Urteil des BPatG vom 01.10.1984

BPatG (sitzung, bundesrepublik deutschland, zeuge, gegenstand, stand der technik, prothese, verwendung, mitarbeiter, verteidigung, zusammenarbeit)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 22/00 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
An Verkündungs Statt
zugestellt am
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
9.72
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betreffend das europäische Patent 0 177 330
(= DE 35 83 276)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 29. Mai/22.-24. Oktober 2001 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Schwendy sowie der Richter Dipl.-Ing. Klosterhuber,
Kraft, Dipl.-Phys. Dr. Kraus und Dipl.-Phys. Lokys
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
45.000,-- Euro vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. Oktober 1985 unter Inan-
spruchnahme der Priorität der amerikanischen Patentanmeldung 65 62 61 vom
1. Oktober 1984 angemeldeten, ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundes-
republik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 177 330 (Streitpatent). Das
Streitpatent wird vom Deutschen Patentamt unter der Nummer 35 83 276 geführt
und betrifft ein medizinisches Gerät zur Gefäßaufweitung ("Stent"). Das in der
Verfahrenssprache Englisch erteilte Patent umfaßt 7 Patentansprüche. Patentan-
spruch 1 hat in seiner deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:
"Stent (9) bzw medizinisches Gerät zur Gefäßaufweitung,
aufweisend ein Einzeldrahtstück, welches in eine geschlos-
sene Zickzack-Gestalt geformt ist, die aus einer endlosen
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Aneinanderreihung von geraden Abschnitten (12) gebildet
ist, die über eine Mehrzahl von Biegungen oder Biegestel-
len (13) verbunden sind, wobei der Stent in eine erste, klei-
nere Gestalt nachgiebig zusammendrückbar ist, in welcher
alle geraden Abschnitte zwecks Einführung in einen Durch-
gang seitlich nebeneinanderliegend und dicht zu einander
benachbart angeordnet sind, wobei die Biegestellen unter
Spannung stehen, und wobei der Stent durch Freigabe der
Spannung in eine zweite Gestalt nachgiebig aufweitbar aus-
gebildet ist, in welcher alle geraden Abschnitte einen im
wesentlichen kreisförmigen oder zylindrischen Aufbau
zwecks Anpressung gegen die Wand des Durchganges fest-
legen, um diesen offen zu halten."
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen
Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu, verfolgt die Klägerin
das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik
Deutschland für nichtig zu erklären. Sie beruft sich auf offenkundige Vorbenutzung
und bietet hierfür Zeugenbeweis an.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 177 330 mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu
erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 4 -
Sie ist dem Vorbringen der Klägerin - gleichfalls unter Angebot von Zeugen – ent-
gegengetreten. Sie hält das Streitpatent für rechtsbeständig.
Der Senat hat über die offenkundige Vorbenutzung gemäß Beweisbeschluß
29. Mai 2001 (Bl 162 dA) durch Vernehmung der Zeugen Prof. Dr.
V…, Dr. S…, Prof. D… und Dr.
P… Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf die Protokolle der Sitzungen vom 29. Mai 2001 und 22.-24. Oktober 2001
(Bl 161 ff u. 222 ff dA) verwiesen. Wegen des Sachvortrages wird im übrigen auf
die Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Arti-
kel 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgese-
hene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist
unbegründet. Der Klägerin ist es nicht gelungen, einen patentschädlichen Sach-
verhalt nachzuweisen.
I.
1. Das Streitpatent betrifft Stents bzw medizinische Spreizkörper, die nach der
Beschreibung der Streitpatentschrift ua eingesetzt werden, um eingeengte Gefäß-
abschnitte aufzuweiten oder um einen Durchlaß durch einen Gefäßabschnitt offen
zu halten, beispielsweise bei Arteriosklerose oder bei einem die Blutströmung ein-
schränkenden bzw abblockenden Tumor.
In der Beschreibung ist dazu ausgeführt, im Jahr 1969 sei bereits von der experi-
mentellen Verwendung spulenförmiger Draht-Stents aus Edelstahl bei Hunden
berichtet worden. Diese Spulen hätten zwar eine langdauernde Durchgängigkeit
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gezeigt, jedoch hätten sie den Freiraum verengt und es hätten nur sehr kleine
Spulen perkutan eingesetzt werden können.
Weiter sei die Verwendung einer Prothese aus einer Legierung mit thermischem
Formgedächtnis, nämlich Nitinol bekannt geworden, die durch einen Katheter
geschoben werde. Da diese Stents Eiswasser oder eine erwärmte Kochsalzlösung
für die Positionierung erforderten, könne ihre Handhabung umständlich sein. Auch
habe sich gezeigt, daß Fibrin-Ablagerungen auf den Stent-Drähten eine Veren-
gung des Freiraumes bewirkten.
Schließlich erwähnt die Streitpatentschrift einen elastischen Nasenaufweiter (ge-
mäß der US –A- 1 672 591) als im Stand der Technik bekannt sowie einen Uterus-
Aufweiter aus einer Vielzahl von Stangen mit einer geschlossenen Zickzack-Struk-
tur (gemäß der DE –C- 150 127).
2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatenschrift die Aufgabe, einen
Stent bereitzustellen, der leicht zu benutzen und zu positionieren ist und der Strö-
mungsbeeinträchtigungen, Verengungen des Freiraumes und Verstopfungen
reduziert.
3. Patentanspruch 1 beschreibt dazu einen Stent mit folgenden Merkmalen:
1. Der Stent weist ein Einzeldrahtstück auf, das in eine
geschlossene Zick-Zack-Gestalt geformt ist,
2. die Zick-Zack-Gestalt ist durch eine endlose Aneinander-
reihung von geraden Abschnitten gebildet, die durch eine
Mehrzahl von Biegungen verbunden sind,
3. das Einzeldrahtstück ist federnd nachgiebig in eine
kleine erste Gestalt zusammendrückbar,
4. in der alle geraden Abschnitte seitlich nebeneinanderlie-
gend und dicht zueinander benachbart angeordnet sind,
5. wobei
die
Biegestellen unter Spannung stehen und
6. wobei der Stent zur Freigabe der Spannung in eine
zweite Gestalt nachgiebig aufweitbar ausgebildet ist,
- 6 -
7. in der alle geraden Abschnitte einen im wesentlichen
kreisförmigen oder zylindrischen Aufbau zwecks Anpres-
sung gegen die Wand des Durchganges festlegen, um
diesen offen zu halten.
II.
Dem Gegenstand des Streitpatents steht die behauptete offenkundige Vorbenut-
zung nicht patenthindernd entgegen. Der Klägerin ist es nicht gelungen, den Senat
davon zu überzeugen, daß ihr Gegenstand vor dem Anmelde- oder Prioritätstag
öffentlich zugänglich geworden ist.
Die Beweisaufnahme hat hierzu zunächst folgendes ergeben:
Der als Zeuge vernommene Professor Dr. V… hat bekundet, am 7. Septem
ber 1984 in einer Sitzung des Wissenschaftliches Rates am K…
für Allgemeine und Notfall-Chirurgie (im folgenden: KSRIGES)
den Inhalt seiner Dissertation erläutert zu haben. Es habe sich um eine Standard-
angelegenheit einer inneren Verteidigung einer Dissertation gehandelt. Die Sit-
zung habe der internen Abklärung gedient, ob der Inhalt der von ihm vorgelegten
Dissertation zur externen Verteidigung zugelassen werden konnte. Dabei habe er
den Inhalt der Dissertation zT auch mit Modellen und Dias verdeutlicht. Als einen
Teil seiner Dissertation habe er eine zickzackförmige Feder, die in eine (Ge-
fäß-)Prothese eingeführt war, erläutert. Die Feder habe die sichere Selbstfixierung
der Prothese bewirkt. Er sei sich sicher, daß auf dieser Sitzung auch über die
Möglichkeit gesprochen worden sei, die Feder isoliert zur Aufweitung von Gefäß-
abschnitten einzusetzen. Er habe selbst über die alternative Einsatzmöglichkeit
der Feder referiert. In der damaligen Fassung seiner Dissertation sei der alterna-
tive Einsatz der Feder zur Querschnittsaufweitung seines Wissens nicht ange-
sprochen. Die alternative Verwendung der Feder sei nach seiner Erinnerung in der
Sitzung Gegenstand von Fragen gewesen. Sein schriftlicher Bericht (sog "Doklad",
Beweis 12/3) sei zum Zeitpunkt der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates fertig
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gewesen und später nicht mehr geändert worden. Die Frage der alternativen Ver-
wendung der Feder sei in den Unterlagen nirgends aufgetaucht, weil sie nicht
Gegenstand der gesonderten Untersuchung gewesen sei. Sie sei nur im Rahmen
der Diskussion zur Sprache gekommen. Daß dieses Thema nicht im Protokoll
Nr. 8 (Beweis 12/1) aufscheine, erkläre sich dadurch, daß es nur Teile der Diskus-
sion wiederspiegle.
Der Arzt Dr. Smirnov hat bekundet, als Zuhörer an der Sitzung vom 7. Septem-
ber 1984 teilgenommen zu haben. Das Thema der von dem Zeugen Dr. V…
verteidigten Dissertation sei die Behandlung akuter Thrombosen in Hauptarterien
gewesen. Das Neue dieser Arbeit sei die Verwendung einer Gefäßprothese mit
einer Feder oder auch einer Feder alleine gewesen. Ob auch die isolierte Verwen-
dung der Feder ohne die Gefäßprothese diskutiert worden sei, wisse er nicht.
Seine Aussagen beruhten auf seiner eigenen Erinnerung. Allerdings hätten am
Vortage und auch schon im Juni Gespräche mit der Klägerseite stattgefunden, bei
denen er sich die Vorgänge in Erinnerung zu rufen versucht habe. Manches wisse
er aber auch aus eigener Erinnerung. Er sei fest überzeugt, daß … % seiner Aus
sage auf seiner eigenen Erinnerung beruhe, er könne allerdings nicht ganz aus-
schließen, daß sich auch Informationen aus den beiden Besprechungen mit Ver-
tretern der Klägerin eingeschlichen hätten.
Der Zeuge Professor Dr. D… hat bekundet, an der Vorstellung der Disserta
tion des Zeugen V… im Wissenschaftlichen Rat im September 1984 als Aspi
rant am Lehrstuhl für Chirurgie des Instituts für die Weiterbildung von Ärzten
anwesend gewesen zu sein. Er sei zugegen gewesen um zu sehen, wie die Dinge
dort abliefen, weil er nämlich einige Monate später seine Kandidatendissertation
verteidigen sollte. Der Zeuge Volodos habe Lichtbilder gezeigt, von denen insbe-
sondere die Feder seine Aufmerksamkeit erregt habe, weil es auch in seinem
Fachbereich zu Verengungen komme. Ihm selbst habe sich die Frage aufge-
drängt, ob man diese Feder nicht auch anderweitig einsetzen könne. Diese Frage
sei dann von einem älteren Kollegen tatsächlich gestellt und von Dr. V…
dahin beantwortet worden, daß man das mal ausprobieren müsse. Es sei ganz
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konkret gefragt worden, ob man die Feder bei Geschwüren der Speiseröhre ein-
setzen könne. Er könne sich nicht daran erinnern, daß Dr. V… von der Mög
lichkeit gesprochen hätte, die Feder für andere Zwecke einzusetzen. An das, was
er ausgesagt habe, erinnere er sich deswegen noch so gut, weil sich für ihn aus
dem Gesehenen der Gedanke ergeben habe, daß er das für seine eigene Arbeit
nutzbar machen könnte. Er habe am Vortag eine Kurzfassung der Dissertation zu
Gesicht bekommen und durchgeblättert, in der ua das ihm in der Zeugenverneh-
mung vorgelegte Bild (Beweis Nr. 9) zu sehen gewesen sei.
Der Senat hat danach keine durchgreifenden Zweifel, daß der Zeuge Dr. V…
vor dem Prioritätsdatum eine Gefäßprothese entwickelt hat, wie sie bspw im
(nachveröffentlichten) sowjetischen Erfinderschein SU 1217402 A beschrieben ist,
und daß dieser Gegenstand auch in der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates
vom 7. September 1984 gezeigt und erläutert worden ist.
Hierfür sprechen nicht nur die insoweit übereinstimmenden Bekundungen der drei
Zeugen, sondern vor allem auch die vorgelegten schriftlichen Unterlagen. Die
Anmeldung zum SU-Erfinderschein war vor dem Prioritätsdatum erfolgt. Er hatte
eine Blutgefäßprothese, bestehend aus einer elastischen Hülle mit Fixierelemen-
ten zum Gegenstand, bei der zur Vereinfachung des Einsetzens der Prothese und
zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der Befestigung Fixierelemente in Form einer
flexibel gebogenen zick-zackförmigen Feder verwendet wurden, die dem Gegen-
stand des Streitpatents ähnlich sehen. Dieser Gegenstand war mithin am 7. Sep-
tember 1984 ohne Zweifel bereits entwickelt. Darüber hinaus war diese Gefäßpro-
these einer der Hauptgegenstände der damaligen Fassung der Dissertation des
Dr. V… und dementsprechend des sog "Doklad", der Grundlage der Probe
verteidigung der Dissertation in der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates war.
Damit ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieser Gegenstand als einer der Haupt-
gegenstände der Arbeiten des Dr. V… in der Sitzung am 7. September 1984
nicht erörtert worden sein sollte. Die Lebenserfahrung spricht für eine Erörterung
dieses Gegenstands.
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Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung die Behauptung auf-
gestellt hat, es sei in der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates auch über eine
"alternative Verwendung" des Zickzackdrahtes alleine (ohne die Umhüllung) zur
Aufweitung von Gefäßen oä gesprochen worden, kann dies nicht mit derselben
Sicherheit festgestellt werden. Zum einen hat die Klägerin diese Behauptung erst
in der mündlichen Verhandlung aufgestellt, als der Eindruck entstehen konnte, der
Senat würde die im Erfinderschein beschriebene Gefäßprothese möglicherweise
als nicht patentschädlich ansehen. Zwar haben die von der Klägerin benannten
Zeugen – wenn auch erst auf Vorhalt des Senats – bekundet, daß eine "alternative
Verwendung" der Zickzack-Feder, etwa für die Aufweitung von Speiseröhrenver-
engungen, angesprochen worden sei. Schon in diesem Punkt widersprechen sich
die Zeugen jedoch teilweise. Während der Zeuge Dr. V… diese Frage selbst
ins Spiel gebracht haben will, bekunden die Zeugen Dr. S… und Dr. D…,
die Frage nach einer alternativen Verwendung sei von Kollegen an Dr. V…
gerichtet worden. Im übrigen enthalten die schriftlichen Unterlagen für derartige
Überlegungen keinerlei unterstützende Hinweise, so daß die Frage, ob und wie
die "alternative Verwendung" in der fraglichen Sitzung erörtert wurde, letztlich
offen geblieben ist.
Das kann aber auch dahinstehen, weil nach Überzeugung des Senats ohnehin
bereits die im Erfinderschein beschriebene Gefäßprothese patentschädlich wäre,
wenn sie denn vorbekannt gewesen sein sollte. Denn sie ist – wie unter den Par-
teien im Verletzungsprozeß offenbar sogar unstreitig ist (vgl dazu BGH Beschluß
vom 16. Mai 2000 S 10, Az X ZR 91/98) – ein Stent im Sinne des Streitpatents.
Stents im Sinne des Streitpatents kommen in unterschiedlichen Formen und in
verschiedensten klinischen Anwendungen vor, zB zur Wiederherstellung einer
Strömung in Venen, die durch einen benachbarten Tumor zusammengedrückt
sind, zur Aufrechterhaltung des vaskulären Durchgangs nach Ballon-Dilatationen
und zur Korrektur von unvollständigen, langen, irregulären, vaskulären Stenosen.
Darüber hinaus finden sie – wie im letzten Absatz der Beschreibung des Streitpa-
tents ausdrücklich erwähnt - auch in anderen Systemen Verwendung, wie etwa in
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Atem-, Gallen- und Harnwegen, um Strukturen zu verstärken, die aufgrund von
exogenen Druckkräften durch Neoplasmen einzufallen drohen oder um die Auf-
weitung eines durch einen Ballon aufgeweiteten Abschnitts des Harnleiters auf-
rechtzuerhalten. Auch bei einer Darm-, Aorta-Sektion, einem Aorta-Aneurysma
oder bei der Stabilisierung von chronischen Punktionsstellen werden Stents ein-
gesetzt. Ein Stent gemäß dem Streitpatent besteht dabei – im Unterschied zu dem
Stent des SU-Erfinderscheines, der eine Umhüllung aufweist – allein aus einem
Einzeldrahtstück in geschlossener Zickzack-Gestalt, wie es im Patentanspruch 1
beschrieben ist. Wäre der aus Zick-Zack-Draht und Hülle gebildete Stent nach
dem SU-Erfinderschein dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bekannt gewesen,
so hätte es wohl ohne weiteres nahegelegen, den Zick-Zack-Draht zumindest ver-
suchsweise ohne die Umhüllung einzusetzen. Dem streitpatentgemäßen Stent
würde also gegenüber dem Gegenstand des Erfinderscheins die erfinderische
Qualität fehlen.
Das alles kann aber dahinstehen, weil der Senat nicht die Überzeugung gewon-
nen hat, daß dieser oder sonst ein patentschädlicher Gegenstand vor dem Priori-
tätszeitpunkt durch Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.
Hierfür käme ernstlich nur die Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. Sep-
tember 1984 in Betracht, zumal auch die Klägerin nur deren Öffentlichkeit behaup-
tet hat. Soweit hingegen Dritte den Patentgegenstand, etwa bei der Herstellung
der Feder oder bei den Experimenten mit Hunden, wahrnehmen konnten, waren
diese Gelegenheiten ungeeignet den Gegenstand öffentlich zu machen, weil die
an diesen Vorgängen Beteiligten in die Entwicklungstätigkeit eingebunden waren
und deshalb davon auszugehen ist, daß sie zur Geheimhaltung verpflichtet waren.
Der Nachweis der öffentlichen Zugänglichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen
Rates vom 7. September 1984 ist jedoch nicht erbracht.
Der Zeuge Dr. V… hat hierzu zwar bekundet, die Sitzung des Wissenschaftli
chen Rates sei öffentlich gewesen. Es sei geradezu ihr Zweck gewesen, seine
wissenschaftliche Arbeit möglichst breit bekannt zu machen. Man sei deshalb sehr
- 11 -
daran interessiert gewesen, externe Zuhörer bei solchen Sitzungen dabei zu
haben. Da es nicht um eine normale Promotion, sondern entgegen der Begriffsbil-
dung um den "Dr. habil" ging, sei seine Verteidigung für normale Doktoranden und
Studenten von besonderem Interesse gewesen.
Die Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates seien üblicherweise auf den mor-
gendlichen Dienstbesprechungen des Gesamtinstituts sowie durch einen An-
schlag am Schwarzen Brett des Instituts angekündigt worden. Er könne allerdings
nicht behaupten, in diesem Fall einen derartigen Anschlag gesehen zu haben. Zu
der Sitzung sei das wissenschaftliche Personal des Instituts eingeladen gewesen,
insbesondere die Ärzte, aber auch Studenten. Außer den Mitgliedern des Wissen-
schaftsrates seien die am Projekt beteiligten Fachleute zugegen gewesen. Ge-
heimhaltungspflichten hätten nicht bestanden. Auch im Interesse der wissen-
schaftlichen Priorität habe kein Geheimhaltungsinteresse bestanden, weil ja
immerhin schon die Erfinderscheinanmeldung erfolgt gewesen sei. Er und die mit-
wirkenden Fachleute seien natürlich nicht auf den Markt gegangen, um ihre
Erkenntnisse zu publizieren.
Der Zeuge Dr. S… hat hierzu als Zeuge bekundet, er habe von der Sitzung
des Wissenschaftlichen Rates am 7. September 1984 anläßlich der Morgenbe-
sprechung des Instituts erfahren. Er sei damals nicht Mitarbeiter dieses Instituts,
sondern Mitarbeiter des Instituts für Tieftemperaturbiologie- und medizin gewesen.
An der Morgenbesprechung hätten neben dem Institutsleiter und den dienstha-
benden Ärzten und Mitarbeitern auch Praktikanten, Doktoranden und Studenten
des Instituts für Medizin teilgenommen. Die Sitzungen des Wissenschaftlichen
Rates seien in den Morgenbesprechungen des Instituts angekündigt worden. Am
Schwarzen Brett des Instituts seien wohl eher Verlegungen der Termine bekannt-
gemacht worden. An den Morgenbesprechungen hätten häufig institutsfremde
Ärzte und Studenten teilgenommen, was ihnen von ihren Lehrern wegen des wis-
senschaftlichen Interesses sogar dringend nahegelegt worden sei. Für die Teil-
nahme an den Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates habe es keinerlei
Beschränkungen gegeben. Ob außer ihm andere Institutsexterne an der Sitzung
des Wissenschaftlichen Rates am 7. September 1984 teilgenommen hätten, wisse
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er nicht; er könne sich nicht erinnern. Er habe seit Beginn 1982 mit dem Zeugen
Dr. V… am Ch… zusammengearbeitet. Ihm sei es um die
Möglichkeit gegangen, die Kryo-Technik bei der Gefäßkonservierung einzusetzen.
Im August/September 1984 habe er faktisch hauptsächlich im Institut für Chirurgie
gearbeitet. Zu dem Vertrag, der zwischen dem KSRIGES und seinem Institut
abgeschlossen und ihm bei seiner Vernehmung vorgelegt wurde (Anl BK4)
äußerte sich der Zeuge dahin, daß dieser Vertrag tatsächlich auch von ihm unter-
zeichnet worden sei. Es handele sich dabei aber lediglich um die formale Bestäti-
gung einer tatsächlich bereits vollzogenen Zusammenarbeit. Als Mitarbeiter seines
Instituts habe er einen solchen Vertrag als Grundlage für seine Arbeit benötigt.
Der Zeuge Professor Dr. D… hat die Angaben der Zeugen Dr. V… und
Dr. S… insofern bestätigt, als er an der damaligen Sitzung des Wissenschaft
lichen Rates als Aspirant am Lehrstuhl für Chirurgie des Instituts für die Weiterbil-
dung von Ärzten zugegen gewesen sei. An der Sitzung des Wissenschaftlichen
Rates habe jeder teilnehmen können, den sie interessierte. Die Sitzungen des
Rates seien in den Morgenbesprechungen bekannt gegeben worden, zu denen
auch sie, die Aspiranten, immer gekommen seien, weil man dort Kollegen habe
treffen und sprechen können. Die erwähnten Aspiranten hätten anderen Instituten
angehört. Der Vertrag über die Zusammenarbeit seines und des Instituts von
Dr. V… sei ihm bekannt. Die zwischen den Instituten abgeschlossene Verein
barung (Anl BK7), die seine Unterschrift trage, sei eine reine Formsache gewesen
und habe nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet.
Den vorstehend wiedergegebenen Bekundungen der drei Zeugen zur Öffentlich-
keit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 hat die
Zeugin Dr. P… nachdrücklich und in sich schlüssig widersprochen. Sie hat
im einzelnen dargelegt, daß sie bereits im Jahre 1984 als Sekretärin des Wissen-
schaftlichen Rats bei den Morgenbesprechungen des Instituts die Approbations-
sitzungen angekündigt habe. Ihre Aufgabe als wissenschaftliche Sekretärin sei es
gewesen, den gesamten Ablauf der Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates zu
organisieren. Zu diesen Sitzungen seien die Mitglieder des Wissenschaftlichen
- 13 -
Rates geladen worden, die Ärzte und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts,
sowie die Aspiranten aus anderen Organisationen, die auf der Basis eines Vertra-
ges mit dem Institut zusammenarbeiteten und im Institut einen Arbeitsplatz hatten.
Da die Approbationen hinter geschlossenen Türen stattfanden und einen sehr ver-
traulichen Charakter gehabt hätten, seien niemals Studenten zu den Sitzungen
eingeladen gewesen. Da der Wissenschaftliche Rat das Recht gehabt habe, die
Dissertationen anzunehmen oder abzulehnen, sei in diesen Sitzungen kein Platz
für Studenten gewesen. Es habe sich um dienstliche, dh institutsinterne Informa-
tionen gehandelt. Jeder Autor habe dort Informationen vorstellen können, die ent-
weder bereits in einer Patentanmeldung niedergelegt oder die noch nicht zum
Patent angemeldet gewesen seien. Ihre, der Zeugin, Funktion als Sekretärin sei
es ua auch gewesen, jeden Außenstehenden zum Verlassen des Raumes aufzu-
fordern. In den Morgenbesprechungen, in denen zu den Sitzungen des Rates ein-
geladen worden sei, seien klinische Fragen behandelt worden, wie zB Informatio-
nen über durchgeführte oder bevorstehende Operationen, über Patienten, Krank-
heitsbilder oä. Auch an ihnen hätten ausschließlich Ärzte und wissenschaftliche
Mitarbeiter des Instituts teilgenommen und sie hätten hinter geschlossenen Türen
stattgefunden. Aspiranten anderer Institute hätten nur an den Morgenbesprechun-
gen teilgenommen, wenn sie aufgrund eines Vertrages über wissenschaftliche
Zusammenarbeit an dem Institut arbeiteten. Sie hat betont, daß die Morgenbe-
sprechungen institutsinterne Angelegenheiten gewesen seien, zumal dort bspw
nicht nur erfolgreiche Operationen, sondern auch Mißerfolge besprochen worden
seien. Der Direktor habe deshalb sehr genau darauf geachtet, daß keine Außen-
stehenden hieran teilnahmen. Zu den Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates sei
nur durch einen Hinweis in der Morgenbesprechung, niemals am Schwarzen Brett
eingeladen worden. Schließlich hat die Zeugin darauf hingewiesen, daß die Zeu-
gen S… und D… damals aufgrund eines wissenschaftlichen Vertrages
an ihrem Institut gearbeitet hätten. Da sie aufgrund eines offiziellen Vertrages im
Institut arbeiteten, der von den Direktoren beider Institute unterschrieben sei,
seien sie faktisch Mitarbeiter des KSRIGES gewesen. Dieser Vertrag habe ihnen
das Recht gegeben, an den Approbationssitzungen teilzunehmen. Entgegen den
Bekundungen der Zeugen S… und D… seien die beiden wissenschaftli
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chen Verträge BK4 und BK7 für ihr Institut sehr wichtig gewesen und hätten die
Beteiligten zur Vertraulichkeit verpflichtet. Es wäre unzulässig gewesen, entgegen
diesen Vereinbarungen Informationen, die einer der Beteiligten im Rahmen der
Zusammenarbeit erhielt, zu verbreiten. Dies erst recht, wenn es sich wie im vorlie-
genden Fall um eine Dissertation handelte, bei der der Urheber ein erhebliches
Interesse daran gehabt habe, die Publikation durch andere vor seiner eigenen
Veröffentlichung zu verhindern. Im übrigen habe bei den Morgenbesprechungen
jeder Teilnehmer seinen festen Platz, so daß der für die Kontrolle der Anwesen-
heitsberechtigung zuständige Direktor ohne weiteres habe übersehen können, ob
Nichtteilnahmeberechtigte anwesend waren. Soweit Medizinstudenten des
5. Jahrgangs im 2. Stock des Instituts Vorlesungen zu besuchen hatten, seien sie
zur Teilnahme an den Kursen verpflichtet gewesen, weswegen eine relativ strikte
Anwesenheitskontrolle geherrscht habe und insofern auch die Anwesenheitsbe-
rechtigung leicht feststellbar gewesen sei.
Damit hat die Zeugin Dr. P… den Bekundungen der Zeugen Dres. V…,
S… und D… zur Öffentlichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates
vom 7. September 1984 in allen wesentlichen Punkten in sich widerspruchsfrei
und glaubhaft widersprochen, wobei ihre Bekundungen – anders als die der ande-
ren Zeugen - durch die vorgelegten Verträge über die Zusammenarbeit der Insti-
tute (BK4 und BK7) sowie durch die Anlage BK2 gestützt werden.
Den Bekundungen der Zeugen Dr. V…, Dr. S… und Dr. D… zur
Zugänglichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rats vom 7. September 1984
stehen nicht nur die eindeutigen und bestimmten Aussagen der Zeugin P…
entgegen. Vielmehr sprechen auch Anlaß und Zweck dieser Sitzung dagegen, daß
für einen unbeschränkten Personenkreis die Möglichkeit bestand, an dieser Ver-
anstaltung teilzunehmen. Wie selbst der Zeuge Dr. V… bekundet hat, diente
die Sitzung des Wissenschaftlichen Rates der "internen" Abklärung, ob seine Dis-
sertation zur "externen" öffentlichen Verteidigung zugelassen werden konnte.
Berücksichtigt man bei der Bewertung dieser Aussage den Gehalt der Anlage BK2
(Resolution des Ministerrats über das Verfahren über die Erlangung akademischer
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Titel und Verleihung akademischer Grade vom 29. Dezember 1975), so ergibt sich
in diesem Punkte sogar eine inhaltliche Übereinstimmung mit der Aussage der
Zeugin P….
Gemäß dieser Resolution (Anlage BK2), und zwar gemäß ihrem Abschnitt "Ver-
fahren für das Einreichen und Verteidigung von Dissertationen", Punkt 50, soll die
"externe" Verteidigung der Dissertation zwar öffentlich erfolgen. Jedoch muß
gemäß Punkt 52 die Institution, bei der die Dissertation angefertigt wurde, eine
vorläufige Prüfung durch Experten vornehmen, um die Aktualität des Themas der
Dissertation und deren Übereinstimmung mit den Projekten der Forschungsinstitu-
tion festzustellen. Hierfür diente offensichtlich die auch von Dr. V… als solche
bezeichnete "interne" Verteidigung seiner vorläufigen Dissertation vom 7. Septem-
ber 1984. Angesichts des Zieles dieser Sitzung, nämlich der vorläufigen Prüfung
der Arbeit, und den möglichen Folgen für den Kandidaten bei Ablehnung seiner
Arbeit konnte diese Sitzung nach allgemeiner Lebenserfahrung nur unter Aus-
schluß der Öffentlichkeit abgehalten werden. Es ging dabei ja, wie der Zeuge
V… betont hat, nicht einmal nur um eine normale Promotion, sondern um die
Erlangung des Titels "Dr. habil." und damit um die weitere wissenschaftliche Kar-
riere des Zeugen. Vom Ergebnis der Probeverteidigung hing es ab, ob die zu die-
sem Zeitpunkt vorgetragenen wissenschaftlichen Erkenntnisse förderungswürdig
waren und weitere Forschungen rechtfertigten. Da die Dissertation erst Jahre spä-
ter fertiggestellt und öffentlich ("extern") verteidigt wurde, ist davon auszugehen,
daß alle Beteiligten, insbesondere aber der Zeuge V… ein erhebliches Inter
esse daran hatten, nicht bereits zu diesem Zeitpunkt seine Erkenntnisse der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dem entspricht insbesondere auch die ein-
hellige Bezeichnung der Sitzung als "intern".
Für die Öffentlichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. Septem-
ber 1984 spricht auch nicht ihre angebliche Bekanntgabe durch Anschlag am
"Schwarzen Brett" des Instituts. Die entsprechende Bekanntgabe ist nicht bewie-
sen. Der Zeuge Dr. V… hat hierzu lediglich bekundet, ein öffentlicher An
schlag sei üblich gewesen. Er könne allerdings nicht behaupten, einen derartigen
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Anschlag in diesem Fall gesehen zu haben. Laut Angaben des Zeugen
Dr. S… waren am Schwarzen Brett wohl eher Terminsverlegungen ange
schlagen. Der Zeuge Dr. D… bestätigte nur die Existenz eines Schwarzen
Bretts, nicht aber eine Bekanntgabe des Approbationstermins durch einen dorti-
gen Anschlag. Die Zeugin Dr. P… hat nachdrücklich bestritten, daß zu den
Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates jemals am Schwarzen Brett des Instituts
eingeladen wurde. Hier steht also Aussage gegen Aussage. Im übrigen würde
eine öffentliche Bekanntgabe der Sitzung noch nicht bedeuten, daß zu einer sol-
chen Sitzung jedermann Zugang hatte. Die Einladung eines akademischen Gre-
miums "am Schwarzen Brett" wird man trotz der öffentlichen Form normalerweise
gleichwohl nur an die Mitglieder dieses Gremiums gerichtet ansehen können,
sofern nicht die Einladung selbst Anderes ausdrückt oder sonstige Vorschriften
oder auch die nachweisbare Übung dafür sprechen, wofür hier jeder Nachweis
fehlt.
Auch die Einladung zur Sitzung des Wissenschaftlichen Rates in der Morgenbe-
sprechung des Instituts läßt nicht auf Öffentlichkeit der Sitzung des Rates schlie
ßen. Wie die Zeugin Dr. P… überzeugend dargelegt hat, handelte es sich
bei den Morgenbesprechungen ihrerseits um eine rein institutsinterne Angelegen-
heit, bei der ausschließlich klinische Fragen bspw abgeschlossene oder bevorste-
hende Operationen besprochen wurden und an der ausschließlich Ärzte, wissen-
schaftliche Mitarbeiter des Instituts sowie ein bestimmter Kreis von sog Subordi-
natoren teilnehmen durften. Da über Patienten, Krankheitsbilder aber auch miß-
lungene Operationen gesprochen wurde, erscheint es naheliegend, daß – wie die
Zeugin ausgesagt hat - sehr genau darauf geachtet wurde, daß keine außenste-
henden Personen anwesend waren. Im übrigen gilt auch hier, daß die Form der
Einladung noch keinen Schluß auf den Kreis der Adressaten zuläßt.
Soweit die von der Klägerin benannten Zeugen Dr. S… und Dr. D…
bekundet haben, nicht als Mitarbeiter des KSRIGES, sondern als Mitglieder ande-
rer Institute, also als Öffentlichkeit, aus fachlichem Interesse in der Sitzung des
Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 anwesend gewesen zu sein,
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hat die Beklagte durch Vorlage der beiden 1983 abgeschlossenen Verträge über
die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Instituten der Zeugen (BK7 und
BK4) den Nachweis geführt, daß diese beiden Zeugen auf der Grundlage dieser
Dienstleistungsverträge und damit nicht als institutsexterne, beliebige Dritte teilge-
nommen haben.
Nach alledem steht, was die Öffentlichkeit der Sitzung vom 7. September 1984
angeht, Aussage gegen Aussage. Bei der Würdigung dieser Aussagen mußte der
Senat in Rechnung stellen, daß die Ereignisse, um die es geht, ca 18 Jahre
zurückliegen, so daß das aktive Wissen der Zeugen hierzu von vornherein als
fragwürdig erscheinen mußte. Auf Nachfrage haben die Zeugen aber auch freimü-
tig bekundet, daß es Vorbesprechungen – bis hin zu Videoaufzeichnungen – mit
Vertretern der jeweils benennenden Partei gegeben habe, bei denen die damali-
gen Vorgänge ins Gedächtnis zurückgerufen worden seien. Die – ansonsten hoch
zerstrittenen – Parteien haben dies ebenso freimütig und einmütig als wegen des
Zeitablaufs unabweisbar bestätigt. Bei dieser Sachlage war der Beweiswert der
Zeugenaussagen – ihr subjektives Bemühen um eine richtige Aussage unter-
stellt – von vornherein gering, zumal ein emotionales Engagement jeweils für die
benennende Partei unverkennbar war. Da objektive Beweismittel zur Stützung der
Zeugenaussagen zu diesem Punkt weitgehend fehlen, insbesondere keine aus-
drücklichen Vorschriften oder andere schriftliche Dokumente zum Beleg der
Öffentlichkeit der "internen" Verteidigung bekannt geworden sind, hat sich der
Senat nicht von der Öffentlichkeit der fraglichen Sitzung zu überzeugen vermocht.
Es scheint ihm vielmehr eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen,
daß diese Sitzung ihrer Natur nach geheim war.
Der Senat hat keinen Grund gesehen, den weiteren Beweisangeboten der Par-
teien nachzugehen. Er ist zu der Überzeugung gelangt, daß diese Beweisantritte
ungeeignet sind, die Sache weiter aufzuklären, zumal die Parteien selbst nach
insgesamt viertägigen ausufernden Zeugenbefragungen zum Ausdruck gebracht
haben, daß sie eine weitere Aufklärung nicht für erforderlich halten.
- 18 -
Soweit in der Klageschrift weitere Zeugen unter Vorlage einer eidesstattlichen
Versicherung über den Inhalt ihrer Aussage benannt waren, bedarf es deren Ver-
nehmung schon deshalb nicht, weil diese eidesstattlichen Versicherungen keine
Aussagen der Zeugen zu Tatsächlichem enthalten, sondern sich in einer rechtli-
chen Wertung der fraglichen Sitzung als "öffentlich" (im Sinne des deutschen
Patentrechts) erschöpfen. Der Klägervortrag läßt nicht erkennen, daß von diesen
Zeugen darüber hinaus noch Auskunft über relevante Tatsachen gegeben werden
könnte.
Aber auch die nachträglichen Beweisangebote der Klägerin versprechen insoweit
keinen weiteren Aufschluß.
Zu der Behauptung der Klägerin, der Zeuge Dr. S… habe sowohl vor als auch
nach Geltung des Vertrages gemäß Anlage BK4 an Morgenbesprechungen und
auch an Approbationssitzungen des KSRIGES teilgenommen (vgl Ziff 3 des hand-
schriftlichen Beweisangebots der Klägerin vom 24. Oktober 2001, Bl 248 dA), hat
sich der Zeuge bereits geäußert. Er hat bekundet, daß der Vertrag ohnehin nur
eine "tatsächlich bereits vollzogene Zusammenarbeit formal bestätigt" habe und
daß es "in diesem Zusammenhang auch andere Dokumente" gab. Unterstellt man
also die Richtigkeit der Beweisbehauptung, daß Dr. S… auch zu anderen als
den durch den Vertrag Anlage
BK4 abgedeckten Zeiten an Sitzungen im
KSRIGES teilgenommen hat, so beweist dies nicht, daß er auch nur zu diesen
Zeiten als Öffentlichkeit teilgenommen hat. Denn wie der Zeuge ausgesagt hat,
waren die Verträge und die "anderen Dokumente" nur eine an sich unnötige for-
male Bestätigung für eine ohnedies tatsächlich bereits vollzogene Zusammenar-
beit zwischen den Instituten. In keinem Falle beweist Dr. S… Teilnahme an
Sitzungen zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, für den seine Teilnahmeberechti-
gung gänzlich offen ist, daß am 7. September 1984 jedermann Zugang zu der Sit-
zung hatte. Denn die Tatsache, daß es der Beklagten gelungen ist, Dr. S…
Stellung am 7. September 1984 durch Vorlage des Kooperationsvertrages der
Institute zu belegen, indiziert in keiner Weise, daß zu anderen Zeiten ein vertrag-
loser Zustand geherrscht habe.
- 19 -
Auch die Behauptung nach Ziffer 5 dieses Beweisangebots, weder der Zeuge
Dr. S… noch der Zeuge Dr. D… hätten ihre Verpflichtungen aus den
zwischen den Instituten abgeschlossenen Verträgen (Anl BK4 und BK7) erfüllt,
kann als wahr unterstellt werden. Denn ein etwaiger Vertragsbruch der Zeugen
oder auch nur eine laxe Handhabung der Verträge wären kein Beweis für die
Öffentlichkeit der Sitzung vom 7. September 1984. In jedem Falle verpflichtete sie
ein solcher Kooperationsvertrag der Institute oder auch die bloß tatsächliche
Kooperation der Institute, die bei dieser Zusammenarbeit erarbeiteten Erkennt-
nisse nur für die gemeinsamen Zwecke zu verwenden.
Da die Kooperation (bzw der Kooperationsvertrag) nicht zwischen den Zeugen als
Einzelpersonen und KSRIGES lief, sondern zwischen den beiderseitigen Institu-
ten, schloß sie ohne Zweifel die beiderseitigen Institutsangehörigen ein. Deshalb
kann - entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht daraus auf eine Öffent-
lichkeit der Sitzung vom 7. September 1984 oder sonst auf eine Offenkundigkeit
des dort erörterten Gegenstands geschlossen werden, daß – wie die Klägerin
neuerdings unter Beweisantritt behauptet - der Zeuge in seinem Institut über das
Gehörte berichtet hat. Auch diese Behauptung kann also als wahr unterstellt wer-
den.
Richtig mag auch sein und es kann als wahr unterstellt werden, daß der Zeuge
Dr. V… durch keine Vorschriften, amtliche Politik oder Praxis der damaligen
Sowjetunion gehindert gewesen ist, den Gegenstand seiner Entwicklung öffentlich
vorzutragen (Beweisantritt Ziff 6). Daß es für den vorliegenden Fall keine beson-
deren Geheimhaltungsvorschriften gab, kann man unterstellen, da sonst nicht ver-
ständlich wäre, daß sie trotz der Intensität der Recherche der Parteien nicht vor-
gelegt worden sind. Der Senat stützt seine Zweifel an der Öffentlichkeit der Sit-
zung des Wissenschaftlichen Rates aber nicht auf die Annahme, es könne ent-
sprechende Geheimhaltungsvorschriften gegeben haben, sondern – wie oben
ausgeführt - ua auf die Erfahrung, daß es im Wissenschaftsbetrieb darum geht,
eigene wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vor der Zeit, dh vor der eigenen wis-
senschaftlichen Veröffentlichung, an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Damit
- 20 -
diesem Interesse des Wissenschaftlers Rechnung getragen wird, bedarf es keiner
(etwa gar an ihn gerichteten) Verbote. Vielmehr müssen die entsprechenden wis-
senschaftlichen Gremien so arbeiten, daß diesem Interesse ihrer wissenschaftli-
chen Mitarbeiter Rechnung getragen wird. Dh sie müssen Sitzungen wie die hier
fragliche Sitzung vom 7. September 1984, bei der über nicht veröffentlichungsreife
Forschungsvorhaben gesprochen wird, geheim abhalten. Dafür, daß dies in der
damaligen Sowjetunion anders gesehen und gehandhabt worden sein sollte, ist
die Klägerin den Nachweis schuldig geblieben. Im Gegenteil hat der Zeuge
V… diese Sitzung selbst als "intern" bezeichnet und die Zeugin P… hat
ihre geheime Natur nachdrücklich und überzeugend herausgestellt und begründet,
und die Anlage BK2 hat diese Sichtweise bestätigt und untermauert.
Zu der Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 24. Dezember 2001, Seite 35,
wonach der zwischen den Instituten abgeschlossene Vertrag keine Geheimhal
tungsverpflichtung begründet habe, hat sich der dort benannte Zeuge Dr. D…
ebenfalls bereits geäußert und der Senat hat sie entsprechend gewürdigt. Insoweit
sind durch eine erneute Vernehmung des Zeugen keine weiteren tatsächlichen
Erkenntnisse zu erwarten. Auch die im selben Schriftsatz, Seite 43/44 erneuerten
Beweisantritte versprechen keine zusätzlichen tatsächlichen Erkenntnisse über die
Öffentlichkeit der Sitzung vom 7. September 1984. Was die dort benannten Zeu-
gen aussagen können, ergibt sich aus ihren eidesstattlichen Versicherungen, die
sich – wie bereits oben ausgeführt – über den streitigen Sachverhalt ausgespro-
chen vage und in bloßen Rechtsbegriffen (des deutschen Patentrechts) auslas-
sen. Besonders deutlich wird das bei dem Protokoll eines Gesprächs mit dem
Zeugen Dr. V1… (Anl 7 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2001, Bl 195 dA),
das zur Sache nur einige unverbindliche Floskeln ohne jeden tatsächlichen Aus-
sagegehalt enthält.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 ZPO sowie
§ 99 PatG iVm § 709 ZPO.
Dr. Schwendy
Klosterhuber
Kraft
Dr. Kraus
Lokys
Fa