Urteil des BPatG vom 17.06.2009

BPatG: unterscheidungskraft, gestaltung, papier, verkehr, breite, graphik, wiedergabe, patent, eugh, verbraucher

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 22/08
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
17. Juni 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 306 44 991.9
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2009 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Grabrucker, der Richterin Kopacek und des Richters Dr. Kortbein
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beschlossen:
1.
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle für
Klasse 16 vom 11. Januar 2008 wird zurückgewiesen, soweit
die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
2.
Die Beschwerde wird im Hilfsantrag ebenfalls zurückgewie-
sen.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 21. Juli 2006 die schwarz-weiße
Bildmarke
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für nachfolgende Waren der Klasse 16 angemeldet worden:
Papier, Schreibmaterialien, Blöcke (Papier- und Schreibwaren),
Register, Notizblöcke, Schreibhefte, Notizbücher, Papierblätter
(Papeteriewaren), Kalender.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung durch Beschluss vom 11. Januar 2008 teilweise wegen Fehlens der
Unterscheidungskraft gemäß § 37 Abs. 1 und 5, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für
nachfolgende Waren zurückgewiesen:
Blöcke (Papier- und Schreibwaren), Notizblöcke, Schreibhefte,
Notizbücher, Papierblätter (Papeteriewaren), Kalender.
Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, dass mit dem angemeldeten Zeichen
auf den Einband der von der Zurückweisung umfassten Waren hingewiesen wer-
de. Auf ihm könne gerade im schulischen Bereich der Name, das Schulfach usw.
vermerkt werden. Die Verbraucher seien an eine Vielzahl von Hefteinbänden und
Deckblättern gewöhnt, von denen sich die vorliegende Gestaltung nicht abhebe.
Sie erfülle rein funktionale Zwecke, da die damit versehenen Produkte vom Ver-
braucher individuell gestaltet und nach Schulfächern, Bürovorgängen sowie Haus-
haltszwecken geordnet werden könnten. Gerade die verfahrensgegenständlichen
Waren müssten praktisch verstaut und leicht zu erkennen sein. Auf die Überein-
stimmung mit anderen Einbänden oder Deckblättern komme es nicht an, da sich
der Verkehr auf Grund der Vielzahl der in Rede stehenden Produkte nicht alle
Einzelheiten merken könne. Dafür spreche auch der Umstand, dass sie ihm nicht
gleichzeitig begegnen würden. Folglich komme es bei dem angemeldeten Zeichen
auf die Funktionalität und das möglicherweise ästhetisch ansprechende Design
an. Die auf der nachgereichten Zeichenwiedergabe vorhandene Struktur ändere
an dieser Einschätzung nichts, da sie auf der ursprünglich eingereichten Abbil-
dung nicht erkennbar sei und zudem nur als übliche textile Struktur erscheine. Im
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Übrigen habe das Bundespatentgericht bereits entschieden, dass eine weitgehend
naturgetreue Abbildung der Waren nicht schutzfähig sei.
Die Anmelderin hat dagegen Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt,
den Beschluss vom 11. Januar 2008, hilfsweise unter Einbezie-
hung der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Beschrei-
bung des angemeldeten Zeichens, aufzuheben.
Darüber hinaus regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Frage des
Spannungsverhältnisses zwischen den Entscheidungen "Rado-Uhr III" und "Front-
haube" an (vgl. BGH GRUR 2007, 973 und BGH GRUR 2008, 71).
Zur Begründung trägt sie vor, dass es für die Bejahung der Unterscheidungskraft
ausreiche, wenn praktisch bedeutsame Möglichkeiten des Einsatzes eines Zei-
chens bestünden, die es gegenüber einem maßgeblichen Teil des angesproche-
nen Verkehrs als Herkunftshinweis erscheinen ließen. Die Feststellung der Mar-
kenstelle, dass das angemeldete Zeichen eine gewisse Ähnlichkeit mit bereits
vorhandenen Gestaltungen aufweise, reiche für den Nachweis des Fehlens jeg-
licher Unterscheidungskraft nicht aus. Zur Begründung der ausschließlichen Funk-
tionalität könne nicht auf das links oben befindliche weiße Rechteck abgestellt
werden, da das Zeichen noch weitere graphische Elemente aufweise. Die von der
Markenstelle angeführten Abbildungen von Heften, Kalendern, Blöcken etc.
stimmten nicht annähernd mit dem vorliegenden Zeichen überein. Insofern könne
nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei ihm um eine übliche und aus-
schließlich dekorative Gestaltungsform für Einbände handele. Auch könnten be-
reits unbedeutende Elemente die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens begrün-
den. Darüber hinaus gebe es bereits vergleichbare nationale Markeneintragungen.
Schließlich sei nicht erkennbar, warum das angemeldete Zeichen für die Waren
"Papierblätter (Papeteriewaren)" schutzunfähig sein soll, da sie beschrieben wür-
den und nicht ganzseitig mit dem angemeldeten Zeichen versehen sein könnten.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin darüber hinaus fol-
gende Beschreibung des angemeldeten Zeichens eingereicht:
"Ein Rechteck, DIN A4-Format, hochkant, mit einem vertikalen
dunklen Streifen am linken Rand, dessen Breite ein Viertel der
Gesamtbreite umfasst, und mit einem kleinen einbeschriebenen
Rechteck, im Querformat, dessen Breite der Breite des linken
Randstreifens entspricht, dessen Abstand von der oberen Endkan-
te seiner Höhe entspricht und das symmetrisch zur rechten Be-
grenzungslinie des linken Randstreifens angeordnet ist.".
Die Recherchebelege des Senats sind der Beschwerdeführerin vorab zugeleitet
worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das Protokoll der
mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig, aber nicht
begründet.
a)
Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht das Schutzhindernis
fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ent-
gegen.
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Bestimmung ist die einer Marke
innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel für die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen
eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufge-
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fasst zu werden Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich da-
her einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und
andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu
orientieren (vgl. u. a. EUGH GRUR 2008, 608 ff., Rdnr. 66, 67 - EURO-
HYPO; EUGH GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 ff. - BioID). Einem Wortzei-
chen fehlt die Unterscheidungskraft dann, wenn es sich um eine für die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende
Sachaussage oder um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache
oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom angesprochenen
Publikum stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel ver-
standen wird (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 - YES; BGH GRUR 2003,
1050 - Cityservice).
(1) Beschränkt sich eine Abbildung auf die Wiedergabe wesentlicher
Gestaltungsmerkmale der beanspruchten Waren, so wird sie regelmä-
ßig nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden (vgl. BGH
GRUR 1999, 495 - "Etiketten"). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob
auf dem jeweiligen Warengebiet die angemeldete Darstellung von übli-
chen Gestaltungen anderer Hersteller abweicht. Nur wenn dies der Fall
ist, kann sie ihrer Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis ge-
nügen (vgl. BPatG 29 W (pat) 276/02 - Büroklammer).
Bei dem angemeldeten Zeichen handelt es sich um die abstrakte Auf-
machung von Blöcken, Büchern und Heften, die von der Beschwerde-
führerin im Rahmen der Reihe OXFORD speziell für Kinder hergestellt
werden (vgl. "Books & Pads Children" untee-hame-
lin.com/books/pageLibre000101c5.html"; "Oxford Hausaufgabenheft"
und "Oxford Vokabel-Coach" unter "). Für Studenten
werden die Produkte in einer etwas anderen Aufmachung mit einem
verschieden farbigen linken Balken angeboten (vgl. "Books & Pads Stu-
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dents"
ww.groupe-hamelin.com/books/pageLi-
bre000101c6.html").
Von Dritten werden ebenfalls Umschläge bzw. Einbände verwendet, die
in vertikaler Richtung geradlinig farblich unterteilt sind und bei denen
die linke Fläche erheblich schmaler als die rechte ist. Diese Art der Auf-
machung findet sich beispielsweise auf Schnellheftern, Klemmmappen,
Klemmbrettmappen, Ringbüchern, Heften und Blöcken (vgl. u. a.
BÜRO4YOU oppermann, Angebote gültig bis 31. Juli 2000, Seiten 143
und 155; tempus. Zeitplansysteme, Katalog gültig bis 31. Juli 1999,
Seite 25; memo, Katalog 1998, Seite 96; VIKING DIREKT, Katalog gül-
tig bis 26. Juli 2003, Seiten 26, 29, 82 und 83). Daneben sind auf den
Umhüllungen teilweise Felder vorgesehen, in die der Name des Benut-
zers oder der Inhalt des Papiererzeugnisses eingetragen werden kann
(vgl. u. a. BÜRO4YOU oppermann, a. a. O.). Teilweise erscheinen auf
ihnen wie bei dem angemeldeten Zeichen Balken und Feld auch ge-
meinsam (vgl. VIKING DIREKT, a. a. O.; "Landré Oberschulhefte" unter
").
Zwar konnte keine mit dem angemeldeten Zeichen vollständig überein-
stimmende Gestaltung ermittelt werden, doch machen die genannten
Belege deutlich, dass farblich voneinander abgesetzte Balken und
Platzhalterfelder in den verschiedensten Kombinationen häufig von
anderen Herstellern verwendet werden. Die verfahrensgegenständliche
Gestaltung ähnelt ihnen, so dass sie vom Verkehr lediglich als eine
weitere beliebige Zusammensetzung von graphischen Elementen auf-
gefasst wird, die der Ausschmückung und der Beschriftung dienen (vgl.
zu dreidimensionalen Gestaltungen BGH GRUR 2004, 505 - Rado-Uhr
II).
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Dies gilt insbesondere für die von der Zurückweisung umfassten Waren
"Blöcke (Papier- und Schreibwaren), Notizblöcke, Schreibhefte, Notiz-
bücher, Papierblätter (Papeteriewaren)", die Gegenstand der oben ge-
nannten Belege sind. Hierbei ist die Unterscheidungskraft gerade auch
im Hinblick auf "Papierblätter (Papeteriewaren)" zu verneinen. Dies gilt
selbst dann, wenn nicht auf den Oberbegriff "Papeteriewaren" abge-
stellt wird, mit dem allgemein Papierwaren bezeichnet werden und un-
ter den somit auch die sonstigen eben genannten Waren fallen können
(vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage 2006, CD-
ROM). Zum einen kann es sich bei Papierblättern auch um Blätter han-
deln, die mit dem angemeldeten Zeichen bedruckt sind und sich somit
als Vorderseite für Blöcke, Hefte und Notizbücher eignen. Der Begriff
"Papierblätter (Papeteriewaren)" als solcher schließt abweichend von
der Auffassung der Beschwerdeführerin die Bedruckung dieser Waren
nicht aus, zumal die Möglichkeit einer Beschriftung auf der Rückseite
besteht. Zum anderen ist es denkbar, dass das angemeldete Zeichen
als dekoratives Element nur einen Teil des Papierblatts abdeckt und so-
mit ausreichend Raum für eigene Notizen bleibt.
Die beanspruchte Graphik wird ebenfalls in Verbindung mit Kalendern
nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst. Ihr kommt diesbe-
züglich nur die Funktion eines Titelblatts zu. Das weiße Feld eignet sich
für die Wiedergabe der Jahreszahl und des Themas des Kalenders,
während auch hier die asymmetrisch angeordneten Schwarz-Graubal-
ken wie Gestaltungselemente wirken. Die durch Helligkeitsunterschiede
voneinander abgesetzten Flächen bilden Rechtecke und damit schlichte
geometrische Figuren. Von ihrer Anzahl, ihrer Anordnung und ihrer
Schwarz-Weiß-Tönung her weisen sie keine Besonderheiten auf und
heben sich nicht deutlich von anderen Kombinationen ab.
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(2) Die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens können auch nicht
die von der Beschwerdeführerin angeführten nationalen Voreintragun-
gen begründen. Unabhängig davon, dass die Eintragung der Bildmarke
394 09 281 zwischenzeitlich gelöscht ist und es sich bei der Marke
300 30 393 um ein dreidimensionales Zeichen handelt, ist festzustellen,
dass diese und die weitere Marke 300 67 493 weitere Ausstattungs-
merkmale aufweisen. Demzufolge rufen die Vergleichszeichen einen
anderen Gesamteindruck hervor. Im Übrigen kann aus einer so gerin-
gen Anzahl von Voreintragungen nicht auf eine uneinheitliche und damit
willkürliche
Amtspraxis
geschlossen
werden
(vgl.
BPatG
29 W (pat) 13/06, Beschluss vom 1. April 2009 - SCHWABENPOST).
b)
Ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus als unmittelbar beschrei-
bende freihaltungsbedürftige Angabe dem Schutzhindernis gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegt, kann angesichts obiger Ausführungen
dahingestellt bleiben.
2.
Die Schutzfähigkeit der beanspruchten Graphik wird auch nicht durch die mit
dem Hilfsantrag verfolgte Einbeziehung der nachträglich eingereichten Be-
schreibung begründet.
Gemäß § 8 Abs. 6 MarkenV kann die Anmeldung eines Bildzeichens eine
Beschreibung enthalten, bei der es sich um ein weiteres Anmeldungserfor-
dernis gemäß § 32 Abs. 3 MarkenG handelt. Gegen die nachträgliche Ein-
reichung bestehen vorliegend keine Bedenken, da die bereits mit der Anmel-
dung eingereichte graphische Darstellung durch die Beschreibung lediglich
erläutert und verdeutlicht wird (vgl. PAVIS PROMA 32 W (pat) 199/04 -
Fussballbrot).
Die
in
ihr
enthaltenen
Angaben
stimmen
unter
Berücksichtigung von Messtoleranzen mit der Zeichnung und insbesondere
den darin wiedergegebenen Positionen bzw. Größenverhältnissen überein.
Insofern verändert die Beschreibung nicht in unzulässiger Weise den
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Schutzumfang des angemeldeten Zeichens (vgl. BGH GRUR 2007, 55,
Rdnr. 25 und 26 - Farbmarke gelb/grün II). Dieses ist bereits Gegenstand
des Hauptantrags gewesen, so dass eine von den Ausführungen unter 1.)
abweichende Beurteilung der Schutzfähigkeit nicht in Betracht kommt.
Im Übrigen ändern vor allem eindeutig festgelegte Positionen und Größen-
verhältnisse nichts an der Üblichkeit der beanspruchten Graphik. Ausweislich
der oben genannten Belege gibt es eine ganze Bandbreite von Gestaltungen,
die dem Bereich des Üblichen zuzurechnen sind.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 83 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG zugelassen. Insbesondere soll sie der Klärung der Frage die-
nen, welche Anforderungen an die Üblichkeit von zwei- und dreidimensio-
nalen Gestaltungen zu stellen sind (vgl. BGH GRUR 2007, 973 - Rado-Uhr
III; BGH GRUR 2008, 71 - Fronthaube). Hierbei ist insbesondere die Anzahl
an Gestaltungsmöglichkeiten von Bedeutung, von denen bei der Beurteilung
der Schutzfähigkeit auszugehen ist. Dies gilt vor allem dann, wenn eine mit
dem angemeldeten Zeichen identische Gestaltung nicht nachweisbar ist.
Vorsitzende Richterin Grabrucker
ist aufgrund krankheitsbedingter
Abwesenheit gehindert zu unter-
zeichnen.
Kopacek
Kopacek
Dr. Kortbein
Hu