Urteil des BPatG vom 28.10.2009

BPatG (marke, lebensmittel, angabe, teleologische reduktion, verordnung, werbung, gesundheit, beschwerde, verkehr, verbraucher)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 265/07
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 306 41 294.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 28. Oktober 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung ins Register ist die Wort-/Bildmarke
für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 29, 30 und 32
„Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes,
tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse;
Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milch-
produkte; Speiseöle und -fette.
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Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffeeersatz-
mittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und
Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver;
Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis.
Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere
alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und
andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, die angemeldete Marke unter-
liege einem Benutzungsverbot nach § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG. Denn nach § 12
Nr. 5 LFGB sei es untersagt, in der Werbung für Lebensmitteln bildliche Dar-
stellungen von Personen in der Berufskleidung von Angehörigen der Heilberufe zu
verwenden. Die für Lebensmittel beanspruchte Marke vermittle insgesamt den
Eindruck, dass es sich bei der abgebildeten Person um einen Arzt handele. Die in
§ 12 LFBG aufgeführten Kennzeichnungsverbote hätten den Zweck, den Ver-
braucher vor Fehlvorstellungen über die Eignung von Lebensmitteln zur Behand-
lung oder Verhütung von Krankheiten zu schützen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß
beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Zur Begründung der Beschwerde trägt sie vor, § 12 LFGB sei nicht einschlägig, da
diese Norm lediglich eine krankheitsbezogene Werbung verbiete, nicht aber eine
gesundheitsbezogene Aussage, wie sie in der angemeldeten Marke durch den
Bestandteil „Health Care“ zum Ausdruck komme. Unter Berücksichtigung des
Verbraucherleitbilds des EuGH sei es zumindest sehr zweifelhaft, ob der Dar-
stellung in der Marke eine Person in der Berufskleidung von Angehörigen der
Heilberufe entnommen werden könne, zumal ein weißer Kittel nicht nur von dieser
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Berufsgruppe getragen werde. Das Gemeinschaftsrecht verlange eine teleolo-
gische Reduktion des § 12 Abs. 1 Nr. 5 LFGB dahingehend, dass die bildliche
Darstellung Bestandteil einer krankheitsbezogenen Aussage nach § 12 Abs. 1
Nr. 1 LFGB sei.
Der Senat hat im schriftlichen Verfahren auf die seit 1. Juli 2007 geltende sog.
Health Claims Verordnung - Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesund-
heitsbezogene Angaben über Lebensmittel - hingewiesen, nach der selbst eine
gesundheitsbezogene Werbung einem präventiven Genehmigungsverfahren un-
terliege, was im Rahmen von § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG zu berücksichtigen sei.
Dagegen vertritt die Anmelderin die Ansicht, bei der angemeldeten Marke handele
es sich nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der genannten
Verordnung, da mit dem Bestandteil „Health Care“ kein konkreter Zusammenhang
zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit zum Ausdruck gebracht werde.
Die angemeldete Marke sei jedenfalls im Zusammenhang mit der Kopplung einer
zugelassenen Angabe verwendbar.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die
Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht nach § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG von der
Eintragung ins Markenregister ausgeschlossen, denn die Benutzung des Zei-
chens kann ersichtlich nach sonstigen Vorschriften im öffentlichen Interesse
untersagt werden.
Von diesem Schutzausschließungsgrund sind Marken betroffen, deren Benutzung
entweder gegen nationale Gesetze mit kennzeichnungsrechtlichem Inhalt verstößt
oder gegen europäische Kennzeichnungsvorschriften, soweit es sich dabei um
Verordnungen handelt, die im Inland unmittelbare Rechtswirkungen entfalten.
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§ 12 Abs. 1 Nr. 5 LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) stellt eine
solche Verbotsnorm dar, denn sie untersagt im Verkehr mit Lebensmitteln oder in
der Werbung für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall die Verwendung bild-
licher Darstellungen, die Personen in der Berufskleidung von Angehörigen der
Heilberufe zeigen. Die angemeldete und ausschließlich für Lebensmittel bean-
spruchte Marke weist die in Schwarz-Weiß gehaltene, porträtartige Darstellung
einer männlichen Person auf, die als Oberbekleidung ein helles Oberhemd und
einen gleichfarbigen Kittel trägt, was auch die Anmelderin zuletzt nicht mehr in
Abrede gestellt hat. Diese Kleidung wird vom Verkehr ohne weiteres als typische,
ärztliche Berufsbekleidung erkannt werden, zumal die bildliche Darstellung von
Wortbestandteilen umrahmt wird, welche die Wahrnehmung der Verbraucher
ebenfalls in diese Richtung lenkt. So findet sich über der Abbildung der Na-
menszug „Dr. Raß’s“ sowie im unteren Bereich die Wortfolge „Health Care“, die im
Deutschen mit Gesundheitsvorsorge, -pflege wiedergegeben wird und unstreitig
eine auf die Gesundheit bezogene Angabe darstellt. Im Zusammenhang mit den
beanspruchten Waren entnimmt der Verkehr daher dem Zeichen im Gesamt-
eindruck die unzweideutige Aussage, hinter den fraglichen Produkten bzw. hinter
ihrer Qualität und Beschaffenheit stehe ein Angehöriger der Heilberufe
.
Die so
gekennzeichneten Lebensmittel lassen somit die Meinung aufkommen, sie eig-
neten sich besonders, die Gesundheit zu erhalten, zu fördern und sogar vor-
beugend vor Krankheiten zu schützen. Zweck der Vorschrift des § 12 LfGB ist es
aber, den Verbraucher vor Fehlvorstellungen über eine Eignung der Lebensmittel
zur Behandlung oder Verhütung von Krankheiten und damit auch vor
unsachgemäßer Selbstbehandlung zu schützen (vgl. Zipfel/Rathke Lebensmit-
telrecht Loseblatt-Kommentar, Band II, C 102, § 12, Rd. 5 m. w. N.). Daher liefe
eine Eintragung der angemeldeten Marke dem ausdrücklichen Gesetzeszweck zu-
wider.
Soweit die Anmelderin vorträgt, die Marke verstoße nicht gegen diese Ver-
botsnorm, da der Verbraucher ihr allenfalls eine gesundheitsbezogene Aussage
entnehmen könne, ist dies schon deshalb nicht weiterführend, weil letztlich alles,
was der Gesundheit dient letztlich auch vor Krankheiten schützt. Im Ergebnis kann
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jedoch dahingestellt bleiben, ob § 12 LFGB nach Ansicht der Anmelderin im Wege
einer teleologischen Reduktion nur für eine krankheitsbezogene Werbung an-
wendbar ist, denn mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1924/2006 über nährwert-
und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel vom 20. Dezember 2006
(sog Health Claims Verordnung) am 1. Juli 2007 ist diese Unterscheidung obsolet
geworden. Denn diese in jedem Mitgliedstaat der EU unmittelbar geltende Norm
führt für gesundheitsbezogene Angaben im Lebensmittelsektor ein System des
präventiven Genehmigungsverfahrens ein, das gemeinschaftsweit an die Stelle
der bisherigen nationalen Regelungen tritt. Gesundheitsbezogene Angaben bei
Lebensmitteln sind danach nur zulässig, wenn sie den Bedingungen der
Verordnung entsprechen und durch die Kommission zugelassen sind (vgl. zum
Systemwechsel in der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben bei
Lebensmitteln WRP 2007, 389 ff). Soweit die Anmelderin vorträgt, der Begriffs-
bestandteil „Health Care“ sei keine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der
Begriffsbestimmung nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung, weil kein konkreter
Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit zum Ausdruck
gebracht werde, greift dieser Einwand nicht, denn nach der zitierten Vorschrift ist
eine „gesundheitsbezogen Angabe“ jede Angabe, mit der suggeriert oder auch nur
mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einem
Lebensmittel einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Die Angabe
„Health Care“ stellt demnach jedenfalls mittelbar diesen gesundheitlichen Bezug
her. Auch der Hinweis der Anmelderin auf Art. 1 Abs. 3 bzw. Art. 10. Abs. 3 VO
(EG) Nr. 1924/2006 kann das Eintragungshindernis nicht beseitigen. Sofern hier-
nach ausnahmsweise eine gesundheitsbezogene Angabe zulässig ist, unter der
Voraussetzung, dass ihr eine dort spezifisch zugelassene Angabe beigefügt wird,
kann dies die Eintragungsfähigkeit nicht begründen, denn eine Ergänzung des für
Lebensmittel angemeldeten Zeichens durch zusätzliche Informationen nach Art.
10 der Verordnung würde zu einer unzulässigen Änderung der Marke führen und
die Zurückweisung der Anmeldung zur Folge haben. Da sich die gesetzlichen
Benutzungsverbote nach § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG auf die Verwendung der
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Marke an sich beziehen, kann es ohnehin auf den tatsächlichen Einsatz der Marke
und auf die konkrete Verwendungsform im Verkehr nicht ankommen.
Nachdem vorliegend die Beantwortung der Frage, ob die angemeldete Marke
nach § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG, der auf der Ermächtigung des Art. 3 II Buchst a
Markenrichtlinie beruht, von der Eintragung auszuschließen ist, nicht die Aus-
legung von Gemeinschaftsrecht betrifft, ist kein Raum für die von der Anmelderin
angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof.
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.
Stoppel
Schell
Martens
Me