Urteil des BPatG vom 24.10.2001

BPatG: unterscheidungskraft, internet, patent, verkehr, wertpapierhandel, wortmarke, fremdsprache, unternehmen, werbung, begriff

BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 39/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 35 012.8
hat der 32.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
25. September 2002 durch Richter Dr.
Albrecht als Vorsitzenden, Richter
Sekretaruk und Richterin k. A. Bayer
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
24. Oktober 2001 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung
zurückgewiesen wurde.
G r ü n d e
I.
Die Anmeldung der Wortmarke
Fair Value Net
wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt teilweise und zwar hinsichtlich der
Dienstleistungen
Durchführung von Versteigerungen und Auktionen im Inter-
net; Dienstleistungen im Internet, nämlich Veranstaltung von
Tauschbörsen, Vermittlung von Verträgen über den Verkauf
von Waren und deren Abrechnung (Online-Shopping) in
Computer-Netzwerken und/oder mittels anderer Vertriebska-
näle; Betrieb von elektronischen Märkten im Internet durch
Online-Vermittlung von Verträgen sowohl über die Anschaf-
fung von Waren als auch über die Erbringung von Dienstlei-
stungen; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften
im Rahmen eines elektronischen Kaufhauses; Finanzdienst-
leistungen; Immobilienvermittlung; Wertpapierhandel; Bereit-
stellen von Informationen zum Wertpapierhandel; Entwick-
lung von Franchisekonzepten für die Vermittlung von finan-
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ziellem Know how; Telekommunikation; Such- und Vermitt-
lungsdienste, nämlich Suchen und Auffinden von Informatio-
nen in einem Daten-Netzwerk, insbesondere dem Internet
wegen fehlender Unterscheidungskraft der Marke zurückgewiesen. Zur Begrün-
dung wurde ausgeführt, dass sich – je nach beanspruchter Dienstleistung – die
Marke lediglich in einer Sachangabe erschöpfe. Auch wenn es sich um eine lexi-
kalisch nicht nachweisbare Wortneuschöpfung handle, sei diese jedoch grammati-
kalisch korrekt und sprachüblich gebildet, weshalb sie von den angesprochenen
Verkehrskreisen nur als Sachangabe des genannten Inhalts, nicht aber als Hin-
weis auf der Herkunft der Waren und Dienstleistungen aufgefasst werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der
Auffassung, dass "Value" nicht zu den geläufigen englischen Vokabeln gehöre,
"net" mehrdeutig sei und die beanspruchte Wortfolge keine unmittelbar beschrei-
bende Bedeutung im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen
ergebe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Eintragung in das Mar-
kenregister steht weder das Eintragungshindernis der fehlenden Unterschei-
dungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch das einer Bezeichnung im Sinne von
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion
der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienst-
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leistungen zu gewährleisten. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maß-
stab auszugehen, d.h., jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht
aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die
fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender
Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein
gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom
Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung -
stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt
es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungs-
eignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr. vgl. BGH BlPMZ
2002, 85 - INDIVIDUELLE). Der angemeldeten Marke kann jedenfalls in ihrer
Gesamtheit keine im Vordergrund stehende Sachaussage entnommen werden.
"Fair-Value"-Bewertung ist ein finanzwissenschaftlicher Fachbegriff im Bereich der
Finanzinstrumente (vgl. z.B. http://www-cgi.uni-regensburg.de/fakultaeten/wiwi/
scherrer/edu/opi/fairvalue.html). "net" ist eine allgemein gebräuchliche Abkürzung
für "Internet". Weitere Inhalte waren nicht feststellbar. In der vorzunehmenden
Gesamtbetrachtung ergibt weder die englische Wortfolge noch die Übersetzung
einen sinnvollen Begriff. Damit verbietet sich die Annahme der fehlenden Unter-
scheidungskraft; vielmehr ist anzunehmen, dass die angesprochenen Verkehrs-
kreise in der Marke einen unterscheidungskräftigen Phantasiebegriff erblicken
werden.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass "Fair Value Net" stets als solches
und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Bei der Eingabe des Begriffs
in übliche Suchmaschinen des Internets (z.B. "Google"/24. Juli 2002) ergaben sich
– außer einer markenmäßigen Verwendung oder einer Verwendung als domain-
Bezeichnung (fairvaluenet.com) - keine Treffer. Dies verbietet die Annahme, dass
die Marke nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.
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Die Marke ist auch nicht deshalb von der Eintragung ausgeschlossen, weil sie
ausschließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art oder
sonstiger Merkmale der Dienstleistungen dienen kann (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Wie oben dargestellt, kann der Marke kein eindeutig beschreibender Inhalt ent-
nommen werden, so dass sie auch nicht zur Merkmalsbezeichnung dienen kann.
Gegenstand dieser Entscheidung ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurück-
weisung der Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse. Dem Deutschen
Patent- und Markenamt bleibt es unbenommen, das Waren- und Dienstleistungs-
verzeichnis auf seine Bestimmtheit zu überprüfen.
Dr. Albrecht
Sekretaruk
Bayer
Fa