Urteil des BPatG vom 11.12.2001

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BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 28/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 397 15 575
BPatG 152
10.99
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hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 11. Dezember 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Ströbele sowie des Richters Dr. Schmitt und der Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewie-
sen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 9. August 1997 veröffentlichte Eintragung der nachstehend wieder-
gegebenen (farbigen) Kombinationsmarke 397 15 575
siehe Abb. 1 am Ende
für die Waren und Dienstleistungen
„Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien,
soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buch-
bindeartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für
Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künst-
lerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel
(ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausge-
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nommen Apparate); Verpackungsmaterial (aus Kunststoff)
soweit in Klasse
16 enthalten, Spielkarten, Drucklettern,
Druckstöcke; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedek-
kungen; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit
in Klasse 28 enthalten; Christbaumschmuck; Werbung,
Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten;
Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Ver-
anstaltung von Reisen; Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung;
sportliche und kulturelle Aktivitäten; Verpflegung, Beherber-
gung von Gästen; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und
Schönheitspflege; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tier-
medizin und der Landwirtschaft; Rechtsberatung und –vertre-
tung; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen
von Programmen für die Datenverarbeitung.“
ist mit Schriftsatz vom 7. November 1997 (eingegangen am gleichen Tage) Wider-
spruch erhoben worden aus zwei derselben Widersprechenden gehörenden älte-
ren eingetragenen Marken.
Hierbei handelt es sich
1. um die nachfolgend abgebildeten Marke 2 072 747
siehe Abb. 2 am Ende
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welche für die Waren
„Reisegepäckstücke und Taschen, Reisetaschen, Aktenkof-
fer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke;
Reise- und Handkoffer (soweit in Klasse 18 enthalten); Be-
kleidungsstücke, Sport- und Freizeitkleidung; Hüte und Kopf-
bedeckungen; Stiefel; Schuhe; Sportschuhe; Schweißbänder
und Pulswärmer (soweit in Klasse 25 enthalten)“
geschützt ist, und
2. um die anschließend dargestellte IR-Marke 641 610
siehe Abb. 3 am Ende
deren Schutzbewilligung die Waren
"Articles de bagage, à savoir sacs, attachés-cases; para-
pluies et cannes; valises et sacs de voyage.
Vêtements, vêtements de sport et de loisirs; bottes; chaussu-
res et chaussures de sport; bandeaux pour la tête et les
poignets (accessoires d'habillement).
Jeux et jouets; engins et articles de sport non compris dans
d'autres classes; bandeaux pour la tête et les poignets
(accessoires de sport)"
umfaßt.
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Die Widersprüche sind "gegen alle gleichen und gleichartigen Waren" der ange-
griffenen Marke gerichtet.
Mit Schriftsatz vom 27. April 1998 (eingegangen am 28. April 1998) hat die Wider-
sprechende außerdem geltend gemacht, hinsichtlich der "Veranstaltung von
Motorsportrennen" handle es sich bei den Widerspruchsmarken zudem um gemäß
§ 10 MarkenG notorisch bekannte Marken. Insoweit sei auch eine Identität oder
Ähnlichkeit mit den Dienstleistungen "Transportwesen, Veranstaltung von Reisen;
Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten" der angegriffenen Marke anzu-
nehmen.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts ist von
lediglich auf die Waren der angegriffenen Marken beschränkten Widersprüche
ausgegangen. Sie hat insoweit beide Widersprüche mangels Verwechslungsge-
fahr der Vergleichsmarken zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie vor allem her-
vorgehoben, der von der Widersprechenden als kollisionsbegründend angesehene
Bestandteil "FORMULA 1" bzw "Formula 1" sei bei beiden Widerspruchsmarken
nicht geeignet, den Gesamteindruck der jeweiligen Marke insoweit zu prägen, daß
er allein der angegriffenen Marke gegenüberzustellen sei.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt.
Ihrer Ansicht nach unterliegen die Vergleichsmarken der Gefahr von Verwechslun-
gen. Die sich gegenüberstehenden Waren seien zum Teil sogar identisch. Die
Widerspruchsmarken zeichneten sich durch eine überragende Bekanntheit aus
und seien deshalb von äußerst hoher Kennzeichnungskraft. Hiervon ausgehend
halte die angegriffene Marke nicht einen Verwechslungen ausschließenden Ab-
stand ein. Alle drei Marken seien in ihrem prägenden Bestandteil "FORMULA 1"
bzw "Formula 1" identisch. Hierbei müsse berücksichtigt werden, daß bei Wort-
Bild-Marken grundsätzlich auf den Wortbestandteil abzustellen und der zusätzlich
in der angegriffenen Marke enthaltene Bestandteil "café" glatt beschreibend sei.
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Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung
der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Markeninhaber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die Vergleichsmarken nicht für verwechselbar ähnlich. "FORMULA 1"
könne als die Bezeichnung einer Sportart keine den Gesamteindruck einer Marke
prägende Bedeutung haben, so daß demgegenüber der weitere Wortbestandteil
der angegriffenen Marke "café" nicht zurücktrete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet.
Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, daß die Widersprechende während
des Widerspruchsverfahrens die Firmenbezeichnung geändert hat. Eine solche
bloße Namensänderung unterfällt nicht dem nach neuerer Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs im Widerspruchsverfahren entsprechend anzuwendenden
§ 265 Abs 2 ZPO (WRP 1998, 996 "Sanopharm"), so daß sich eine Zustimmung
des Markeninhabers erübrigt.
Im Ergebnis zu Recht hat die Markenstelle gem §§ 43 Abs 2 Satz 2, 107; 116
MarkenG die Widersprüche zurückgewiesen.
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Hierbei geht der Senat davon aus, daß durch rechtswirksame Widersprüche iSv
§ 42 Abs 1, Abs 2 Nr 1 MarkenG die Eintragung der Marke 397 15 575 lediglich im
Umfang der registrierten Waren angegriffen ist. Soweit die Widersprechende mit
dem späteren Schriftsatz vom 27. April 1998 aufgrund einer behaupteten weiter-
gehenden Notorietät der beiden Widerspruchsmarken auch gegen einzelne
Dienstleistungen im Verzeichnis der angegriffenen Marke vorgeht, handelt es sich
hierbei nicht um gemäß § 42 Abs 2 Nr 2 MarkenG zulässige weitere Widersprü-
che, nachdem in diesem Zeitpunkt die Widerspruchsfrist (§ 42 Abs 1 MarkenG)
bereits endgültig (vgl § 91 Abs 1 Satz 2 MarkenG) verstrichen war.
Die Vergleichsmarken unterliegen nicht der Gefahr von Verwechslungen im Sinne
von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Als Gesamtzeichen hebt sich die angegriffene
Marke von den beiden Widerspruchsmarken in ihrer Gesamtheit so deutlich ab,
daß ohne weiteres jegliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen erscheint. Eine
Ähnlichkeit zu begründen vermag aber auch nicht die den Marken gemeinsame
Kombination des Wortes "FORMULA" (bzw "Formula") und der Zahl "1". Eine Prä-
gung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke durch diese Markenteile
kann nicht in Betracht kommen. Die Feststellung einer prägenden Wirkung auf den
Gesamteindruck ist hierbei allein anhand der Marke selbst zu treffen (vgl BGH
GRUR 2000, 233, 234 f "RAUSCH/ELFI RAUCH"; GRUR 2000, 1 031, 1 032 "Carl
Link"). Insoweit kann dahinstehen, ob die angegriffenen Waren mit den jeweiligen
Waren der Widerspruchsmarken insgesamt ähnlich, zum Teil sogar identisch sind
und ob die Widerspruchsmarken über die behauptete äußerst hohe Kennzeich-
nungskraft verfügen.
In der angegriffenen Marke sind neben den Wörtern "FORMULA" und "café" wei-
tere bildliche Elemente enthalten. So werden die Buchstaben "M" des Wortes
"FORMULA" sowie die Buchstaben "a" und "f" des Bestandteils "café" von einem
Gebilde umrahmt, dessen Konturen einer Wiedergabe der Zahl "1" entsprechen.
Außerdem ist der obere Teil der Marke kuppeldachförmig mit nach den Seiten
auslaufenden Linien graphisch gestaltet. Wenn auch von dem Grundsatz auszu-
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gehen ist, daß beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen der Ver-
kehr üblicherweise dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform
eine prägende Bedeutung zumißt, kann der Auffassung der Widersprechenden
nicht gefolgt werden, daß der Gesamteindruck der angegriffenen Marke von den
Elementen "FORMULA" und "1" geprägt wird.
Eine Prägung des Gesamteindrucks einer Marke durch einzelne Bestandteile setzt
voraus, daß den betreffenden Markenteilen eine so eigenständig kennzeichnende
und insgesamt dominierende Bedeutung zukommt, daß sie als der markenmäßige
Schwerpunkt des Gesamtzeichens aufgefaßt werden. Das setzt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl zB BGH GRUR 1998, 942, 943
"ALKA-SELTZER"; GRUR 2000, 233, 234 "RAUSCH/ELFI RAUCH") voraus, daß
die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise
zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können.
Diese Voraussetzungen erachtet der Senat im vorliegenden Fall nicht als erfüllt.
So bestehen bereits Zweifel, ob dem als Wiedergabe der Zahl "1" in Betracht zu
ziehenden Bildbestandteil in der Mitte der angegriffenen Marke eine derartige
dominierende Funktion zuzusprechen ist, weil er in erster Linie als ornamentales
Beiwerk im Rahmen der graphischen Hintergrundgestaltung der Kombinations-
marke wirkt. Eine direkte Verbindung mit dem Wortbestandteil "FORMULA" liegt
schon deshalb nicht nahe, weil sich die Darstellung der Zahl "1" auffallend von
dem Schriftbild dieses Wortes unterscheidet und sich eher in die übrigen strich-
förmigen Umrahmungen einfügt. Insoweit kommt ihm optisch mehr eine Hinter-
grundsfunktion zu als eine für die Prägung des Gesamteindrucks maßgebliche
kennzeichnende Bedeutung. Das gilt um so mehr als die Grundzahl "1" von Haus
aus nicht kennzeichnungskräftig ist (vgl BGH GRUR 2000, 608, 610 "ARD-1").
Aber selbst wenn das betreffende Bildelement als für den Gesamteindruck der
angegriffenen Marke noch bedeutsame zusätzliche Unterscheidungshilfe angese-
hen wird, kann es nicht nur dem Wortbestandteil "FORMULA" in einer Weise
zugeordnet werden, daß sich daraus zwangsläufig ein Gesamtbegriff
"FORMULA 1" ergibt, der für sich allein den Gesamteindruck der angegriffenen
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Marke bestimmt. So tritt der weitere Wortbestandteil "café" demgegenüber nicht in
einer Weise zurück, daß er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden
könnte. Hierbei muß zunächst berücksichtigt werden, daß "café" in bezug auf die
streitgegenständlichen Waren keinerlei beschreibende Bedeutung aufweist, so
daß – entgegen der Ansicht der Widersprechenden – nicht von einer glatt
beschreibenden Angabe ohne eigenständige Kennzeichnungskraft auszugehen
ist. Vor allem aber ist nicht zu verkennen, daß die graphische Wiedergabe der
Zahl "1" in der angegriffenen Marke die Mitte beider Wortbestandteile umfaßt. Wer
diese Abbildung bewußt als Zahlendarstellung wahrnimmt, wird zwangsläufig auch
diese Verbindung erkennen, die gegen eine willkürliche Ausklammerung des Wor-
tes "café" spricht. Damit bewirkt die bildliche Ausgestaltung der angegriffenen
Marke – einschließlich der Abbildung der Zahl "1" – eher eine Verknüpfung der
Wortbestandteile "FORMULA" und "café" als daß ihr ein trennender Effekt
zukommt. Jedenfalls ergeben sich keine naheliegenden Gründe für die Annahme,
daß der Durchschnittsverbraucher die zentrale Wiedergabe der Zahl "1" aus-
schließlich mit dem Wort "FORMULA" in Verbindung bringt und den weiteren
Bestandteil "café" hierbei völlig unberücksichtigt läßt.
Diese Erwägungen sprechen auch gegen eine durch gedankliche Verbindung her-
vorgerufenen Verwechslungsgefahr. Wenn der Verkehr in der angegriffenen
Marke die Bestandteile "FORMULA" und "1" nicht als ins Auge stechende begriffli-
che Einheit iSv "FORMULA 1" auffaßt, besteht für ihn auch keine Veranlassung,
die angegriffene Marke in Verbindung mit Serien von "Formula 1"- bzw "F 1"-Mar-
ken zu bringen, deren Besitz die Widersprechende für sich in Anspruch nimmt.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist somit zurückzuweisen.
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Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß, aus Gründen der
Billigkeit gem § 71 Abs 1 MarkenG dem Markeninhaber oder der Widersprechen-
den die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Dr. Ströbele
Werner
Dr. Schmitt
br/Fa
Abb. 1
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Abb. 2
Abb. 3