Urteil des BPatG vom 06.12.2001

BPatG (marke, zeichen, bestandteil, gesamteindruck, verwechslungsgefahr, benutzung, futtermittel, umfang, beschwerde, beurteilung)

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 56/00
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 396 26 695.9
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Stoppel sowie die Richterin Grabrucker und der Richter Kunze
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß
der Markenstelle für Klasse 31 vom 29. Dezember 1999 insoweit
aufgehoben als der auf die Waren „Futtermittel, insbesondere
Schweinefutter“ beschränkte Widerspruch aus der
Marke 2 903 263 zurückgewiesen worden ist. Die Löschung der
Marke 396 26 695 wird hinsichtlich dieser Waren angeordnet.
Das Verfahren ist hinsichtlich des Widerspruchs aus der
Marke 1 048 512 derzeit gegenstandslos.
BPatG 154
6.70
- 2 -
G r ü n d e
I.
Gegen die für die Waren
Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samen-
körner (soweit in Klasse 31 enthalten); lebende Tiere; frisches
Obst und Gemüse; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche
Blumen; Futtermittel, insbesondere Schweinefutter; Malz
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am 9. Januar 1997 eingetragene Marke 396 26 659.9
PRO-FIT
ist ein auf die Waren „Futtermittel, insbesondere Schweinefutter“ beschränkter Wi-
derspruch aus der Marke 1 048 512,
siehe Abb. 1 am Ende
veröffentlicht am 31. Januar 1983, erhoben worden. Die Widerspruchsmarke ist
eingetragen für die Waren „Futtermittel für Großtiere, insbesondere Schweine-
mastfertigfutter, Eiweißkonzentrate, Mineralfutter, Kälbermilch und Geflügelfutter“.
Ein weiterer in gleicher Weise beschränkter Widerspruch wurde eingelegt aus der
Marke 2 903 263,
siehe Abb. 2 am Ende
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veröffentlicht am 20. März 1995 und eingetragen für die Waren „Eiweißkon-
zentrate, Fischmehl, Mineralfutter, Milchaustauschfutter, Kälberfutter, Fertigfutter
für Schweine und Rinder, Vitamin-, Spurenelement- und Wirkstoffpremixe, Hunde-
und Katzenfutter“.
Die Markeninhaberin hat bereits im Verfahren vor dem DPMA hinsichtlich der Wi-
derspruchsmarke 1 048 512 und während des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich
der Widerspruchsmarke 2 903 263 die Nichtbenutzungseinrede gem § 43 Abs 1
MarkenG erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin Unterlagen zur Glaub-
haftmachung der Benutzung beider Marken, ua jeweils eidesstattliche Versiche-
rungen des Geschäftsführers, vorgelegt.
Die Markenstelle hat unter Annahme einer ausreichenden Glaubhaftmachung der
Benutzung die Widersprüche wegen mangelnder Verwechslungsgefahr zurückge-
wiesen. Trotz vorhandener Warenidentität im Umfang der beschränkten Wider-
sprüche sei der Abstand zwischen den Marken gewahrt, denn die Widerspruchs-
zeichen seien nicht allein von „pro-fit“ geprägt. Zum einen sei „Kraftfutter-Meyer“
als Firmenkennzeichen mitprägend beim Zeichen 1 048 512, zum anderen sei der
Bildbestandteil „Kreis“ beim Zeichen 2 903 263 ebenfalls bei der Beurteilung der
Marke ihrem Gesamteindruck nach nicht außer Acht zu lassen.
Dagegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie macht gel-
tend, angesichts der Warenidentität sei ein sehr deutlicher Abstand zwischen den
Marken zu fordern, der nicht mehr gewahrt sei. Gerade „Kraftfutter-Meyer“ nehme
als Firmenkennzeichen an der herkunftshinweisenden Wirkung nicht teil und
„Qualitätsfutter“ als Gattungsbegriff sei als mitprägender Bestandteil außer Acht zu
lassen. Im Hinblick auf die klangliche Verwechslungsgefahr hinsichtlich des Zei-
chens 2 903 263 spiele der Bildbestandteil keine Rolle, so daß hier Zeicheniden-
tität gegeben sei.
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Sie beantragt,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse
31 vom
29. Dezember 1999 aufzuheben und die angefochtene Marke im
Umfang der Widersprüche zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, daß angesichts der Rechtsprechung des BGH zu „Juwel“ das Fir-
menkennzeichen als Herkunftshinweis beim Zeichen 1 048 512 eine gewichtige
Rolle spiele. Hinsichtlich der Marke 2 903 263 setze sich das Zeichen insgesamt
aus drei gleichgewichtigen Elementen zusammen, die in ihrer Kombination den
Herkunftshinweis bilden und daher nicht mit der jüngeren Marke verwechselbar
seien.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Beschluß der Markenstelle war
aufzuheben, denn der Senat ist der Ansicht, daß die Zeichen in rechterheblichem
Umfang verwechselbar sind gem §§ 9 Abs 1 Nr 2, 42 MarkenG.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken
auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein
geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähn-
lichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000,
506, 508 – ATTACHE/TISSERAND).
- 6 -
1.
Zum Widerspruch aus dem Zeichen 2 903 263
1.1. Die Widersprechende hat die Wort-/Bildmarke „pro-fit Qualitätsfutter“ nach
Ansicht des Senats in rechtserhaltender Weise gem § 26 iVm § 43 Abs 1 Satz 1
und 2 MarkenG benutzt. Die auf die Einrede der Nichtbenutzung von der Wider-
sprechenden vorgelegten Unterlagen im Amtsverfahren ergeben in ihrer Gesamt-
heit gesehen und gewürdigt ein widerspruchsfreies Bild einer nach Art, Zeit und
Umfang ernsthaften Benutzung der Marke.
Die bei der Entscheidung über diesen Widerspruch zu berücksichtigenden Waren,
für die die Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG),
sind „Futtermittel“.
Der nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG zu berechnende maßgebliche Zeitraum der
Benutzung, da die Schonfrist für die Widerspruchsmarke erst nach der Veröffentli-
chung der Eintragung der jüngeren Marke abgelaufen war, umfaßt den Zeitraum
von 5 Jahren vor der das Verfahren abschließenden Entscheidung über den Wi-
derspruch (BGH GRUR 2000, 510 – Contura). Dabei ist der Zeitpunkt der mündli-
chen Verhandlung am 6. Dezember 2000 maßgeblich, auch wenn die Entschei-
dung nicht sofort im Anschluß an die mündliche Verhandlung verkündet, sondern
gem § 79 Abs 1 Satz 3 MarkenG an Verkündungs Statt zugestellt wurde (vgl
BlfPMZ 2001, 24 - VISIO/VISION).
Die Widersprechende hat aufgrund der eidesstattlichen Versicherung ihres Ge-
schäftsführers, an der zu zweifeln für den Senat kein Anlaß besteht, denn sie ist
auch in Zusammenhang mit den übrigen eingereichten Unterlagen widerspruchs-
frei, im geforderten Zeitraum zwischen März 1995 und Dezember 2000 sowohl
den Umfang der Benutzung hinsichtlich der Anzahl der verkauften Einheiten und
des erzielten Umsatzes wie auch die Art der Benutzung durch Photos der auf der
Ware angebrachten Widerspruchsmarke hinreichend glaubhaft gemacht.
1.2. Die sich aufgrund des beschränkten Widerspruchs gegenüberstehenden
Waren „Futtermittel, insbesondere Schweinefutter“ sind identisch. Der von der
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jüngeren Marke einzuhaltende Abstand muss daher sehr deutlich sein und es sind
insoweit strenge Anforderungen zu stellen.
1.3.
Dabei legt der Senat eine leicht unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke zugrunde, denn sie besteht zum einen aus der glatt be-
schreibenden Angabe „Qualitätsfutter“ und zum anderen aus einem grafischen
einfachen Bildelement, sowie einem weiteren Wortelement, das von beschreiben-
dem Anklang ist, ohne daß eine besondere Verbindung zwischen Wort/Bild- und
Wortelement hergestellt wird, die Anlaß zur Annahme einer die Kennzeichnungs-
kraft stärkenden Gesamtverbindung gibt.
1.4. Da sich die Waren an das Fachpublikum der Tieraufzuchtbetriebe bzw der
Bauernschaft wenden, kann von einer gewissen gesteigerten Aufmerksamkeit für
Zeichenunterschiede ausgegangen werden, die jedoch angesichts der Rechtspre-
chung des EuGH zum Endverbraucher als durchschnittlich informiert und auf-
merksam (EuGH WRP 1998, 848 - Gut Springenheide) nicht als derart ausgeprägt
angenommen werden kann, daß sich dieser Gesichtpunkt deutlich kollisionsför-
dernd oder kollisionshemmend auswirken würde.
1.5.
Insgesamt verbleibt es daher angesichts der Warenidentität hinsichtlich der
Beurteilung der Markenähnlichkeit bei einem deutlich einzuhaltenden Abstand,
dem die jüngere Marke nicht mehr gerecht wird.
1.6. Beim
Vergleich
der
Zeichen auf ihre Markenähnlichkeit hin ist von dem
Grundsatz auszugehen, daß zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechs-
lungsgefahr auf den Gesamteindruck der jeweiligen Marke abzustellen ist (stdg.
Rspr des BGH, vgl MarkenR 1999, 57,60 – Lions; GRUR 1999, 733 –LION–
DRIVER; GRUR 1998, 815, 816 – Nitrangin; GRUR 1997, 897, 898 – IONOFIL;
GRUR 1996, 198, 199 – Springende Raubkatze; GRUR 1996, 200, 2001 – Inno-
vadiclophlont; GRUR 1996, 404, 405 – Blendax Pep; GRUR 1996, 406, 407 Ju-
wel), der unabhängig davon gilt, ob es sich um die Beurteilung der jüngeren Marke
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oder der älteren Widerspruchsmarke handelt (BGH GRUR 1996, 977 – DRANO/
P3-drano). Dies schließt aber zugleich die Erkenntnis ein, daß einem einzelnen
Bestandteil einer Marke eine unter Umständen besondere, das Gesamtzeichen
allein prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden kann und deshalb bei
einer Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die
Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.
Der Markenstelle ist in ihrem Beschluß insoweit zuzustimmen, als im Hinblick auf
eine schriftbildliche unmittelbare Markenähnlichkeit die einander gegenüberste-
henden Zeichen sich deutlich voneinander unterscheiden. Allein diese Prüfung
genügt jedoch nicht den in ständiger Rechtsprechung (BGH aaO S. 734 - Lion
Driver -) aufgestellten Grundsätzen, daß die Ähnlichkeit sowohl nach Klang und
(Schrift)Bild zu prüfen ist, wobei idR für die Annahme der Verwechslungsgefahr
bereits eine hinreichende Übereinstimmung unter einem der genannten Gesichts-
punkte ausreicht.
In klanglicher Hinsicht wird bei der Prüfung von dem Grundsatz ausgegangen, daß
zur Benennung des Zeichens die Wortbestandteile des Widerspruchszeichens im
Vordergrund stehen. Die bildhaften Elemente des Widerspruchszeichen treten
zurück und das Publikum hat bei Benennung der beiderseitigen Zeichen nur die
Möglichkeit hier auf die Wortbestandteile „PRO-FIT“ und „profit Qualitätsfutter“ zu-
rückzugreifen. Zwar unterscheiden sich die beiden Zeichen nach dem Gesamtein-
druck deutlich, aber das als kollisionsbegründend geeignete Wortelement „profit“
prägt entgegen der Ansicht der Markeninhaberin die Widerspruchsmarke alleine.
Bei der Beurteilung dieser alleinigen Prägung einer Marke durch einen von mehre-
ren Bestandteilen nach ihrem Gesamteindruck ist im Regelfall von der Gestaltung
der Marke selbst ohne Einbeziehung des gegenüberstehenden Zeichens auszu-
gehen (BGH GRUR 2000, 233, 234 – RAUSCH/ELFI RAUCH). Dabei tragen be-
schreibende Angaben regelmäßig nur in sehr untergeordnetem Maß zum Ge-
samteindruck einer Marke bei (Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl. 2000, § 9
Rdn 188 mwNachw), es sei denn, der beschreibende Bestandteil bilde mit dem
anderen Bestandteil eine gesamtbegriffliche Einheit. Nur unter dieser Vorausset-
zung muß davon ausgegangen werden, daß der Verkehr die betreffende Marke
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nicht als Zusammenfügung unterschiedlich gewichtiger Bestandteile, sondern als
gedankliche Einheit auffaßt (BGH aaO - LION DRIVER -; GRUR 1999, 586, 587 -
White Lion). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Zum einen ist das Wort „Qualitätsfutter“ ein aus Gütemerkmal und Warenbezeich-
nung zusammengefügtes Kompositum, das, ohne daß es dazu einer weiteren Be-
gründung bedarf, eine unmittelbare Sachangabe hinsichtlich der Güte der Ware
ist.
Zum anderen wird das angesprochene Publikum dieses Wort auch in Bezug auf
die Waren aufgrund Gewöhnung nur als solche Güteangabe, oder Gütesorte be-
urteilen, wenn es ihm im Verkehr begegnet. Solche oder ähnliche Bezeichnungen
in Verbindung mit „-futter“, wie „Mineralfutter, Aufzuchtfutter, Alleinfutter, Ergän-
zungsfutter, Kraftfutter“ sind in diesem Warensektor üblich. Dies ergibt sich aus
zahlreichen Fundstellen in Katalogen, Preislisten und sonstigen im Rahmen des
Vertriebs zur Beschreibung der Waren herausgegebenen Publikationen, wie sie
von der Widersprechenden selbst bei Gericht eingereicht wurden.
Weiter ist für den Senat auch keine Verbindung mit der vorangestellten Bezeich-
nung „pro-fit“ in dem Sinne zu erkennen, daß eine gesamtbegriffliche neue Einheit
gebildet wird, die über das glatt beschreibende Element im Sinne einer herausge-
hobenen Qualitätsabstufung hinausgeht.
Für das angesprochene Publikum besteht somit insgesamt Veranlassung das
Schwergewicht der Kennzeichnung allein auf den Bestandteil „pro-fit“ der Wider-
spruchsmarke zu legen. Selbst unter Berücksichtigung der Aussage in der Ent-
scheidung 25 W(pat) 69/95 (
GRUR 1998, 1030,(1031)) zur
Kennzeichnungsschwä-
che von „pro-fit“ ist die Bezeichnung dennoch als für den Gesamteindruck der Wi-
derspruchsmarke prägend heranzuziehen. Auch wenn innerhalb eines Kennzei-
chens ein Bestandteil als glatt beschreibend nicht den Gesamteindruck des Zei-
chens mitprägend einbezogen wird, so führt dies nicht dazu, daß der verbleibende
andere, möglicherweise kennzeichnungsschwache Bestandteil, ebenfalls als nicht
zur Kennzeichnung geeignet anzusehen ist. Insoweit ist für den Senat bei seiner
Entscheidung von der Registerlage auszugehen. Jede andere Sicht hätte ein im
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Gesetz nicht vorgesehenes, jedoch faktisch sich wie eine Löschung der Marke
auswirkendes Ergebnis zur Folge.
Demnach ist davon auszugehen, daß der Bestandteil „pro-fit“ den Gesamteindruck
der Widerspruchsmarke alleine prägt, während Bestandteil „Qualitätsfutter“ keine
für die Herkunftsfunktion beachtliche Bedeutung zukommt. Somit stehen sich beim
Vergleich der beiden Zeichen in klanglicher Hinsicht identische Zeichenwörter ge-
genüber.
Bei der gegebenen Warenidentität kann daher die Verwechslungsgefahr nicht ver-
neint werden.
2.
Über den Widerspruch aus dem Zeichen 1 048 512 „pro-fit Kraftfutter
Meyer“ war aufgrund der Löschung der jüngeren Marke bereits aus dem Wider-
spruch 2 903 263 eine Entscheidung derzeit nicht mehr zu treffen. Sollte das Mar-
kenrecht aufgrund einer Eintragungsbewilligungsklage gemäß § 44 Abs 1 Mar-
kenG wieder aufleben, so wird über die Beschwerde noch zu entscheiden sein.
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Abb.1
Abb. 2