Urteil des BPatG vom 20.06.2005

BPatG: beschreibende angabe, eugh, stift, begriff, identifikationsnummer, wortzeichen, winter, bestandteil, montage, index

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 249/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. Juni 2005
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die IR-Marke 712 028
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Buchetmann sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland sucht die international registrierte
Marke 712 082
PINLOCK
Nach unter anderem für folgende Waren
Scientific, nautical, surveying, electric, photographic, cinemato-
graphic, optical, weighing, measuring, signalling, checking (super-
vision), life-saving and teaching apparatus and instruments; appa-
ratus for recording, transmission or reproduction of sound or ima-
ges; magnetic data carriers, recording discs; automatic vending
machines and mechanisms for coin-operated apparatus; cash
registers, calculating machines, data processing equipment, com-
puters; fire-extinguishing apparatus; synthetic visors for helmets.
Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes hat
den Schutz teilweise verweigert, nämlich für die oben genannten Waren wegen
fehlender Unterscheidungskraft. Die Marke beschreibe die Waren der Klasse 9 als
solche, die mittels einer persönlichen Identifikationsnummer eine Verschlußmög-
lichkeit bieten. So seien externe oder interne Geräte mit einer solchen Vorrichtung
naheliegend, insbesondere für eine Zugangs- oder Zugriffskontrolle.
Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Für den Begriff PIN seien eine
Vielzahl von Übersetzungsmöglichkeiten gegeben. In der Bedeutung von
persönliche Identifikationsnummer werde der Begriff üblicherweise in Allein-
stellung verwendet, es werde nie von einem PIN-Verschluß gesprochen, der mit-
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tels der Geheimzahl oder PIN geöffnet werde. Jedenfalls für lebensrettende Ge-
räte oder Feuerlöscher oder Helmvisiere sei ein PIN-Verschluß nicht vorstellbar.
Zu dem Hinweis des Gerichts auf die Bedeutung "PIN-Verschluß im Sinne von
"Zapfenarretierung" hat die Anmelderin ausgeführt, bei "PINLOCK" handele es
sich um eine Suggestivmarke, die angemeldete Bezeichnung beschreibe aber ins-
besondere kein Helmvisier und auch keine Verschlußmethode. Erst die Produkt-
beschreibung mache klar, wo und was arretiert werde.
Zum anderen sei "LOCK" im Sinne von Schloß zu verstehen, nicht aber in der Be-
deutung als Befestigung.
Sie beantragt,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 IR vom 13. Mai 2003
aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten sowie die der An-
melderin übersandten Internetrechercheergebnisse Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg, da
die schutzsuchende Marke "PINLOCK" hinsichtlich der für Klasse 9 beanspruch-
ten Waren als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Ab-
satz 2 Nr 2 MarkenG unterliegt.
Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs 2
Nr 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr be-
schreibender Aussagegehalt so deutlich und unmißverständlich ist, dass sie ihre
Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den
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angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Not-
wendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der
Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen
Publikums nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl Ströbele/Hacker, Mar-
kenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 380).
Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandtei-
len zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreiben-
den Charakter im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merk-
licher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile
besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Be-
standteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntak-
tischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus be-
schreibenden Zeichen, oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int 2004, 410, 413
– BIOMILD; EuGH GRUR Int 2004, 500, 507 – Postkantoor).
Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der Wortzusammensetzung kommt es bei § 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG grundsätzlich nicht an. Es ist zudem nicht erforderlich, dass
die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der An-
meldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienst-
leistungen wie die in der Anmeldung aufgeführten oder für Merkmale dieser Waren
oder Dienstleistungen verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem
Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu
diesem Zweck "dienen können". Ein Wortzeichen ist demnach von der Eintragung
ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein
Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet. Dabei
spielt es keine Rolle, ob es Synonyme oder gebräuchlichere Zeichen oder Anga-
ben zur Bezeichnung dieser Merkmale gibt, da es nicht erforderlich ist, dass diese
Zeichen oder Angaben die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen
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Merkmale sind (vgl EuGH aaO S 410, 412 - BIOMILD; EuGH aaO S 500, 507
– Postkantoor).
Die angemeldete Marke setzt sich erkennbar aus den beiden Bestandteilen "PIN"
und "LOCK" zusammen.
Das englische Wort "pin" bedeutet neben der Abkürzung "PIN" für "persönliche
Identifikationsnummer" auch "der Pin, Anschlußstift, Bolzen, Kontakt, Steckerstift,
Zapfen, Zwecke".
Das englische Wort "lock" bedeutet "Arretierung, Schloß, Verschluß". Zusammen-
setzungen aus beiden Bestandteilen sind belegbar wie ua "lock pin" für "Arretier-
bolzen, Arretierstift, Verriegelungsbolzen und "wire pin lock" für "Drahtstiftver-
schluß" (vgl LEO Onlinewörterbuch Englisch der TU München).
Die eingetragene Bezeichnung "PINLOCK" bedeutet daher in wörtlicher Überset-
zung "Verschlußvorrichtung mit Geheimzahl, Zugangssicherung mit Geheimzahl
oder Stiftverschluß, Zapfenarretierung".
Die Kombination "PINLOCK" ist zwar lexikalisch nicht nachweisbar. Angesichts
der Fülle möglicher Wortkombinationen mit einem ohne weiteres erkennbaren und
sinnvollen Bedeutungsgehalt kommt diesem Umstand für sich allein bezüglich der
Schutzfähigkeit jedoch wenig Bedeutung zu. Ebenso wie die oben genannten
unter Verwendung beider Bestandteile üblichen Zusammensetzungen ist auch die
Kombination "PINLOCK" eine sprachübliche und naheliegende Wortverbindung.
Beide Einzelbestandteile werden dabei entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet
und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination
hinausgehenden Begriff.
Der Gesamtbegriff "PINLOCK" wird bereits – wie auch aus den der Anmelderin
übersandten Rechercheergebnissen ersichtlich – in beiden Bedeutungen in ver-
schiedenen Warenbereichen verwendet.
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So wie bei Handys oder Notebooks Zugangssicherungen mit PIN (Geheimzahl)
üblich sind, so sind diese auch für die im Warenverzeichnis der Markeninhaberin
beanspruchten elektrischen Apparate und Instrumente sinnvoll, um diese gegen
unbefugte Benutzung zu schützen. Dies gilt auch für die beanspruchten Lebens-
rettungsgeräte oder Feuerlöschgeräte, da auch hier ein Sicherungsmechanismus
gegen mißbräuchliche Verwendung sinnvoll ist.
Daneben steht die weitere Bedeutung "Zapfenarretierung, Bolzen/Stiftbefestigung"
insbesondere für die von der Markeninhaberin vorrangig beanspruchten Helmvi-
siere im Vordergrund. Diese Bedeutung gibt aber auch für die übrigen Waren
einen sinnvollen Hinweis, da sie deren Verwendung bzw. Ausstattung für eine be-
stimmte Art der Befestigungsmöglichkeit zB an einer Wand oder Stange be-
schreibt.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin bleibt die Bezeichnung "PINLOCK"
nicht nur im Bereich des Suggestiven, sondern gibt für die Helmvisiere an, dass
diese über eine Arretierung, Befestigungsvorrichtung oder Einrastvorrichtung
mittels Zapfen, Bolzen oder Stift verfügen. Ebenso wie beispielsweise bei einem
Visier mit Druckknopfverschluß – also einer Befestigung mit Druckknöpfen –
handelt es sich bei "PINLOCK" nicht nur um die Beschreibung einer Methode oder
eines Systems, sondern um den beschreibenden Hinweis auf die konkrete Vor-
richtung am Visier, die aus dem "pin" - also dem Stift auf der einen Seite - und
- wie beim Ansteckpinverschluß auch - aus dem Einrast- oder Arretiermechanis-
mus bzw Verschluß auf der Gegenseite besteht. Dieser Verschluß im Sinne von
Befestigungsvorrichtung mittels Pins bietet durch den Einrastmechanismus gerade
beim Helmvisier eine schnelle und problemlose Montage (vgl http://www.held-
biker-fashion.de/index.php?plink=pinlock&alink=material&fs=&l=1.
Ein Pin-Verschluß (Stiftverschluß) ist – neben Befestigungsvorrichtungen mittels
Sicherheitsnadel und Nadel mit Spitzenschoner - insbesondere bei Ansteckern
und Buttons für Kleidungsstücke bekannt.
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Wie aus vergleichbaren Wortzusammensetzungen wie "Klebverschluß, Karabiner-
verschluß" erkennbar, wird bei der Kombination entweder ein Bestandteil der Be-
festigung oder die Wirkungsweise der Befestigung beschrieben, so dass es sich
bei "PINLOCK" um eine sinnvolle beschreibende Wortverbindung handelt.
Es liegt für den Verkehr im Bezug auf die beanspruchten Waren deshalb nahe, die
Zusammensetzung "PINLOCK" als Hinweis auf eine Zugangssicherung mittels
PIN (Geheimzahl) oder auch auf einen Befestigungsmechanismus zu verstehen.
Unter Bezugnahme auf die beanspruchten Waren ergibt "PINLOCK" die zur Be-
schreibung geeignete Sachaussage, dass es sich nach Art, Beschaffenhei, oder
Bestimmung um Waren handelt, die mit einer Zugangssicherung mittels PIN (Ge-
heimzahl) ausgestattet sind oder für eine solche Vorrichtung Verwendung finden
bzw mit einer Stift-/Zapfenarretierung ausgestattet sind.
Auch ein möglicher weiterer zusätzlicher Begriffsgehalt der angemeldeten Be-
zeichnung kann eine Schutzfähigkeit nicht begründen, da ein Wortzeichen von der
Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Be-
deutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren bezeichnet (vgl EuGH
MarkenR, 2003, 450 DOUBLEMINT).
Die Angabe dieses Ausstattungsmerkmals mit "PINLOCK" ist eine wichtige Sach-
information, die unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und davon, dass
andere Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gebräuchlich sind, den Mitbe-
werbern zur Beschreibung ihrer Waren zur Verfügung stehen muß (vgl EUGH aaO
- Postkantoor; Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 295).
Soweit sich die Anmelderin auf eine ausländische Voreintragung bezieht, vermag
dies keinerlei Bindungswirkung zu entfalten (vgl Ströbele/Hacker aaO §
8
Rdn 264).
Zudem ist für die markenmäßige Beurteilung fremdsprachiger Ausdrücke allein
das inländische Publikum maßgeblich, so dass es nicht auf das Sprachverständnis
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ausländischer Verkehrskreise und einen möglicherweise darauf beruhenden Mar-
kenschutz im Ausland ankommt (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 116, 359 ff).
Wegen des in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vor-
dergrund stehenden Begriffsgehalts sowohl der Einzelelemente als auch der
daraus gebildeten Kombination, die über den Sinngehalt der Einzelelemente nicht
hinausgeht, handelt es sich um eine beschreibende Angabe, ohne begriffliche Un-
genauigkeit, die zu einer konkreten beschreibenden Bezeichnung dienen kann.
Dr. Buchetmann
Winter
Hartlieb
Hu