Urteil des BPatG vom 18.01.2007

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BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
3 Ni 1/06
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
18. Januar 2007
In der Patentnichtigkeitssache
betreffend das deutsche Patent 101 11 322
BPatG 253
08.05
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hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2007 unter Mitwirkung …
für Recht erkannt:
Das deutsche Patent 101 11 322 wird für nichtig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig voll-
streckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 8. März 2001 beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt angemeldeten Patents 101 11 322 (Streitpatent). Das Streit-
patent betrifft eine "Vorrichtung zum Erzeugen eines zum Kühlen eines Koch- oder
Bratgerätes dienenden Eisbreis" und umfasst nach der Streitpatentschrift
(DE 101 11 322 B4) 5 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 wie folgt
lautet:
"1. Vorrichtung zum Bereitstellen eines zum Kühlen eines Koch-
oder Bratgefäßes (6), das einen mit einem Vorlauf und mit einem
Rücklauf versehenen, durch eine Innenwandung und eine Außen-
wandung begrenzten Zwischenraum (7) aufweist, dienenden, von
einer Kältemaschine (4) erzeugten, in einem Speicher (1, 13) ge-
speicherten wässrigen Fluids, dadurch gekennzeichnet, dass
das wässrige Fluid eine Suspension von Eiskristallen (Eisbrei) ist,
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der Eisbreispeicher (1, 13) mit einer ersten Kammer (2, 14) und ei-
ner von der ersten Kammer thermisch isolierten zweiten Kam-
mer (3, 15) versehen ist,
die Kältemaschine (4) in die erste Kammer (2, 14) mittels einer
ersten Pumpe (5) in einem geschlossenen Kreislauf Eisbrei för-
dert,
der Zwischenraum
(7) zwischen der Innenwandung und der
Außenwandung des Koch- oder Bratgefäßes (6) über seinen mit
einer zweiten Pumpe (19) versehenen Vorlauf mit der ersten Kam-
mer (2, 14) und über seinen Rücklauf mit der zweiten Kammer (3,
15) verbunden ist und
eine die erste Kammer (2, 14) mit der zweiten Kammer (3, 15) ver-
bindende Pumpe (9, 18) vorgesehen ist."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurück-
bezogenen Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Der Kläger macht geltend, das Streitpatent sei nicht patentfähig, weil dessen Ge-
genstand nicht neu sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begrün-
dung bezieht er sich u. a. auf folgende Dokumente:
DE 195 45 215 A1 (Anlage K2)
WO 00/16027 A1 (Anlage K3).
Der Kläger beantragt,
das Patent 101 11 322 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und hält den Gegenstand des
Streitpatents für patentfähig.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigerklärung des Streitpa-
tents (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
I.
1.
dustriellen Großküchen, z. B. in Kantinen für die Essenszubereitung, bei der Pro-
duktion portionierter Lebensmittel und Menüs und bei der Herstellung von Fertig-
und Halbfertiggerichten (nachfolgend als "Lebensmittel" bezeichnet), Gargeräte
verwendet, die im Anschluss an die thermische Behandlung der Lebensmittel auch
zur Abkühlung der Lebensmittel herangezogen werden können oder - aus hygieni-
schen Gründen - sogar müssen (Streitpatentschrift Abs. 0001). Derartige Gargerä-
te seien oftmals konstruktionsbedingt in der Lage, kaltes Fluid auf der lebensmit-
telabgewandten Seite aufzunehmen, womit die gewünschte und gezielte Abküh-
lung dieser Lebensmittel ohne Entnahme, Umpumpen, Zwischenlagerung usw.
möglich werde. Damit werde das Lebensmittel nicht nur mechanisch geschont,
sondern physikalisch, chemisch und biologisch weitaus weniger kontaminiert als
dies bei den vorbeschriebenen, nachgeschalteten Manipulationen der Fall sei. Ins-
besondere seien für die Abkühlung solche Gargeräte geeignet, welche eine dop-
pelwandige Koch-, Gar- oder Bratwanne oder -mulde hätten (nachfolgend als
"Zwischenraum" bezeichnet), (Streitpatentschrift Abs. 0002). Ein derartiges Koch-
gerät werde in der DE 195 45 215 A1 gezeigt. Dabei werde in den Doppelwand-
Zwischenraum nacheinander Leitungswasser und Eiswasser durch Pumpen ein-
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geführt und nach Wärmeaufnahme abgeführt. Die Kühlung erfolge dadurch, dass
sich das Kühlwasser durch die Wärmeaufnahme aus dem Lebensmittel aufwärme.
Dabei sei das Eiswasser einem Temperaturanstieg unterworfen, welcher die nutz-
bare Temperaturdifferenz zur Wärmeübertragung verringere, und zwar um so
mehr, je höher die Aufwärmung ist (d. h. die mittlere logarithmische Temperaturdif-
ferenz werde geringer), (Streitpatentschrift Abs. 0003). Da Lebensmittel oftmals
nicht nur aus Gründen zeitlicher Ökonomie nach dem Kochvorgang so schnell wie
möglich abgekühlt werden sollten, sondern auch - und in vielen Fällen insbeson-
dere - wegen der Vermeidung der Entstehung und/oder Vermehrung von Keimen,
Bakterien und anderer mikrobiologischer Erreger sogar rasch gekühlt werden
müssten, sei die Anwendung eines effizienten Kühlmittels sinnvoll (Streitpatent-
schrift Abs. 0004). Die Verwendung eines Eisbreis sei beispielsweise aus der DE
199 04 463 A1 bekannt (Streitpatentschrift Abs. 0005).
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anzugeben, die eine schnellere Kühlung ermöglicht (Streitpatent Abs. 0006).
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folgenden Merkmalen:
1. Die Vorrichtung weist eine Kältemaschine (4) zur Erzeugung
von Eisbrei auf;
2. die Vorrichtung weist einen Speicher (1, 13) zum Speichern von
Eisbrei auf;
3. der Speicher (1, 13) ist mit einer ersten Kammer (2, 14) und mit
einer davon thermisch isolierten zweiten Kammer (3, 15) verse-
hen;
4. die Kältemaschine (4) fördert Eisbrei in einem geschlossenen
Kreislauf mittels einer ersten Pumpe (5) in die erste Kammer (2,
14);
5. ein Zwischenraum (7) zwischen einer Innenwandung und einer
Außenwandung eines Koch- oder Bratgefäßes (6) ist über einen
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mit einer zweiten Pumpe (19) versehenen Vorlauf mit der ersten
Kammer (2, 14) und über einen Rücklauf mit der zweiten Kam-
mer (3, 15) verbunden;
6. die erste Kammer (2, 14) ist über eine Pumpe (9, 18) mit der
zweiten Kammer (3, 15) verbunden.
II.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand
der Technik zwar neu, er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Ingenieur (FH) des Maschinenbaus
oder der Verfahrenstechnik mit Erfahrungen in der Konstruktion von Kühl- und Käl-
teanlagen anzusehen, der ggfs. von einem Lebensmitteltechnologen mit Erfahrun-
gen auf dem Gebiet der Konzeption von Großküchen zur Lösung der gestellten
Aufgabe zu Rate gezogen wird.
Eine aus der im Streitpatent zum Stand der Technik zitierten DE 195 45 215 A1
bekannte Kühleinrichtung weist eine Vorrichtung zum Bereitstellen von Kühlwas-
ser zum Kühlen eines doppelwandigen Gargerätes auf.
In der WO 00/16027 A1 ist eine Vorrichtung zur Bereitstellung von Eisbrei zum
Kühlen von z. B. zum Transport von Lebensmitteln dienenden doppelwandigen
Containern beschrieben. Die Vorrichtung weist eine Kältemaschine (BIG, Fig. 1)
zum Erzeugen des Eisbreis auf. Ein Eisbreispeicher ist mit einer ersten Kammer
(BIST) und mit einer zweiten Kammer (BIRL) versehen. Die Kältemaschine ist mit
ihrem Vorlauf, in den eine Pumpe (BIC) geschaltet ist, und ihrem Rücklauf an die
erste Kammer angeschlossen und fördert somit Eisbrei in einem geschlossenen
Kreislauf mittels einer Pumpe in die erste Kammer. An die zweite Kammer ist ein
doppelwandiger Kühlcontainer anschließbar. Der Zwischenraum zwischen der In-
nenwandung und der Außenwandung des Containers ist über einen mit einer
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Pumpe (BID) versehenen Vorlauf mit der ersten Kammer (BIST) und über einen
Rücklauf mit der zweiten Kammer (BIRL) verbunden, zumindest solange die Eis-
konzentration im Vorlauf und im Rücklauf nicht (fast) konstant ist (S. 6 Abs. 4). Die
erste Kammer ist über eine Pumpe (BIB) mit der zweiten Kammer verbunden.
Somit unterscheidet sich die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 des Streitpatents
von der aus der WO 00/16027 A1 bekannten Vorrichtung dadurch, dass ein Koch-
oder Bratgefäß (und nicht ein Transportcontainer) an die Vorrichtung zur Bereit-
stellung (Erzeugung und Speicherung) des Eisbreis angeschlossen ist.
In der WO 00/16027 A1 ist aber nicht nur die Kühlung, d. h. das Kühlhalten, wäh-
rend des Transports angesprochen, sondern auch das schnelle Herunterkühlen
des Kühlguts (S. 3 Abs. 3 bis 6). In diesem Zusammenhang werden die besonde-
ren Vorteile von Eisbrei als Kühlmittel herausgestellt, nämlich die durch die zum
Schmelzen der Eiskristalle erforderliche Wärme erhöhte Wärmeaufnahmefähigkeit
des Eisbreis gegenüber der reinen Flüssigkeit (Wasser). Der Fachmann denkt da-
bei automatisch auch daran, dass die Temperatur von Eisbrei bei Wärmezufuhr
(abgesehen von lokalen Inhomogenitäten) solange konstant gleich der des
schmelzenden Eises bleibt, wie noch nicht alles Eis geschmolzen ist. Es liegt auf
der Hand, dass sich dies vorteilhaft hinsichtlich der die Wärmeübertragung trei-
benden mittleren logarithmischen Temperaturdifferenz auswirkt. Für den Fach-
mann liegt es daher nahe, die aus der WO 00/16027 A1 bekannte Vorrichtung
zum Bereitstellen von Eisbrei mit einem doppelwandigen Gargerät zu verbinden,
wenn er ausgehend von einer Anlage, bei der zur Kühlung eines Gargerätes Kühl-
wasser von einer Vorrichtung bereitgestellt wird (DE 195 45 215 A1), nach einer
effektiveren Kühlung sucht.
Somit ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents für den
Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Einen Homogenisierer, d. h. ein Rührwerk zum gleichmäßigen Verteilen von Stof-
fen und zum Vermeiden von Temperatur- oder Konzentrationsunterschieden ein-
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zusetzen, gehört zum üblichen Fachwissen des Fachmanns. Auch in der Weiter-
bildung mit einem solchen Homogenisierer nach Patentanspruch 2 ist der Streitpa-
tentgegenstand daher nicht patentfähig.
Die in den Patentansprüchen 3 bis 5 angegebenen Merkmale betreffen einfache
konstruktive Ausbildungen, in denen der Senat nichts Patentfähiges erkennen
kann. Die Patentinhaberin hat dazu auch nichts vorgetragen.
Das Patent ist daher insgesamt für nichtig zu erklären.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
gez.
Unterschriften