Urteil des BPatG vom 04.08.2005

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
7 W (pat) 24/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 196 43 030.5-42
hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
27. Januar 2010 durch den Richter Dipl.-Ing. Frühauf als Vorsitzenden und die
Richter Dipl.-Ing. Univ. Harrer, Schwarz und Dipl.-Ing. Hilber
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Patentanmeldung 196 43 030.5-42 mit der Bezeichnung "Geräuscherzeu-
gungssystem für ein Kraftfahrzeug" ist am 18. Oktober 1996 beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt eingegangen.
Nach Prüfung der Anmeldung hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 Q des Deut-
schen Patent- und Markenamts die Anmeldung mit Beschluss vom 4. August 2005
mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des seinerzeit gelten-
den Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Zum Stand der Technik nennt die Prüfungsstelle die Patentdokumente
DE 44 46 080 A1
(D1)
DE 44 19 212 A1
(D2).
In den Anmeldungsunterlagen wird darüber hinaus auf die Druckschrift
EP 0 469 023 B1
(nachfolgend als D0 bezeichnet)
hingewiesen.
Der Zurückweisungsbeschluss, dem die ursprünglich eingereichten Patentansprü-
che zugrunde liegen, ist auf die Dokumente D1 und D2 gestützt. Gegen diesen
Beschluss
richtet
sich
die
Beschwerde
der
Patentanmelderin
vom
6. Oktober 2005.
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Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 24. März 2009 neue Patent-
ansprüche 1 bis 4 eingereicht, die die ursprünglich eingereichten Patentansprüche
ersetzen sollen. Auf den Hinweis des Senats auf verschiedene Mängel in den gel-
tenden Anmeldungsunterlagen hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom
25. Januar 2010 mitgeteilt, dass sie an der für den 27. Januar 2010 terminierten
mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen wird.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 Q des Deut-
schen Patent- und Markenamtes vom 4. August 2005 aufzuheben
und die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 196 43 030.5-42
mit den Patentansprüchen 1 bis 4 vom 24. März 2009 zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Geräuscherzeugungssystem für ein Kraftfahrzeug mit einem An-
triebsmotor, dessen Drehmoment über ein verschiedene Überset-
zungen bereitstellendes Getriebe an die Fahrzeugantriebsräder
gegeben wird, wobei die Auswahl der jeweiligen Getriebeüberset-
zung verschiedenartig erfolgen und das Geräuscherzeugungssys-
tem den Fahrzeuginsassen ein dem jeweiligen Fahrzeug-Betriebs-
zustand entsprechendes Geräusch vermitteln oder durch aktive
Schallunterdrückung natürliche Geräusche dämpfen kann,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Art der Geräuscherzeugung zusätzlich abhängig ist von
der Auswahlart für die Getriebeübersetzung, wobei das Getriebe
wahlweise manuell oder automatisch schaltbar ist und die Ge-
räuscherzeugung abhängig davon ist, ob aktuell im Handschallmo-
dus oder im Automatikmodus gefahren wird.
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Mit dem Anmeldungsgegenstand sollen bekannte Geräuscherzeugungssysteme,
die zwar grundsätzlich befriedigend arbeiteten, weiter verbessert werden (Offenle-
gungsschrift, Sp. 1, Z. 57 - 60, bzw. Ursprungsunterlagen, S. 3, 1. Absatz).
Die geltenden, auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 sind
auf Merkmale gerichtet, mit denen die Vorrichtung des Anspruchs 1 weiter ausge-
bildet werden soll.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Gegenstand des Patents
stellt in der geltenden Fassung keine patentfähige Erfindung im Sinne der
§§ 1 bis 5 PatG dar.
2.
Als Fachmann ist hier ein Ingenieur des Maschinenbaus mit langjähriger Er-
fahrung bei der Entwicklung von Geräuscherzeugungssystemen für Fahrzeu-
ge und deren akustischen Auslegung anzusehen.
3.
Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig. Sein Gegenstand geht auf die
Patentansprüche 1 und 2 sowie auf die Angaben auf der Beschreibungsseite
4 der Ursprungsunterlagen zurück.
4.
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 mag neu sein, beruht je-
doch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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Die in den Anmeldungsunterlagen zum Stand der Technik genannte
EP 0 469 023 B1 (D0) offenbart ein Geräuscherzeugungssystem für ein
Kraftfahrzeug mit einem Antriebsmotor, dessen Drehmoment über ein ver-
schiedene Übersetzungen bereitstellendes Getriebe an die Fahrzeugan-
triebsräder gegeben wird und das Geräuscherzeugungssystem den Insassen
ein dem jeweiligen Fahrzeug-Betriebszustand entsprechendes Geräusch ver-
mitteln oder durch aktive Schallunterdrückung natürliche Geräusche dämpfen
kann (vergl. dort Patentansprüche 1 und 7). Das bekannte Geräuscherzeu-
gungssystem ist nicht an die Existenz eines bestimmten manuell oder au-
tomatisch schaltbaren Getriebes gebunden und bietet lt. Sp. 1, Z. 43 die
Möglichkeit, die gewünschten zum Betrieb des Fahrzeugs angepassten Ge-
räusche in Abhängigkeit von einem im Zusammenhang mit dem Fahrzeug-
betrieb stehenden Steuersignal abzurufen (s. auch Sp. 3, Z. 16 - 24). Dieser
Stand der Technik ist im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 eben-
so berücksichtigt, wie das Merkmal, das zum Zeitpunkt der Anmeldung be-
kannt war, dass die Auswahl der jeweiligen Getriebeübersetzung verschie-
denartig erfolgen kann. In den Anmeldungsunterlagen wird unter Hinweis auf
den Oberbegriff des Patentanspruchs 1 in Hinblick auf die Getriebe, bei de-
nen die Auswahl der jeweiligen Getriebeübersetzung verschiedenartig erfol-
gen kann, dargelegt, dass auch diejenigen automatischen Getriebe darunter
zu verstehen sind, welche sich durch manuellen Eingriff mit dem Charakter
einer Handschaltung fahren lassen (Sp. 2, Z. 26 - 34 der OS bzw. Beschrei-
bung S. 4, 1. Absatz der Ursprungsunterlagen).
Die im Kennzeichenteil des geltenden Patentanspruchs 1 dargelegten Merk-
male, wonach die Art der Geräuscherzeugung zusätzlich abhängig ist von
der Auswahlart für die Getriebeübersetzung, wobei das Getriebe wahlweise
manuell oder automatisch schaltbar ist und die Geräuscherzeugung abhän-
gig davon ist, ob aktuell im Handschallmodus oder im Automatikmodus ge-
fahren wird, setzt lediglich die bekannten von den unterschiedlichen Schalt-
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modi jeweils begleiteten Erwartungshaltungen in eine dazu passende Art der
Geräuscherzeugung um.
Nach Sp. 2, Z. 3 - 25 der OS bzw. Beschreibung S. 3, letzter Absatz der Ur-
sprungsunterlagen wurde nämlich schon vor dem Anmeldetag versucht,
durch eine gezielte Einflussnahme auf die Innenraumgeräusche der Erwar-
tungshaltung des Fahrers bzw. der Fahrzeuginsassen gerecht zu werden.
Dabei hätte sich gezeigt, dass die Erwartungshaltung des Fahrers abhängig
vom Fahrzeugtyp sei, wobei für das Fahrerlebnis des Fahrzeuginsassen ins-
besondere auch entscheidend ist, ob das Fahrzeug mit einem automatischen
Getriebe oder mit einem Getriebe mit Handschaltung ausgerüstet ist. Erfah-
rungsgemäß seien Fahrer von Kraftfahrzeugen mit Automatikgetrieben mehr
komfortorientiert als solche von von Hand geschalteten Fahrzeugen, welche
gewöhnlich mehr fahraktiv sind und sich von der Innenakustik ein ausge-
prägtes Fahrerwunsch-Folgeverhalten wünschten. Üblicherweise würde die-
ser Tatsache durch entsprechende akustische Auslegung des Fahrzeugs
Rechnung getragen. Dies bedeutet, dass eine vom Schaltmodus und damit
fahreraktivitätsabhängige Einflussnahme auf die Innenraumgeräusche in Ab-
hängigkeit und Übereinstimmung mit der Erwartungshaltung des Fahrers im
Prinzip bekannt war.
Deshalb hat es nahe gelegen, die im Prinzip aus der D0 bekannte Geräusch-
erzeugung (oder Schallunterdrückung) so arbeiten zu lassen, dass sie der
Erwartungshaltung des Fahrers folgt. Wenn sich die Erwartungshaltung an
das zu den Fahrzeuginsassen gelangende Geräusch durch den von einem
bestimmten Fahrertypus bevorzugten Schaltmodus zeigt - was bekannt
war -, und das Getriebe des Fahrzeugs wahlweise manuell oder automatisch
schaltbar ist, dann erfordert es vom zuständigen Fachmann keinerlei erfinde-
rische Tätigkeit, die Art der Geräuscherzeugung zusätzlich in Abhängigkeit
vom aktuell gewählten Schaltmodus vorzunehmen, um damit dem Fahrer-
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wunsch zu folgen. Eine darüber hinaus gehende Lehre ist dem geltenden Pa-
tentanspruch 1 nicht zu entnehmen.
5.
Die auf den geltenden Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2
bis 4 lassen keine Merkmale erkennen, die für sich oder in Verbindung mit
den Merkmalen des Hauptanspruchs eine erfinderische Bedeutung begrün-
den. Entsprechendes ist von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend ge-
macht worden.
6.
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.
Frühauf
Harrer
Schwarz
Hilber
Hu