Urteil des BPatG vom 27.11.2007

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 101 54 668.8-12
6 W (pat) 46/04
_______________________
e sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Schneider und Dipl.-Ing.
Ganzenmüller
hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 27. November 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr.-Ing. Lischk
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse F 16 D des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 26. Juli 2004 aufgehoben und das Patent erteilt.
B e z e i c h n u n g :
Kupplung für ein Kraftfahrzeug
A n m e l d e t a g :
7. November 2001
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Ansprüche 1 bis 4, eingegangen am 26. Oktober 2007,
Beschreibung Seiten 1 bis 4 und
2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, jeweils vom Anmeldetag.
G r ü n d e
I.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für
Klasse F 16 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 2004 gerich-
tet, mit dem die vorliegende Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen wor-
den war, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht patentfähig sei, da er nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der
Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
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1.
US 50 90 537
2.
DE-PS 10 42 979
3.
US 62 27 340 B1
4.
DE 36 19 894 A1
5.
DE 100 35 518 A1
6.
DE 36 14 600 A1.
Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom
23. August 2004, eingegangen am 26. August 2004, Beschwerde eingelegt. Mit
Schreiben vom 24. Oktober 2007, eingegangen am 26. Oktober 2007 hat sie neue
Ansprüche eingereicht und sinngemäß beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
neu eingereichten Ansprüchen, im Übrigen mit den ursprünglich
eingereichten Unterlagen zu erteilen.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Kupplung für ein Kraftfahrzeug mit Kupplungsscheiben und mo-
torseitigen Mitnehmerscheiben, die zwischen einem Schwungrad
und einer Kupplungsdruckplatte angeordnet und zur Erzeugung
von Reibkräften durch eine Membranfeder oder durch mehrere
Schraubenfedern beaufschlagbar sind, sowie mit auf den Kupp-
lungsscheiben angeordneten Reibbelägen, die unterschiedliche
Reibkoeffizienten aufweisen, sowie Mittel, um die mit unterschied-
lichen Reibbelägen versehenen Kupplungsscheiben zeitversetzt in
Reibkontakt mit den motorseitigen Mitnehmerscheiben zu bringen,
dadurch gekennzeichnet, dass
- mindestens eine motorseitige Mitnehmerscheibe
(18)
durch Federelemente
(36) gegenüber dem Schwung-
rad (8) abgestützt ist, wobei
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- die motorseitige Mitnehmerscheibe (18) zweiteilig aufge-
baut ist und mit einem ersten und einem zweiten Reibbe-
lag (18a, 18b) versehen ist, und
- die Federelemente (36) der über die Kupplungsdruckplat-
te (22) ausgeübten Anpresskraft entgegenwirken, so dass
der Reibkontakt zuerst durch die mit dem ersten Reibbe-
lag (18b) versehene Kupplungsscheibe (18) erfolgt."
Laut Beschreibung (S. 1, Z. 21 bis 25) soll die Aufgabe gelöst werden, eine hin-
sichtlich ihres Aufbaus vereinfachte Kupplung zu entwickeln, bei der ebenfalls
zeitversetzt zur Erhöhung des Einkuppelkomforts und zur Erhöhung der Lebens-
dauer Kupplungsscheiben mit unterschiedlichen Reibbelägen zur Anwendung
kommen.
Hinsichtlich der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 sowie we-
gen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und im Hinblick auf
die geltenden Unterlagen auch begründet.
1. Die Ansprüche sind zulässig.
Der Anspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1 i. V. m. S. 3, Z. 10
und 11 der Anmeldungsunterlagen. Die Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den ur-
sprünglichen Ansprüchen 2 bis 4.
2. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG
§§ 1 bis 5 dar.
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a. Die Kupplung nach Anspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der
Technik neu, da keine der entgegengehaltenen Druckschriften eine Kupplung mit
sämtlichen im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen zeigt, wie sich auch aus den
folgenden Ausführungen ergibt.
b. Der Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung, dessen
gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist das Ergebnis einer erfinderi-
schen Tätigkeit.
Gemäß den Ausführungen in der Beschreibung (vgl. S. 1, Z. 6 bis 20) erläutert die
DE 100 35 518 A1 eine gattungsbildende Kupplung, bei der zur Erhöhung des
Einkuppelkomforts und der Lebensdauer der Kupplungsscheibe Reibbeläge mit
unterschiedlichen Reibkoeffizienten verwendet werden. Dabei kommen die unter-
schiedlichen Reibbeläge zeitversetzt zum Eingriff. Bei einer "kalten" Kupplung ge-
langen zunächst diejenigen Reibbeläge mit den Mitnehmerscheiben der Kupplung
in Reibkontakt, bei denen aufgrund ihrer Materialbeschaffenheit der höhere Ein-
kuppelkomfort gewährleistet ist. Oberhalb einer Betriebstemperatur ziehen sich
diese Reibbeläge zurück, so dass anschließend ein Reibbelag mit hoher Lebens-
dauer und hoher thermischer Belastbarkeit zum Einsatz kommt.
Die DE 36 19 894 A1 erläutert eine ähnliche Kupplungsvorrichtung, bei der in der
Anfangsphase des Einrückvorgangs zuerst eine Kupplungsscheibe mit einem or-
ganischen Belag in Eingriff gebracht wird, während mit dem Fortschreiten des Ein-
rückvorgangs sich der organische Belag verflacht und mit einem zweiten, tempe-
raturbeständigen Keramik-Metall-Belag eine Ebene bildet, der dann ebenfalls als
Kupplungsreibkörper zum Einsatz kommt.
Bei keiner dieser Kupplungen ist jedoch die motorseitige Mitnehmerscheibe durch
Federelemente gegenüber dem Schwungrad abgestützt, so dass auch von keiner
dieser Kupplungen eine Anregung in dieser Richtung ausgeben kann.
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Aus der US 50 90 537 ist eine Kupplung bekannt, bei welcher zwei Kupplungs-
scheiben vorgesehen sind, welche nacheinander in Reibeingriff gelangen (vgl.
Sp. 2, Z. 7 bis 42), jedoch fehlt auch bei dieser Kupplung die Abstützung der mo-
torseitigen Mitnehmerscheibe 5 durch Federelemente gegenüber dem Schwung-
rad 1.
Somit vermag auch von dort keine Anregung zu einer derartigen Ausgestaltung
ausgehen.
Die DE-PS 10 42 979 betrifft eine Nachstellvorrichtung für eine Kupplung mit zwei
Kupplungsscheiben 12, 13, bei der die zwischen den Kupplungsscheiben ange-
ordnete Mitnehmerscheibe
19 über Federelemente
31 gegenüber der Ge-
gendruckscheibe 10 abgestützt ist (vgl. Sp. 3, Z. 25 bis 28). Dabei wirken die Fe-
derelemente der über die Kupplungsdruckplatte ausgeübten Anpresskraft entge-
gen. Infolge dieser Ausgestaltung kann möglicherweise der Reibkontakt zuerst
durch die mit einem Reibbelag versehene Kupplungsscheibe 13 erfolgen, jedoch
ist an keiner Stelle ausgeführt, dass dies in Verbindung mit der erfindungsge-
mäßen Ausgestaltung, wonach die Reibbeläge unterschiedliche Reibkoeffizienten
aufweisen, zu einem einfachen Kupplungsaufbau mit einem erhöhten Einkuppel-
komforts und einer Erhöhung der Lebensdauer führt.
Der Fachmann wird diese Druckschrift somit außer Betracht lassen, zumal sie
auch eine Nachstelleinrichtung für eine Zweischeibenreibungskupplung betrifft, in
welcher er keine Lösungshinweise für sein Problem vermutet.
Die US 62 27 340 B1 betrifft ein Automatikgetriebe, bei welchem eine erste
Gruppe Reibglieder 86, 90; 126a, 126b und eine zweite Gruppe Reibglieder 88,
92; 128a, 128b vorgesehen sind. Mittels einer speziellen Kolben-Feder-Anordnung
wird erreicht, dass die erste Gruppe Reibglieder 86, 90; 126a, 126b zuerst einge-
rückt wird und dann die zweite Gruppe Reibglieder 88, 92; 128a, 128b eingerückt
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wird, um eine zweistufige Reibscheiben-Kupplungsverstärkung zu erzeugen (vgl.
Sp. 5, Z. 36 bis 39).
Über die Ausgestaltung der Reibbeläge ist dort jedoch nichts ausgesagt, so dass
von dort auch kein Hinweis ausgehen kann, die Kupplungsscheiben mit Reibbelä-
gen mit unterschiedlichen Reibkoeffizienten zu versehen, um dadurch eine Erhö-
hung des Einkuppelkomforts zu erreichen.
Die DE 36 14 600 A1 offenbart eine Reibkupplung, bei der Reibbeläge mit unter-
schiedlichen Reibkoeffizienten verwendet werden, um dadurch einen ruckfreien
Anstieg des von der Kupplung übertragenen Drehmoments zu ermöglichen (vgl.
S. 3, vorletzter Abs.). Aber auch diese Druckschrift vermag keinen Hinweis dahin-
gehend zu geben, die motorseitige Mitnehmerscheibe durch Federelemente ge-
genüber dem Schwungrad abzustützen.
Somit vermag der aufgezeigte Stand der Technik weder für sich allein betrachtet
noch in einer Zusammenschau eine Anregung zur erfindungsgemäßen Lösung zu
geben, da jede Druckschrift eine in sich abgeschlossene Lösung beinhaltet und
keine Veranlassung bietet, die jeweils in sich abgeschlossenen Lösungen im Hin-
blick auf die erfindungsgemäße Ausgestaltung zu kombinieren.
Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar. Das Gleiche gilt für die auf diesen
Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4, die auf Merkmale zur Weiterbildung
der Kupplung nach Anspruch 1 gerichtet sind.
Lischke Guth
Schneider
Ganzenmüller
Cl