Urteil des BPatG vom 10.07.2006

BPatG: kassette, leiter, fig, patentanspruch, automobil, verzicht, montage, meinung, einbau, patentfähigkeit

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 67/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
10. Juli 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 43 22 443
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hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 34 - hat das auf die am
6. Juli 1993 eingegangene Anmeldung erteilte Patent 43 22 443 mit der Bezeich-
nung „Elektrische Verbindungseinrichtung“, im Einspruchsverfahren durch Be-
schluss vom 6.
Oktober
2003 mit der Begründung widerrufen, dass der
Gegenstand des mit Eingabe vom 24. Oktober 2000 eingereichten Patentan-
spruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Der mit Eingabe vom 15. November 2004 eingereichte geltende Patentanspruch 1
lautet unter Einfügung der Gliederungsbuchstaben a) bis h) entsprechend der
Merkmalsanalyse der Patentinhaberin:
„a) Elektrische
Verbindungseinrichtung, insbesondere für eine in
der Lenkradschüssel eines Kraftfahrzeugs untergebrachte
Luftsack- Schutzeinrichtung,
b) mit einem feststehenden, eine zylindrische Seitenwand
aufweisenden Gehäuseteil und mit einem zu diesem um ei-
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nen begrenzten Winkel verdrehbaren, eine zylindrische Nabe
aufweisenden Gehäuseteil,
c)
die einen ringförmigen Hohlraum zur Aufnahme eines spiral-
förmig aufgewickelten, flexiblen elektrischen Leiters begren-
zen,
d)
wobei der elektrische Leiter einerseits sich durch den Boden
des feststehenden Gehäuseteils und andererseits sich durch
den Boden des verdrehbaren Gehäuseteils erstreckt,
dadurch gekennzeichnet,
e)
dass das feststehende Gehäuseteil (3) einstückig mit einem
am Mantelrohr (10) der Lenksäule (12) festgelegten Schal-
terträger (11) verbunden ist,
f)
wobei koaxial zum verdrehbaren Gehäuseteil (2) am festste-
henden Gehäuseteil (3) eine Führungshülse (23) angeformt
ist,
g) die im Mantelrohr
(10) über in der Führungshülse
(23)
vorhandene Befestigungsöffnungen
(24) durch Befesti-
gungsmittel (25) festgelegt ist
h)
und die ringförmige Innenfläche (76) des feststehenden Ge-
häuseteils (3) sowie die ringförmige Innenfläche (77) eines
den Hohlraum verschließenden Ringflansches (73) mit einer
geräuschdämpfenden Folie (78) beschichtet sind.“
Die Patentinhaberin ist der Ansicht, die Verbindungseinrichtung nach der
US 5 090 730 A sei für den Einbau einer Kassette vorgesehen, die den spiralför-
migen elektrischen Leiter beinhalte. Zwar sei eine solche Kassette explizit in der
US 5 090 730 A nicht angesprochen, jedoch sei sie für den Fachmann das Nahe-
liegende, weil auch die DE 40 27 952 A1 und die EP 0 417 350 B1 jeweils Kas-
setten mit spiralförmigen Leitern zeigten, die sich jeweils in ein feststehendes Ge-
häuseteil einlegen ließen. Um zum Gegenstand des Patenanspruchs 1 zu gelan-
gen, müsse der Fachmann von einer Kassette wegkommen. Außerdem sei in der
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Einrichtung nach der EP 0 417 350 B1 ein Vlies zur Geräuschdämmung vorgese-
hen, was dem Fachmann eine Folie nicht nahe lege.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag:
Der Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 7. Oktober 2003 wird aufgehoben.
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen und mit folgender Maß-
gabe beschränkt aufrecht erhalten:
Neue Patentansprüche 1 bis 12, mit geänderter Beschreibung in
den Spalten
1 - 8 der Patentschrift gemäß Schriftsatz vom
15. November 2004, Figuren gemäß Patentschrift.
Die Einsprechende stellt den Antrag:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Einsprechende ist der Meinung, es sei ins Belieben des Fachmanns gestellt,
ob er für die aus der US 5 090 730 bekannte Verbindungseinrichtung eine Kas-
sette vorsehe oder den spiralförmigen Leiter direkt in das feststehende Gehäuse-
teil einlege. Ausgehend von dem aus der EP 0 417 350 B1 Bekannten könne der
Fachmann auch ein geeignetes Material zur Geräuschdämmung herausfinden
ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II
Die Beschwerde ist zwar zulässig, hat jedoch keinen Erfolg, weil der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
1. Patentfähigkeit
Als zuständiger Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus
mit Erfahrungen in der Konstruktion von elektrischen Verbindungseinrichtungen für
die Kraftfahrzeugtechnik anzusehen.
Aus der US 5 090 730 A (Fig. 4 bis 6) ist bekannt eine
„a) elektrische
Verbindungseinrichtung, insbesondere für eine in
der Lenkradschüssel eines Kraftfahrzeugs untergebrachte
Luftsack-Schutzeinrichtung (Sp. 4 Z. 67 bis Sp. 5 Z. 3),
b
teilw
) mit einem feststehenden, eine zylindrische Seitenwand (72)
aufweisenden Gehäuseteil (62),
c
teilw
) das einen Hohlraum (Hohlraum in 62) zur Aufnahme eines
spiralförmig aufgewickelten, flexiblen elektrischen Leiters
(Sp. 4 Z. 67 bis Sp. 5 Z. 3: clock-spring) begrenzt,
wobei,
e)
das feststehende Gehäuseteil (62) einstückig mit einem am
Mantelrohr (12) der Lenksäule (14) festgelegten Schalterträ-
ger (Fig. 6: 74 i. V. m. Sp. 5 Z. 8 bis 12) verbunden ist (Sp. 4
Z. 51 bis 53),
f
teilw
) wobei am feststehenden Gehäuseteil (62) eine Führungs-
hülse (66) angeformt ist (Sp. 4 Z. 56, 57),
g) die im Mantelrohr
(12) über in der Führungshülse
(66)
vorhandene Befestigungsöffnungen
(70) durch Befesti-
gungsmittel (68) festgelegt ist (Sp. 4 Z. 61 bis 66).“
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Nach dem Wortlaut der US 5 090 730 A ist es zwar offen gelassen, ob der spiral-
förmige Leiter (clock-spring) in eine im Hohlraum des feststehenden Gehäuses 62
befindliche Kassette oder direkt in den Hohlraum des feststehenden Gehäuse-
teils 62 eingelegt ist. Die Zeichnung (Fig. 5 und Fig. 7) lässt jedoch einen verdreh-
baren, eine zylindrische Nabe aufweisenden Gehäuseteil - wie er für einen direkt
in den Hohlraum des feststehenden Gehäuses 62 eingelegten spiralförmigen Lei-
ter nötig wäre - nicht erkennen, so dass der Senat der Auffassung der Patentinha-
berin folgt und eine, den spiralförmigen Leiter und einen verdrehbaren, eine zylind-
rische Nabe aufweisenden Gehäuseteil umfassende Kassette bei der Einrichtung
nach der US 5 090 730 A annimmt.
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich demnach von dem
Bekannten außer durch Merkmal h) im Wesentlichen lediglich dadurch, dass der
flexible Leiter in einem vom feststehenden Gehäuseteil und von einem drehbaren
Gehäuseteil begrenzten Hohlraum angeordnet ist.
Ausgehend von einer Einrichtung, wie sie in der US 5 090 730 A beschrieben ist,
stellt sich dem Fachmann die Aufgabe, diese als komplette Montage- bzw. Bau-
einheit zu gestalten in der Praxis von selbst. Denn schon vor dem Anmeldetag des
Streitpatents standen die regelmäßig mit der Herstellung von Verbindungseinrich-
tungen der in Rede stehenden Art beauftragten Automobil-Zulieferer vor dem
Problem, durch Vereinfachung von Bauteilen Herstellungs- und Montagekosten zu
senken. Da bei der mit einer Kassette ausgestatteten Einrichtung nach der
US 5 090 730 A Boden und Seitenwand doppelt vorhanden sind, liegt es für den
Fachmann nahe, bei der Einrichtung nach der US 5 090 730 A auf die - eine sepa-
rate Baueinheit darstellende - Kassette zu verzichten und den spiralförmigen Lei-
ter direkt in das feststehende Gehäuse einzusetzen.
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Die hierzu erforderlichen konstruktiven Anpassungen gehören zum handwerkli-
chen Können des Fachmanns. Denn als in eine Einrichtung nach der
US
5
090
730
A einsetzbare Kassette ist dem Fachmann aus der
DE 40 27 952 A1 (Sp. 2 Z. 16: vormontierbare Baueinheit bzw. Sp. 4 Z. 16 bis 21:
an Halterung festgelegt) bekannt eine
a) elektrische
Verbindungseinrichtung, insbesondere für eine in
der Lenkradschüssel eines Kraftfahrzeugs untergebrachte
Luftsack-Schutzeinrichtung (Sp. 1 Z. 3 bis 6),
b)
mit einem feststehenden, eine zylindrische Seitenwand (10)
aufweisenden Gehäuseteil (3) und mit einem zu diesem um
einen begrenzten Winkel (durch die Lenkung begrenzt)
verdrehbaren, eine zylindrische Nabe (4) aufweisenden Ge-
häuseteil (2),
c)
die einen ringförmigen Hohlraum (13) zur Aufnahme eines
spiralförmig aufgewickelten, flexiblen elektrischen Lei-
ters (14) begrenzen,
d)
wobei der elektrische Leiter (14) einerseits sich durch den
Boden (7) des feststehenden Gehäuseteils (3) und anderer-
seits sich durch den Boden (11) des verdrehbaren Gehäu-
seteils (2) erstreckt,
Auch aus der EP
417
350
B1 kennt er als in die Einrichtung nach der
US 5 090 730 A einbaubare Kassette eine
a) elektrische
Verbindungseinrichtung, insbesondere für eine in
der Lenkradschüssel eines Kraftfahrzeugs untergebrachte
Luftsack-Schutzeinrichtung (Sp. 1 Z. 3 bis 12),
b) mit einem feststehenden, eine zylindrische Seitenwand
aufweisenden Gehäuseteil (1, 2) und mit einem zu diesem
um einen begrenzten Winkel verdrehbaren (durch die Len-
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kung begrenzt), eine zylindrische Nabe (bei 3) aufweisenden
Gehäuseteil (3),
c)
die einen ringförmigen Hohlraum (Sp. 2 Z. 7 bis 12) zur Auf-
nahme eines spiralförmig aufgewickelten, flexiblen elektri-
schen Leiters (6) begrenzen,
d)
wobei der elektrische Leiter (6) einerseits sich durch den Bo-
den (bei 8a) des feststehenden Gehäuseteils (1, 2) und an-
dererseits sich durch den Boden (bei 8) des verdrehbaren
Gehäuseteils (3) erstreckt.
Bei dem Verzicht auf die Kassette, d. h. der Verlagerung des spiralförmigen Lei-
ters direkt in den Hohlraum des feststehenden Gehäuseteils 62 der Einrichtung
nach der US 5 090 730 A ergibt es sich für den Fachmann, dass er den bei einer
Kassette gemäß der DE 40 27 952 A1 oder gemäß der EP 0 417 350 B1 jeweils
vorgesehenen, um einen begrenzten Winkel verdrehbaren, eine zylindrische Nabe
aufweisenden Gehäuseteil (4 bzw. 3) bei dem feststehenden Gehäuseteil (62) der
Einrichtung nach der US 5 090 730 vorsieht (Merkmal b)), um das mit dem Lenk-
rad drehbare Ende des Leiters in üblicher Weise bewegbar zu halten.
Damit begrenzen aber auch der feststehende und der verdrehbare Gehäuseteil
einen ringförmigen Hohlraum zur Aufnahme eines spiralförmig aufgewickelten,
flexiblen elektrischen Leiters (Merkmal c)) und es erstreckt sich der elektrische
Leiter einerseits durch den Boden des feststehenden Gehäuseteils und anderer-
seits durch den Boden des verdrehbaren Gehäuseteils (Merkmal d)). Weiterhin
folgt wegen des zylindrischen Aufbaus der Einrichtung nach der US 5 090 730 A
(Fig. 5), dass die Führungshülse (66) koaxial zum verdrehbaren Gehäuseteil (am
feststehenden Gehäuseteil) angeformt ist (Merkmal f)).
Der Fachmann muss somit nicht erfinderisch tätig werden, um zu einem
Gegenstand mit den Merkmalen a) bis g) des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
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Zu einem ganz anderen Problemkreis gehört nach Auffassung des Senats die Ge-
räuschdämmung des spiralförmigen Leiters gemäß dem Merkmal h) des Patent-
anspruchs 1.
Vor dieses Problem gestellt, gibt die EP 0 417 350 B1 dem Fachmann den Hin-
weis, die ringförmige Innenfläche (bei 2) des feststehenden Gehäuseteils (1, 2)
sowie die ringförmige Innenfläche (bei 5) eines den Hohlraum verschließenden
Ringflansches (1) mit einem verdichteten Vlies als faserverstärkte, geräusch-
dämpfende Folie (5) zu beschichten (Sp. 2 Z. 18 bis 29 i. V. m. Sp. 1 Z. 33 bis 39).
Denn wenn ein Vlies mit einem Bindemittel zu einem „Filz hoher Abriebfestigkeit
verdichtet ist“ (Sp. 2 Z. 25), gleitet der Leiter nicht mehr auf den Fasern selbst
sondern auf der mit dem Bindemittel versehenen Oberfläche eines dünnen Ver-
bundwerkstoffes, d. h. einer Folie.
Wegen des konkreten Hinweises auf die Geräuschdämmung eines spiralförmigen
Leiters in der EP 0 417 350 B1 muss der Fachmann somit nicht erfinderisch tätig
werden, wenn er die von den Merkmalen a) bis g) unabhängige Maßnahme ge-
mäß dem Merkmal h) zusätzlich vorsieht.
2. Unteransprüche
Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die auf ihn jeweils rückbezogenen Unteran-
sprüche 2 bis 12.
gez.
Unterschriften