Urteil des BPatG vom 20.07.2010

BPatG (marke, bildmarke, wiedergabe, form, publikum, eintragung, kennzeichnung, gestaltung, unterscheidungskraft, verwendung)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 508/09
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. Juli 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 003 209.2
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht sowie die Richter Schwarz und Kruppa
b e s c h l o s s e n :
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat durch Beschluss der Markenstelle für
Klasse 25 vom 8. Oktober 2009 die für die Waren
erfolgte Anmeldung der Bildmarke
teilweise für die Waren „“ nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe mit der Begründung zurückge-
wiesen, die angemeldete Marke stelle ohne weiteres erkennbar eine Gesäß-,
Rock- oder Jackentasche mit einem Muster dar, bei dem es sich um ein aus-
schmückendes und dekoratives Element handele, das beim Publikum als Verzie-
rung und gängige Aufmachung der beanspruchten Waren erscheine. Das so auf
der Tasche vorgesehene Nahtmuster stelle sich als gängiges Ausstattungsele-
ment dar, weil der Verbraucher gerade auf Gesäß- sowie aber auch Jackenta-
schen an eine breite, gleichsam unübersehbare Vielfalt von schwarz-weißen oder
farbigen Nähten, Mustern, Applikationen oder sonstigen Aufmachungen gewöhnt
sei. Eine solche Darstellung weise keine optisch oder farblich hervorstechenden
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Merkmale auf, die herkunftshinweisend wirken könnten, sondern erschöpfe sich in
der Wiedergabe dessen, was auf diesem Warengebiet als übliche Aufmachung
anzusehen sei. Da sich die vorliegende Gestaltung nahtlos in die Mustervielfalt
modischer Hosen-, Rock- bzw. Jackentaschen einreihe, könne die um Schutz
nachsuchende Darstellung in ihrer konkreten Aufmachung als Ziernaht auf einem
Teil eines Bekleidungsstücks nicht dazu führen, dass sie der Verkehr als betriebli-
ches Unterscheidungsmittel eines ganz bestimmten Unternehmens auffasse. Die
Anmelderin könne sich zur Frage der Schutzfähigkeit auch nicht auf eingetragene
Drittzeichen berufen, da die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke
keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstelle, so dass eine Selbst-
bindung des Deutschen Patent- und Markenamts nicht bestehe, zumal aus einer
möglicherweise nicht gerechtfertigten Eintragung keine Verpflichtung zu einer ent-
sprechend weiteren sachwidrigen Behandlung hergeleitet werden könne.
Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die Anmel-
demarke sei schutzfähig, weil sie mit der Vielzahl an entsprechend eingetragenen
Bildmarken vergleichbar sei, so dass sie nicht anders als diese behandelt werden
könne. Es treffe auch nicht zu, dass die eingetragenen Marken ein komplexeres
Muster als das angemeldete Bildzeichen aufwiesen. Im Übrigen seien Nähte auf
Jeanshosentaschen ein übliches Erkennungszeichen von Jeansmarken.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 8. Oktober 2009 aufzuheben.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechter-
halten und vertieft.
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II.
A.
Die nach § 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu
Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung
die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt. Die Be-
schwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.
1.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welche nach
Art. 234 EGV, Art. 101 GG für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen
bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf die Vorgaben des
Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl.
Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen
Normen dem Europäischen Gerichtshof als insoweit allein zuständigem gesetzli-
chen Richter vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten
Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion
einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität
der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren,
indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder
Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924,
927 [Rz. 30] – Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] - SAT.2; GRUR
2006, 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses
an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemelde-
ten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende
Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26]
- SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung
zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für
die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich infor-
mierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607
[Rz. 46] – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] – SAT.2) Abnehmer als von
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einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren
und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl.
EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190
[Rz. 41] - Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der
Bequemlichkeit).
2.
Diese Grundsätze gelten auch für ein als Marke angemeldetes Bildzeichen,
das nicht mehr unterscheidungskräftig ist, wenn es die im Warenverzeichnis
genannten Waren naturgetreu bildlich wiedergibt (BGH WRP 1997, 755 - Auto-
felge; WRP 1999, 526 - Etiketten, mit weiteren Nachw.) oder wenn es sich bei ihm
um eine einfache geometrische Form oder ein sonstiges einfaches graphisches
Gestaltungselement handelt, und eine solche Gestaltung - wie dem Publikum aus
Erfahrung bekannt ist - in der Werbung, auf der Ware, ihrer Verpackung oder auf
Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form ver-
wendet wird (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; GRUR 2001, 734,
735 - Jeanshosentasche; HABM Mitt. 2001, 273, 275 – M-förmige Steppnähte).
3.
Nach diesen Grundsätzen verfügt das hier in Rede stehende Bildzeichen
nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
a)
Allerdings kann entgegen der Auffassung der Markenstelle die Unterschei-
dungskraft der vorliegend als bloßer Bildmarke angemeldeten Kennzeichnung
nicht schon mit der Begründung verneint werden, bei der darin wiedergegebenen
Strichführung handele es sich um die Wiedergabe eines Nahtmusters als Be-
standteile der beanspruchten Kleidungsstücke, Schuhe und Kopfbedeckungen.
Wie der Senat bereits in den beiden von der Anmelderin zitierten Entscheidungen
27 W (pat) 105/05 vom 7. März 2006 (GRUR 2006, 944) und 27 W (pat) 112/05
vom 24. Januar 2006 ausgeführt hat, käme ein Ausschluss der Schutzfähigkeit der
angemeldeten Darstellung, soweit Nahtmuster unmittelbarer Teil der betreffenden
Kleidungsstücke, Schuhe und Kopfbedeckungen sein können, diese also entspre-
chend gestaltete Nähte aufweisen, nur in Betracht, wenn die angemeldete Marke
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in dreidimensionaler Form verwendet oder es sich bei ihr um eine Positionsmarke
handeln würde; hiervon kann bei der hier als bloßer Bildmarke angemeldeten
Kennzeichnung nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Der Prüfung, ob eine
Kennzeichnung als warenbeschreibend oder als einfaches Ornament, nicht aber
als Herkunftshinweis angesehen wird, sind zwar alle möglichen Verwendungen
zugrundezulegen, die bei markenmäßigen Kennzeichnungen üblich sind. Dabei ist
aber zu beachten, dass die Art und Weise einer Verwendung als Marke nicht bei
allen Markenformen gleich sind. So sind etwa die Möglichkeiten zur Kennzeich-
nung einer Ware mit einer Positions- oder Aufmachungsmarke ganz erheblich
gegenüber denjenigen bei Wort- oder Bildmarken eingeschränkt. Aber auch die
Verwendung einer dreidimensionalen Marke weicht nicht unerheblich von einer
bloßen Bildmarke ab, weil letztere als bloße zweidimensionale Kennzeichnung
dreidimensionale Formen nur als Projektion - also statt in drei nur in zwei Dimen-
sionen - wiedergeben kann; die Projektion eines dreidimensionalen Objekts auf
eine (zweidimensionale) Fläche führt aber zwingend zu einer erkennbaren Verän-
derung der in dem dreidimensionalen Objekt vorhandenen Proportionen. Da es
somit ausgeschlossen ist, dass eine Bildmarke eine dreidimensionale Form
annehmen kann, kommt bei ihr als Verwendung bei Waren, die - wie die hier in
Rede stehenden - nur in dreidimensionaler Form denkbar sind, nur ihre zweidi-
mensionale Wiedergabe, etwa als aufgedrucktes oder aufgenähtes Bild, in Be-
tracht; demgegenüber ist eine Verwendung als unmittelbarer Teil dieser Waren
- bei den vorliegend beanspruchten Kleidungsstücken, Schuhen und Kopfbede-
ckungen etwa in Form einer Ärmel-, Hosen- oder Schuhnaht - von vornherein nicht
möglich, weil eine Naht als Bestandteil dieser (dreidimensionalen) Waren nur in
einer dreidimensionalen Form herstellbar ist. Zwar ist es durchaus denkbar, dass
die angemeldeten Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen Nähte
aufweisen, welche eine Gestaltung - insbesondere eine Linienführung - aufweisen,
die der in der angemeldeten Bildmarke wiedergegebenen Form entspricht. Da
eine Bildmarke aber wie vorliegend ausgeführt keine dreidimensionale Form
haben kann, würde es sich bei einer solchen Nahtführung nicht mehr um die Wie-
dergabe der hier zu beurteilenden marke, sondern um eine Verwendungs-
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weise handeln, welche von dieser erheblich abweicht; damit würde eine solche
Ausstattung der beanspruchten Waren - soweit die angesprochenen Verkehrs-
kreise hierin überhaupt eine kennzeichenmäßige Verwendung sehen sollten - den
kennzeichnenden Charakter der angemeldeten Bildmarke erheblich i. S. d. § 26
Abs. 3 MarkenG verändern, so dass eine solche (kennzeichenmäßige) Verwen-
dung nicht mehr als mit der zu beurteilenden Bildmarke identisch angesehen wer-
den würde.
b)
Der angemeldeten Bildmarke ist die erforderliche Unterscheidungskraft aber
deshalb abzusprechen, weil das Publikum ihr auch bei einer zweidimensionalen
Wiedergabe keinen Hinweis auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren der
Klasse 25 aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen wird, sondern in ihr
nur eine im hier maßgeblichen Bekleidungssektor übliche einfache ornamentale
Gestaltung erblickt. Solchen einfachen Gestaltungsformen entnimmt das Publikum
aber in aller Regel keinen Herkunftshinweis.
Dabei ist zu beachten, dass auf dem hier maßgeblichen Modesektor es mittler-
weile üblich ist, Bildmarken - auch in zweidimensionaler Form - nicht nur auf dem
der Ware beigefügten Etikett, sondern auch in Form eines aufgedruckten oder auf-
genähten unmittelbar als Bestandteil der beanspruchten Kleidungsstücke,
Schuhe oder Kopfbedeckungen wiederzugeben, indem das Bild etwa bei Sakkos,
Hosen oder Hemden nicht nur im Innenteil - bei Hemden etwa im Kragen oder bei
Hosen im (Innen-) Bund, sondern auch deutlich sichtbar auf eine (Vorder- oder
Gesäß-) Tasche oder auf dem Brust- (hier zentral oder links in Höhe des Herzens)
oder Rückenbereich oder bei Schuhen auf der Oberseite oder auf der Seite aufge-
näht oder aufgedruckt wird. In allen diesen Verwendungsformen ist aber bei der
hier zu beurteilenden Bildmarke kein Fall denkbar, bei dem das Publikum Veran-
lassung hätte, es nicht nur als bloße bildliche (d. h. zweidimensionale) Wieder-
gabe eines üblichen Ziermusters - oder auch als übliche Ziernaht -, sondern als
Hinweis auf die Herkunft der so mit dem angemeldeten Ornament versehenen Be-
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kleidungsstücke, Schuhe oder Kopfbedeckungen aus einem bestimmten Unter-
nehmen anzusehen.
Bei der angemeldeten Darstellung handelt es sich nämlich um ein aus einfachsten
Gestaltungsmitteln hergestelltes Muster. Der äußere Teil erinnert zwar nur bei
(Jeans-) Hosen oder bei Hemden an eine (Brust- oder Gesäß-) Tasche; bei ande-
ren Waren aus dem Schutzbereich der angemeldeten Marke wird das Publikum
hierin eher die Wiedergabe des üblichen Rahmens eines Wappens sehen, da sol-
che häufig zur Verzierung von Angaben auf den Kleidungsstücken, Schuhen oder
Kopfbedeckungen - bei denen es sich um rein beschreibende Angaben wie etwa
die Bezeichnung der Ausgangsmaterialien oder um Waschanleitungen, aber auch
um die Mitteilung des Herstellers (bei der es sich in der Regel um die aus Sicht
des Publikums „eigentliche“ Marke handelt) handeln kann - verwendet zu werden
pflegen. Die inneren Linien sind wiederum einfach gehalten und weisen keinerlei
Besonderheiten auf, welche das Publikum von dem Gedanken, es handele sich
hierbei um eine einfache grafische Gestaltung, wegführen und zu der Annahme,
das (Gesamt-) Zeichen weise auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten
Unternehmen hin, verleiten könnten. Auch wenn das Publikum der angemeldeten
Bildmarke an den Stellen begegnen würde, an denen üblicherweise die marken-
mäßige Kennzeichnung angebracht zu werden pflegt - also insbesondere bei den
Einnähetiketten im Hemdinnenkragen oder Hoseninnenbund - hätte es noch keine
Veranlassung, hierin einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der so gekenn-
zeichneten Ware zu schließen. Befindet sich an diesen Stellen die angemeldete
Darstellung isoliert, d. h. ohne weitere Angaben, wird er immer noch in ihr wegen
der einfachen und üblichen Gestaltungsform eine bloße Verzierung sehen und
annehmen, die von ihm an sich an dieser Stelle erwarteten Angaben wie die
Marke, aber auch die beschreibenden Ausführungen zu den Ausgangsmaterialien
oder zur Pflege der Ware seien schlicht „vergessen“ worden. Befinden sich diese
Angaben an dieser Stelle, wird er selbst bei der dort vorhandenen zusätzlichen
Wiedergabe einer (anderen) Marke oder der bloßen Herstellerbezeichnung die
angemeldete Marke wegen ihrer Schlichtheit weiterhin als bloße Verzierung dieser
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Angaben, niemals aber als eigenständige (Erst- bzw. Zweit-) Marke erachten.
Damit ist aber kein Fall vorstellbar, bei dem das Publikum die angemeldete
Gestaltung als Herkunftshinweis erkennen würde. Damit fehlt ihr aber die nach § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.
c)
Dem stehen auch die bereits oben genannten Entscheidungen des Senats
nicht entgegen. Die dort zu beurteilenden Bildzeichen unterschieden sich deutlich
von der vorliegend streitgegenständlichen Darstellung, da ihr Gesamteindruck
trotz der erkennbar einfach gehaltenen Linienführung, auch wenn sie einfachsten
Nahtführungen entsprechen mag, sich nicht auf diese einfache und übliche Ge-
staltung einer typischen Kleidungsnaht beschränkte. Wie der Senat nämlich in der
Sache 27 W (pat) 112/05 ausdrücklich hervorgehoben hat, fügte sich die dort vor-
handene Linienführung, auch wenn sie für sich selbst betrachtet einfach erschien,
zu einem Bild zusammen, das sehr stark an die Wiedergabe der Ziffer „7“ erin-
nerte; durch diese Anlehnung an die Wiedergabe einer Zahl ging der Gesamt-
eindruck des Gesamtbildes aber über die bloße Nahtführung deutlich hinaus, was
erst das Publikum von dem Gedanken wegführt, in ihr die bloße bildliche Wie-
dergabe eines Ziermusters oder einer Ziernaht und damit eine rein beschreibende
Darstellung von Teilen der beanspruchten Waren zu erkennen. In der Sache
27 W (pat) 105/05 wiederum handelte es sich um eine komplexe bildliche Dar-
stellung, welche an die auszugsweise Wiedergabe eines unregelmäßig geschwun-
genen Straßen- oder Flussverlaufs in geografischen Karten, nicht aber an ein ein-
faches geometrisches Muster, wie dies bei Nähten üblich ist, erinnerte und damit
für das Publikum Anlass gab, in ihr nicht nur ein Ornament, sondern einen Her-
kunftshinweis zu sehen.
Davon, dass die hier zu beurteilende Darstellung nicht nur die einfachen, für Ver-
zierungen üblichen Gestaltungsmittel übernimmt, sondern darüber hinaus einen
ungewöhnlichen oder überraschenden Gesamteindruck vermittle, kann indessen
keine Rede sein. Dafür sind vielmehr keinerlei Anhaltspunkte erkennbar.
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d)
Auch der Hinweis der Anmelderin auf die BGH-Entscheidung „Jeanshosenta-
sche“ (GRUR 2001, 734, 735) vermag der Anmeldemarke nicht zur Eintragung zu
verhelfen. Abgesehen davon, dass es sich bei dieser BGH-Entscheidung nicht um
eine Rechtsfragen klärende, sondern ersichtlich um die bloß tatsächliche Beurtei-
lung einer konkreten Anmeldemarke handelt, welche nur für den konkret entschie-
denen Einzelfall von Bedeutung ist, beruhte sie auf rechtlichen Annahmen, die
heute auf der Grundlage der später ergangenen, allein maßgeblichen und auch
jeder BGH-Entscheidung vorrangigen Rechtsprechung des Europäischen Ge-
richtshofs in dieser Form nicht mehr aufrecht zu erhalten sind; hiergegen spricht
indiziell auch die von der Markenstelle zitierte ständige, bislang vom Europäischen
Gerichtshof nicht beanstandete Entscheidungspraxis des HABM, welche ver-
gleichbare Markenanmeldungen zurückgewiesen hat.
e)
Soweit die Anmelderin sich schließlich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach
vergleichbare Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähig-
keit für die vorliegend zu beurteilende Anmeldemarke. Aus der Schutzgewährung
für andere Marken kann ein Anmelder nämlich keinen Anspruch auf Eintragung
ableiten. Voreintragungen führen nämlich weder für sich noch in Verbindung mit
dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stel-
len, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über
die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage
(vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - Terranus; GRUR 2004, 674,
Nrn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BPatG MarkenR
2007, 351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423
- amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat). Nach der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs verbietet die Markenrechtsrichtlinie es daher den
nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten
nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintra-
gungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleich-
bar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen
eingetragen sind (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] -
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). Ungeachtet dessen ist auch zweifelhaft, ob angesichts der jetzigen Ent-
scheidungspraxis, von deren rechtlichen Grundlagen bereits - wenn auch vielleicht
für den jeweiligen über die Markenanmeldung befindenden Entscheider uner-
kannt - bei Eintragung auszugehen gewesen wäre, diese Eintragungen zu Recht
erfolgt sind; dies bedarf allerdings wegen der Unbeachtlichkeit früherer Eintragun-
gen vorliegend keiner Vertiefung.
4.
Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Ein-
tragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt
hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.
B.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, weil weder eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 1 Nr. 1
MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG). Die entscheidenden Rechtsfragen sind geklärt; damit war allein
darüber zu befinden, ob im konkreten Einzelfall auf der Grundlage der höchstrich-
terlichen Rechtsprechung die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Schutzfä-
higkeit der angemeldeten Kennzeichnung vorlagen.
Dr. Albrecht
Kruppa
Schwarz
Fa