Urteil des BPatG vom 18.10.2006

BPatG: verwechslungsgefahr, internet, kennzeichnungskraft, werbung, verkehr, veranstaltung, lagerung, beratung, unterliegen, vermietung

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 52/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die Marke 303 26 688
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch
in der Sitzung vom 18. Oktober 2006
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen
„Druckereierzeugnisse; Photographien, Reiseprospekte, Kataloge;
Werbung über sämtliche Medien, auch Internet; Vermittlung und
Veranstaltung von Reisen“
eingetragene Wortmarke 303 26 688
upudu
ist Widerspruch erhoben worden aus der u. a. für Waren und Dienstleistungen der
Klassen
16:
Broschüren und Tickets (Fahrkarten, Eintrittskarten);
Druckereierzeugnisse; Schreibwaren; Lehr- und Unterrichts-
material; Bücher; Magazine; Mitteilungsblätter; Journale; Ver-
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öffentlichungen; Zeitschriften, Druckschriften, Handbücher,
Karten, Atlanten, Diagramme, Poster, Plakate, Drucke, Bilder,
Kalender; Mappen; Notizbücher; Notizblöcke; Terminkalender
und Tagebücher; Postkarten
35: Unternehmensverwaltung und Geschäftsführung; Werbung,
Einzelhandel im Internet in Bezug auf die Waren und Dienst-
leistungen anderer Anbieter; Zusammenstellen von verschie-
denen Waren für Dritte, um dem Verbraucher eine bequeme
Ansicht und den Kauf dieser Waren und Dienstleistungen auf
einer Internetwebsite im Reisen zu ermöglichen; Datenbank-
verwaltung; Zusammenstellung von Werbeanzeigen zur Ver-
wendung als Web-Seiten; Zusammenstellung von Verzeich-
nissen zur Veröffentlichung im Internet; Bereitstellung von
Speicherplatz auf Websites für die Werbung für Waren und
Dienstleistungen; Unternehmensverwaltung für die Verarbei-
tung von im Internet getätigten Verkäufen; Information und Be-
ratung in Bezug auf die vorstehend genannten Leistungen;
Bereitstellung von Informationen über ein globales Computer-
netz in Bezug auf die vorstehend genannten Leistungen
39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Rei-
sen; Agenturdienste zur Buchung von Reisen; Ticketreservie-
rung; Veranstaltung von Ausflügen; Reiseorganisation; Tou-
ristenbüro; Dienstleistungen eines Fremdenverkehrsbüros;
Reiseagenturen; Reisereservierungen; Bereitstellung von
computergestützten Reise- und Reservierungsdienstleistun-
gen; Organisation von Flügen, Kreuzfahrten und Reisen; Rei-
sebegleitung und Besichtigungen; Zustelldienste; Lagerung
von Waren und Vermietung von Lagerhäusern; Informationen
in Bezug auf die Vermietung von Fahrzeugen; Forschung und
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Beratung in Bezug auf die vorstehend genannten Leistungen;
Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf alle vorstehend
genannten Leistungen; Bereitstellung von Informationen in
Bezug auf die vorstehend genannten Leistungen über ein
weltweites Computernetz
geschützten Gemeinschafts(wort-)marke 2 073 831
opodo
Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat
durch Entscheidung eines Beamten des gehobenen Dienstes den Widerspruch
zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Widersprechenden ist der Beschluss auf-
gehoben und die angegriffene Marke in vollem Umfang gelöscht worden.
Zur Begründung ist ausgeführt worden, selbst bei Annahme einer durchschnittli-
chen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei in klanglicher Hinsicht auf-
grund ausgeprägter Übereinstimmungen und teilweiser Identität der Waren und
Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr zu befürchten. Beide Markenwörter
seien geprägt durch die auffällige phonologische Struktur einer reimähnlichen
Buchstabenfolge, die in den Konsonanten, der Silbenzahl und der Silbenstruktur
völlig übereinstimme. Die Abweichungen in den Vokalen beeinflussten das Ge-
samtklangbild kaum, da es sich um klangverwandte Vokale handle; vielmehr
werde sich das charakteristische Silbenspiel bei den Verbrauchern bei flüchtigem
Kontakt und ungünstigen Übermittlungsbedingungen einprägen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie
hat vorgetragen, bei der Annahme einer Verwechslungsgefahr besonders bei
flüchtigem Kontakt oder ungünstigen Übermittlungsbedingungen verschließe sich
die Markenstelle der Erkenntnis, dass die Vertriebsstruktur der Parteien aus-
schließlich über das Internet (sog. Online-Portale) laufe. Durch die vorgenommene
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Freihaltung werde der berechtigte Zugang zum Markenschutz für Wettbewerber
ungerechtfertigt auf Dauer blockiert. Das Schutzbedürfnis der Widersprechenden
in ihrem Kernvertrieb sei durch den die Entscheidung der Markenstelle in nicht
gerechtfertigter Weise ausgedehnt. In einer Reihe der vom Patentamt entschiede-
nen Fälle sei der markenrechtliche Abstand aufgrund ein oder zwei Buchstaben
für ausreichend erachtet worden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt daher sinngemäß die Aufhebung
des angegriffenen Erinnerungsbeschlusses.
Die Widersprechende hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
II
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn die Vergleichszeichen unter-
liegen einer klanglichen Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 Mar-
kenG.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeit-
rang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten
Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließ-
lich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht
werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kenn-
zeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu
ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken,
der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise
auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienst-
leistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine
gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann
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und umgekehrt (st.
Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd;
GRUR 2005, 437, 438 - Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Verwechslungsgefahr insgesamt zu bejahen.
Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen sind teilweise iden-
tisch.
„Druckereierzeugnisse“ sind in beiden Waren-/Dienstleistungsverzeichnissen
übereinstimmend enthalten, gleiches gilt für die Dienstleistungen „Veranstaltung
von Reisen“ sowie „Werbung“. Nahezu identisch ist die „Vermittlung von Reisen“
im Waren-/Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke mit den Dienst-
leistungen „Agenturdienste zur Buchung von Reisen; Reiseorganisation, Reise-
agenturen, Reisereservierungen“ etc. der Widerspruchsmarke.
Die Waren „Reiseprospekte und Kataloge“ der angegriffenen Marke liegen im en-
gen Ähnlichkeitsbereich zu „Büchern; Magazinen; Zeitschriften, Handbüchern“ der
Widerspruchsmarke, da sich auch letztere häufig auf Reisethemen beziehen so-
wie Hinweise und Anregungen für Reisen enthalten. Enge Ähnlichkeit weisen auch
„Photographien“ im Verzeichnis der angegriffenen Marke zu „Postkarten“ auf, für
die die Widerspruchsmarke Schutz genießt (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit
von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 235 mittlere Spalte: Photographi-
sche Erzeugnisse = Ansichtspostkarten).
Wie bereits die Markenstelle im Erinnerungsbeschluss festgestellt hat, kann da-
hingestellt bleiben, ob die von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen
zur Glaubhaftmachung einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchs-
marke ausreichen. Denn selbst bei Annahme einer durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke, von der aufgrund des Vorliegens eines Fanta-
siebegriffs zumindest auszugehen ist, kommen sich die Vergleichzeichen unter
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der Voraussetzung der teilweisen Identität bzw. engen Ähnlichkeit der Wa-
ren/Dienstleistungen klanglich verwechselbar nahe.
So besteht eine weitgehende Übereinstimmung der Vergleichswörter in der Sil-
benzahl und Silbengliederung und vor allem im Wortaufbau aufgrund eines identi-
schen Konsonantengerüstes „-p-d-“. Charakteristisch für die Struktur beider Ver-
gleichswörter ist außerdem die dreimalige Wiederkehr desselben Vokals, „o“ in der
Widerspruchsmarke, „u“ in der angegriffenen Marke. Diese beiden Selbstlaute
weichen indes im Klangbild nur geringfügig voneinander ab, da es sich um sog.
„Hintergaumenlaute“ handelt, die einander von Haus aus ähnlich sind. Im jeweili-
gen klanglichen Gesamteindruck überwiegen daher die Gemeinsamkeiten die
Unterschiede deutlich.
Zudem ist der in der Rechtsprechung gebildete Erfahrungssatz zu berücksichti-
gen, wonach der Verkehr die beiden Marken regelmäßig nicht gleichzeitig neben-
einander wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar zueinander vergleichen
kann. Vielmehr gewinnt er seine Auffassung nur aufgrund einer meist undeutlichen
Erinnerung an eine der verschiedenen Marken (vgl. Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 9 m. w. N.). Vorliegend wird sich daher - wie der Erinne-
rungsbeschluss zutreffend ausführt - der Verkehr in erster Linie den Wortaufbau
mit identischer Silbengliederung und Konsonantenfolge einprägen sowie den Um-
stand, dass drei Mal derselbe Vokal wiederholt wird. Ob es sich bei diesem Vokal
um ein „u“ oder ein „o“ handelt, wird der angesprochene Verkehr angesichts der
klanglichen Nähe nicht im Gedächtnis behalten. Der Abnehmer, der die Wider-
spruchsmarke nur ungenau in Erinnerung hat, wird sie daher in der identisch auf-
gebauten angegriffenen Marke zu erkennen glauben und verwechseln.
Sofern die Inhaberin der angegriffenen Marke geltend macht, es komme vorlie-
gend nicht auf die klangliche Wiedergabe an, da es sich bei beiden Marken jeweils
um Internet-Portale handelt, ist festzustellen, dass eine klangliche Benennung auf
dem vorliegenden Waren- und Dienstleistungsgebiet keinesfalls von vornherein
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ausgeschlossen werden kann, etwa deshalb, weil Internetportale vielfach gerade
auch aufgrund mündlicher Empfehlung aufgesucht werden.
Die von der Markeninhaberin zitierten Eintragungen, die sich nach ihrer Auffas-
sung klanglich mindestens genauso nahe kommen wie die vorliegenden Ver-
gleichszeichen, betreffen durchweg Wortzusammensetzungen mit beschreibenden
Angaben; da aus beschreibenden Zeichenbestandteilen allein indes kein Verbie-
tungsrecht hergeleitet werden kann (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 214
m. w. N.), können solche Marken ohne Weiteres nebeneinander bestehen. Pa-
rallelen zum vorliegenden Fall, in dem sich zwei Fantasieworte gegenüberstehen,
sind daher nicht gegeben. Solche Fantasiebegriffe unterliegen - entgegen der
Auffassung der Markeninhaberin - nicht gänzlich der freien Verfügbarkeit, sondern
finden ihre Grenzen dort, wo die in § 9 MarkenG normierten Tatbestände der Ver-
wechslungsgefahr eingreifen.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 Satz 2 Mar-
kenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
gez.
Unterschriften