Urteil des BPatG vom 30.10.2002

BPatG (Marke, Verkehr, Verwechslungsgefahr, Beschreibende Angabe, Spirituosen, Eugh, Teil, Kennzeichnungskraft, Verbindung, Beschwerde)

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 35/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
30. Oktober 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 399 35 682
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Albert sowie des Richters Reker und der Richterin Eder
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der Marke 399 35 682
Lion
HEART
für die Waren
"Spirituosen und Liköre, soweit Gin und Whiskey in Frage kommen,
aus englischsprachigen Ländern"
ist Widerspruch erhoben worden aus der u.a. für die Waren
"Spirituosen und Liköre"
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eingetragenen älteren Marke 2 014 400
LIONS
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch sowie die Erinnerung der Widersprechenden wegen fehlender Ver-
wechslungsgefahr zurückgewiesen, weil sich die Marken insgesamt deutlich von-
einander unterschieden. Die angegriffene Marke werde nicht durch das Wort
"Lion" geprägt. Der der englischen Sprache mächtige Teil des deutschen Verkehrs
werde die angegriffene Marke als Gesamtbegriff "Löwenherz" verstehen. Auch der
übrige Teil des Verkehrs habe keine Veranlassung, sich allein an dem Wort "Lion"
zu orientieren, weil dieses optisch gegenüber dem in Großbuchstaben geschrie-
benen Wort "HEART" zurücktrete. Der Begriff "HEART" sei für Spirituosen und Li-
köre auch nicht beschreibend oder aus sonstigen Gründen kennzeichnungs-
schwach. Die Gesamtbezeichnung "Lion HEART" sei insgesamt so kurz und
prägnant, dass für eine Verkürzung aus Bequemlichkeit kein Anlass bestehe. Die
Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken sei deshalb nicht gegeben,
weil die Bezeichnung "Lion" innerhalb der jüngeren Marke nicht als eigenständiger
Herkunftshinweis hervortrete und die Widersprechende auch nichts dazu darge-
legt habe, dass sie den Verkehr an ähnlich gebildete Marken mit dem Stammbe-
standteil "LIONS" gewöhnt habe.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der An-
sicht, angesichts der Identität der beanspruchten Waren mit denen der Wider-
spruchsmarke und der hohen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke be-
stehe zwischen den Marken eine hochgradige Verwechslungsgefahr. Bei der Be-
urteilung der Ähnlichkeit von Marken sei nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs eher auf deren Übereinstimmungen abzustellen. Erfahrungsgemäß
bringe der Verkehr auch den Wortanfängen mehr Aufmerksamkeit entgegen als
den Wortenden. Dies gelte für die angegriffene Marke in besonderem Maße, weil
der weitere Markenbestandteil "HEART" einen warenbeschreibenden Anklang
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aufweise. Alkoholika würden landläufig als Herz und Seele stimulierende Getränke
angesehen. Eine von ihr durchgeführte Internetrecherche habe bei Eingabe der
Begriffe "Spirituosen" und "Herz" 1530 Treffer ergeben. Es liege aber nicht nur
eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in klanglicher, schriftbildlicher und begriff-
licher Hinsicht, sondern auch die Gefahr einer gedanklichen Verbindung unter
dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens vor, weil der Verkehr in dem Wort "Lion"
den Stamm verschiedener Marken der Widersprechenden erkennen werde. Diese
Annahme des Verkehrs werde sich darauf gründen, dass die Widersprechende
bereits mit mehreren verschiedenen Marken mit dem Bestandteil "LION(S)" im
Verkehr aufgetreten sei. Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die ange-
fochtenen Beschlüsse aufzuheben und wegen des Widerspruchs die Löschung
der Marke 399 35 682 anzuordnen. Sie regt ferner die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde oder die Voralge der Sache zum EuGH an.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke bestreitet die behauptete erhöhte Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke und vertritt die Ansicht, die Markenstelle
sei, ausgehend von dem das Markenrecht beherrschenden Grundsatz, dass bei
der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf den jeweiligen Gesamteindruck ab-
zustellen sei, zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Marken nicht ver-
wechselbar seien. Das Wort "Lion" sei nicht der prägende Bestandteil der ange-
griffenen Marke. Die Markenwörter "Lion" und "HEART" hätten in der angegriffe-
nen Marke eine gleichwertige Stellung. Der Bestandteil "HEART" trete dabei an-
gesichts seiner Wiedergabe in Versalien eher deutlicher in Erscheinung als das
vorangehende Wort "Lion". Der Begriff "HEART" sei für alkoholische Getränke
auch weder beschreibend noch kennzeichnungsschwach. Selbst bei einer alleini-
gen Wahrnehmung dieses Begriffs werde der Verkehr keinerlei beschreibenden
Bezug zu alkoholischen Getränken herstellen. Schließlich habe die angegriffene
Marke insgesamt auch die für den Verkehr erkennbare eigene Bedeutung "Lö-
wenherz", die insbesondere durch die geschichtliche Figur des "Richard Löwen-
herz" bekannt sei.
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II
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den
Marken "Lion HEART" und "Lions" besteht keine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9
Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 – Sabèl/Puma). Dabei
besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren,
insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekenn-
zeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke
(EuGH GRUR 1998, 922, 923 – Canon).
Hiervon ausgehend ist auf Grund des Umstands, dass die mit der angegriffenen
Marke beanspruchten Waren von dem Warenoberbegriff "Spirituosen" der Wider-
spruchsmarke umfasst werden und somit eine zumindest teilweise Identität der
Waren gegeben ist, für den Ausschluss einer Verwechslungsgefahr ein deutlicher
Abstand der Marken erforderlich. Die Kennzeichnungskraft der für andere Waren
und Dienstleistungen benutzten und bekannten Widerspruchsmarke ist allerdings
für "Spirituosen" nur als durchschnittlich zu bewerten, weil eine nachträgliche Er-
höhung von der Markeninhaber bestritten worden ist und zu dem Umfang ihrer
Benutzung für diese Ware keine berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorgetragen
worden sind. Den wegen der teilweisen Warenidentität erforderlichen deutlichen
Abstand hält die angegriffene Marke gegenüber der Widerspruchsmarke ein.
Die Marken insgesamt unterscheiden sich wegen des in der angegriffenen Marke
enthaltenen Wortes "HEART", das in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung
hat, in ihrer Gesamtheit klanglich, schriftbildlich und begrifflich deutlich voneinan-
der. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden wird der Gesamteindruck
der angegriffenen Marke auch nicht durch deren Bestandteil "Lion" geprägt. Einem
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einzelnen Markenbestandteil kann nur ausnahmsweise dann eine besondere, das
Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugemessen werden, wenn ihm in
der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb
geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die
weiteren Elemente der Marke nur eine eher untergeordnete Bedeutung haben,
weil sie aus der Sicht des Verkehrs in den Hintergrund treten und zum Gesamt-
eindruck des Zeichens nichts beitragen (BGH MarkenR 2000, 20, 21 f – RAUSCH
/ ELFI RAUCH). Dabei ist auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der
Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten,
ohne eine analysierende oder zergliedernde Betrachtungsweise anzustellen
(EuGH aaO – Sabèl/Puma; BGH GRUR 1998, 927, 929 – COMPO-SANA). Dies
gilt in besonderem Maße für vom Verkehr als solche erkennbare einheitliche Ge-
samtbegriffe (BGH GRUR 1998, 932, 933 f - MEISTERBRAND).
Die Wortbestandteile "Lion" und "HEART" der angegriffenen Marke wird der weit
überwiegende Teil des deutschen Verkehrs auf Grund des Umstands, dass es
sich um Wörter des englischen Grundwortschatzes handelt, verstehen. Nicht zu-
letzt wegen der großen Bekanntheit der historischen Figur des englischen Königs
Richard Löwenherz ist ferner davon auszugehen, dass ein rechtserheblicher Teil
der deutschen Verkehrskreise die angegriffene Marke trotz der zweizeiligen Wie-
dergabe und der schriftbildlich abweichenden Darstellung ihrer Einzelwörter als
Gesamtbegriff "Löwenherz" erkennen und schon deshalb die Marke nur in der ge-
samten eingetragenen Form benennen und erinnern wird.
Aber auch dann, wenn zu Gunsten der Widersprechenden davon ausgegangen
wird, dass ein rechtlich beachtlicher weiterer Teil des deutschen Verkehrs die an-
gegriffene Marke nicht als Gesamtbegriff erkennt, kommt ihrem Wortbestandteil
"Lion" keine selbständig kennzeichnende Stellung innerhalb der Gesamtmarke zu.
Das in der angegriffenen Marke enthaltene weitere Wort "HEART" stellt für die von
der Markeninhaberin beanspruchten Waren keine unmittelbar beschreibende An-
gabe dar. Es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass harte Spirituosen
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wie Gin oder Whisky herzschützende Wirkungen haben. Anders als etwa bei unter
Verwendung von Kräuterauszügen hergestellten Likören ist auch nicht feststellbar,
dass Gin oder Whisky als besonders gesundheitsfördernd oder speziell herz-
schützend beworben werden. Deshalb hat auch der mit der angegriffenen Marke
konfrontierte Verkehr keine Veranlassung, in dem in ihr enthaltenen Wort
"HEART" in einem rechtserheblichen Umfang nur eine warenbeschreibende An-
gabe zu sehen und es deshalb bei der Bestellung außer acht zu lassen. Aus dem
danach allein verbleibenden Umstand, dass die Markenbestandteile räumlich von-
einander getrennt in zweizeiliger Anordnung wiedergegeben sind, kann ebenfalls
nicht auf die prägende Eigenschaft eines einzelnen von ihnen geschlossen wer-
den (BGH GRUR 1996, 775, 776 f – Sali Toft; GRUR 1999, 733 – LION DRIVER /
LIONS), zumal es sich bei der angegriffenen Marke insgesamt um eine noch recht
kurze und einprägsame Bezeichnung handelt und bei kurzen und prägnanten Be-
zeichnungen die Tendenz des Verkehrs, sich an einem einzelnen Markenbe-
standteil zu orientieren, ohnehin eher gering ist (BGH GRUR 1995, 507, 508 –
City-Hotel).
Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Ver-
bindung gebracht werden könnten. Gegen eine Verwechslungsgefahr unter die-
sem rechtlichen Gesichtspunkt spricht zum einen der Umstand, dass über die Be-
nutzung weiterer Marken der Widersprechenden mit den Bestandteilen "LIONS"
bzw "LION", die für den Verkehr die Zugehörigkeit der angegriffenen Marke zu ei-
ner Markenserie der Widersprechenden nahe legen könnten, – insbesondere auch
für Spirituosen – nichts bekannt ist und hierzu auch von der Widersprechenden
nicht substantiiert vorgetragen worden ist. Aber auch dann, wenn eine Benutzung
der angeführten weiteren Marken durch die Widersprechende erfolgt sein sollte,
wären diese nicht zweifelsfrei geeignet, dem Verkehr eine gedankliche Verbindung
mit der angegriffenen Marke nahe zu legen, weil sie sich in der Art der Markenbil-
dung – nahezu alle Marken der Widersprechenden enthalten die Bezeichnung
"LIONS" nur in Alleinstellung – von der angegriffenen Marke erkennbar unter-
scheiden. Letztlich führt im vorliegenden Fall auch der für den deutschen Verkehr
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weithin erkennbare und verständliche abweichende Begriffsinhalt der Gesamtbe-
zeichnung "Lion HEART" von der Annahme weg, bei der angegriffenen Marke
handele es sich um eine weitere Marke der Widersprechenden. Bei dieser Sach-
und Rechtslage musste die Beschwerde der Widersprechenden erfolglos bleiben.
Die von der Widersprechenden angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83
Abs 2 MarkenG) oder eine Vorlage der Sache an den EuGH (Art 234 EG) kam
nicht in Betracht, weil mit dem vorliegenden Beschluss auf Grund der zitierten
Rechtsprechung des EuGH und des BGH über Tatfragen, nicht jedoch über neue
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war und eine Zulas-
sung der Rechtsbeschwerde bzw eine Vorlage auch nicht zur Rechtsfortbildung
oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Auch die
von der Widersprechenden zur Begründung einer Vorlagepflicht zitierten Urteile
des EuGH in den Rechtssachen T – 6/01 (Matratzen Markt Concord/ Matratzen), T
104/01 (Fifties/Miss Fifties) und T 388/00 (ELS/ils) stellen keine Abkehr von diesen
Grundsätzen dar, sondern eine Anwendung dieser Grundsätze auf Einzelfälle, die
mit dem vorliegenden aus unterschiedlichen tatsächlichen Gründen nicht ver-
gleichbar sind.
Umstände dafür, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus
Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), liegen nicht vor.
Albert Eder Reker
Bb