Urteil des BPatG vom 22.11.2001

BPatG (sportler, klasse, marke, unterscheidungskraft, bezug, verbesserung, berechnung, patent, durchführung, bezeichnung)

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 13/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 397 02 373.1
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 22. November 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Kliems sowie der Richter Brandt und Engels
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Mar-
kenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 10. Juni 1999 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Intelligent Sündigen
"Diätetische Erzeugnisse einschließlich Nahrungsmittel, Nährmit-
tel, Nahrungsergänzungsmittel, Substanzen und Getränke für me-
dizinische Zwecke, insbesondere zur Verbesserung des Ernäh-
rungsstatus und zur Gewichtsreduktion und für Sportler; Stär-
kungs- und Aufbaupräparate für medizinische Zwecke, insbeson-
dere zur Verbesserung des Ernährungsstatus und für Sportler; Vi-
taminpräparate, insbesondere zur Verbesserung des Ernährungs-
status und für Sportler; diätetische Erzeugnisse einschließlich
Nahrungsmittel, Nährmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Substan-
zen und Getränke für nichtmedizinische Zwecke, insbesondere zur
Verbesserung des Ernährungsstatus, zur Gewichtsreduktion und
für Sportler, soweit in Klasse 29 enthalten; diätetische Erzeugnis-
se einschließlich Nahrungsmittel, Nährmittel, Nahrungsergän-
zungsmittel, Substanzen und Getränke für nichtmedizinische
Zwecke, insbesondere zur Verbesserung des Ernährungsstatus,
zur Gewichtsreduktion und für Sportler, soweit in Klasse 30 enthal-
ten; Stärkungs- und Aufbaupräparate für nichtmedizinische Zwek-
ke, insbesondere für Sportler, soweit in Klasse 29 enthalten; Stär-
kungs- und Aufbaupräparate für nichtmedizinische Zwecke, insbe-
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sondere für Sportler, soweit in Klasse 30 enthalten; Nahrungsmit-
tel, insbesondere für Sportler, soweit in Klasse 29 enthalten; Nah-
rungsmittel, insbesondere für Sportler, soweit in Klasse 30 enthal-
ten; Ernährungsberatung, insbesondere zur Gewichtsreduktion
und für Sportler; auf Datenträger gespeicherte Computerprogram-
me zur Berechnung der Körperzusammensetzung, zur Simulation
und Berechnung des Einflusses von Diäten und Ernährungswei-
sen und von Fitneß- und Sportübungen und –trainingsplänen auf
den menschlichen Körper sowie zur Beratung, Kontrolle und Über-
wachung bei der Durchführung von Diäten sowie Fitneß- und
Sportübungen und –trainingsplänen, insbesondere zur Gewichts-
reduktion und für Sportler; Erstellen von Programmen für die Da-
tenverarbeitung, insbesondere zur Berechnung der Körperzusam-
mensetzung, zur Simulation und Berechnung des Einflusses von
Diäten und Ernährungsweisen und von Fitneß- und Sportübungen
und -trainingsplänen auf den menschlichen Körper, insbesondere
zur Gewichtsreduktion, und zur Beratung, Kontrolle und Überwa-
chung bei der Durchführung von derartigen Diäten und Fitneß-
und Sportübungen und –trainingsplänen, insbesondere für Sport-
ler; Durchführung und Aufstellung von Trainings-, Fitneß- und
Sportprogrammen, insbesondere zur Gewichtsreduktion und für
Sportler, sowie von mentalen Trainingsprogrammen; Durchfüh-
rung von Seminaren und Lehrveranstaltungen, insbesondere zur
Vermittlung von Techniken zur Vermeidung von Gewichtszunah-
me"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke mit Beschluß vom 10. Juni 1999 wegen
fehlender Unterscheidungskraft verneint und die Anmeldung zurückgewiesen. Die
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angemeldete Marke sei zwar lexikalisch nicht nachweisbar, in ihrer Gesamtheit
komme ihr jedoch in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen le-
diglich ein beschreibender Sinngehalt zu. So werde der Verkehr die Wortfolge da-
hingehend verstehen, daß die Produkte der Klassen 5, 29 und 30 dazu bestimmt
seien, auch bei einer Aufnahme in großen Mengen nicht zu einer Zunahme des
Körpergewichts zu führen, bzw die Computerprogramme und Dienstleistungen
den Genuß ohne Gewichtszunahme zum Thema haben. Entgegen der Ansicht der
Anmelderin ständen sich die Begriffe "intelligent" und "sündigen" auch nicht dia-
metral gegenüber, weil der Verbraucher beide Wörter im Zusammenhang so ver-
stehe, daß durch den Verzehr bzw die Inanspruchnahme der Waren und Dienstlei-
stungen auch dann keine Gewichtszunahme erfolgt, wenn man viel ißt, er also
klug handele, weil er Produkte mit wenig Kalorien zu sich nimmt. Die angemeldete
Marke weise also keinen die Unterscheidungskraft begründenden widersprüchli-
chen Sinngehalt auf, auch wenn sie eine durchaus interessante, weil interpreta-
tionsbedürftige, zum Nachdenken über ihre Bedeutung anregende werbliche An-
preisung darstelle. Eine Vergleichbarkeit mit der "Du darfst"-Entscheidung
(BPatGE 37, 250) sei nicht gegeben, da die hier vorliegende angemeldete Marke
keinen vagen, mehrdeutigen Aussagehalt, sondern einen allgemeinen Werbehin-
weis beinhalte.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 10. Juni 1999 aufzuheben und die an-
gemeldete Marke einzutragen.
Eine in der Beschwerdeschrift angekündigte Beschwerdebegründung ist nicht zu
Akten gelangt.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle
für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf den Inhalt der
Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der angemeldeten Marke weder
das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 Mar-
kenG entgegen noch handelt es sich dabei um eine beschreibende freihaltungsbe-
dürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.
Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einem Zeichen innewohnende (kon-
krete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Anmeldung
erfaßten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen an-
derer Unternehmen aufgefaßt zu werden (st. Rspr, vgl BGH MarkenR 2001, 209,
210 "Test it"; MarkenR 2001, 306, 307 "LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER"
jeweils mwN). Zu prüfen ist, ob die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit einen
primär beschreibenden Inhalt oder einen für die beanspruchten Waren und Dienst-
leistungen so stark im Vordergrund stehenden Sinngehalt hat, daß der Gedanke
an einen Herkunftshinweis fern liegt oder ob ihr darüber hinaus ein betriebskenn-
zeichnender Charakter zukommt, wobei nach der Rechtsprechung des BGH eine
noch so geringe Unterscheidungskraft zur Überwindung dieses Schutzhindernis-
ses ausreichen soll (vgl BGH MarkenR 2001, 368, 369 "Gute Zeiten – Schlechte
Zeiten" mwN). Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von
Wortfolgen und Werbeslogans auszugehen (vgl BGH MarkenR 2001, 306, 307
"LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER"). Als grundsätzlich nicht unterschei-
dungskräftig werden danach beschreibende Angaben und Anpreisungen oder
Werbeaussagen allgemeiner Art sowie in der Regel längere Wortfolgen angese-
hen. Indizien für die Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines bestimmten
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Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine ge-
wisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein, wobei auch einer für sich ge-
nommen eher einfachen Aussage nicht von vornherein die Eignung zur Produkt-
identifikation fehlt (vgl BGH MarkenR 2001, 209, 210 "Test it" mwN).
Unter diesen Voraussetzungen kann der angemeldeten Wortfolge als Gesamtbe-
zeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen das erfor-
derliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Soweit
in der Wortkombination "Intelligent Sündigen" etwa in Bezug auf die beanspruch-
ten verschiedenen diätetischen Erzeugnisse, Nahrungsmittel, Nährmittel, Nah-
rungsergänzungsmittel und Getränke die inhaltliche Aussage enthalten ist, daß es
sich um Produkte handelt, die auch bei vermehrtem oder häufigerem Genuß nicht
zu einer entsprechenden Gewichtszunahme oder sogar - in Verbindung mit den im
Rahmen der ebenfalls beanspruchten Dienstleistungen Fitneß- und Sportübun-
gen - zur Gewichtsreduzierung führen, kommt der angemeldeten Marke eine die
Art, Beschaffenheit, Bestimmung und Wirkung der Waren und Dienstleistungen
beschreibende Bedeutung zu, die bei einer sprachüblichen Ausdrucksweise der
Eintragbarkeit entgegen stehen würde.
Die angemeldete Marke erschöpft sich jedoch nicht in diesem beschreibenden
Sinngehalt, sondern weist durch die gewählte Sprachform, nämlich zum einen
durch die an sich ungewöhnliche Verbindung der beiden im Zusammenhang mit
den hier beanspruchten genannten Waren eher gegenteilig belegten Wörter "Intel-
ligent" und "Sündigen" und zum anderen durch die ebenfalls unübliche Verwen-
dung des Begriffs "Sündigen" eine gewisse Eigenheit auf, die ihr über eine reine
beschreibende Sachaussage hinaus einen betriebskennzeichnenden Charakter
verleiht. Zunächst steht nämlich die mit dem Begriff "Intelligent" verbundene Asso-
ziation im Sinne von "klug, verständig, geistig besonders befähigt bzw begabt" in
einem gewissen Wertungswiderspruch zu dem Wort "Sündigen" als Ausdruck für
einen Verstoß gegen ein Gebot oder bestehende Verhaltensnormen bzw im
scherzhaften Sinne, wenn man "unvernünftig viel gegessen hat" (vgl DUDEN,
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Deutsches Universal-Wörterbuch, 3. Aufl, S 1501). Hinzu kommt, daß der Aus-
druck "Sündigen" in dem zuletzt genannten Sinne üblicherweise im Zusammen-
hang mit kalorienreichen, dh insbesondere fetten und süßen Speisen, und damit
gerade nicht in Bezug auf die hier in Rede stehenden verschiedenen diätetischen
Erzeugnisse, Stärkungs- und Aufbau- sowie Vitaminpräparate verwendet wird,
woraus sich auch insoweit eine gewisse sprachliche Ungewöhnlichkeit und Auffäl-
ligkeit der angemeldeten Wortkombination ergibt.
Nach Auffassung des Senats hat die angemeldete Wortfolge aufgrund der ge-
nannten Sprachform im Gegensatz zur Ansicht der Markenstelle einen jedenfalls
ebenso vagen und interpretationsbedürftigen Aussagegehalt hinsichtlich der bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen wie die Bezeichnung "Du darfst" (vgl
BPatGE 37, 250), so daß insoweit durchaus von einer gewissen Vergleichbarkeit
der Fallgestaltungen ausgegangen werden kann, zumal auch die dortigen Wa-
ren "Halbfettmargarine, Speiseöle, Halbfettbutter" Überschneidungen mit den vor-
liegenden Waren und Dienstleistungen aufweisen. In dem "Du darfst"-Fall wurde
eine noch ausreichende Unterscheidungskraft aufgrund der verstümmelten Form
und des ohne ergänzende Zusätze vagen und mehrdeutigen sowie zum Nachden-
ken geradezu anregenden Aussagegehalts dieser Bezeichnung bejaht, weil offen
bleibe, was genau der Angesprochene dürfe, obwohl sich der Sinngehalt "Genuß
der angebotenen Produkte ohne Gewichtszunahme" in Bezug auf die dortigen
Waren eigentlich aufdrängte. Bei Anlegung dieser Maßstäbe sprechen die Um-
stände des vorliegenden Einzelfalls dafür, die erforderliche Unterscheidungskraft
der Wortfolge "Intelligent Sündigen", hier aufgrund der genannten besonderen
Sprachform, ebenfalls zu bejahen.
Ist die besondere, unübliche Sprachform und Wortwahl - wie dargelegt - schon für
sich geeignet, der Wortkombination "Intelligent Sündigen" die erforderliche Her-
kunftsfunktion zu verleihen, bewirkt sie in gewissem Umfang auch, daß der ge-
nannte, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Aussage-
gehalt jedenfalls nicht unmittelbar und nicht mit der von der Markenstelle ange-
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nommenen Klarheit und Eindeutigkeit hervortritt. Ein solcher Bedeutungsgehalt
würde sich - anders etwa als bei der ua für verschiedene Nahrungsmittel und Ge-
tränke angemeldeten und nach § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zurückgewiese-
nen Wortfolge "Genießen erlaubt" (vgl PAVIS PROMA, Knoll, 28 W (pat) 255/96) -
zumindest nicht ohne gedankliche Ergänzungen, Zwischenschritte oder eine ge-
wisse analysierende Betrachtung ergeben, die aber bei der Beurteilung der
Schutzfähigkeit nicht zum Maßstab gemacht werden kann. Die - zudem kurze -
Wortfolge "Intelligent Sündigen" vermittelt damit gerade durch den Gegensatz zwi-
schen inhaltlicher Aussage und der gewählten Sprachform sowie die daraus resul-
tierende Interpretationsbedürftigkeit der Gesamtaussage einen noch hinreichend
phantasievollen Gesamteindruck, um über eine bloße werbesloganartige Aufforde-
rung und Aussage hinaus als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefaßt zu werden.
Stellt die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit danach keine sprachübliche,
konkrete und unmittelbar beschreibende Sachangabe dar, steht der Eintragung
auch das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht entgegen. Die ange-
meldete Wortfolge besteht aufgrund ihrer sprachlichen Gestaltung nicht im Sinne
dieser Vorschrift ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der
Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren
und Dienstleistungen dienen können (vgl WRP 2000, 1140, 1141 "Bücher für eine
bessere Welt" mwN). Anhaltspunkte dafür, daß die beanspruchte Wortverbindung
von Mitbewerbern zur Beschreibung der in Rede stehenden Waren und Dienstlei-
stung gegenwärtig oder im Hinblick auf eine künftige beschreibende Verwendung
benötigt bzw bereits tatsächlich verwendet wird, sind nicht ersichtlich.
Nach alledem war der angefochtene Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 auf-
zuheben.
Kliems Engels Brandt