Urteil des BPatG vom 06.07.2010

BPatG: software, beschreibende angabe, unterscheidungskraft, begriff, eugh, automatisierung, computer, werkzeug, archivierung, geschäftsbetrieb

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 186/09
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Juli 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 306 16 183.4
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht, Richter Schwarz und Richter Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
AUTOMATION STUDIO
ist am 10. März 2006 zur Eintragung als Wortmarke für die Waren
"Computer integrierte Software"
angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 9. Juli 2007 und vom 22. April 2009, von
denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Un-
terscheidungskraft zurückgewiesen. Bei dem Begriff "AUTOMATION" handle es
sich laut diverser Lexika in der (englischen und deutschen) technischen
Fachsprache um einen Basisbegriff der Prozessautomatisierung bzw. der
Automatisierungstechnik. Automatisierungs- und Automationsprozesse setzten
bekanntlich eine integrierte Datenverarbeitung voraus. Deshalb seien hierfür
neben der entsprechenden Hardware (Prozessrechner etc.) auch Programme zur
Generierung von Arbeitsplänen und Steuerdaten sowie für die Fertigungs-
steuerung und Betriebsdatenerfassung erforderlich. Der Fach- und Basisbegriff
"AUTOMATION" sei daher als Bestimmungsangabe geeignet zur Beschreibung
des näheren Anwendungsgebiets der verfahrensgegenständlichen Software.
Die fehlende Unterscheidungskraft dieses glatt beschreibenden Wortbestandteils
werde auch nicht durch den zweiten Wortbestandteil "STUDIO" ausgeräumt, da es
sich hierbei um eine übliche Geschäftslokalitätsbezeichnung handle. Die ange-
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meldete Bezeichnung erschöpfe sich in ihrer Gesamtheit in einer Zusammen-
fügung einer Sachangabe und einer üblichen Bezeichnung für Geschäftsloka-
litäten.
Unter "AUTOMATION STUDIO" werde der Verbraucher in Bezug auf die ver-
fahrensgegenständlichen Waren "Computer integrierte Software" eine Software
verstehen, mittels derer Abläufe in einem Studio (Räumlichkeit/Geschäftsbetrieb)
automatisiert werden könnten bzw. eine Software, die in einem (virtuellen) Studio
eine Automatisierung bestimmter Prozesse vornehme/simuliere.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie (sinngemäß)
beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 9. Juli 2007 und vom 22. April 2009
aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.
Die Anmelderin hält die angemeldete Bezeichnung bereits aufgrund der Mehr-
deutigkeit des Bestandteils "STUDIO" für unterscheidungskräftig. Insbesondere in
Verbindung mit dem Wort "AUTOMATION" verschmelze die Marke zu einer völlig
unüblichen Wortkombination, die sich in keinem Wörterbuch nachweisen lasse
und auch von den beteiligten Kreisen nicht als beschreibende Angabe eingesetzt
werde. Beim Begriff "AUTOMATION STUDIO" handle es sich weder bei seinen
einzelnen Wortbestandteilen noch in der Kombination um einen beschreibenden
Begriffsinhalt für die betrachtete Software.
Zur Begründung der Unterscheidungskraft stützt sich die Anmelderin zudem auf
die Interpretationsbedürftigkeit des angemeldeten Zeichens. Bei der bezeichneten
Software handle es sich um ein Werkzeug, mit dem computerunterstützte
Hydraulik- bzw. Pneumatik-Kreisläufe und z. T. auch elektrische Umfänge ent-
wickelt würden. Diese Hydraulik- bzw. Pneumatik-Kreisläufe könnten in auto-
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matisierungstechnischen Anlagen, z. B. in Fertigungsanlagen in Fabriken, ein-
gesetzt werden. Schwerpunkt der Anwendung von "AUTOMATION STUDIO" sei
jedoch die Entwicklung von Fluid-Kreisläufen für den Einsatz in Baumaschinen
oder Flugzeughydrauliksystemen. Die Software enthalte entgegen den Vermu-
tungen der Markenstelle keinerlei Funktionsumfänge, die zur Automatisierung der
Abläufe in einem Studio oder einem Geschäftsbetrieb herangezogen werden
könnten oder zur Automatisierung bestimmter Prozesse in einem (virtuelle) Studio
dienten.
Dass die Bezeichnung nicht beschreibend, sondern nur als Produkt- bzw.
Herkunftshinweis verwendet werde, ergebe auch eine von der Anmelderin vor-
gelegte Google-Recherche. Dies belege auch ein von der Anmelderin vorgelegter
Wikipediaauszug zu dem Begriff "Automation Studio".
Die Anmelderin stützt sich im Übrigen auf die Eintragung von ihrer Meinung nach
vergleichbaren Marken sowie der identischen Marke in einer Vielzahl anderer
Länder, u. a. in den USA und als Gemeinschaftsmarke.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt auf-
rechterhalten und vertieft sowie eine Einschränkung des Warenverzeichnisses
angeboten.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil
der als Marke angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchten Waren jegliche
Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruch-
ten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer
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Unternehmen. Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ur-
sprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewähr-
leisten (st. Rspr.; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, Rdn 27 ff. - BioID; BGH
GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006). Enthält eine Bezeichnung einen
beschreibenden Begriffsinhalt, der für die in Frage stehenden Waren oder
Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird, ist
der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher
Unterscheidungskraft zu versagen. Bei derartigen beschreibenden Angaben
fehlen tatsächliche Anhaltspunkte, dass die Verbraucher sie als Unterschei-
dungsmittel verstehen (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2005,
417, 418 - BerlinCard). Ist - wie hier - die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu
beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen ge-
genüber anderen Wortmarken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden
Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. BGH
GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke "AUTOMATION
STUDIO" für die beschwerdegegenständlichen Waren jegliche Unterscheidungs-
kraft, da sie bezüglich dieser Waren einen ohne Weiteres erkennbaren be-
schreibenden Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete
Zeichen nicht als Marke verstanden wird. Die angemeldete Bezeichnung setzt sich
aus den Wörtern "AUTOMATION" und "STUDIO" zusammen, die sowohl
Bestandteil der deutschen als auch der englischen Sprache sind. Wie die
Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei "AUTOMATION" um
einen Basisbegriff der Prozessautomatisierung bzw. der Automatisierungstechnik.
Im Zusammenhang mit der Ware "Computer integrierte Software" weist der Begriff
unmittelbar auf einen beschreibenden Sinngehalt hin, nämlich auf Software für
Automatisierungs- und Automationsprozesse jedweder Art. Darunter fallen auch
die von der Anmelderin in der Beschwerdebegründung erwähnten Hydraulik- bzw.
Pneumatik-Kreisläufe.
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Soweit die Markenstelle für den Begriff "STUDIO" allgemein auf eine übliche
Geschäftslokalitätsbezeichnung abgestellt hat, mag dies in isolierter Betrach-
tungsweise richtig sein. In Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Waren
"Computer integrierte Software" steht jedoch ein anderer Begriffsinhalt im
Vordergrund des Verständnisses, nämlich der einer Software Plattform, die im
Sinne einer "Werkstatt" verschiedene Softwarebausteine, -bibliotheken, -pro-
gramme integriert und eine durchgängige Bearbeitung von Aufgaben ermöglicht.
Der Begriff "Studio" oder der oft synonym verwandte Begriff "Suite" weisen damit
in beschreibender Weise nicht nur auf die Integration von einer Mehrzahl von in
der Regel komplexen Aufgaben unter einer Oberfläche oder Plattform hin, sondern
suggerieren in einer beschreibenden Art und Weise auch die Möglichkeit
besonders komfortablen und professionellen Arbeiten mit diesen Software-
Werkzeugen, die in der Regel ein durchgängiges Bearbeiten von einzelnen
Aufgaben erlauben. Beleg dafür ist die vom Erstprüfer genannte Software Suite
„Macromedia Studio 8", wo "Studio 8" als das ultimative (Werkzeug-) Kom-
plettpaket für die Gestaltung, Entwicklung und Verwaltung von Websites,
Anwendungen, Spielen, interaktiven Präsentationen" genannt und damit im o. g.
Sinne als ein alle Werkzeuge umfassendes Softwarepaket verwendet wird.
Weitere Belege sind die von der Erinnerungsprüferin genannten Begriffe wie "3D
studio max" (ein Entwicklungs-, Animation- und Rendering Softwarepaket zur
Graphikerstellung), "microsoft visual studio 2005" respektive "visual studio" (eine
integrierte Entwicklungsumgebung zur Entwicklung von Anwenderschnittstellen
mittels MS-Formularen, Web-Seiten, -Anwendungen, -Diensten), "logic studio"
(eine Musikproduktionssoftware von Apple). Weitere prominente Vertreter sind
"Sun Java Studio" (eine integrierte Entwicklungsumgebung oder Nutzung sog.
NetBeans), „Pinnacle Studio" (eine Videobearbeitung und -schnitt Software der
Firma Pinnacle), "Corel Digital Studio (eine Software für Bild-, Videobearbeitung
und -archivierung von Corel), "Final Cut Studio" (ebenfalls eine Software zur
Videobearbeitung und -archivierung von Apple) oder "Premium Studio 2006" (ein
Software-Paket für Engineering und Runtime zu den Systemen SIMATIC S7/C7,
SIMATIC HMI, SIMATIC NET, SINUMERIK und SIMOTION).
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In der Gesamtbetrachtung des Zeichens "AUTOMATION STUDIO" ergibt sich
somit in Verbindung mit den angemeldeten Waren zwangsläufig und ohne
analytische Betrachtung jedenfalls für Fachkreise und damit einen erheblichen Teil
der angesprochenen Verkehrskreise ein Sachhinweis auf eine Software-Plattform,
unter der mehrere Aufgaben bei der Entwicklung, Überwachung oder Simulation
von Automationsaufgaben zusammengefasst sind. In Bezug auf Automations-
anlagen können dies insbesondere Aufgaben von der Planung bis zur Umsetzung
(Programmcode, Stromlaufpläne, Stücklisten) einschließlich Simulationen in den
verschiedensten Entwicklungsstadien sein.
Bei dieser Sichtweise führt der von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung
vorgeschlagene Disclaimer "außer Software für die Automatisierung von Studios"
zu keiner schutzbegründenden Einschränkung, da bei vorliegender Interpretation
das Studio als Geschäftslokalität keine Rolle spielt. Auch die von der Anmelderin
vorgeschlagene Einschränkung auf "Software zum technischen Training für CAE-
und CAD-Anwendungen" vermag nicht schutzbegründend zu wirken, da die
Bezeichnung "AUTOMATION STUDIO" sich eben als eine allgemeine Software-
Plattform darstellt, die sich mit Automation im weiteren Sinne und damit auch mit
Trainings- und/oder Simulation-Software dazu befassen kann.
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, kann sich die Anmelderin
wegen des Zusatzes "AUTOMATION" in Bezug auf die beschwerdegegen-
ständlichen Waren nicht auf eine Mehrdeutigkeit des Wortes "STUDIO" stützen. Im
Übrigen würde eine Mehrdeutigkeit auch keine Schutzfähigkeit begründen, weil
das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bereits dann eingreift, wenn
der Begriff in einer Bedeutung warenbeschreibend ist (EuGH GRUR 2004, 146,
Rdn. 32 -DOUBLEMINT).
Entgegen der Auffassung der Anmelderin handelt es sich bei der angemeldeten
Bezeichnung auch nicht um eine völlig unübliche Wortkombination, die von den
beteiligten Verkehrskreisen nicht als beschreibende Angabe verwendet wird.
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Abgesehen davon, dass auch dies nach der Rechtsprechung des EUGH keine
Eintragung zur Folge hat (vgl. EuGH, a. a. O., - DOUBLEMINT), widerspricht sich
die Anmelderin insoweit durch die als Anlagen zur Beschwerdebegründung von ihr
selbst vorgelegte Googlesuchliste, wonach es ca. 2. 620. 000 Einträge zu der
angemeldeten Bezeichnung gibt, und den ebenfalls von der Anmelderin vor-
gelegten Wikipediaauszug zu der Bezeichnung. Dass es sich bei der Bezeich
nung "AUTOMATION STUDIO" um eine auf dem hier relevanten Warensektor
durchaus geläufige Wortkombination handelt, belegen auch die von der Mar-
kenstelle und vom Senat ermittelten Internetausdrucke.
Die durch die Aneinanderreihung der beiden Wörter "AUTOMATION" und
"STUDIO" gebildete Wortkombination weist keine ungewöhnliche Struktur auf,
sondern trifft eine sachbezogene Aussage über Inhalt und Bestimmungszweck der
beanspruchten Waren, ohne dass durch die Zusammenfügung der Wörter der
sachbezogene Charakter der Wortkombination verloren geht.
Aus der Schutzgewährung für andere, vermeintlich ähnlich gebildete deutsche
Marken und der Eintragung der identischen Marke in anderen Ländern und beim
HABM vermag die Anmelderin keinen Anspruch auf Registrierung der vorliegend
angemeldeten Bezeichnung abzuleiten. Inländische oder ausländische Vorein-
tragungen - selbst identische - Marken führen weder für sich noch in Verbindung
mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer anspruchsbegründenden
Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Schutzgewährung zu befinden
haben. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine
Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar (vgl. z. B. BGH GRUR 1989, 420
- KSÜD). Entgegen der Auffassung der Anmelderin haben ausländische Vor-
eintragungen hinsichtlich der Unterscheidungskraft auch keine Indizwirkung. Die
Tatsache, dass eine identische Marke für identische Dienstleistungen in einem
anderen Land eingetragen wurde, ist für die Entscheidung, die Anmeldung einer
Marke zur Eintragung zuzulassen oder zurückzuweisen, nicht maßgebend (EUGH
GRUR 2004, 428 - Henkel).
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Nachdem der Marke bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft der Schutz zu
verweigern war, kann die Frage, ob einer Schutzgewährung auch § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG entgegensteht, dahingestellt bleiben.
Dr. Albrecht
Schwarz
Kruppa
br/Me