Urteil des BPatG vom 15.04.2009

BPatG: patent, rechtsschutzinteresse, einspruch, widerruf, erlöschen, veröffentlichung, gefahr, verzicht, fahrzeug

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 381/04
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 102 37 172
- 2 -
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
15. April 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Pontzen, des
Richters Bork, der Richterin Friehe sowie des Richters Dr.-Ing. Höchst
beschlossen:
Die Einsprüche werden als unzulässig verworfen.
G r ü n d e
I.
Gegen das am 14. August 2002 angemeldete Patent 102 37 172 mit der Bezeich-
nung „Längswelle“, dessen Erteilung am 8. April 2004 veröffentlicht wurde, haben
die Einsprechende I am 29. Juni 2004 und die Einsprechende II am 8. Juli 2004 je-
weils schriftlich Einspruch erhoben und zugleich begründet.
Am 19. November 2008 hat die Patentinhaberin gegenüber dem Deutschen Pa-
tent- und Markenamt schriftlich auf das Patent verzichtet. Das Gericht hat beiden
Einsprechenden mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 Gelegenheit gegeben, bin-
- 3 -
nen einer Frist von drei Wochen ein Rechtsschutzinteresse an einem rückwirken-
den Widerruf des Patents geltend zu machen. Die Einsprechende II hat ein sol-
ches Interesse nicht geltend gemacht. Die Einsprechende I hat mit Schriftsatz vom
15. Dezember 2008 vorgetragen, es bestehe die Gefahr, dass sie aus dem Patent
für die Vergangenheit in Anspruch genommen werden könne, da sie Inhaberin der
Patentanmeldung 102 15 657 sei, bei der eine Vorrichtung zum Verbinden einer
Längswelle gezeigt werde, die im Aufbau identisch zu zumindest einer Endseite
des Gegenstand des Streitpatents sei. Den Gegenstand ihrer Patentanmeldung
benutze sie seit dem Jahre 2005 im Fahrzeug Audi Q7.
Sie beantragt,
das Patent rückwirkend zu widerrufen.
Mit Schriftsatz vom 3. März 2009 hat die Patentinhaberin erklärt, sie werde gegen
die Einsprechende I keine Ansprüche aus dem Streitpatent für die Zeit vom
8. April 2004 bis zum 19. November 2008 geltend machen, habe keinen Dritten er-
mächtigt, solche Ansprüche geltend zu machen, und werde auch keinen Dritten
hierzu ermächtigen. Diese Erklärung erstrecke sich nicht auf mögliche Ansprüche
aus dem europäischen Patent EP 1 528 990 oder aus anderen Schutzrechten.
Die Einsprechende I hat daraufhin mit Schriftsatz vom 19. März 2009 mitgeteilt, es
werde weiterhin ein rechtliches Interesse am rückwirkenden Widerruf des Patents
geltend gemacht.
II.
Die Einsprüche waren mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zu verwer-
fen. Da insoweit kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wurde und diese
- 4 -
auch nicht sachdienlich ist, konnte die Entscheidung im schriftlichen Verfahren er-
gehen (§ 78 PatG analog).
Für die Fortsetzung eines Einspruchsverfahrens nach dem Erlöschen des Patents
ist ein besonderes, eigenes Rechtsschutzinteresse des Einsprechenden erforder-
lich. Denn das Interesse der Allgemeinheit am Widerruf unberechtigter Schutz-
rechte ist nicht mehr berührt, wenn das Patent erloschen ist (BGH GRUR 2008,
279 - Kornfeinung; 1997, 615 - Vornapf). Das Rechtsschutzinteresse des Einspre-
chenden nach Erlöschen des Patents ist ein Zulässigkeitserfordernis, das zum
Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch vorliegen muss; liegt es nicht vor,
ist der Einspruch unzulässig.
Vorliegend ist das Patent infolge Verzichts am 19. November 2008 erloschen, § 20
Abs. 1 Nr. 1 PatG.
1.
Das von der Einsprechenden I zunächst berechtigt geltend gemachte Rechts-
schutzinteresse ist aufgrund der Erklärung der Patentinhaberin vom 3. März 2009
weggefallen und der Einspruch damit unzulässig geworden.
Vorliegend wurde die Patentanmeldung vor der Veröffentlichung der Patentertei-
lung am 8. April 2004 nicht offengelegt, so dass allenfalls Ansprüche aus dem
Streitpatent für den Zeitraum von der Veröffentlichung der Patenterteilung bis zum
Erlöschen durch den Verzicht bestanden haben könnten. Die Patentinhaberin hat
aber erklärt, dass sie Ansprüche aus dem Streitpatent für diesen Zeitraum nicht
geltend machen werde. Durch diese Erklärung ist das Rechtsschutzinteresse der
Einsprechenden I weggefallen, denn es besteht keine Gefahr mehr, dass sie aus
dem Patent für die Vergangenheit wegen Verletzung desselben in Anspruch ge-
nommen werden wird. Dass sich diese Erklärung nur auf das Streitpatent und
nicht auf das parallele europäische Patent und andere Schutzrechte bezieht, steht
dem nicht entgegen. Denn eine etwaige Entscheidung über den Widerruf des
- 5 -
Streitpatents lässt das parallele europäische Patent ebenso unberührt wie etwaige
andere Schutzrechte.
2.
Ein eigenes Rechtsschutzinteresse an der Fortsetzung des Einspruchsverfah-
rens hat die Einsprechende II nicht geltend gemacht. Damit ist auch ihr Einspruch
unzulässig geworden.
Pontzen
Bork
Friehe
Höchst
Ko