Urteil des BPatG vom 19.02.2003

BPatG: gerichtshof der europäischen gemeinschaften, beschreibende angabe, telekommunikation, vermietung, unterscheidungskraft, mitbewerber, freihaltebedürfnis, patent, bildschirm, medien

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 104/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 37 258
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 19.
Februar
2003 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin
Grabrucker sowie des Richters Voit und der Richterin k. A. Fink
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beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Anmelderin hin werden die Be-
schlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 17. März 2000 und vom
6. Februar 2001 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung
für
"Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Büroartikel; Orga-
nisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen"
zurückgewiesen wurde.
2.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung
Screenphone
für
Elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll-
oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klas-
se 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung,
Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; ma-
schinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautoma-
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ten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverar-
beitungsgeräte und Computer;
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder ge-
prägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichts-
mittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen
Möbel);
Finanzwesen; Immobilienwesen;
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtun-
gen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk- und
Fernsehen;
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von
sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung
und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen
Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen
Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I);
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienst-
leistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zu-
griffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln
und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen;
Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Com-
putern; Projektierung und Planungen von Einrichtungen für
die Telekommunikation".
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Anmeldung in zwei Beschlüssen, davon einer im Erinnerungsverfahren ergangen,
wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltebedürfnisses zu-
rückgewiesen. "Screenphone" werde im Zusammenhang mit den beanspruchten
Waren und Dienstleistungen ausschließlich mit "Bildschirmtelefon" übersetzt, sei
sprachüblich gebildet und daher beschreibend. Die beschreibende Funktion bezie-
he sich dabei nicht nur auf die Hard- und Software, sondern erfasse auch die
Dienstleistungen, die mit Hilfe eines Bildschirmtelefons erbracht würden oder er-
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bracht werden könnten. Hinsichtlich der Waren der Klasse 16 könnten die be-
druckten oder geprägten Karten für die Inanspruchnahme öffentlich zugänglicher
Bildtelefone bestimmt sein, und die Lehr- und Unterrichtsmittel könnten sich inhalt-
lich mit Bildschirmtelefonie auseinandersetzen. Daher liege eine unmittelbare be-
schreibende Angabe über Art, Bestimmung und Inhalt der angebotenen Waren
und Dienstleistungen vor.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält die angemeldete Bezeichnung
mit näheren Ausführungen für schutzfähig, wobei sie insbesondere darauf hin-
weist, bei der angemeldeten Wortkombination handele es sich nicht um die Über-
setzung von "Bildschirmtelefon". Es handele sich um eine sprachlich nicht bekann-
te Wortneuschöpfung, die nicht unmittelbar ein Bildschirmtelefon beschreibe, wes-
halb ein entsprechender Bezug allenfalls assoziativ herzustellen sei. Zudem habe
die englische Bezeichnung "Screen" mehrere Bedeutungen und daher keinen ein-
deutig beschreibenden Gehalt.
Die Anmelderin beantragt (sinngemäß),
die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38
des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. März 2000
und vom 6. Februar 2001 aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Im Rahmen der
Zurückweisung der Beschwerde steht dem Zeichen sowohl die fehlende Unter-
scheidungskraft gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 MarkenG entgegen als auch das
Schutzhindernis eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG.
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Einer Wortmarke fehlt jegliche Unterscheidungskraft, wenn ihr ein für die in Rede
stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender
Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder wenn sie ansonsten keine konkrete
Unterscheidungseignung enthalten kann, weil es sich etwa um einen verständli-
chen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der
vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
wird (stRsp vgl BGH GRUR 1999, 1 089 - YES; GRUR 2002, 64 – INDIVI-
DUELLE).
Auch wenn davon auszugehen ist, daß jede noch so geringe Unterscheidungskraft
ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden, ist bei Anlegen des gebotenen
großzügigen Maßstabs die angemeldete Bezeichnung für einen Großteil der bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig iSv § 8 Abs 2
Nr 1 MarkenG.
In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist "Screen" allein als
Bildschirm zu verstehen, ebenso wie diese Bezeichnung bereits Eingang in die
deutsche Umgangssprache gefunden hat (vgl Duden, Deutsches Universalwörter-
buch, 4. Aufl 2001, S 1 427). Auch die in der deutschen Sprache vorkommenden
Wortzusammensetzungen mit "Screen", wie etwa "screendesigner", "screensaver"
oder "screenshot", leiten sich allesamt von der Hauptbedeutung Bildschirm ab (vgl
Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2.
Aufl, Stichwörter "screendesigner"
"screensaver", "screenshot"). Damit handelt es sich, wie diese Beispiele zeigen,
bei der angemeldeten Bezeichnung auch um eine sprachüblich gebildete Wortzu-
sammensetzung.
Der Bestandteil "phone" wiederum hat unter Berücksichtigung der beanspruchten
Waren und Dienstleistungen die Bedeutung von "Telefon". Die sprachüblich gebil-
dete Zusammensetzung "Screenphone" ist daher wie vergleichbare Fachbegriffe
gebildet, die bereits in der Elektronik und der Telekommunikation anzutreffen sind.
Insoweit entspricht der Begriffsinhalt dem eines Bildschirmtelefons und damit auch
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der Definition, die die Anmelderin selbst in ihrer Fachzeitschrift für Aus- und Wei-
terbildung, Unterrichtsblätter "Internet Glossar" vom 10. Februar 2000 auf Sei-
te 137 dem hier in Frage stehenden Begriff gegeben hat. Darin heißt es: "Auch als
webphone oder smartphone bezeichnetes, internetfähiges, multifunktionales End-
gerät mit Bildschirm zum einfachen Internetzugang per ISDN-Telefon". Damit ist
die angemeldete Bezeichnung für die in Rede stehenden Waren und Dienst-
leistungen nur als Sachhinweis aufzufassen, ungeachtet der Frage, ob eine Wort-
neuschöpfung vorliegt oder nicht.
Ein beschreibender Bezug der angemeldeten Bezeichnung ist daher für alle Wa-
ren der Klasse 9 mit Ausnahme der "Mechaniken für geldbetätigte Apparate" ge-
geben, da insoweit ein bloßer Sachhinweis auf die Funktion derartiger Geräte vor-
liegt. Hinsichtlich der Druckereierzeugnisse, insbesondere der bedruckten und/
oder geprägten Karten aus Karton oder Plastik sowie der Lehr- und Unterrichts-
mittel kann es sich einerseits um Zugangsmedien zu Bildschirmtelefonen handeln,
andererseits um Material, das sich beschreibend mit der Funktion derartiger Gerä-
te auseinandersetzt, wie etwa das bereits zitierte Material der Anmelderin selbst.
Bezüglich der Dienstleistungen "Finanzwesen; Immobilienwesen" wiederum kann
es sich um Inhalte handeln, zu denen der Zugang mittels eines Bildschirmtelefons
ermöglicht wird. Ebenso ist ein unmittelbarer Sachhinweis hinsichtlich der Dienst-
leistungen der Telekommunikation und des Betriebs und der Vermietung von Ein-
richtungen für die Telekommunikation gegeben, da damit unmittelbar die Geräte
selbst bzw die zu ihrer Erbringung unabdingbar notwendige Telekommunika-
tionsdienstleistung erfaßt werden. Ebenso ist ein bloßer beschreibender Hinweis
hinsichtlich der Dienstleistungen "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung" sowie
"Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Dru-
ckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien" festzustellen, da
es sich einmal um Inhalte handeln kann, auf die mittels eines Bildschirmtelefons
zugegriffen wird, zum anderen um Medien, die sich beschreibend mit Bildschirmte-
lefonen beschäftigen. So bietet die Fernuniversität Hagen zwischenzeitlich einen
virtuellen Studienplatz an (vgl https://vu.fernuni-hagen.de). Darüber hinaus sei auf
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den Artikel der Beratungsgesellschaft EUTELIS Consult im Heft 11/1998 der Zeit-
schrift "DATACOM" mit dem Titel "Screenphone Services – Marktpositionierung
vor Produktentwicklung" verwiesen, wo die Möglichkeiten des als "screenphone"
bezeichneten Endgerätes einschließlich der Zugriffsmöglichkeiten zu einzelnen
Diensten dezidiert beschrieben werden. Schließlich bezeichnet die angemeldete
Bezeichnung beschreibend die Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für
die Datenverarbeitung, Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der
Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von
Daten, Nachrichten und Informationen sowie Vermietung von Datenverarbeitungs-
einrichtungen und Computern" einschließlich der "Projektierung und Planung von
Einrichtungen für die Telekommunikation", weil es sich hier um Dienstleistungen
handelt, die die Tätigkeit eines Internetproviders unmittelbar beschreiben, dessen
Existenz beim Betrieb eines Bildschirmtelefons vorausgesetzt wird.
Insoweit fehlt dem angemeldeten Zeichen aufgrund des beschreibenden Sachbe-
zugs die zur Unterscheidungskraft notwendige herkunftskennzeichnende Funktion.
In diesem Umfang steht dem Zeichen aufgrund des festgestellten beschreibenden
Bezugs auch ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
entgegen, wobei für die Annahme eines (aktuellen) Freihaltebedürfnisses nicht
notwendig ist, daß die angemeldete Bezeichnung als solche bereits für den hier
einschlägigen Waren- und Dienstleistungsbereich unmittelbar (lexikalisch) nach-
weisbar ist. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, der
lediglich voraussetzt, daß die fragliche Bezeichnung zur Beschreibung "dienen
können" muß, ergibt sich, daß auch die erstmalige Verwendung einer Zeichenzu-
sammensetzung nicht schutzbegründend ist (vgl BGH GRUR 1996, 770 - MEGA).
Im übrigen kommt es für die Frage nach dem Freihaltebedürfnis vor allem auf die
Belange der Mitbewerber der Anmelderin an. Ob die angesprochenen allgemeinen
Verkehrskreise die angemeldete Bezeichnung richtig verstehen werden, ist nur
insoweit von Bedeutung, als sie zur Warenbeschreibung dann nicht geeignet sein
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kann, wenn von vornherein feststeht, daß sie für das angesprochene Publikum
völlig unverständlich ist und bleiben wird (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG,
6. Aufl, § 8 Rdn 69). Genau das trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Das die engli-
schen Wörter "screen" und "phone" im Inland geläufige Begriffe der EDV bzw der
Telekommunikation sind, wurde bereits festgestellt; ergänzend ist darauf hinzuwei-
sen, daß die beteiligten Verkehrskreise in diesem Bereich, der vielfach deutsche
Fachwörter gar nicht erst aufkommen läßt, an den Gebrauch der englischen Spra-
che gewöhnt sind. Zudem ist festzuhalten, daß der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften in seiner Rechtsprechung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht
und ebenso zum Markenrecht seit längerem einen Wandel des Verbraucherleitbil-
des vom flüchtigen Abnehmer zum durchschnittlich informierten, aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbraucher eingefordert und der Bundesgerichts-
hof diesen Wandel für das nationale Markenrecht vollzogen hat (vgl EuGH GRUR
Int 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHE/TISSERAND). Unter
diesen Voraussetzungen kann nicht von einer so weit gehenden Unverständlich-
keit der angemeldeten Bezeichnung für die angesprochenen Verkehrskreise aus-
gegangen werden, daß die Mitbewerber kein Interesse daran haben könnten, die-
sen Ausdruck zu verwenden.
In Bezug auf die Waren "Mechaniken für geldbetätigte Apparate", "Büroartikel
(ausgenommen Möbel)" und die Dienstleistungen "Organisation von sportlichen
und kulturellen Veranstaltungen" kann der Senat weder ein Freihaltebedürfnis,
noch eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens mit der er-
forderlichen Sicherheit feststellen, weshalb die Beschlüsse der Markenstelle für
Klasse 38 insoweit aufzuheben waren.
Grabrucker Voit
Fink
br/Ko