Urteil des BPatG vom 14.08.2000

BPatG: papier, unterscheidungskraft, kennzeichnung, winter, mitbewerber, halter, unternehmen, freihaltebedürfnis, patent, werbung

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 276/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 03 400.1
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 14.
August
2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann sowie der Richterinnen Winter und Schwarz-Angele
beschlossen:
BPatG 152
6.70
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Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Mar-
kenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 26. August 1999 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Marke
TAKE 5
ist als Kennzeichnung unter anderem für folgende Waren zur Eintragung in das
Markenregister angemeldet worden:
"Wissenschaftliche, Schiffahrts-, Vermessungs-, elektrische, foto-
grafische, Film-, optische Wäge-, Meß-, Signal, Kontroll-, Ret-
tungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Auf-
zeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton; Magnetauf-
zeichnungsträger, Tonbänder und Audio-/Vidiokassetten; Papier,
Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klas-
se 16 enthalten); Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Foto-
grafien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren
oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Bü-
roartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (aus-
genommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff (so-
weit in Klasse 16 enthalten) oder aus Papier; Spielkarten; Druck-
lettern; Adreßbücher, Foto- und Sammelalben, Anzeigekarten,
Antwortblätter, Applikationen in Form von Abziehbildern; Taschen,
Hefter und Mappen, Buchdeckel, Buchstützen, Stoff zum Binden
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von Büchern, Bucheinbände, Lesezeichen, Bücher, Notenhefte,
Autoaufkleber, Geschäftskarten, Visitenkarten, Ge-
schäftsvordrucke, Schreibunterlagen mit Kalendern, Kalender,
Behältnisse für Spielkarten, Bodendekorationselemente aus Pap-
pe zur Produktwerbung, Postversandbehälter aus Pappe in Rohr-
form, Karikaturen, Pappkartons, Cartoons, Malbücher, Zeitungs-
Comics, Einbände, kunstgewerblicher Malerbedarf, hand-
werklicher Malerbedarf, Buntstifte, Abziehbilder, Schreibunterla-
gen, Zeichenstifte, Illustrationstafeln, Partyhüte aus Papier, Adreß-
und Versandaufkleber, Zeitungskolumnen und -beilagen, Text-
marker, Notenblätter, Notenbücher, Namensplaketten aus Papier,
Papierservietten, Rundschreiben (Newsletters), Zeitungspapier,
Notizbücher, Papierblöcke, Partytaschen und Dekorationsmaterial
für Parties aus Papier bzw Pappe (Karten), Behältnisse und Halter
für Füllfederhalter, Behältnisse und Halter für Bleistifte, Bleistiftan-
spitzer, Bleistifte, Füllfederhalter, Fotodrucke, Bilddrucke, Matten-
bretter zum Rahmen von Bildern, Passepartouts, Bilder, Spielkar-
ten, Postkarten, Poster, Preisetiketten, Preisschilder, gedruckte
Auszeichnungen, Embleme, Musikbücher, Schriftsätze, Drucke,
Skizzen, Liederbücher, Stempelkissen, Gummistempel, Briefpa-
pier, Aufkleber, Papiertischdecken, Tischwäsche aus Papier,
Tischsets aus Papier, Tischservietten aus Papier, Bänder und Kar-
ten zum Aufzeichnen von Computerprogrammen (soweit in Klas-
sen 16 enthalten), Schreibunterlagen; Bekleidungsstücke, Kopf-
bedeckungen, insbesondere Bandannas, Stirnbänder, Schweiß-
bänder und Handgelenkbänder, Badehosen, Boxershorts, kurze
Unterhosen, Ohrenschützer, Handschuhe, Sporthosen, Hallo-
ween-Kostüme, Hüte, Jacken, Fausthandschuhe, Nachthemden
für Damen und Mädchen, Nachthemden für Herren und Knaben,
Pyjamas, Hosen Schals, Hemdkleider, Hemden, Shorts, Sweatho-
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sen, Sweatshirts, Sweatshorts, Sweatanzüge, Pullover, Sweater,
T-Shirts, Pullunder, Tank tops, Unterwäsche".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung teilweise, nämlich für alle oben angeführten Waren wegen fehlender
Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angesprochenen Verkehrskreise wür-
den in der Marke eine Aufforderung zum Kauf eines Fünferpacks und nicht eine
Kennzeichnung der Ware erblicken. Auch wenn es sich teilweise um Waren han-
dele, die üblicherweise nicht in einem Fünfersortiment angeboten würden, so ste-
he es doch jedem Kaufmann und sonstigem Gewerbetreibenden zu, dies entspre-
chend seiner Verkaufsstrategie zu planen und auch durchzuführen. Bei den an-
gemeldeten Waren handele es sich (auch) um preiswerte und handliche Waren,
die sich ohne weiteres in einer Fünfergruppe anbieten ließen. "TAKE 5" sei damit
nur eine Kaufaufforderung und kein Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen.
Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, die Marke werde
von einem Teil der beteiligten Verkehrskreise schon mangels Englischkenntnissen
nicht in dem Sinn "nimm 5" erkannt und deshalb als reine Phantasiebezeichnung
gesehen werden. Auch wer um die deutsche Bedeutung der Marke wisse, werde
darin keine Aufforderung zum Kauf eines Fünferpacks sehen, denn hierfür fehle es
an jeglichen Hinweisen. Vielmehr werde der Verkehr der Marke eine kennzeich-
nende Herkunftsangabe beimessen.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt, den patentamtlichen Beschluß und die
Schriftsätze der Anmelderin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Bezeichnung "TAKE 5" fehlt
weder die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, noch steht der
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Eintragung ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 Mar-
kenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel von
Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Un-
ternehmen aufgefaßt zu werden (stRspr BGH GRUR 200, 720 - Unter Uns;
LOGO). Grundsätzlich ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch
so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu über-
winden. Die Unterscheidungskraft kann zum einen entfallen, wenn die Wortmarke
einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt hat oder wenn es
sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache handelt, das vom Ver-
kehr - zB auch wegen der entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur
als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Liegt eine eng-
lischsprachige Wortfolge vor, so ist sie dann der deutschen Bedeutung gleichzu-
setzen, wenn sie in ihrem Sinngehalt von weiten Teilen der angesprochenen Ver-
kehrskreise ohne weiteres verstanden wird. Davon ist hier auszugehen. Das Verb
"take" gehört zum Grundwortschatz der englischen Sprache, die Marke wird damit
ohne größere Überlegung in der Aussage "nimm 5" verstanden werden. "TAKE 5"
kann aber daneben, wenn auch womöglich weniger bekannt, noch andere Bedeu-
tungen haben. Es gibt das deutsche Fremdwort der oder das Take, worunter man
den Abschnitt oder Teil einer Filmszene versteht, der in einem Stück gedreht wird
(Brockhaus, die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl, 21. Bd, S 517). Von diesem
(möglichen) Sinn führt die beigefügte 5 nicht weg (Filmszene 5). Daneben handelt
es sich bei "Take Five" um das bekannteste Musikstück des amerikanischen
Jazzpianisten Dave Brubeck, das dieser mit seinem Quartett im 5/4-Takt aufge-
nommen hat. Möglicherweise nimmt der Musiktitel bezug auf den amerikanischen
Slangausdruck "take five", der etwa in dem Sinn von "Mach mal fünf Minuten Pau-
se" verwendet wird (vgl Wentworth, Flexner, Dictionary of American Slang, S 536:
"Take five" = to take a five-minute or a short rest periode from work ...). Daneben
mag der Ausspruch "take five" zB bei Jugendlichen und Fußballanhängern anstel-
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le des Händeschüttelns durch Zusammenklatschen der Handflächen verbreitet
sein (korrespondierend zu "give me five"). Angesichts der aufgezeigten unter-
schiedlichen und voneinander abweichenden Bedeutungsinhalte ist die Marke für
eine konkrete unmittelbar beschreibende Sachaussage bei den beanspruchten
Waren nicht geeignet (vgl BGH BlPMZ 1997, 360 - à la carte). Auch wenn unter-
stellt wird, daß sich die Anmelderin diese unterschiedlichen Bedeutungsinhalte
von "TAKE 5" derart zunutze macht, daß die jeweiligen Verbraucherkreise die ih-
nen bekannte Bedeutung erkennen und das Produkt deshalb leichter wiederer-
kennen werden (Produktidentifikation), so schließt dieser werbewirksame Effekt
nicht aus, daß die Wortfolge zur Kennzeichnung der Ware geeignet ist. Erst dann,
wenn ihr Inhalt ausschließlich produktbeschreibender Natur ist oder es sich um
Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art handelt, kann die Unterschei-
dungskraft entfallen. Die Mehrdeutigkeit und daher die Interpretationsbedürftigkeit
einer Aussage deuten in aller Regel auf eine hinreichende Unterscheidungskraft
hin (BGH MarkenR 2000, 48, 51 - Partner with the Best).
Auch ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG kann
nicht festgestellt werden, denn es fehlt an zureichenden Anhaltspunkten dafür,
daß die in Frage stehende Bezeichnung als Sachangabe benutzt wird bzw nach
den Umständen eine solche Benutzung in Zukunft erfolgen wird oder die ange-
meldete Marke für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abneh-
merkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit Bezug auf die Waren beschreibt
(vgl BGH MarkenR 1999, 400, 402 - FÜNFER). Ob ihrer Mehrdeutigkeit ist das
Zeichen nämlich nicht geeignet, eine hinreichend präzise Sachaussage zu geben,
dh einen für die angesprochenen Verkehrskreise in Bezug auf die Waren und
Dienstleistungen maßgebenden Umstand deutlich zu machen.
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Die Beschwerde hat damit Erfolg.
Dr. Buchetmann
Winter
Schwarz-Angele
Mü/Hu