Urteil des BPatG vom 05.10.2006

BPatG: datenträger, patent, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, glaubhaftmachung, dvd, wortmarke, anwendungsbereich, nummer, speicher

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 33/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die angegriffene Marke 397 43 493
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 5. Oktober 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zu-
rückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Eingetragen am 4. Mai 1998 unter der Nummer 397 43 493 – veröffentlicht am
10. Juni 1998 – u. a. für
„mit oder ohne Programmen und/oder Dateien und/oder sonstigen
Inhalten versehene Bild- und/oder Toninformationsträger und/oder
Datenträger, insbesondere Disketten, Festplattenspeicher und
Nur-Lese-Speicher (ROM), RAM und Steckmodule, optische Spei-
cher (ausgenommen belichtete oder unbelichtete Filme) ein-
schließlich Compakt-Disk-ROM und –WROM; elektrische und
elektronische Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Geräte
zur digitalen und analogen Signalverarbeitung, insbesondere Mo-
dems und sonstige Kommunikations-Endgeräte“
- 3 -
ist die Wortmarke
STRATO.
Widerspruch wurde erhoben aus der unter der Nummer 949
427 am
21. September 1976 für
„Tonaufzeichnungs- und Wiedergabegeräte, einschließlich Laut-
sprecher, Verstärker, Plattenspielgeräte, Tonbandgeräte und
Rundfunkgeräte, alle vorstehenden Waren einzeln, in Gehäusen
oder als Anlage mit oder ohne Gehäuse sowie Teile der vorge-
nannten Waren“
eingetragenen Wortmarke
STRATO.
Deren Benutzung ist bereits im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Pa-
tent- und Markenamt bestritten worden. Die Widersprechende hat Unterlagen zur
Glaubhaftmachung der Benutzung eingereicht.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
angegriffene Marke im Umfang der obengenannten Waren teilweise gelöscht und
im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Die Benutzung der Widerspruchs-
marke sei glaubhaft gemacht für beide Zeiträume, die zu löschenden Waren der
angegriffenen Marke stellten im Wesentlichen Datenverarbeitungsgeräte, bzw.
Teile oder Zubehör von diesen dar. Diese seien ähnlich zu Geräten der Unterhal-
tungselektronik der Widerspruchsmarke, da die Grenzen zwischen Datenverar-
beitungsgeräten und Geräten der Unterhaltungselektronik zunehmend verwisch-
ten. Bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke und Warenähnlich-
keit werde der zu fordernde deutliche Markenabstand nicht eingehalten.
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Hiergegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt und
die Einrede der fehlenden Benutzung der Widerspruchsmarke aufrechterhalten.
Sie verweist auf eine Entscheidung des HABM vom 7. September 2004 zum Wi-
derspruch gegen ihre Gemeinschaftsmarke STRATO (eingetragen für Waren der
Kl. 9) aus der hier vorliegenden Widerspruchsmarke. Darin sei von einer Benut-
zung der Widerspruchsmarke für die Waren Kompaktstereoanlagen mit CD-Player
und Fernbedienung ausgegangen und festgestellt worden, dass zwischen den
Waren keine Ähnlichkeit bestehe, da die Waren der angegriffenen Marke Com-
puterprogramme und Datenträger insbesondere für den Gebrauch in Verbindung
mit Homepages, E-mail und Internetzugang umfassten und diese nicht denselben
Gegenstand oder dieselbe Funktion wie Kompaktmusikanlagen hätten; die Tatsa-
che, dass Musik aus dem Netz herunter geladen werden könne, mache Kom-
paktmusikanlagen nicht ähnlich zu diesen Waren. Die Inhaberin der angegriffenen
Marke meint, die Fälle seien vergleichbar, weil es sich bei den angegriffenen Mar-
ken im um Kern identische Waren handele.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
den Beschluss der Markenstelle vom 6. August 2003 aufzuheben
und den Widerspruch insoweit zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widersprechende legt neue Benutzungsunterlagen vor und bezieht sich im
Wesentlichen auf die im Beschluss der Markenstelle gemachten Ausführungen.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Markenstelle hat die angegriffene Marke zu Recht teilweise gelöscht, da sich
die identischen Vergleichsmarken insoweit auf so ähnlichen Waren begegnen
können, dass die Gefahr von Verwechslungen besteht.
1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Einrede mangelnder Benutzung
der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 MarkenG bereits im Verfahren vor dem
Deutschen Patent- und Markenamt zulässig erhoben.
Bei der Entscheidung über den Widerspruch können damit nur die Waren berück-
sichtigt werden, für die von der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benut-
zung der Widerspruchsmarke für beide Benutzungszeiträume des § 43 Abs. 1
MarkenG glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Die Wider-
sprechende hatte daher die Benutzung der Marke nach § 43 Abs. 1 S. 1 für den
Zeitraum innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Veröffentlichung der jüngeren
Marke glaubhaft zu machen, nämlich für die Jahre 1998 bis 2003 sowie nach § 43
Abs. 1 Satz 2 MarkenG für die Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre vor dieser Be-
schwerdeentscheidung, nämlich von Oktober 2001 bis Oktober 2006 (vgl. Strö-
bele/Hacker MarkenG 8. Aufl. § 43 Rdn. 9 ff., 30 ff.).
Für den ersten Zeitraum ist die Markenstelle - auf deren Ausführungen Bezug ge-
nommen wird - zutreffend von einer Glaubhaftmachung der Benutzung für CD-
Spieler, Weltempfänger, Fernseher und Mikromusikanlagen ausgegangen. Für
den weiteren Zeitraum hat die Widersprechende ebenfalls ausreichende Benut-
zungsnachweise vorgelegt. Den von der Widersprechenden vorgelegten Glaub-
haftmachungsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Waren „DVD-Player, Fernbe-
dienungen, Radios“ mit der Widerspruchsmarke „STRATO“ im Zeitraum 2001 bis
2006 kennzeichenmäßig versehen waren und Umsätze in Höhe von mehr als
300.000 Euro, davon in 2003 mehr als 60.000, erzielt worden sind. Dies ergibt sich
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aus der im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 5. April 2006 vorgelegten
eidesstattlichen Versicherung des Herrn A… vom 3.
April
2006. Es ist
daher auch die Ernsthaftigkeit der Benutzung belegt.
Die Waren „DVD-Player, Fernbedienungen, Radios“ fallen unter die eingetragenen
Waren „Tonaufzeichnungs- und Wiedergabegeräte sowie Teile vorgenannter
Waren“ (§ 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG).
2. Das Bestehen der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller rele-
vanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen; dabei stehen die Fak-
toren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Wa-
ren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in Wechselbezie-
hung zu einander, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch
einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und
umgekehrt (BGH in st. Rspr.; vgl. GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; WRP 2004,
1281 - Mustang; WRP 2004, 1043 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX;
WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling).
Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte von
einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen
Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.
Die Vergleichsmarken sind identisch. Unter diesen Umständen bedarf es eines
sehr deutlichen Abstandes im Bereich der sich gegenüberstehenden Waren, um
die Verwechslungsgefahr verneinen zu können.
Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist entscheidend, ob die beiderseitigen
Waren in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinan-
der kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen be-
trieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem
Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Ei-
genart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte – so
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enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Mei-
nung sein könnten, sie stammten aus denselben oder wirtschaftlich verbundenen
Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. BGH
GRUR 2004, 241, 243 – GeDIOS).
Zwischen den zu berücksichtigenden Waren „Tonaufzeichnungs- und Wiederga-
begeräte (einschließlich Teile)“ der Widerspruchsmarke und den Waren „Geräte
zur digitalen und analogen Signalverarbeitung, insbesondere Modems und sons-
tige Kommunikations-Endgeräte“ besteht Identität im Sinn von § 9 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG, da diese zur Aufzeichnung von Ton und dessen Wiedergabe dienen
(vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl.
S. 280: Signalapparate, -instrumente und -geräte = Rundfunkgeräten).
Die weiteren Waren liegen sämtlich im Ähnlichkeitsbereich, so dass hinsichtlich
dieser Waren der bei identischen Vergleichsmarken gebotene deutliche Abstand
nicht eingehalten ist. So besteht Ähnlichkeit zwischen „Tonaufzeichnungs- und
Wiedergabegeräte“ und der angegriffenen Ware „elektrische und elektronische
Datenverarbeitungsgeräte und Computer“ (vgl. Richter/Stoppel, a. a. O. S. 63,
re. Sp.: engste Ähnlichkeit wurde angenommen bei Datenverarbeitungsgeräten zu
Bildtonübertragungsgeräten; S. 61, li. Sp.: Ähnlichkeit wurde angenommen bei
Computernetzwerken zu Geräten der Unterhaltungselektronik).
Ebenso ist Ähnlichkeit anzunehmen zu den Waren „Bild- und/oder Toninformati-
onsträger und/oder Datenträger“, da diese sich mit der Widerspruchsware „Ton-
aufzeichnungs- und Wiedergabegeräte“ in ihrer Verwendung ergänzen können.
Unter den Eingangs genannten Voraussetzungen ist angesichts identischer Mar-
ken der erforderliche sehr erhebliche Warenabstand im Bereich identischer und
eng ähnlicher Waren nicht eingehalten; insoweit besteht Verwechslungsgefahr.
Entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke ist die vorliegende
Fallgestaltung mit der von ihr herangezogenen HABM-Entscheidung nicht ver-
gleichbar. Die dortige angegriffene Marke beanspruchte spezielle Computerpro-
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gramme sowie Datenträger ausschließlich im Zusammenhang mit dem Daten-
transfer von und zu Internetseiten sowie mit dem Internetzugang sowie E-Mail. Bei
der hier angegriffenen jüngeren Marke dagegen ist das Warenverzeichnis breiter
gefasst und nicht auf einen speziellen Anwendungsbereich beschränkt, so dass
auch der Anwendungsbereich für die Unterhaltungselektronik eröffnet und damit
der von der Widerspruchsmarke beanspruchte identische bzw. im Ähnlichkeitsbe-
reich liegende Warenbereich umfasst ist.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass
(§ 71 Abs. 1 MarkenG).
gez.
Unterschriften