Urteil des BPatG vom 08.05.2002

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BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 126/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 301 27 389.8
hat der 28.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
12. November 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel, des
Richters Paetzold und der Richterin Schwarz-Angele
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beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für
Klasse
12 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
8. Mai 2002 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Der Anmelder begehrt die Eintragung der Farbkombination „gelb, lila“ als
Farbmarke. Die Eintragung sollte ursprünglich für die Waren
„Gewindefahrwerke; Sportfahrwerke; Teile von
Gewindefahrwerken und Sportfahrwerken, nämlich Federn,
Tieferlegungsfedern, Sportfedern, Dämpfer, Stoßdämpfer,
Sportstoßdämpfer, Rennstoßdämpfer“
erfolgen, nunmehr ist eine Beschränkung auf die Waren
„Gewindefahrwerke, Sportfahrwerke“
vorgenommen worden.
Dem Antrag ist folgende – nunmehr ebenfalls eingeschränkte –
Beschreibung beigefügt:
Die Waren des Warenverzeichnisses sind bezgl. der beanspruchten
Farbkombination derart gestaltet, dass die Federn der Fahrwerke gelb und
die Dämpfer- und Anbauteile der Fahrwerke lila gestaltet sind.
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Außerdem sind die beiden Farben unter Angabe der Klassifizierung „Gelb = HSK
5 K“ und „Lila = HSK 34 K“ festgelegt worden.
Die Markenstelle für Klasse 12 hat die Anmeldung wegen fehlender
Unterscheidungskraft zurückgewiesen, denn der beteiligte Verkehr sehe in den
Farben keinen Hinweis auf den Hersteller, sondern nur eine farbliche Gestaltung
des Produkts.
Gegen diese Entscheidung des Patentamts hat der Anmelder Beschwerde ein-
gelegt. Er trägt vor, es sei in der betreffenden Branche üblich, dass Farben oder
Farbkombinationen in Art einer „Hausfarbe“ verwendet würden. Die Produkte
seien für eine ganz bestimmte Gruppe von Verbrauchern bestimmt, nämlich den
„Autonarren“, die ihre Serienfahrzeuge mit vielerlei Extras versehen. Die Mitglieder
dieser Szene seien an die Farbgestaltung und die entsprechende Zuordnung zu
einem bestimmten Hersteller gewöhnt.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts mehrere Kataloge über
Autozubehör (D & W 2003, D & W 2002, Rieger 2003) in Augenschein genommen
und eine Anfrage bei Verbänden durchgeführt, von denen jedoch nur zum Teil
eine Auskunft eingegangen ist (Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern,
Zentralverband Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe, sowie die vom Anmelder
vorgelegte Auskunft des Verbandes Deutscher Automobil Tuner e.V.).
Insoweit und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.
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II
Die Beschwerde ist zulässig (§ 165 Abs 4 MarkenG) und auch begründet, denn
die angemeldete Marke ist für diese speziellen Waren unterscheidungskräftig und
nicht freihaltungsbedürftig, so daß ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41
MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder 2 Mar-
kenG entgegenstehen.
1. Bei der Anmeldung handelt es sich nicht um eine abstrakte Farbmarke mit
der Folge, dass der Anmelder nunmehr Schutz für jedwede Verteilung
beider Farben auf den Waren oder deren Verpackung erhielte. Vielmehr ist
auf Grund der vom Anmelder vorgenommenen Beschreibung der Marke
deren Schutzumfang bestimmt und festgelegt. Vom Schutz umfasst ist
daher ausschließlich die gelb/lila Farbkombination der Fahrwerke mit der
Farbverteilung „gelbe Federn“ und „lila Dämpfer- und Anbauteile“. Der
Gegenstand der Anmeldung ist also nicht eine in ihren Konturen und der
Aufteilung der Farben freie und unbegrenzte Farbmarke – auch wenn der
Anmelder seine Marke stets als „Farbmarke“ bezeichnet -, sondern eine
Kombination der Farben gelb und lila mit einer exakten Festlegung ihrer
Verwendung auf den Fahrwerken entsprechend der vom Anmelder
vorgenommenen Markenbeschreibung. Jeder andere Gebrauch der
Farbkombination wird vom Markenschutz nicht umfasst. Die Marke steht
damit einer Aufmachungsmarke näher als einer abstrakten Farbmarke (sie
könnte auch als „konkrete“ Farbmarke bezeichnet werden).
2. Zweifel an der Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs 2 MarkenG haben sich nicht
ergeben, denn sowohl nach den Feststellungen des Gerichts als auch nach
den Auskünften der Verbände hat die Farbgestaltung bei Stoßdämpfern
keinerlei technische Funktion oder Wirkung (etwa Rostschutz, Einbauhilfe,
Sichtbarmachung von Abriebstellen, von Verschmutzung) und damit auch
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keine technische Aussagekraft (zB Hinweis auf die Federstärke). Die
Farbkombination ist somit nicht im wesentlichen technisch bedingt (EuGH,
GRUR 2002, 804 - Philips), sondern sie dient dem Aussehen und der
Gestaltung des Produkts.
3. Die angemeldete Marke ist unterscheidungskräftig iSv § 8 Abs 2 Nr 1
MarkenG, denn wegen des spezifischen Warenbereiches, der exakt
festgelegten Verteilung der Farbe auf der Ware, sowie insbesondere der
Übung des Verkehrs in diesem Marktsegment Farben und
Farbkombinationen – auch – kennzeichnend einzusetzen, ist die konkrete
Unterscheidungseignung dieser Marke (auch unter dem Gesichtspunkt des
Eintragungsanspruchs nach § 33 Abs 2 MarkenG) zu bejahen.
In aller Regel jedoch sieht der Verbraucher in der Farbe einer Ware oder deren
Verpackung keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware, sondern
Farbe bedeutet für ihn in erster Linie eine notwendige Eigenschaft der Ware,
die – soweit aufgrund der Beschaffenheit des jeweiligen Produkts eine
unterschiedliche Farbgebung möglich ist – verwendet wird, um ein Produkt
ansprechend und dekorativ zu gestalten. Aussehen und Farbe des Produkts
verschmelzen und bestimmen als Einheit das äußere Erscheinungsbild einer
Ware. Der durchschnittliche Verbraucher, der es gewohnt ist, das Produkt am
Wort zu erkennen – weil er damit die Ware am einfachsten bezeichnen kann -
unterzieht deshalb die Farbe und Form einer Ware keiner analytischen
Betrachtung und bringt ihr eine nur geringe Aufmerksamkeit entgegen. In der
Regel wird er also nicht bereit sein von der Farbe eines Produkts auf dessen
Herkunft zu schließen (vgl insoweit zu Formmarken EuGH, MarkenR 2003, 280
– Form einer Zigarre ua; BGH, MarkenR 2003, 178 – Abschlussstück; BGH,
WRP 2003, 889 – Goldbarren). In Einzelfällen jedoch kann Farbe ein Zeichen
sein und eine über die bloße Sichtbarmachung und Ausgestaltung eines
Produkts hinausgehende, nämlich auf die Herkunft der Waren hinweisende
Information geben. Dazu bedarf es jedoch besonderer und erheblich außerhalb
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der Norm liegender Anhaltspunkte (EuGH, MarkenR 2003, 227 – Orange).
Denkbar ist dies, wenn es sich um einen sehr beschränkten Markt mit
spezifischen Produkten handelt und sich der Verkehr zB wegen der
Verwendung von Farben oder Farbkombinationen in Art von Hausfarben, an
deren herkunftshinweisende Funktion gewöhnt hat. Weil das Markenrecht
jedoch ein „wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten
Wettbewerbsrechts“ ist, und wegen der geringen Zahl der tatsächlich
verfügbaren Farben mit nur wenigen Eintragungen der ganze Bestand an
verfügbaren Farben erschöpft werden könnte - womit ein Allgemeininteresse
besteht, allen Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit zu geben, Farben ohne
räumliche Begrenzung zu verwenden (vgl EuGH, aaO – Orange) - dürfte die
Eintragung von Farben und Farbkombinationen von Hause aus letztlich auf
Einzelfälle beschränkt bleiben. Sind aber wie hier auf Grund der genauen
Beschreibung der Farbverteilung das Aussehen und Erscheinungsbild des
Produktes unzweideutig festgelegt, so kann dieses Allgemeininteresse – das
auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft heranzuziehen ist –
ausnahmsweise und wegen der besonderen Gegebenheiten auf dem
besonderen Warengebiet - zurücktreten.
Mit der Ware „Gewindefahrwerke, Sportfahrwerke“ kommt nur ein ganz
spezifischer Teil der Verbraucher in Berührung, nämlich zum einen der
Fachverkehr, also zB der Kraftfahrzeugmechaniker in der Autowerkstätte, oder der
interessierte Laie, nämlich der Hobbybastler, der sein Fahrzeug selbst repariert,
oder zum anderen der Teil der Autobesitzer, der sein Fahrzeug verändert und
nachrüstet. Nahezu alle Autohersteller bauen werkseitig „farblose“, dh
metallfarbene, schwarze oder graue Stoßdämpfer in ihre Kraftfahrzeuge ein. Diese
„Nicht - Farben“ sind auch auf dem allgemeinen Ersatzteilmarkt anzutreffen, wo
Stoßdämpfer für die Fachwerkstätte oder den Hobbybastler angeboten werden.
Der Ersatzteilmarkt beim Auto–Tuning hingegen, also die Anbieter von
Sportfahrwerken und Gewindefahrwerken für das sogenannte „sportliche“
Fahrzeug und für das „Tieferlegen“ eines Kraftfahrzeugs, zeigt sich „farbig“. Dieser
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Markt ist relativ überschaubar, denn es gibt nicht sehr viele Hersteller dieser
Spezialprodukte. Der an sich sehr umfangreiche Autozubehörkatalog der Firma
„Rieger 2003“ (Anbieter für Tuning, Styling, Interieur, Fahrwerk, Räder und
Sportsound) führt sechs Hersteller (H & R, Koni, Power Tech, Weitec, SCC und
KW, die Firma des Anmelders); der Katalog der Firma „D & W“ 2003 hat daneben
noch Fahrwerke mit eigener Kennzeichnung, sowie solche der Firmen INXX, FK
Automotive, Sachs Performance und Bilstein. Seitens des Anmelders wurden drei
weitere Hersteller genannt, nämlich die Firmen VDF Vogtland, ap-tuning und
Apex. Die Fahrwerke fast aller dieser Hersteller sind farbig, meist zweifarbig und
die Verteilung der beiden Farben entspricht ganz überwiegend der auch vom
Anmelder vorgenommenen Aufteilung auf Feder und Dämpfer- und Anbauteile
der Fahrwerke. Die meisten Hersteller benutzen nur eine Farbkombination so zB
die Firma Weitec (grün/schwarz), die Firma Vogtland (lila/schwarz), die Firma
Sachs (schwarz/rot), die Firma Bilstein (blau/gelb), manche verwenden zwei
unterschiedliche Kombinationen, so zB die Firma Koni (schwarz/gelb und rot/gelb),
die Firma PowerTech (rot/blau und rot/gelb), die Firma ap-tuning (blau/gelb,
rot/blau); die Firma Apex (gelb/rot und gelb/blau) und nur ein Hersteller zeigt sich
„bunt“, nämlich die Firma INXX (gelb/schwarz, blau/metall, blau/gelb, rot/gelb
usw). Häufig werden diese Farben in Art einer Hausfarbe in Preislisten und
Produktinformationen übernommen und weitergeführt. Damit kann davon
ausgegangen werden, dass die Hersteller dieser Spezialprodukte eine gewisse
Farbgebung der Fahrwerke beibehalten und sie untereinander wohl auch
respektieren, denn übereinstimmende Farbkombination stellen die Ausnahme dar.
Infolgedessen spricht vieles dafür, dass sich in diesem Marktsegment wegen der
ansonsten gebräuchlichen schwarzen oder grauen Farbe, sowie der zahlenmäßig
geringen Hersteller eine Gewöhnung dieses ganz speziellen Verkehrs dergestalt
stattgefunden hat, dass entgegen der sonstigen Übung von der Farbkombination
der Fahrwerke auf deren Hersteller geschlossen wird. Dass die Farbe nur der
Dekoration dient – wie einer der Fachverbände meint – ist wenig überzeugend,
denn Fahrwerke sind nach dem Einbau nicht mehr sichtbar. Wenn der Autofreak
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demjenigen, der seine Fahrwerke dennoch sieht, damit kundtun möchte, dass sein
Fahrzeug getunt ist, so bedeutet dies nicht, dass damit die der Farbkombination
innewohnende Herkunftseignung entfiele.
Zugunsten des dem Anmelder zustehenden Eintragungsanspruchs ist somit davon
auszugehen, dass diese konkrete Farbkombination in der angemeldeten
Aufmachung zumindest für einen maßgeblichen Teil des betroffenen Verkehrs
auch kennzeichnend wirken kann.
Der vorliegende Fall ist vergleichbar mit der vom Bundespatengericht
entschiedenen 3D Marke „grünes Kunststoffrohr mit grünen vier schmalen
Streifen“ (BPatG v 29.4.2003, 33 W (pat) 13/01 veröffentlicht in PAVIS), bei dem
die Schutzfähigkeit ebenfalls wegen der auf diesem speziellen engen
Warenbereich üblichen und gebräuchlichen, je nach Hersteller farblich
unterschiedlichen Einfärbung der Produkte bejaht worden ist.
4.
Der Eintragung steht auch nicht das Hindernis des Freihaltungsinteresses
der Mitbewerber entgegen (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Wie oben dargestellt berührt
die von dem Anmelder gewünschte konkrete Farbverteilung auf der jeweiligen
Ware weder das Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb, noch
damit das Interesse der Mitbewerber an der Verwendung eben dieser farblichen
Ausstattung ihrer Produkte. Der Vergleich mit deren farbigen Stoßdämpfern zeigt
vielmehr, dass ein wettbewerbsgerechtes Nebeneinander unter Gebrauch anderer
Farbkombinationen möglich ist.
Stoppel Paetzold
Schwarz-Angele
Bb