Urteil des BPatG vom 06.11.2002

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BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 92/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 397 37 565.4
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 6. November 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Albert
sowie des Richters Reker und der Richterin Eder
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 25. März 1999 und vom 28. Dezember 1999 aufge-
hoben.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung
MARQUES DE ARIENZO
zur Eintragung für die Waren
"Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Weine"
angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 33 hat diese Anmeldung zurückgewiesen, weil die an-
gemeldete Bezeichnung täuschend sei. Sie bezeichne eine dem spanischen
Hochadel angehörende natürliche Person, was auch weniger sprachkundige Ver-
kehrskreise erkennen würden. Ein erheblicher Teil des inländischen Verkehrs aber
gehe bei der Begegnung mit einem solchen Adelsnamen auf einem Wein- oder
Schaumweinetikett von der den Kaufentschluß maßgeblich (positiv) beeinflussen-
den Erwartung aus, daß zwischen dem Träger des Adelsnamens und den so ge-
kennzeichneten Weinen und Schaumweinen sachliche Beziehungen geschäftli-
cher Art bestünden und daß der Träger des Adelsnamens über einen Weinbaube-
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trieb verfüge, aus dem der betreffende Wein bzw Schaumwein stamme. Nach
Sachlage könne davon ausgegangen werden, daß ein Adeliger mit dem Namen
MARQUES DE ARIENZO tatsächlich nicht existiere. Das aber sei dem inländi-
schen Verkehr nicht bekannt. Deshalb sei die angemeldete Bezeichnung ersicht-
lich geeignet, die angesprochenen inländischen Käuferkreise über verkehrswe-
sentliche Eigenschaften der beanspruchten Weine und Schaumweine zu täu-
schen, und könne auch nicht in einer nicht täuschenden Art und Weise verwendet
werden.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Es gebe keine An-
haltspunkte dafür, daß die Verkehrsauffassung in rechtlich relevantem Umfang
davon ausgehe, daß der Verbraucher bei Verwendung von Adelsnamen bei den
Waren "Wein" und "Sekt" die Auffassung vertrete, daß diese von einem bestimm-
ten Weingut des Adeligen stammten. Das Verbraucherleitbild des Europäischen
Gerichtshofs, also ein umsichtiger und kritisch prüfender Verbraucher, der auf-
grund ausreichender Informationen in der Lage sei, seine Entscheidungen frei und
selbstverantwortlich zu treffen, müsse auch für die Bundesrepublik Deutschland
gelten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Marke steht das
Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 4 iVm § 37 Abs 3 MarkenG nicht entgegen.
Die für die Waren "Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere
Weine" angemeldete Bezeichnung "MARQUES DE ARIENZO" ist nicht geeignet,
das Publikum über Eigenschaften dieser Waren, die für den Kaufentschluß maß-
geblich sind, ersichtlich zu täuschen. Eine Täuschungsgefahr in diesem Sinne
setzt nämlich unrichtige Angaben voraus, die die beteiligten Verkehrskreise in ih-
ren wirtschaftlichen Entschlüssen (positiv) beeinflussen (Althammer/Ströbele,
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MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdnr 227 und 233). Zwar hat die Anmelderin die Existenz
eines spanischen Adeligen mit dem Namen "MARQUES DE ARIENZO" und den
Einfluß des Namensgebers auf die Produkte eines traditionsreichen Weinbaube-
triebs nicht belegt. Demnach kann davon ausgegangen werden, daß es einen
Träger dieses Adelsnamens nicht oder nicht mehr gibt. Aber auch dann ist die An-
nahme, daß die angemeldete Bezeichnung geeignet sei, das Publikum über die
Art oder Beschaffenheit der unter dieser Kennzeichnung angebotenen Weine zu
täuschen, nicht gerechtfertigt.
Ob eine Marke dann, wenn sie Vorstellungen von bestimmten Verhältnissen her-
vorrufen könnte, geeignet ist, den Verkehr zu täuschen, richtet sich nämlich nach
der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Dabei geht der Senat bei der
Beurteilung der Frage, ob ein nicht unbeachtlicher Teil der Abnehmer einer Täu-
schung unterliegen kann, von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbraucher aus (Althammer/Ströbele, aaO, § 8
Rdnr 228; EuGH GRUR Int 1999, 345, 348 - Sektkellerei Kessler). Dieser aber
wird in der Bezeichnung "MARQUES DE ARIENZO" keine Angabe sehen, die ei-
nen Rückschluß auf die Art, Beschaffenheit und insbesondere die Qualität der so
bezeichneten Weine zuläßt. Da der deutsche Durchschnittsverbraucher nämlich
einen spanischen Adeligen "MARQUES DE ARIENZO" nicht kennt, kann er mit
diesem Namen auch keine Vorstellung von einem bestimmten Weingut und dem
Einfluß dieser Person auf die dort erzeugten Weine verbinden. Dies könnte nur
dann der Fall sein, wenn er der Meinung sein könnte, die von spanischen Adeligen
erzeugten bzw. mitverantworteten Weine seien allgemein von besserer Qualität
als die Weine der übrigen - nichtadeligen - spanischen Winzer. Für eine solche
Annahme liegen jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor (BPatGE 43, 25 -
MARQUIS DE ST AMBRE). Zudem hat der durchschnittlich informierte deutsche
Verbraucher in der Regel keine Kenntnisse über Details aus dem spanischen Adel
und über dessen Weingüter. Er hat deshalb keine Veranlassung, Weinen, die mit
dem Namen eines (unbekannten) Adeligen gekennzeichnet sind, eine besondere
Wertschätzung entgegenzubringen, zumal auch dem durchschnittlich informierten
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Verbraucher bekannt ist, daß die Qualität von Weinen ohnehin wesentlich von
weiteren Faktoren wie Lage und Pflege der Reben und Können der Winzer ab-
hängig ist.
Ohnehin keiner Täuschungsgefahr unterliegen im übrigen diejenigen Verbraucher,
die beim Kauf von Weinen ohnehin nicht auf bestimmte Qualitätshinweise achten,
weil sie diese Getränke im Vorbeigehen erstehen und dabei ihren Erwerb nicht
von dem möglichen Aussagegehalt der Bezeichnung abhängig machen. Ebenso
wenig werden sich andererseits Weinkenner nur an einer ihnen unbekannten
Adelsbezeichnung orientieren.
Damit war der Beschwerde der Markeninhaberin stattzugeben.
Albert Reker Eder
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