Urteil des BPatG vom 14.09.2005

BPatG: optik, fig, firma, streuung, vollstreckbarkeit, aufwand, auflösung, patentanspruch, sicherheitsleistung, vorbenutzung

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 5/04
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
14. September 2005
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das deutsche Patent DE 197 44 506
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 14. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin Winkler
sowie die Richter Voit, Dipl.-Phys. Dr. Maksymiw, Dipl.-Phys. Dr. Häußler und
Dipl.-Phys. Dr. Morawek,
für Recht erkannt:
1. Das deutsche Patent 197 44 506 wird im Umfang seines An-
spruchs 1 für nichtig erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 197 44 506
(Streitpatent), das am 9. Oktober 1997 angemeldet worden ist. Es betrifft einen
"Projektor zur Projektion von mindestens vier in Zeilen angeordneten Zahlen oder
Buchstaben" und umfasst insgesamt 6 Ansprüche. Anspruch 1 lautet wie folgt:
Projektor zur Projektion von mindestens vier in Zeilen angeordne-
ten Zahlen und/oder Buchstaben, bestehend aus einem Projektor-
gehäuse (1) mit Lichtquelle (2) und einem zwischen dieser und ei-
nem einstellbaren Projektionsobjektiv (3) angeordneten, optischen
System (4), in das zwei in ihren durchmesserunterschiedlichen
Randbereichen (5) mit die Zahlen- und/oder Buchstaben darstel-
lenden Lichtdurchgangsöffnungen (6) versehene, um parallele
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Achsen (7) drehbare Blendenscheibenpaare (8) aus jeweils unab-
hängig zueinander drehbaren Blendenscheiben (8’) eingreifend
angeordnet sind, denen eine stationäre Maske (9) mit der Zahlen-
und/oder Buchstabenstellenzahl entsprechenden Anzahl von
dadurch gekenn-
zeichnet
ner Wandstärke (S) von 0,1 bis <0,2 mm bemessen und alle
Lichtdurchgangsöffnungs-, sonstige Durchgriffs- und Außenkontu-
ren (K) als durch nichtspanende Bearbeitung, vorzugsweise ätz-
technische Bearbeitung gewonnene Konturen ausgebildet sind.
Die Klägerin behauptet, die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 des Streitpatents
sei weder neu, noch beruhe sie auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie trägt vor,
bereits vor dem Anmeldezeitpunkt des Streitpatents seien Projektoren mit drehba-
ren Blendenscheibenpaaren, bei denen Blendenscheiben aus Messingblech mit
einer Stärke <0,2 mm vorgesehen waren, deren Durchbrechung in Zahlenform
durch Ätzen hergestellt worden war, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden
und bietet hierfür Zeugenbeweis an. Im übrigen beruft sie sich auf folgende schrift-
liche Unterlagen:
D1
Offenlegungsschrift DE 27 54 337 A1
D2
20. Januar 2004, Rechnung der Klägerin vom 15. Juli 1994 und Abbildung
einer Blendenscheibe
D3
Auszug eines Aufsatzes aus der Zeitschrift „Galvaniktechnik“, 1972,
„Formteilätzen“ von W. Stiehr, S 28, Abb 60 und S 29
D4
Schreiben der Firma ZE Ätztechnik GmbH, 16792 Zehdenick, vom
28. Oktober 2003 mit entsprechender Anfrage der Klägerin vom
24. Oktober 2003
D5
Schreiben der Firma Ätztechnik Herz GmbH & Co., 78736 Epfendorf vom
28. Oktober 2003 mit entsprechender Anfrage der Klägerin vom
24. Oktober 2003
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D6
Rechnung der Klägerin Nr. 0894267 vom 15. August 1994 an die Firma
Otto Schmidt, 65462 Ginsheim-Gustavsburg
D7
(Im Schriftsatz vom 19. Mai 2005 als D6 bezeichnet) Schreiben der Firma
Bubel Electronic Angelika Bubel e.K., 56459 Winnen vom 2. April 2004 mit
Abbildungen von Musterblechscheiben
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent DE 197 44 506 im Umfang des Anspruchs 1
für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält eine offenkundige Vorbenutzung für nicht gegeben und hält das Streitpa-
tent in vollem Umfang für schutzfähig.
Sie verweist in ihren Schriftsätzen ua auf folgende Druckschrift:
A2: DE 94 06 172 U1
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, da der Gegenstand des von der Beklagten
verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht patentfähig ist (Art II § 6
Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a iVm Art 56 EPÜ).
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I.
Das Streitpatent liegt auf dem Gebiet der Licht-Projektoren, die zur Projektion von
in Zeilen angeordneten Zahlen und Buchstaben geeignet sind. Solche Projektoren
werden zB in Kirchen zur Anzeige von Liednummern per Fernprojektion auf eine
Wand verwendet.
Gemäß der Patentschrift (siehe Spalte 1 Zeilen 16 bis 34) lässt die Schärfe der
projizierten Zahlen und Buchstaben zu wünschen übrig, was durch die Wandstär-
kenbemessung der Blendenscheiben und der diesen zugeordneten Masken be-
dingt ist. Die Lichtdurchgangsöffnungen auf den Blendenscheiben und die Blen-
denscheiben selbst werden durch spanende Fertigung gewonnen, was eine ge-
wisse Mindestdicke der zu verarbeitenden Bleche erfordert. Die Blendenscheiben
werden daher bislang mit einer minimalen Wandstärke von 0,5 mm bemessen.
Durch Anordnung von einem Blendenscheibenpaar und einer Maske aus entspre-
chend dicken Blechen ergibt sich eine vergleichsweise große Länge der Licht-
durchgangsöffnungen (zB 1,5 mm bei 2 Blendenscheiben und einer Maske), was
Ursache für die bislang als einfach hinzunehmend angesehene Projektionsun-
schärfe sei.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Patentgegenstand nach den Angaben in der
Streitpatentschrift (siehe Spalte 1, Zeilen 39 bis 46) die Aufgabe zugrunde, bei ei-
nem Projektor die Blenden- und Maskenausbildung dahingehend zu verbessern,
dass schärfere Projektionsabbildungen von Zahlen und Buchstaben erreichbar
sind und damit auch die Möglichkeit eröffnet ist, mehr als vierstellige Projektions-
darstellungen erzielen und auch die Darstellungsart von Zahlen und Buchstaben
freier gestalten zu können.
Zur Lösung dieser Aufgabe weist der Projektor gemäß dem Patentanspruch 1 fol-
gende Merkmale auf:
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M1
Projektor zur Projektion von mindestens vier in Zeilen angeordneten Zah-
len- und/oder Buchstaben, bestehend aus
M2
einem Projektorgehäuse (1)
M3
mit Lichtquelle (2) und
M4
einem zwischen dieser und einem einstellbaren Projektionsobjektiv (3)
angeordneten, optischen System (4),
M5
in das zwei in ihren durchmesserunterschiedlichen Randbereichen (5) mit
die Zahlen- und/oder Buchstaben darstellenden Lichtdurchgangsöffnun-
gen (6) versehene, um parallele Achsen (7) drehbare Blendenscheiben-
paare (8) aus jeweils unabhängig zueinander drehbaren Blendenscheiben
(8') eingreifend angeordnet sind,
M6
denen eine stationäre Maske (9) mit der Zahlen- und/oder Buchstabenstel-
lenanzahl entsprechenden Anzahl von Lichtdurchgangsöffnungen (10) zu-
geordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß
M7
die Blendenscheiben (8') und die Maske (9) mit einer Wandstärke (S) von
0,1 bis <0,2 mm bemessen und
M8
alle Lichtdurchgangsöffnungs-, sonstige Durchgriffs- und Außenkontu-
ren (K) als durch nichtspanende Bearbeitung, vorzugsweise ätztechnische
Bearbeitung gewonnene Konturen ausgebildet sind.
II.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem aus der Druck-
schrift A2 bekannten Projektor nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der A2 (siehe insbesondere die Fig 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung) ist
ein
(M1=) Projektor zur Projektion von mindestens fünf in zwei Zeilen angeordneten
Zahlen bekannt (siehe Fig 1, im Fenster 61), bestehend aus
(M2=) einem
Projektorgehäuse
(M3=) mit Lichtquelle (siehe Seite 3, Absatz nach Figurenbeschreibung) und
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(M4
≠) einem optischen System 1- 6,
(M5=) in das zwei in ihren durchmesserunterschiedlichen Randbereichen mit die
Zahlen darstellenden Lichtdurchgangsöffnungen versehene, um parallele
Achsen 33, 53, 13, 43 drehbare Blendenscheibenpaare 3,5 und 1, 4 aus
jeweils unabhängig zueinander drehbaren Blendenscheiben 3, 5, 1, 4 ein-
greifend angeordnet sind (siehe Fig 2),
(M6=) denen eine stationäre Maske 6 mit der Zahlenanzahl entsprechenden An-
zahl von Lichtdurchgangsöffnungen (siehe Fenster 61) zugeordnet ist.
Da es für den Fachmann selbstverständlich ist, dass ein Projektor auch ein ein-
stellbares Projektionsobjektiv zur Projektion der Zahlen zB an eine Wand aufweist
(siehe A2, Seite 1, Absatz 2), sind aus der Druckschrift A2 somit die Merkmale der
Merkmalsgruppen M1 bis M6 bekannt.
Da in der Druckschrift A2 keine Aussagen über die Herstellung und Wandstärke
der Blendenscheiben gemacht werden, sind die Merkmale der Merkmalsgrup-
pen M7 und M8 aus der Druckschrift A2 nicht bekannt.
Der hier in Rede stehende Durchschnittsfachmann ist ein mit der Entwicklung und
Fertigung von Projektoren befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur
der Fachrichtung Feinwerktechnik oder Maschinenbau. Diesem Fachmann sind
die Grundzüge der Optik, insbesondere der geometrischen Optik mit den Abbil-
dungseigenschaften und Beugungserscheinungen an optischen Elementen (Lin-
sen und Blenden) selbstverständlich vertraut.
Ausgehend von dem Projektor gemäß der A2 stellt sich dem Fachmann die Auf-
gabe, die Blenden- und Maskenausbildung dahingehend zu verbessern, dass
schärfere Projektionsabbildungen erreichbar sind. Unstrittig war am Anmeldetag
des Streitpatents (vgl Spalte 1, Zeilen 16 bis 19 der Streitpatentschrift) schon be-
kannt, dass die Wandstärke der Blendenscheiben und der Maske zur Ver-
schlechterung der Auflösung beiträgt. Denn dicke Blendenscheiben verschlech-
tern, wie der Fachmann weiß, durch Streuung des Lichts am Blendendurchgang
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die Qualität der Abbildung. Der Fachmann erkennt auch, das dicke Blendenschei-
ben oder Masken unterschiedliche, in Richtung der optischen Achse versetzte
Ebenen der Bilderzeugung verursachen, die wegen der unterschiedlichen Brenn-
punkte mit einem Projektionsobjektiv dann nur unscharf abgebildet werden kön-
nen. Für den Fachmann ist es daher nahe liegend, die Blendenscheiben möglichst
dünn auszubilden und möglichst nahe beieinander anzuordnen, um eine schärfere
Projektionsabbildung zu erhalten.
Da das Herstellen von dünneren Blendenscheiben mit spanender Bearbeitung
problematisch ist, wird der Fachmann zwangsläufig auf ihm bekannte, nicht spa-
nende Bearbeitungsmethoden wie zB ätztechnische oder lasertechnische Bear-
beitung zurückgreifen. Im Übrigen ist der Fachmann bestrebt, für eine scharfe Ab-
bildung auch einen möglichst scharfen und sauberen (gratfreien) Rand bei den
zahlenförmigen Lichtdurchgangsöffnungen herzustellen; somit liegen solche Bear-
beitungsmethoden ebenfalls auf der Hand. Zur Vereinfachung der Herstellung wird
der Fachmann selbstverständlich die Blendenscheiben und Masken einheitlich mit
allen Lichtdurchgangsöffnungen und sonstigen Durchgriffs- und Außenkonturen
gemäß den Merkmalen der Merkmalsgruppe M8 in einem Arbeitsschritt in nicht
spanender Bearbeitungsmethode, zB ätztechnisch herstellen.
Die Bemessung der Wandstärke der Blendenscheiben und der Maske von 0,1 bis
kleiner 0,2 mm gemäß der Merkmalsgruppe M7 liegt im Rahmen des fachmänni-
schen Könnens unter Berücksichtigung einer möglichtst dünnen Bemessung we-
gen der optischen Eigenschaften und einer noch ausreichenden Stabilität hinsicht-
lich der mechanischen und thermischen Beanspruchungen im Projektor.
Gemäß der Patentschrift war dem Fachmann die Problematik der unscharfen Ab-
bildung aufgrund der dicken Blendenscheiben und Masken bei Projektoren be-
kannt. Aufgrund seines Fachwissen in der geometrischen Optik sind dem Fach-
mann die Probleme bei der Abbildung mit dicken Blendenscheiben oder Masken
aber auch allgemein geläufig. Entsprechend würde sich der Fachmann auch bei
einer allgemeiner formulierten Aufgabe, zB eine unscharfe Abbildung bei dem
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Projektor zu verbessern, zweckmäßigerweise mit den Blendenscheiben und den
Masken auseinander setzen, da er eine Erhöhung der Lampenleistung oder eine
Verbesserung des Projektionsobjektivs als einen unverhältnismäßig großen Auf-
wand ansehen würde, und somit zur patentgemäßen Lösung gelangen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 ZPO, die Entschei-
dung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.
Winkler
Voit
Dr. Maksymiw
Dr. Häußler
Dr. Morawek
Pr