Urteil des BPatG vom 28.01.2003

BPatG (marke, bestandteil, verwechslungsgefahr, begriff, beschwerde, verkehr, gesamteindruck, beurteilung, zeichen, begründung)

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 29/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 396 41 707
BPatG 152
10.99
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hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 28. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schermer sowie
Richterin Friehe-Wich und Richter Dr. van Raden
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke
für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ ist Widerspruch einge-
legt aus der prioritätsälteren Gemeinschafts-Wort-/Bildmarke
siehe Abb. 1 am Ende
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eingetragen unter der Nr. 000136226 für zahlreiche Waren der Warenklasse 25.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch zurückgewiesen. Selbst bei der Anlegung strengster Maßstäbe hiel-
ten die Marken den erforderlichen Abstand ein, um Verwechslungen zu vermei-
den. In ihrem Gesamteindruck unterscheide sich die angegriffene Marke deutlich
von der Widerspruchsmarke durch das zu dem gemeinsamen Wort „ocean“ hinzu-
gefügte „coast“. Die jüngere Marke werde auch nicht von dem übereinstimmenden
Bestandteil geprägt, vielmehr gehe dieser Bestandteil in dem Gesamtbegriff
„ocean coast“ auf und verliere jegliche Eigenständigkeit. Eine Abspaltung des Ein-
zelelements "ocean" sei willkürlich und könne deshalb ausgeschlossen werden.
Der auffällige Klangwert des weiteren Markenwortes „coast“ vermittle der jüngeren
Marke ein ausdrucksstarkes Klangbild, das sich auch bei flüchtigem Kontakt deut-
lich von der Widerspruchsmarke abhebe. Zudem unterschieden sich die Marken in
der graphischen Gestaltung. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr sei zu
verneinen, da dem Bestandteil "ocean" keine eigenständige Kennzeichnungsfunk-
tion zukomme und der Verkehr diesen Bestandteil folglich nicht als Stammzeichen
der Inhaberin der älteren Marke werten werde. Eine Verwechslungsgefahr zwi-
schen beiden Marken bestehe daher nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit
der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt.
Ihrer Auffassung nach ist eine Ähnlichkeit beider für identische Waren der Klas-
se 25 eingetragenen Marken schon deshalb zu bejahen, weil sie begrifflich über-
einstimmten. Beide Begriffe weckten gleiche Assoziationen; eine Aufspaltung in
Wasser und Land werde nicht stattfinden. Zu der begrifflichen Identität komme
klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit im erfahrungsgemäß stärker beachteten
Wortanfang. Der angesichts der Warenidentität erforderliche Abstand zwischen
den Marken werde damit nicht eingehalten. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr
sei gegeben, weil der am Anfang der jüngeren Marke stehende Bestandteil
„ocean“ selbständig kennzeichnenden Charakter habe und deshalb als Hinweis
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auf den Stammbestandteil „ocean“ aus dem Unternehmen der Widersprechenden
aufgefasst werde.
Der Inhaber der angegriffenen Marke, der sich im Beschwerdeverfahren nicht ge-
äußert hat, ist der Ansicht der Widersprechenden im Widerspruchsverfahren ent-
gegengetreten. Seiner Auffassung nach neigt der Verkehr nicht dazu, eine aus
zwei Wörtern bestehende Marke auf das erste Wort zu verkürzen.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Markenstelle zu
Recht und mit zutreffender Begründung, eine rechtserhebliche Verwechslungsge-
fahr zwischen den Vergleichsmarken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ver-
neint hat. Weder das Beschwerdevorbringen noch sonstige Erwägungen bieten für
eine abweichende Beurteilung Anlass.
Wie die Markenstelle dargelegt hat, besteht selbst bei Anlegung strengster Maß-
stäbe, wie sie bei identischen Waren geboten ist, keine Verwechslungsgefahr zwi-
schen den Marken.
Soweit die Widersprechende geltend macht, dass die ältere Marke in der jüngeren
Marke vollständig enthalten sei, verkennt sie, dass nach der neueren höchstrich-
terlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechs-
lungsgefahr grundsätzlich unabhängig vom Prioritätsalter der sich gegenüberste-
henden Zeichen allein auf ihren Gesamteindruck abzustellen ist (vgl. EuGH
GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f. - RAUSCH/
ELFI RAUCH). In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Marken aber schon
deshalb, weil die Widerspruchsmarke den zusätzlichen Bestandteil „coast“ der jün-
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geren Marke nicht enthält. Hinzu kommt, dass in der graphischen Gestaltung bei-
der Marken signifikante Unterschiede bestehen.
Die Beurteilung anhand des Gesamteindrucks schließt zwar nicht aus, dass einem
einzelnen Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere, das gesamte Zei-
chen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen ist, wenn diesem Bestandteil in
der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb ge-
eignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weite-
ren Bestandteile so in den Hintergrund treten, dass sie für den Verkehr an Bedeu-
tung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl. BGH,
a.a.O., S. 234 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Für eine Prägung der angegriffenen Mar-
ke durch den Wortbestandteil „ocean“ sind hier aber keine Anhaltspunkte erkenn-
bar.
Im Gegensatz zur Ansicht der Widersprechenden ergeben die beiden Bestandteile
einen (neuen) einheitlichen Gesamtbegriff, der von breitesten Verkehrskreisen
ohne weiteres als „Ozeanküste“ verstanden wird, einem Begriff, der keineswegs
mit „Ozean“ identisch ist, sondern einen spezifischen, abgegrenzten Bereich dar-
stellt. Wegen dieser gesamtbegrifflichen Einheit besteht für die angesprochenen
Verbraucher keinerlei Veranlassung, den Wortbestandteil „Ocean Coast“ auf den
unterschiedlichen Begriff „ocean“ zu verkürzen.
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden steht auch nicht zu erwarten,
dass maßgebliche Teile des Verkehrs aufgrund des übereinstimmenden Bestand-
teils „ocean“ in beiden Marken der Gefahr mittelbarer Verwechslungen gemäß § 9
Abs 1 Nr. 2 Halbs 2 MarkenG unterliegen könnten. Dagegen spricht bereits, dass
„Ocean Coast“, wie oben ausgeführt, eine begriffliche Einheit bildet, in der „Ocean“
nicht als betriebskennzeichnender Wortstamm hervortritt. Im übrigen handelt es
sich bei den Marken, auf die sich die Widersprechende zur Begründung einer
Markenserie beruft (drei Wort-Bildmarken mit dem Bestandteil „Ocean“ und der
Darstellung eines Segelschiffs, sowie die Wortmarken „Ocean“ und „Ocean Ther-
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mal“) nicht um eine einheitlich gebildete Serie, die irgendeine Ähnlichkeit mit de
angegriffenen Marke aufweist. Hinzu kommt, dass im Markenregister zahlreiche
weitere Eintragungen von Marken mit dem Bestandteil „Ocean“ verzeichnet sind,
die unterschiedlichen Inhabern gehören. Dieser Begriff ist daher als Stammbe-
standteil einer Markenserie ungeeignet.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs. 1 Satz 2
MarkenG verwiesen.
Dr. Schermer
Friehe-Wich
Dr. van Raden
Ko
Abb. 1