Urteil des BPatG vom 21.05.2003

BPatG: marke, bestandteil, beschreibende angabe, verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, gesamteindruck, firmenname, verkehr, kennzeichen, patent

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 236/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
21. Mai 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 398 66 189
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Albert sowie des Richters Kraft und der Richterin Eder
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Waren
"Möbel, insbesondere Schlafzimmer-Einrichtungsgegenstände"
eingetragene Marke 398 66 189.8
siehe Abb. 1 am Ende
ist Widerspruch erhoben aus der älteren Gemeinschaftsmarke 000142497
Variant
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die ua für die Waren
"Möbel, insbesondere Sitzmöbel und Tische, ..."
geschützt ist.
Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar seien
die sich gegenüberstehenden Marken zur Kennzeichnung identischer und wirt-
schaftlich nahestehender Waren bestimmt, so dass ein beachtlicher Abstand der
Marken erforderlich sei, um die Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden. Ange-
sichts der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "Variant", deren
Sinngehalt auf die Veränderlichkeit und Anpassungsfähigkeit von Möbeln hin-
weise, reiche jedoch ein mittlerer Abstand der Kennzeichnungen aus, um die Ge-
fahr von Verwechslungen auszuschließen. Angesichts dieser Umstände halte die
angegriffene Marke den erforderlichen Abstand ein:
Eine Verwechslungsgefahr werde hier nicht dadurch begründet, daß die Ver-
gleichsmarken die ähnlichen Bestandteile "Varianta" und "Variant" aufwiesen. Bei
dem weiteren Markenbestandteil "panthel" handele es sich zwar um den Firmen-
namen der Inhaberin der angegriffenen Marke; wenn auch die Mitverwendung des
Herstellernamens in Einzelfällen nicht die Prägung eines Kennzeichens durch den
weiteren Bestandteil ausschließe, sei es dennoch so verfehlt, einer Herstelleran-
gabe stets eine prägende Bedeutung für den Gesamteindruck abzusprechen. Dies
hänge vielmehr u.a. von der Art der Zeichengestaltung, von der Bekanntheit der
Herstellerangabe, der Kennzeichnungskraft des weiteren Bestandteils und von
den Bezeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor ab. Hiervon
ausgehend werde die angegriffene Marke nicht allein durch den Bestandteil "Va-
rianta" geprägt. Zwar sei der Firmenname ihrer Inhaberin wenig bekannt. Diese
Tatsache stehe allerdings einer prägenden Bedeutung nicht entgegen, denn auf
dem vorliegenden Warensektor sei der Verkehr aufgrund einer weit verbreiteten
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Übung daran gewöhnt, innerhalb der Kennzeichnungen in zunehmenden Maße
auf die Herkunft der Waren von einem bestimmten Designer oder gleichnamigen
Unternehmen hingewiesen zu werden (zB Möbel von "Rolf Benz", "Hülsta"-Möbel).
Dies gelte auch dann, wenn, wie hier, dieser Bestandteil größenmäßig zurücktrete.
Darüber hinaus weise das Wort "Varianta" durchaus beschreibende Anklänge auf,
da es an den Begriff "Variante" angelehnt sei, während der Bezeichnung "panthel"
kein derartiger Aussagegehalt entnommen werden könne.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Entgegen der An-
sicht der Markenstelle seien die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen mar-
kenrechtlich verwechselbar. Bei den Worten "Variant" und "Varianta" handele es
sich nicht um kennzeichnungsschwache Angaben, denn sie seien keine sprach-
richtigen Abwandlungen der Angabe "Variante", die in Bezug auf die beanspruch-
ten Waren ohnehin unscharf und interpretationsbedürftig sei. Selbst wenn man
unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das Wort "panthel" Bestandteil des
Firmennamens der Inhaberin der angegriffenen Marke sei, eine unmittelbare Ver-
wechslungsgefahr verneine, sei nach der Entscheidung des Bundespatentgerichts
GRUR 2003, 64 – T-Flexitel/Flexitel zumindest eine mittelbare Verwechslungsge-
fahr anzunehmen, denn der Verkehr werde aufgrund der Wesensgleichheit der
Widerspruchsmarke mit dem Bestandteil "Varianta" beide Marken derselben Inha-
berin zuordnen. Die Bekanntheit des beigefügten Firmenbestandteils sei nach die-
ser Entscheidung nicht ausschlaggebend.
Demgemäß beantragt die Widersprechende, die Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses. Sie regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt die Zurückweisung der Be-
schwerde. Sie hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.
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II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch
nach Auffassung des Senats besteht zwischen den sich gegenüberstehenden
Marken keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichti-
gung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung
stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören ins-
besondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren
sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998,
387 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216 – Oxygenol II).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist im vorliegenden
Fall von Identität auszugehen, denn beide Kennzeichen sind ua für "Möbel" be-
stimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "Variant" wird zu-
gunsten der Widersprechenden als durchschnittlich angenommen. Die danach an
den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken zu stellenden erheblichen
Anforderungen sind dennoch gewahrt.
Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Kennzeichen ist grundsätzlich
auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl EuGH aaO – Sa-
bèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 – ATTACHÉ/TISSERAND mwNachw). Insoweit
weichen die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen "panthel Varianta" und
"Variant" aufgrund des (zusätzlichen) Bestandteils "panthel" in der angegriffenen
Marke so deutlich voneinander ab, daß Verwechslungen insoweit offensichtlich
ausgeschlossen sind.
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Überein-
stimmung prägender Markenbestandteile besteht ebenfalls nicht (vgl dazu BGH
WRP 2000, 173 – RAUSCH/ELFI RAUCH). Entgegen der von der Widerspre-
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chenden vertretenen Auffassung ist eine Prägung der angegriffenen Marke durch
den Bestandteil "Varianta" zu verneinen, denn es kann nicht davon ausgegangen
werden, daß der weitere Markenteil "panthel" für die angesprochenen Verkehrs-
kreise in einer Weise zurücktritt, daß er für den Gesamteindruck vernachlässigt
werden kann. Wesentlich sind für diese Beurteilung die Kennzeichnungskraft der
einzelnen, etwa an eine beschreibende Angabe angelehnten Bestandteile, Größe
und Anordnung der Teile, ihre Erkennbarkeit als Firmenname und die Branchen-
übung bei der Verwendung der Firmennamen (vgl dazu Althammer/Ströbele, Mar-
kengesetz, 6. Aufl, § 9 Rdn 175, 182 ff, 190 mwNachw). Zwar ist der Bestandteil
"Varianta" in der angegriffenen Marke durch Fettdruck optisch hervorgehoben,
demgegenüber ist der darüber angeordnete Bestandteil "panthel" jedoch als Fir-
menname erkennbar. Dafür sprechen nicht nur seine Anordnung sondern insbe-
sondere die weit verbreitete Übung der Möbelhersteller, ihre Produkte vorrangig
unter ihrem Firmennamen anzubieten und zB ihre stilistisch zusammengehörigen
Einrichtungsprogramme durch zusätzliche Bezeichnungen kenntlich zu machen,
wie zB "OSTER SIENA", "schäffer VALENCIA", "Brinkmann Sinum", "hülsta
Spectrum". Es kommt hinzu, daß der Bestandteil "Varianta" für den Verkehr er-
kennbar auf die Variierbarkeit des unter dieser Kennzeichnung angebotenen Mö-
belprogramms hinweist und damit zumindest beschreibende Anklänge aufweist
(ähnlich: Brinkmann Variantplus – Individueller Innenausbau; sämtliche Beispiele
aus Prospekten der Firma SEGMÜLLER, Parsdorf).
Die Überlegungen des 29. Senats im Vorlagebeschluß – T-Flexitel/Flexitel aaO
führen schließlich auch nicht zu einer Bejahung einer mittelbaren Verwechslungs-
gefahr. Das hier vorliegende Verfahren unterscheidet sich von dem dortigen Vor-
lageverfahren in wesentlichen Punkten. Anders als in jenem Verfahren ist die Wi-
derspruchsmarke "Variant" nicht identisch in die jüngere Marke übernommen und
auch keine bekannte Unternehmenskennzeichnung ("T") hinzugefügt worden. Da
auch sonst keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich sind, die für
eine mittelbare Verwechslungsgefahr sprechen könnten (vgl dazu Althammer/
Ströbele aaO § 9 Rdn 213) mußte der Beschwerde der Widersprechenden der Er-
folg versagt werden.
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Für die von der Widersprechenden angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde
war kein Raum. Weder war mit dem vorliegenden Verfahren eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Bundesgerichtshofs (§ 83 Abs 2 MarkenG).
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG
bestand ebenfalls kein Anlaß.
Albert Eder Kraft
Bb
Abb. 1