Urteil des BPatG vom 12.11.2002

BPatG (physiotherapie, medizin, marke, osteopathie, internet, freie wahl, verwendung, eintragung, bezeichnung, verkehr)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 29/02
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 65 446.4
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2002 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr.
Ströbele sowie des Richters Dr.
Hacker und der
Richterin Kirschneck
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
Osteo Med - Physiotherapie
ist für das folgende Verzeichnis der Waren/Dienstleistungen zur Eintragung in das
Register angemeldet worden:
"Klasse 42: ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schön-
heitspflege
Ausgeführte Dienstleistungen:
Osteopathie
Kranio-Sakral-Therapie
Lymphdrainage
Sportphysiotherapie
Krankengymnastik
Manuelle
Therapie
Trainingsequipment".
Nach Beanstandung von absoluten Schutzhindernissen gemäß § 8 Abs 2 Nr 1
und 2 MarkenG durch Bescheid der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 9. November 2000 haben die Anmelder mitgeteilt,
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daß sie zur Mängelbeseitigung statt der ursprünglichen Marke die Marke
"Osteomed"
Nach vorangegangenem Hinweis der Markenstelle, daß eine Änderung der Marke
im laufenden Eintragungsverfahren nicht möglich sei, hat die Markenstelle, besetzt
mit einer Beamtin des höheren Dienstes, die Anmeldung betreffend die Marke
"Osteo Med – Physiotherapie"
der Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Der
Markenbestandteil "Osteo" sei als ein häufig verwendetes Kürzel für "osteologisch"
bzw "die Knochen betreffend" Bestandteil in zahlreichen medizinischen Fachbe-
griffen (zB Osteopathie, Osteoporose). Auch sei seine Verwendung im Internet in
Begriffsbildungen wie "Osteo-Radiologie, Osteo-Sonometrie" oder "Osteo-Quiz"
nachweisbar. "Med" sei die gängige und vielfach verwendete Abkürzung für "medi-
zinisch, Medizin"; desgleichen sei "Physiotherapie" im Sinne einer Heilbehandlung
mit Licht, Luft, Wasser, Massage usw allgemein bekannt. In dem ihr in ihrer
Gesamtheit zukommenden Sinngehalt einer Physiotherapie im Bereich der osteo-
logischen Medizin stelle die angemeldete Marke hinsichtlich der beanspruchten
Dienstleistungen eine beschreibende Sachaussage dahingehend dar, daß die
Dienstleistungen eine solche Physiotherapie darstellten bzw für den Einsatz in
einer solchen Therapie bestimmt und geeignet seien. Auch sei die Wortfolge
"Osteo Med", die (wie eine beigefügte Internet-Recherche belege) im Verkehr
bereits als beschreibende Sachaussage im Sinn von "osteologischer Medizin"
konkret Verwendung finde, mit dem Begriff "Physiotherapie" sprachüblich verbun-
den.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelder. Sie machen geltend, daß
der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die dem Beschluß beigefüg-
ten Internet-Auszüge erwähnten kein einziges Mal die angemeldete Wortkombina-
tion "Osteo Med - Physiotherapie". Die Auszüge dokumentierten Abkürzungen für
die medizinische Richtung "Osteopathic Medicine", dh die medizinische Sparte
"Osteopathie". Ein Zusammenhang mit der in der Anmeldung genannten "Physio-
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therapie" existiere nicht. Die Unterscheidungskraft richte sich nach der gesamten
Marke. Gerade aus der Zusammenfügung einzelner - schutzunfähiger - Elemente
könne eine schutzfähige Kombination gebildet werden. Wegen der mangelnden
Erwähnung im Internet müsse die Kombination als sprachunüblich und unterschei-
dungskräftig angesehen werden. Die Internet-Auszüge stammten überwiegend
aus dem englischsprachigen Raum. Maßgeblich sei aber das Verständnis des
inländischen Verkehrs. Ausländische Begriffe seien nur dann freizuhalten, wenn
zukünftige Entwicklungen dies geböten. Es weise keine Quelle auf ein Bedürfnis
gerade an dieser Wortkombination hin. Im Fall der Zulassung bestünde immer
noch die Möglichkeit der beschreibenden Verwendung anderer Bezeichnungen,
zB "Ostheopathische Physiotherapie" oder "Medizinisch-osteopathische Physio-
therapie".
Die Anmelder beantragen,
den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die ursprünglich angemeldete Marke
"Osteo Med - Physiotherapie". Nur über deren Schutzfähigkeit hat die Marken-
stelle in dem angefochtenen Beschluß entschieden. Nachdem die Anmelder ihren,
im Verfahren vor der Markenstelle gestellten Antrag auf Eintragung der Marke
"Osteomed" in der Beschwerdebegründung sowie auch auf Hinweis des Senats,
daß nach der Anmeldung einer Marke deren Änderung ausgeschlossen ist, in der
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mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgriffen haben, ist von einer konkludenten
Rücknahme des Änderungsantrags auszugehen.
Die angemeldete Marke "Osteo Med - Physiotherapie" ist nach Auffassung des
Senats jedenfalls als eine für die beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar
beschreibende freihaltebedürftige Bezeichnung gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
von der Eintragung ausgeschlossen. Die Anmeldung wurde daher von der Mar-
kenstelle im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs 1 MarkenG).
Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken dem Registerschutz nicht
zugänglich, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur
Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merk-
male der Waren und Dienstleistungen dienen können. Die Regelung verbietet die
Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung als Sachan-
gabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in
Zukunft erfolgen kann (vgl ua EuGH GRUR 1999, 723, 726 "Chiemsee"; BGH
GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt"). Eine in diesem Sinn frei-
haltebedürftige Angabe, die im Verkehr in ihrer Bedeutung "Osteopathische Medi-
zin - Physiotherapie" jederzeit zur Bezeichnung der Art oder wesentlicher Merk-
male der beanspruchten Dienstleistungen dienen kann, stellt die angemeldete
Marke dar.
Der Eingangswortbestandteil "Osteo Med" läßt sich im Internet zweifelsfrei als die
im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch gängige Abkürzung des Begriffs
"Osteopathic Medicine" (engl = osteopathische Medizin oder Osteopathie) nach-
weisen, welche auf einschlägigen englischsprachigen Seiten vielfach zur Bezeich-
nung dieser medizinischen Fachrichtung Verwendung findet (vgl hierzu die Inter-
net-Seitenausdrucke in der Anlage zum angefochtenen Beschluß sowie die den
Anmeldern vom Senat übermittelte weitere Internet-Recherche, insbesondere die
zahlreichen Treffer der Google-Suche zu "Osteo Med"). Diese Bedeutung und
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Verwendung der Abkürzung "Osteo Med" im anglo-amerikanischen Sprachraum
stellen die Anmelder nicht in Abrede.
Wenngleich eine entsprechende Verwendung der Abkürzung "Osteo Med" im
deutschen Sprachgebrauch - jedenfalls in größerem Umfang - derzeit nicht belegt
werden kann, so bestehen gleichwohl hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte
dafür, daß ein Gebrauch von "Osteo Med" als Abkürzung für "Osteopathische
Medizin" bzw "Osteopathie" im Inland jederzeit möglich und wahrscheinlich ist. So
wird die ursprünglich aus Amerika stammende Medizinrichtung oder -form der
"Osteopathischen Medizin" oder "Osteopathie", die sich als ein umfassendes, sog
ganzheitliches oder auch holistisches medizinisches Konzept versteht, auch in
Deutschland angeboten und faßt hier - im Zuge des verstärkten Trends zu alter-
nativen, von der Schulmedizin abweichenden Heilmethoden - mehr und mehr Fuß
(vgl hierzu zB die den Anmeldern übermittelte Internet-Seite http://www.osteo-
info.de "Osteopathie im Klinikum Karlsruhe" sowie Internet-Seitenausdrucke von
Praxen für Osteopathie in Deutschland). Dies läßt grundsätzlich auch eine Ver-
wendung der einschlägigen englischen Bezeichnungen bzw Abkürzungen im
Inland erwarten. Dabei ist die Abkürzung "Osteo Med" für diese medizinische
Fachrichtung, vergleichbar etwa allgemein bekannter Abkürzungen wie "Vet Med"
(= Veterinär Medizin) oder "Hum Med" (= Human Medizin), vor allem auch deshalb
nahegelegt, weil "Osteo Med" gleichermaßen als Abkürzung für den englischen
Begriff "Osteopathic Medicine" wie auch für den entsprechenden deutschen
Begriff "Osteopathische Medizin" stehen kann und daher für das inländische Publi-
kum selbst ohne Englischkenntnisse im einschlägigen Sachzusammenhang mit
Behandlungen auf dem Gebiet der osteopathischen Medizin ohne weiteres ver-
ständlich ist. Daß die Abkürzung bereits vereinzelt in diesem Sinn in Deutschland
eingesetzt wird, belegt überdies etwa die den Anmeldern übersandte, im Entste-
hen begriffene deutschsprachige Internet-Seite www.osteo-med.com, auf der Wis-
senswertes über Osteopathie zu finden ist.
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Das weitere, nach dem Bindestrich folgende Markenwort "Physiotherapie" ist die
in Deutschland gängige Bezeichnung für die Behandlung bestimmter Krankheiten
mit naturheilkundlichen oder physikalischen Mitteln, wie Wasser, Wärme, Licht
und Strom (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 3. Aufl, 1996, S 1149).
In dem dargelegten Sinn haben beide Markenbestandteile, sowohl einzeln für sich
betrachtet, als auch in ihrer Gesamtheit, bezogen auf die konkret angemeldeten
Dienstleistungen einen unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt. Sie bezeich-
nen die Dienstleistungen "ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheits-
pflege" sowie die weiteren, einzeln aufgeführten Dienstleistungen auf diesen
Gebieten als solche, die nach den Behandlungsmethoden der osteopathischen
Medizin und der Physiotherapie ausgeführt werden oder im Rahmen dieser, bzw
im Zusammenhang mit diesen beiden Behandlungsmethoden erbracht werden.
Dies kann bei allen im Verzeichnis enthaltenen Dienstleistungen der Fall sein,
wobei "Osteopathie" und "Sportphysiotherapie" als Dienstleistungen sogar explizit
enthalten sind . Entgegen der Auffassung der Anmelder besteht dabei durchaus
ein Zusammenhang zwischen "osteopathischer Medizin" und "Physiotherapie", da
beide Behandlungsmethoden von ärztlichen oder therapeutischen Praxen häufig
zusammen, also kombiniert angeboten werden, was die den Anmeldern übermit-
telte Google-Suche zu "Osteopathie Physiotherapie" sowie diverse Internet-Sei-
tenausdrucke von Praxen für "Osteopathie und Physiotherapie" belegen.
Die genannten Fundstellen zeigen außerdem auf, daß die in der Anmeldung
gewählte sprachliche Form der aufzählenden Aneinanderreihung der jeweiligen
Fachrichtungen, Behandlungs- oder Therapiemethoden den Bezeichnungsgepflo-
genheiten im Bereich der ärztlichen Versorgung sowie der Gesundheits- und
Schönheitspflege entspricht und damit sprachüblich ist. Dabei liegt es im Rahmen
geläufiger Ausdruckformen, daß eines der beiden therapeutischen Fachgebiete in
abgekürzter Form wiedergegeben ist.
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Wenngleich sich diese Kombination aus der Abkürzung "Osteo Med" für "Osteo-
pathic Medicine" bzw "Osteopathische Medizin" und dem Begriff "Physiotherapie"
nicht identisch belegen läßt, kann die im dargelegten Sinn zumindest dem Fach-
publikum sowie einschlägig interessierten und informierten Laien und damit
beachtlichen Teilen des angesprochenen Verkehrs ohne weiteres verständliche
Wortzusammenstellung "Osteo Med – Physiotherapie" jederzeit im Verkehr zur
Bezeichnung der medizinischen bzw therapeutischen Fachrichtungen dienen, im
Rahmen derer die beanspruchten Dienstleistungen auf dem Gebiet der ärztlichen
Versorgung und der Gesundheits- und Schönheitspflege erbracht werden. Die
angemeldete Marke ist daher gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG als beschreibende
freihaltebedürftige Angabe von der Eintragung ausgeschlossen. Dem steht nicht
entgegen, daß es für diese Sachaussage auch noch alternative Bezeichnungs-
möglichkeiten gibt, da sich das Schutzhindernis nicht auf unersetzliche Angaben
beschränkt. Vielmehr muß den Mitbewerbern die freie Wahl zwischen allen unmit-
telbar beschreibenden Angaben erhalten bleiben (vgl Althammer/Ströbele,
MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 93, m Nachw a d Rspr).
Ob die angemeldete Marke darüber hinaus auch wegen Fehlens jeglicher Unter-
scheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlos-
sen ist, kann hier letztlich dahingestellt bleiben, wenngleich nach Auffassung des
Senats viel für das Vorliegen auch dieses Schutzhindernisses spricht. Angesichts
des dargelegten, für die angemeldeten Dienstleistungen glatt beschreibenden
Begriffsinhalts der Wortzusammenstellung "Osteo Med - Physiotherapie", der sich
den inländischen Verkehrskreisen speziell im Zusammenhang mit Dienstleistun-
gen auf den Gebieten der Osteopathischen Medizin und der Physiotherapie
zumeist auch ohne besondere Sprach- und medizinische Fachkenntnisse nahelie-
gend erschließen wird, gibt es kaum einen tatsächlichen Anhalt dafür, daß der
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Verkehr die Angabe nicht als Beschreibung von Dienstleistungsmerkmalen, son-
dern als Dienstleistungsunterscheidungsmittel versteht (vgl BGH GRUR 2001,
1153 "anti KALK").
Dr. Ströbele
Dr. Hacker
Kirschneck
Fa