefartigen Appli-
kation ergibt sich kein betrieblicher Herkunftshinweis. Zum einen wurde vorste-
hend bereits dargelegt, dass aufgrund der Beschreibung der Anmelderin eine Po-
sitionierung gar nicht eindeutig definiert ist, Zum anderen erscheint die Stelle der
Anbringung auf dem Glas mehrere cm unterhalb des oberen Glasrandes keines-
falls so ungewöhnlich, dass der Verkehr allein daraus auf einen Betriebshinweis
schließen würde, denn es ist absolut üblich, Motive auf Gläsern an dieser Stelle
anzubringen.
Sogar wenn davon auszugehen wäre, dass die vorliegende Art eines Glases bis-
lang bei Produkten der Mitbewerber nicht zu finden wäre, führt dies zu keiner an-
deren Beurteilung. Weder Neuheit noch Erfindungshöhe i. S. d. Patentrechts noch
Eigentümlichkeit i. S. d. Geschmacksmusterrechts können entscheidende Anhalts-
punkte dafür liefern, ob eine Gestaltung als individuell kennzeichnend zu bewerten
ist (vgl. BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 98/02 - Positionsmarke auf Schuh).
Die Frage eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG kann angesichts der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt blei-
ben.
Dr. Fuchs-Wissemann
Reker
Kopacek
Ko
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