Urteil des BPatG vom 10.08.2009

BPatG: fernsehen, unterscheidungskraft, internet, herausgabe, verbraucher, anpreisung, nachrichten, kabel, veröffentlichung, daten

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 49/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 305 18 663.9
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatengerichts am
10. August 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Dr. van
Raden und Richter Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Fernsehen 1. Klasse
ist am 31. März 2005 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der
Klassen 9, 14, 16, 18, 25, 28, 35, 36, 38 und 41 zur Eintragung in das
Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Erstbeschluss vom 20. Februar 2007 teilweise für die Waren und
Dienstleistungen
"Filmapparate und Instrumente; Geräte zur Wiedergabe von Bild
und/oder Ton, Videofilme und Videokassetten; Datenverarbei-
tungsgeräte
und
Computer;
Datenverarbeitungsprogramme;
Computersoftware; Magnetaufzeichnungsträger, CDs; Druckerei-
erzeugnisse, insbesondere Zeitungen und Periodika; Lehr- und
Unterrechtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Drucke-
reierzeugnissen; Werbung; Organisation, Durchführung und Über-
wachung von Verkaufs- und verkaufsfördernden Programmen;
Durchführung von Prämienprogrammen für TV-Abonnenten; Be-
trieb eines Bonussystems für TV-Abonnenten; Nachrichten- und
Bildübermittlung mittels schmalbandigen (insbesondere PC mit
Modem) und breitbandigen (insbesondere TV-Anschluss) Online-
Diensten; Telekommunikation, Ausstrahlung von Rundfunk- und
Fernsehprogrammen, Teletext-Services, Telekommunikation mit-
tels Computer-Terminals, soweit in Klasse 38 enthalten, Über-
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tragung von Daten, Text, Ton und Bild; computergestützte Über-
tragung von Nachrichten, Bildern, Musik und Filmen, sämtliche
vorgenannten Dienstleistungen auch über Internet; Sendung von
Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satelitten-
funk sowie durch ähnliche technische Einrichtungen; Übertragung
und Sendung von Fernsehprogrammen, mittels analoger oder
digitaler Technik sowie auch durch pay-per-view; digitale Über-
tragung von Daten einschließlich Sendesignalen im Multiplex-
Verfahren; Dienstleistungen eines Internet-Providers (soweit in
Klasse 38 enthalten); internetbezogene Dienstleistungen, nämlich
Bereitstellen eines Zugangs zu Texten, Graphiken, audiovisuellen
und Multimedia-Informationen, Dokumenten, Datenbanken und
Computerprogrammen; Herausgabe von Informationen über Ver-
anstaltungen mittels schmalbandigen (insbesondere PC mit Mo-
dem) und breitbandigen (insbesondere TV-Anschluss) Online-
Diensten; Veröffentlichung und Herausgabe von ergänzenden
Printmedien (Kataloge); sämtliche vorgenannten Dienstleistungen
auch über Internet; Unterhaltung; Verlegung von Büchern und
Zeitschriften; Darbietung von Schauspielen; Produktion, Veröffent-
lichung und Herausgabe von Videokassetten und -filmen, CDs und
Magnetaufzeichnungsträgern, soweit in Klasse 41 enthalten; Her-
ausgabe von Zeitschriften über Audio- und Videothemen; Rund-
funk- und Fernsehunterhaltung; Filmproduktion; Vermietung von
Filmen, Rundfunkaufzeichnungen, Filmprojektionsapparaten sowie
deren Zubehör und von Theaterdekorationen; sportliche und kultu-
relle Aktivitäten"
wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angemeldete Wort-
kombination "Fernsehen 1. Klasse" erschöpfe sich in einer zum Kauf der Waren
und zur Inanspruchnahme der Dienstleistungen bzw. die Vermarktung der Produk-
te und Leistungen auffordernden allgemeinen Werbeaussage. Der Werbeslogan
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weise darauf hin, dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sich
inhaltlich mit erstklassigem Fernsehen beschäftigten bzw. erstklassiges Fernse-
hen zum Gegenstand hätten.
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle durch
Beschluss vom 10. April 2008 zurückgewiesen. Auch die Erinnerungsprüferin hält
die Marke für nicht unterscheidungskräftig. Die sprachüblich gebildete Wortfolge
sei den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres verständlich. Das Wort
"Fernsehen" bezeichne die heute mittels unterschiedlicher Techniken (digital, Sa-
tellit, Kabel) ermöglichte Übertragung von bewegten Bildern, die auf dem Bild-
schirm eines Empfangsgeräts (Fernseher oder Computer) sichtbar gemacht wür-
den. Es stehe darüber hinaus für die in einem bestimmten Sendebereich sen-
denden Fernsehanstalten, allgemein für Sendungen im Fernsehen und Fern-
sehsendungen und -programme und schließlich auch für das Fernsehgerät selbst
(Hinweis auf Duden, Deutsches Universalwörterbuch).
Der nachfolgende Ausdruck "1. Klasse" sei heute in allen Waren- und Dienst-
leistungsbereichen üblich, um auf die Güte und hohe Qualität oder die Markt-
führerschaft eines Produkts oder einer Dienstleistung hinzuweisen. In Bezug auf
die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen stelle sich das angemeldete
Zeichen "Fernsehen 1. Klasse" damit als eine unmittelbar beschreibende und
gleichzeitig anpreisende Angabe dar. Als Kombination zweier beschreibender
Begriffe, deren Gesamteindruck nicht über die Zusammenfügung beschreibender
Elemente hinausgehe, erschöpfe es sich in der bloßen Summenwirkung. In Bezug
auf die beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 9 (Filmapparate…) werde
der Verkehr lediglich annehmen, dass diese erstklassiges Fernsehen (technisch)
möglich machten. Die Waren der Klasse 16 "Druckereierzeugnisse…" könnten
sich inhaltlich mit qualitativ hochwertigem Fernsehen auseinandersetzen, insoweit
stelle die Angabe "Fernsehen 1. Klasse" lediglich eine Sachinformation dar. In
Bezug auf die Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 (Werbung…) bezeichne
"Fernsehen 1. Klasse" den Gegenstand und das Themengebiet der angebotenen
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Leistungen. Die Dienstleistungen der Klasse 38 (Nachrichten- und Bildüber-
mittlung…) könnten erstklassiges Fernsehen zum Gegenstand haben und er-
möglichen. Fernsehen und Fernsehprogramme könnten über das Internet verbrei-
tet werden und den Zuschauern weitere Nutzungsmöglichkeiten bieten. Die An-
gabe "Fernsehen 1. Klasse" erschöpfe sich damit in der Beschreibung und wer-
benden Anpreisung der angebotenen erstklassigen Leistung. Die Dienstleistungen
der Klasse 41 (Herausgabe von Informationen über Veranstaltungen…) könnten
sich mit dem Thema "Fernsehen 1. Klasse" auseinandersetzen, sie könnten
Fernsehen 1. Klasse zum Gegenstand haben oder für erstklassiges Fernsehen
bestimmt sein.
Den Beschluss beigefügt sind Internet-Ausdruck, die eine Verwendung der Wort-
folge "1. Klasse" im Sinne einer Anpreisung belegen.
Unterlagen, die die von der Anmelderin behauptete Verkehrsdurchsetzung gemäß
§ 8 Abs. 3 MarkenG belegen, habe die Anmelderin nicht vorgelegt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 20. Februar 2007 und vom
10. April 2008 in dem Umfang aufzuheben, in dem die Anmeldung
zurückgewiesen wurde und die angemeldeten Marke in vollem
Umfang einzutragen.
Die Anmelderin hält die Marke in ihrer Kombination für unterscheidungskräftig. Ein
im Vordergrund stehender Sinngehalt der Marke könne allenfalls für die
Dienstleistungen der Klasse 28 "Übertragung und Sendung von Fernsehprogram-
men" nicht aber für die übrigen verfahrensgegenständlichen Waren und Dienst-
leistungen festgestellt werden, bei denen es keinen ausreichend engen Bezug
gebe. Die Markenstelle habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Marke
weiteren Interpretationen zugänglich sei. "Fernsehen 1. Klasse" bilde in origineller
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Weise die Marktverhältnisse auf dem deutschen Fernsehmarkt ab und beschränke
sich nicht auf einen bloßen Qualitätshinweis der so gekennzeichneten Waren und
Dienstleistungen, auf den das Amt die Anmeldemarke reduziere. Die Bezeichnung
"Fernsehen 1. Klasse" impliziere auch die Existenz "Fernsehen 2. Klasse" und
spiele damit in subtiler und origineller Form auf die Vorteile von Bezahl-Fernsehen
gegenüber frei empfangbaren Sendern an. Hierbei sei hervorzuheben, dass durch
die Verwendung "1. Klasse" ebenfalls auf die mit der Inanspruchnahme der
"1. Klasse" verbundenen Mehrkosten angespielt werde. Anders als vom Amt
angenommen, werde der angesprochene Verkehr diese Anspielung auch erken-
nen, da gerade der Komfort von Flug- und Bahnreisen "1. Klasse" mit diesem
Begriff assoziiert werde. Die Wortfolge "Fernsehen 1. Klasse" spiele daher ge-
schickt mit den Assoziationen der Verbraucher und spreche dabei die Emotionen
Stolz (derjenigen, die sich für den Komfort "1. Klasse" entschieden hätten), Neid
(derjenigen, die über diesen Komfort gerne verfügen würden) und Trotz (derjeni-
gen, die meinten, dieser Komfort sei überflüssig) an. Zur Begründung ihres Eintra-
gungsbegehrens stützt sich die Anmelderin zusätzlich auf zwei Entscheidungen
des
Bundespatentgerichts
in
den
Verfahren
29 W (pat) 86/04
und
29 W (pat) 12/05, in denen der 29. Senat die Eintragbarkeit der Marken
"BuchPartner" und "WORLD TV Interaktiv" (Wort/Bildmarke) bejaht hatte.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der angemeldeten
Bezeichnung für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen jeg-
liche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einem Zeichen inne-
wohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke
erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen
anderer Unternehmen. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungs-
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identität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st.
Rspr. EuGH Int. 2005, 1012, Nr. 27 ff. - BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854
- FUSSBALL WM 2006). Die Schutzfähigkeit als Marke ist dabei stets anhand der
angemeldeten Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (vgl. Ströbe-
le/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 18). Enthält eine Bezeichnung danach
einen beschreibenden Begriffsinhalt, ist der angemeldeten Bezeichnung die Ein-
tragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Bei
derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt,
dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151,
1152 - marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard).
Ist - wie hier - die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen
grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmar-
ken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung
in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFT-
WARE CORPORATION). Wortfolgen sind dann nicht unterscheidungskräftig,
wenn es sich um beschreibende Angaben oder um Anpreisungen und Werbeaus-
sagen allgemeiner Art handelt (vgl. BGH BlPMZ 2000, 161 - Radio von hier). Dies
ist vorliegend der Fall.
Den Bedeutungsgehalt der Wortfolge "Fernsehen 1. Klasse" hat die Markenstelle
auch in ihrer Gesamtbedeutung zutreffend dargelegt; zur Vermeidung von Wieder-
holungen wird hierauf Bezug genommen. Die Markenstelle hat weiterhin anhand
aussagekräftiger Unterlagen belegt, dass die Bezeichnung "1. Klasse" im Sinne
einer Anpreisung in Bezug auf unterschiedliche Waren vielfach von Dritten ver-
wendet wird. Dem vorangestellten Wort "Fernsehen" entnimmt der Verkehr, wo-
rauf sich die Anpreisung bezieht.
Der Verbraucher wird die Wortfolge in Bezug auf sämtliche verfahrensgegen-
ständlichen Waren und Dienstleistungen in ihrer Gesamtheit, auf die bei der Be-
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urteilung der Unterscheidungskraft maßgeblich abzustellen ist, lediglich als Wer-
beaussage allgemeiner Art verstehen.
Die Behauptung der Anmelderin, die angemeldete Bezeichnung sei weiteren Inter-
pretationen zugänglich, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob der Verbraucher die Wortfolge in dem
von der Anmelderin aufgezeigten Sinn (Vorteile von Bezahl-Fernsehen gegenüber
frei empfangbaren Sendern, besonderer Service "am Platz", Bezeichnung eines
Schulfachs) verstehen wird. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da es
der Beurteilung als nicht unterscheidungskräftig nicht entgegensteht, wenn eine
Bezeichnung vage ist und dem Verbraucher wenig Anhalt dafür bietet, welche
konkreten Inhalte vermittelt werden (vgl. BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine
bessere Welt). Es genügt, wenn der Verbraucher bei einer Bezeichnung konkrete
Inhalte vermutet und die Bezeichnung deshalb nicht als herkunftsmäßig unter-
scheidend auffasst.
Aus der Schutzgewährung für andere, nach ihrer Ansicht vergleichbare Marken
kann die Anmelderin keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen
führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundge-
setzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu
befinden haben. Denn die Eintragung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt
keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar (EuGH GRUR 2004, 674,
Nrn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BPatG GRUR 2007,
333, 335 ff. - Papaya).
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Ob einer Registrierung der angemeldeten Marke auch das Schutzhindernis der
Merkmalsbezeichnung (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) entgegensteht, kann als nicht
entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
Dr. Albrecht
Dr. van Raden
Kruppa
Hu