Urteil des BPatG vom 15.01.2003

BPatG: unterscheidungskraft, verkehr, werbung, marketing, fremdsprache, unternehmen, form, dienstleistung, veröffentlichung, wortmarke

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 13/01
_______________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 10 830.7
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 15. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die
Richterin Pagenberg und den Richter Voit
BPatG 152
10.99
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Wortfolge
OIL & MORE
ist zunächst für die Waren der Klasse
16: Druckereierzeugnisse,
Zeitschriften, Broschüren, Mittei-
lungsblätter, periodische Berichte, Informationsblätter, Ma-
gazine, Kurzmitteilungen; Lehr- und Unterrichtsmittel (aus-
genommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen
und die Dienstleistungen der Klassen
41: Veröffentlichung
und
Herausgabe von Zeitschriften
35: Unternehmens-, Marketing-, Organisations-, Service-,
Werbeberatung, Werbemittlung, Werbung, Verkaufsförde-
rung
zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet worden.
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Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren er-
gangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Die angemeldete Marke "OIL & MORE" sei dem englischen Grundwortschatz ent-
nommen und werde vom Verkehr ohne weiteres im Sinne von "Öl und mehr" ver-
standen. In bezug auf die Waren und Dienstleistungen handele es sich um eine
Benennung des thematischen Gegenstandes. So eigne sich die angemeldete
Marke für die Waren der Klasse 16 als eine thematische Inhaltsangabe für The-
men, die im weiteren Sinne "Öl" zum Gegenstand haben, z.B. Ölförderung, Ölver-
kauf, Ölverbrauch etc.. Bei Druckerzeugnissen im weiteren Sinne komme es
entscheidend auf deren Inhalt an. Dies treffe auch auf die Dienstleistung der
Klasse 41 zu. Für die Dienstleistung der Klasse 35 stelle die angemeldete Marke
lediglich eine beschreibende Sachangabe dar, wonach sich die Beratungs- und
Werbe-Dienstleistungen im weiteren Sinne mit "Öl" befassen oder sich inhaltlich
auf Unternehmen der Ölindustrie spezialisieren können.
Die Verwendung des Sonderzeichens "&" begründe nicht die Schutzfähigkeit der
angemeldeten Marke, da dieses Zeichen in der Werbung als übliches Stilmittel für
die Verbindung zweier Aussagen oder Hinweise diene. Hierzu hat die Marken-
stelle dem angefochtenen Beschluß Kopien von Verwendungsbeispielen beige-
fügt.
Die Anmelderin hat gegen die Zurückweisung der Anmeldung Beschwerde einge-
legt und das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Beschwerdeverfahren wie
folgt eingeschränkt:
Klasse 16:
Zeitschriften, Mitteilungsblätter, periodische Berichte, Informations-
faltblätter, Magazine und Kurzmitteilungen, sämtlich betreffend Un-
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ternehmens-, Marketing- und Organisationsberatung für Kraftfahr-
zeug-Werkstätten;
Klasse 41:
Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften, betreffend Un-
ternehmens-, Marketing- und Organisationsberatung für Kraftfahr-
zeug-Werkstätten;
Klasse 35:
Unternehmens-, Marketing-, Organisations-, Service-, Werbebera-
tung, Werbemittlung, Werbung, Verkaufsförderung.
Sie rügt unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs "Bar jeder Ver-
nunft" (MarkenR 2002, 338), daß die Markenstelle die Bedeutung der angemel-
deten Marke auf einen bestimmten Themenkreis, der ausschließlich "Öl" betref-
fende Sachgebiete umfasse, reduziert habe. Der Zusatz "& MORE" umfasse nach
dem Sprachverständnis aber alle Thematiken. Anders als im Fall der Wortfolge
"Bücher für eine bessere Welt" werde durch die angemeldete Angabe nicht ein
breites Themengebiet außerordentlich präzise und treffend erfaßt. Die angemel-
dete Marke könne daher in ihrer Gesamtheit insbesondere kein für die fraglichen
Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffs-
inhalt zugeordnet werden, sie sei kein gebräuchlicher Ausdruck der deutschen
oder einer bekannten Fremdsprache und habe auch keinen ausschließlich pro-
duktbeschreibenden Inhalt. Sie besitze vielmehr eine gewisse Originalität, die aus
der Anknüpfung an den bekannten Ausdruck "MILES & MORE" folge. Daraus er-
geben sich eine Reihe im einzelnen angegebener Bedeutungsmöglichkeiten, die
bei der Prüfung der Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit zu berücksich-
tigen seien und einen Anhalt für eine hinreichende Unterscheidungskraft der an-
gemeldeten Wortfolge böten.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angemeldete Marke
ist von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr auch nach der Einschränkung des
Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8
Abs 2 Nr 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die
von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens ge-
genüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Denn Hauptfunktion
der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft
ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch
noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu
überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren oder Dienst-
leistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet
werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der
deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch
wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches
und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächli-
chen Anhalt dafür, daß ihr die erwähnte Unterscheidungseignung und damit jegli-
che Unterscheidungskraft fehlt (vgl BGH, Beschluß vom 13.6.2002 - I ZB 1/00,
GRUR 2002, 1070 = WRP 2002, 1281 - Bar jeder Vernunft, m.w.N); zuletzt
Beschluß vom 19.12.2002 - I ZB 21/00 - Buchstabe "Z").
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Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Wortfolge "OIL &
MORE" der ohne weiteres verständliche, im Vordergrund stehende Begriffsinhalt
von "Öl und mehr" zugeordnet werden, der für die beanspruchten, im einzelnen
genannten speziellen Druckerzeugnisse und Beratungsdienste deren Inhalt, Ge-
genstand bzw Thema beschreibt. Gerade in Bezug auf die Beratung für Kraftfahr-
zeug-Werkstätten hat die Behandlung des Themas "Öl und mehr" eine verkehrs-
wesentliche Bedeutung für dessen Einsatz bei Inspektionen, Motorwäschen, Öl-
wechseln und sonstigen Reparaturmaßnahmen. Die angesprochenen Verkehrs-
kreise werden der angemeldeten Wortfolge insgesamt nur eine inhaltliche Be-
schreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen in zeitgemäßer und
leicht verständlicher Weise entnehmen, daß die so betitelten Zeitschriften und
sonstigen Druckerzeugnisse und Beratungsdienste sich mit Öl und weiteren damit
zusammenhängenden Fragen wie beispielsweise der Verwendung, des Absatzes,
der Entsorgung, der Umweltverträglichkeit uä befassen, die für Kfz-Werkstätten
oder deren Kunden bedeutsam sind. Dabei spielt es für die Beurteilung der
Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung keine Rolle, welche zusätzlichen
Informationen, Vorteile, Boni, ergänzende oder umfassende Angebote die Anmel-
derin mit dem Zusatz "& MORE" meint oder der angesprochene Verkehr sich dar-
unter vorstellt. Die Eindeutigkeit der Aussage "und mehr" wird dadurch nicht be-
rührt. Es liegt vielmehr in der Natur der angemeldeten Wortfolge als Sammelbe-
zeichnung, daß das Thema breit angelegt und die Angabe insgesamt allgemein
ist. Die begriffliche Unbestimmtheit einer allgemein gehaltenen Aussage steht der
Annahme einer beschreibenden Sachangabe auch im vorliegenden Fall nicht ent-
gegen (vgl BGH GRUR 2000, 882 = BlfPMZ 2000, 331 - Bücher für eine bessere
Welt m.w.N.; BPatG 33
W
(pat)
119/98 - Kaffee & mehr; 29 W (pat) 189/99
- Hotels and more, 29 W (pat) 248/99 - Design & more).
Aber auch soweit sich angesprochene Verkehrskreise an der bekannten Kenn-
zeichnung MILES & MORE orientieren, ist der Zusatz nicht geeignet, als betriebli-
ches Unterscheidungsmerkmal zu dienen. Denn zum einen hat die L… AG
die Bezeichnung nicht in Alleinstellung, sondern in Verbindung mit ihrem Firmen-
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namen als Marke eingetragen erhalten und mittlerweile im Verkehr auch durchge-
setzt. Zum anderen hat sich die Verwendung von Sachangaben mit dem Zusatz "&
MORE, & mehr, & more" sowie "und mehr" in der beschreibenden Werbesprache
seitdem weit verbreitet und ist nahezu auf allen Gebieten anzutreffen, um in
moderner Form auf zusätzliche, besonders vorteilhafte oder umfassende Waren-
und Dienstleistungsangebote und deren vorangestellte Sachgebiete hinzuweisen
(z.B. "Outdoor & More" und "Trekking & Mehr" für Sportbekleidung; "Time & More"
für Telekommunikation; "Handy & more" für Mobilphoneläden; "Beauty and more",
"Jobs and more", "Music & More" etc.).
Die Markenstelle hat den Sinn der angemeldeten Wortfolge auch nicht rechts-
fehlerhaft auf eine bestimmte Aussage beschränkt, wie es in der Entscheidung
"Bar jeder Vernunft" der Fall war, sondern auf das gesamte Spektrum des Sach-
begriffs "Öl und mehr" bezogen. Darüber hinaus ist die Wortfolge "OIL & MORE"
aus sich selbst heraus verständlich und als Sachangabe ungleich eindeutiger als
der Aussagegehalt von "Bar jeder Vernunft".
Bei dieser Sachlage kam es nicht mehr auf die Frage an, ob der angemeldeten
Marke auch das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen-
steht.
Vorsitzende Richterin
Grabrucker ist im Urlaub
und daher verhindert zu
unterschreiben
Pagenberg
Voit Pagenberg
Cl