Urteil des BPatG vom 04.11.2004

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, benutzung, beschwerde, beurteilung, verkehr, gesamteindruck, kennzeichnungskraft, abstand, gewicht)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat)12/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 300 03 403
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hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundspatentgerichts in der Sit-
zung vom 4. November 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems
sowie der Richterin Sredl und des Richters Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Bezeichnung
FELISAN
ist am 25. Mai 2000 neben zahlreichen Waren der Klassen 1, 3, 29, 30 und 32 ua
für
„Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Vitamine,
Salze und Spurenelemente in Pulverform und als Tabletten, auch
als Brausetabletten; Kräutertee für medizinische Zwecke, Auszüge
aus Heilpflanzen; Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfekti-
onsmittel“
unter der Nummer 300 03 403 in das Markenregister eingetragen worden.
Hiergegen hat die Inhaberin der am 10. April 1996 für
„Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Psychopharmaka“
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eingetragenen älteren Marke 395 09 669
Felis
Widerspruch erhoben. Das Widerspruchsverfahren für diese Marke wurde am
26. Februar 1998 abgeschlossen.
Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren (er-
neut) die Benutzung der älteren Marke nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG bestritten
und die Widersprechende daraufhin Benutzungsunterlagen für die Jahre 1995 bis
2002 vorgelegt hatte, hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung
der Widerspruchsmarke für ein „Psychopharmakon auf der Basis von Johannis-
ktaut-Trockenextrakt“ anerkannt.
Mit Beschluß der Markenstelle vom 23. Oktober 2002 wurde der Widerspruch we-
gen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die sich gegenüberstehen-
den Waren bewegten sich eher am Rand der Ähnlichkeit und richteten sich sowohl
an Fachkreise wie Apotheker und Ärzte als auch an allgemeine Abnehmerkreise.
Zu berücksichtigen sei insoweit ein durchschnittlich informierter, verständiger
Verbraucher. Bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien im
Bereich nur entfernt ähnlicher Waren nur unterdurchschnittliche Anforderungen an
den Markenabstand zu stellen. Danach sei die Ähnlichkeit der Marken in keiner
Richtung verwechslungsbegründend ausgeprägt. Weder klanglich noch schriftbild-
lich bestünde wegen der unterschiedlichen Wortlänge und der daraus folgenden
abweichenden Sprechweise und Silbentrennung die Gefahr von Verwechslungen.
Auch assoziative oder mittelbare Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Im übrigen
könne der Widerspruch wegen der Unähnlichkeit der Waren der Kl 29 , 30 und 32
und den Spezialwaren der Widerspruchsmarke keinen Erfolg haben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 13. Novem-
ber 2002 mit dem Antrag,
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den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 aufzu-
heben, soweit die Verwechslungsgefahr bezüglich der Waren „di-
ätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Vitamine, Salze
und Spurenelemente in Pulverform und als Tabletten, auch als
Brausetabletten; Kräutertee für medizinische Zwecke, Auszüge
aus Heilpflanzen; Babykost; Pflaster, Verbandmaterial,; Desinfek-
tionsmittel“ verneint worden ist, und hierfür die Löschung der an-
gegriffenen Marke anzuordnen.
Zur Begründung führt sie aus, die Widerspruchsmarke werde für ein Antidepressi-
vum von einer Tochterfirma der Widersprechenden umfangreich im Verkehr be-
nutzt. Die angegriffene Marke könne für identische, zumindest aber für hochgradig
ähnliche Waren benutzt werden, so zB für „Kräutertee für medizinische Zwecke;
Auszüge aus Heilpflanzen“, die Auszüge zB von Johanniskraut, dem Wirkstoff der
Waren der Widerspruchsmarke, betreffen könnten. Hieraus folge eine Ähnlickeit
auch gegenüber „Pflastern“ der angegriffenen Marke, da es möglich sei, auch
Psychopharmaka als Wirkstoffpflaster anzubieten. Die Wörter stimmten zudem in
der Lautfolge „Felis-“ überein, wobei die 3. Silbe „-san“ verbraucht sei. Das Ge-
wicht liege daher auf dem übereinstimmenden Wortanfang. Zudem stünden sich
Phantasiebegriffe gegenüber, die keinen Sinngehalt aufwiesen und daher die
Verwechslungsgefahr nicht vermindern könnten. Da 5 von 7 Buchstaben überein-
stimmten, sei auch von schriftbildlicher Verwechslungsgefahr auszugehen.
Schließlich bestehe auch die Möglichkeit, daß der Verkehr beide Marken einer
Produktlinie oder –serie zuordne.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Auf die nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG bestrittene Benutzung der Wider-
spruchsmarke komme es wegen nicht bestehender Verwechslungsgefahr tatsäch-
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lich nicht an. Wegen der zusätzlichen Mehrsilbe der angegriffenen Marke liege das
Gewicht auf der Endung „-san“ mit einem weichen Konsonanten, wodurch sich der
Gesamteinruck stark verändere. Die Widerspruchsmarke werde dagegen auf der
1. Silbe betont und ende mit einem scharfen Reiblaut. Eine Warenidentität der Wi-
derspruchswaren und „Auszügen aus Heilpflanzen“ bestehe nicht. Es sei allenfalls
von einer sehr geringen Ähnlichkeit auszugehen. Hinsichtlich der übrigen Waren
der angegriffenen Marke, ausgenommen „Kräutertee für medizinische Zwecke“,
bestehe keine hochgradige Ähnlichkeit. Für „diätetische Erzeugnisse für medizini-
sche Zwecke“ sei nicht einmal Ähnlichkeit erkennbar. Dies gelte auch für „Vita-
mine, Salze, Spurenelemente in Pulverform ...“ und „Babykost, Pflaster, ...“. Daß
die Darreichungsform ähnlich sein könne, begründe noch keine Warenähnlichkeit.
Es sei auch nicht ersichtlich, warum der Verbraucher für diese Warenbereiche von
einer gemeinsamen betrieblichen Verantwortlichkeit ausgehe. Die Ausdehnung
auf „Pharmazeutische Präparate“ allgemein und die Berufung auf die entspre-
chenden Fundstellen bei Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienst-
leistungen, 12. Aufl., sei unzulässig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat hält die Marken ebenso wie die Markenstelle für nicht verwechselbar im
Sinne des § 9 Abs 2 Nr 1 MarkenG.
Nachdem auf die Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke
die Widersprechende Benutzungsunterlagen vorgelegt hat und daraufhin die Be-
nutzung der älteren Marke für ein „Psychopharmakon auf der Basis von Johannis-
kraut-Trockenextrakt“ anerkannt worden ist, ist entsprechend der sog. erweiterten
Minimallösung von der Benutzung der Widerspruchsmarke für „Psychopharmaka“
generell gemäß der Hauptgruppe 71 der Roten Liste auszugehen. Nach diesem in
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der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts bei der Beurteilung der Benut-
zungslage im Rahmen der Integrationsfrage angewendeten Grundsatz (vgl hierzu
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 26, Rdnr 203, 212) können weder die
Ausdehnung auf den im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen
Oberbegriff „Pharmazeutische Erzeugnisse ...“ noch die auf einen bestimmten
Wirkstoff beschränkte Anerkennung der Benutzung durch die Inhaberin der ange-
griffenen Marke berücksichtigt werden (vgl BPatGE 41, 267 – Taxanil/Taxilan;
BPatG GRUR 2001, 513 – CEFABRAUSE / CEFASEL; BPatG MarkenR 2004,
361 – CYNARETTEN / Circanetten New ).
Zwischen den mit der Beschwerde angegriffenen Waren der jüngeren Marke und
Psychopharmaka besteht eine Ähnlichkeit, die im Vergleich zu „Kräutertees für
medizinische Zwecke“ relativ eng sein kann, hinsichtlich der weiteren angegriffe-
nen Waren der jüngeren Marke jedoch geringer ist oder teilweise sogar fehlen
mag. Zu berücksichtigen ist zudem, daß die Waren der Widerspruchsmarke nicht
rezeptpflichtig sind und daher ebenso wie die Waren der angegriffenen Marke die
allgemeinen Verbraucherkreise ansprechen und diese in die Beurteilung der Ver-
wechslungsgefahr einzubeziehen sind. Dabei legt der Senat das vom EuGH ent-
wickelte Verbraucherleitbild zugrunde, das auf den durchschnittlich informierten,
aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abstellt (vgl Strö-
bele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9, Rdnr 156 mwH) und geht mangels an-
derweitiger Anhaltspunkte von einer normalen Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke aus.
Unter diesen Voraussetzungen sind an den markenrechtlichen Abstand eher
strengere Anforderungen zu stellen, soweit sich die Marken auf Waren begegnen
können, die einander relativ ähnlich sind. Diesen Anforderungen wird die jüngere
Marke jedoch gerecht.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist nach ständiger
Rechtsprechung der Gesamteindruck der Marken.
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Zwar ist die Widerspruchsmarke „Felis“ vollständig in der jüngeren Marke
„FELISAN“ enthalten. Im vorliegenden Fall führt die Hinzufügung der Lautfolge
"-an" an das Markenwort jedoch zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck und
damit zu einem noch ausreichend großen Abstand zur älteren Marke. Dies beruht
zunächst auf der unterschiedlichen Wortlänge. In diesem Zusammenhang ist von
Bedeutung, daß sich die den Klang beeinflussende Endung nicht nur auf die Laut-
verbindung "-an" beschränkt, sondern sich mit dem voranstehenden Laut „s“ zu
einer eigenen Silbe verbindet. Hinzu kommt, daß das Klangbild der Markenwörter
durch die unterschiedichen Endungen beeinflusst wird. Klingt die jüngere Marke
durch die Endung „-san“ eher weich und fließend, bestimmt der Reiblaut „s“ den
Klang der relativ kurzen Widerspruchsmarke, die einen knappen Eindruck vermit-
telt. Aus der Hinzufügung einer weiteren Silbe folgt zugleich ein wegen der unter-
schiedlichen Silbenzahl und Wortlänge anderer Sprechrhythmus und eine dem-
entsprechend andere Betonung der Wörter, denn bei normaler ungezwungener
Sprechweise liegt die Betonung der Widerspruchsmarke regelmäßig mehr auf der
ersten Silbe mit dem Vokal „e“, wie sie der Aussprache zB des Namens „Felix“ zu
entnehmen ist. Bei der angegriffenen Marke wird hingegen die Endung "-san" und
damit die Abweichung betont. Auch die Silbentrennung erfährt eine Veränderung,
weil der Schlußlaut "s" der älteren Marke zum Anlaut der dritten Silbe in der jünge-
ren Marke wird.
Diese Merkmale sprechen insgesamt gegen eine Verwechslungsgefahr sowohl in
klanglicher wie auch in schriftbildlicher Hinsicht.
Auch in begrifflicher Hinsicht bestehen keine verwechslungsbegründenden Über-
einstimmungen. Soweit eine Anlehnung an „felix“ (lat. für „glücklich“) beabsichtigt
sein sollte, was bei einem Psychopharmakon nahe liegt, wäre ein solcher be-
schreibender Anklang für sich nicht kollisionsbegründend. Abgesehen davon glie-
dert sich die angegriffene Marke nicht in „Felis-an“, sondern in „Feli-san“.
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Der Senat sieht auch nicht die Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in
Verbindung gebracht werden. Die Widersprechende verfügt weder über eine Mar-
kenserie mit dem Stammbestandteil "Felis-", noch handelt es sich bei "-san" um
einen typischen Abwandlungsbestandteil, der die Annahme einer Markenserie
nahelegen könnte (vgl auch BPatGE 22, 193, 199 – Rhinisat/Ysat). Vielmehr er-
scheint die angegriffene Marke als einheitliches Wort, das dem Verkehr für eine
Analyse oder Zergliederung keinen Anhaltspunkt bietet.
Die Beschwerde der Widersprechenden konnte danach keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlaß, § 71 Abs 1
MarkenG.
Kliems Merzbach Sredl
Na