Urteil des BPatG vom 22.07.2010

BPatG (klasse, zeichen, unterscheidungskraft, bezug, begriff, marke, unterlagen, eugh, verkehr, fussball)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 231/09
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
22. Juli 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 307 66 950.5
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Knoll, sowie der Richter Merzbach und Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Comfort Fit
ist am 15. Oktober 2007 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet wor-
den, und zwar für die folgenden Waren der Klassen 5 und 10:
"Windeln, Windeleinlagen, Höschenwindeln und Saugvorlagen, im
wesentlichen bestehend aus Papier, Zellstoff oder anderen Faser-
materialien als Einmalartikel, Fixierhöschen, gewirkt und/oder ge-
strickt aus Textilfäden oder bestehend aus Zellstoff zur Fixierung
von Saugvorlagen, sämtliche vorgenannten Waren für die Inkonti-
nentenversorgung;
Krankenunterlagen und Unterlagen für Inkontinente (soweit in
Klasse 10 enthalten)."
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese
unter der Nummer 307 66 950.5 geführte Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom
28. Mai 2009 und vom 17. September 2009, von denen letzterer im Erinnerungs-
verfahren erging, zurückgewiesen.
Die Markenstelle ist der Auffassung, dass dem angemeldeten Zeichen die nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehle. Die Wort-
kombination "Comfort Fit" sei den angesprochenen Verkehrskreisen verständlich,
da "Comfort" nahezu identisch dem deutschen Wort "Komfort" für Bequemlichkeit
sei und "Fit" als "Passform", "etwas Passendes" im Inland ebenfalls bekannt sei.
Der Verkehr werde das Zeichen "Comfort Fit" unmittelbar in dem Sinne erfassen,
- 3 -
dass die damit gekennzeichneten Waren einen Tragekomfort und eine angepasste
Form bzw. eine gute Passform böten. Daher werde der Verkehr ohne analysieren-
de Betrachtung erkennen, dass das angemeldete Zeichen die Qualität der Waren
beschreibe. Es gebe keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen. Bedeutun-
gen des Bestandteils "Fit" im Sinne von "gut trainiert, aktiv, Fitness" könnten außer
Betracht bleiben, da sie hier eher abwegig seien. Die Bedeutung "gute Passform"
sei weitaus näher liegend. Da das Zeichen "Comfort Fit" in seiner Gesamtheit eine
sinnvolle Aussage liefere, nämlich einen sachgerechten Hinweis auf die Qualität
der Ware, sei es eindeutig und bedürfe keiner Interpretation. Der Begriff "Comfort
Fit" werde bereits für Waren verwendet, bei denen es wie bei den beanspruchten
Waren auch auf Tragekomfort und Passform ankomme.
Dagegen richtet sich die von der Anmelderin erhobene Beschwerde.
Sie ist der Auffassung, dass sich für das angemeldete Zeichen "Comfort Fit" kein
nahe liegender, in Bezug auf die beanspruchten Waren beschreibender Sinnge-
halt ergebe. Die angesprochenen Durchschnittsverbraucher würden den Bestand-
teil "Fit" nicht mit dem Begriff "Passform" assoziieren. Vielmehr sei es nahe lie-
gend, dass hierdurch gedankliche Verbindungen mit Begriffen wie "in guter körper-
licher Verfassung, sportlich durchtrainiert" erweckt würden. Das Wort "fit" sei auch
in diesem Sinne in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen. Somit denke der
angesprochene Durchschnittsverbraucher bezüglich des Bestandteils "Fit", wenn
er dem angemeldeten Zeichen "Comfort Fit" begegne, an den in der deutschen
Sprache im Vordergrund stehenden Sinngehalt "sportlich durchtrainiert". Auch
wenn die angesprochenen Verkehrskreise den weiteren Bestandteil "Comfort" im
Sinne von "Komfort, Bequemlichkeit" verstünden, ergebe sich für den Gesamtbe-
griff "Comfort Fit" kein die beanspruchten Waren beschreibender Sinngehalt. Zwar
seien Tragekomfort und gute Passform Eigenschaften, die auch bei Inkontinenten-
windeln eine Rolle spielten. Dies spreche allerdings nicht gegen die Unterschei-
dungskraft des angemeldeten Zeichens, da der Begriff "Comfort Fit" nicht mit dem
vorgenannten Bedeutungsgehalt in den deutschen Sprachgebrauch übergegan-
- 4 -
gen sei. Es ergebe sich somit kein glatt beschreibender Sachzusammenhang mit
den beanspruchten Waren. Zudem spiele für die beanspruchten Waren eine be-
queme Passform keine Rolle, da diese Waren in einer bestimmten Größe geliefert
würden und nicht individuell anpassbar seien. Beispiele in Bezug auf andere Wa-
ren wie z. B. Jeans-Hosen könnten nicht herangezogen werden Als Beschaffen-
heitsangabe oder Sachhinweis auf den Bestimmungszweck für diese Waren kön-
ne das angemeldete Zeichen somit nicht angesehen werden. Vielmehr handele es
sich bei der Verbindung von "Comfort" und "Fit" um eine ungewöhnliche und neu-
artige Wortkombination, die zu einem Kunstbegriff mit lediglich andeutendem Aus-
sagegehalt führe, der allenfalls vage und unspezifische Assoziationen wecke, und
bei dem es mehrerer Überlegungen bedürfe, um einen gewissen Produktbezug
herzustellen.
Da der Marke kein eindeutig beschreibender Sinngehalt zukomme, sei auch kein
Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG feststellbar.
Die Anmelderin beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen
Patent-
und
Markenamts
vom
28. Mai 2009
und
vom
17. September 2009 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die angemeldete Marke weist
entgegen der Auffassung der Anmelderin keine hinreichende Unterscheidungs-
- 5 -
kraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), so dass die Markenstelle die Anmeldung zu
Recht zurückgewiesen hat (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom
Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Haupt-
funktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten
Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428,
Tz. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 - FUSSBALL WM 2006). Keine
Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr
im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich
einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl.
BGH 2006, 850, Tz. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 -
Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch sol-
chen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchte Ware
oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar beschreiben, mit denen aber ein enger
beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH
- FUSSBALL WM 2006 a. a. O.). Dabei ist maßgeblich auf die Auffassung der be-
teiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in
denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann,
wobei es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren
und Dienstleistungen ankommt (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, Tz. 24 - SAT.2; Strö-
bele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdnr. 83 m. w. N.).
Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allge-
meininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor un-
gerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604,
Tz. 60 - Libertel). Dementsprechend hat der EuGH mehrfach eine strenge und
vollständige, nicht auf ein Mindestmaß beschränkte Prüfung von absoluten
Schutzhindernissen angemahnt, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken
zu verhindern (EuGH GRUR 2003, 606, Tz. 59 - Libertel; GRUR 2004, 674, Tz. 45
- 6 -
- Postkantoor; GRUR 2004, 1027, Tz. 45 - Das Prinzip der Bequemlichkeit). Auch
der BGH hat klargestellt, dass nicht nur eine summarische Prüfung erfolgen darf;
vielmehr sind die Gesichtspunkte umfassend zu würdigen, wobei im Rahmen der
strengen und umfassenden Prüfung zu berücksichtigen ist, dass auch eine gerin-
ge Unterscheidungskraft ausreicht, um das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2009, 949, Tz. 11 - My World).
Hiervon ausgehend weist die angemeldete Marke in Bezug auf die beanspruchten
Waren sowohl der Klasse 5 als auch der Klasse 10 keine Unterscheidungskraft
auf.
Die angemeldete Wortfolge besteht aus den Wörtern "comfort" und "fit". Den Zei-
chenbestandteil "comfort" werden die angesprochenen Verkehrskreise, insbeson-
dere auch die Endverbraucher der beanspruchten Waren, schon aufgrund der
weitgehenden Übereinstimmung mit dem Wort "Komfort" mit dem Begriff "Be-
quemlichkeit" ohne weiteres assoziieren. Der aus der englischen Sprache stam-
mende Begriff "fit" hat zwar - für sich gesehen - unterschiedliche Bedeutungen;
diese kann - abhängig vom jeweiligen Zusammenhang - sowohl "passend" und in
Bezug auf Kleidungsstücke auch "Sitz, Passform", ferner "angemessen, geeignet,
tauglich" und auch "gesund, gut in Form" lauten (vgl. Langenscheidts Großwörter-
buch Englisch Muret-Sanders, Teil I, Völlige Neubearb. 2001, S. 437/438).
In Kombination mit dem Wort "Comfort" und in dem maßgeblichen Produktzusam-
menhang mit den vorliegend beanspruchten Waren der Klasse 5 (Windeln, Win-
deleinlagen, Höschenwindeln und Saugvorlagen für die Inkontinenzversorgung)
weist das Wort "Fit" allerdings keine Mehrdeutigkeit auf. Denn diese Wortfolge
wird von den angesprochenen Verkehrskreisen in diesem Zusammenhang ohne
weiteres warenbeschreibend im Sinne von "komfortabel passend" bzw. "bequeme,
komfortable Passform" verstanden werden. Die Wortfolge "comfort fit" wird in die-
sem Sinne im Warenbereich der Bekleidung und Schuhe geradezu inflationär ver-
wendet, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Hosen, insbesondere
- 7 -
Jeans, Hemden, Strümpfe, Unterwäsche, Schuhe oder Skistiefel handelt, wie die
der Anmelderin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2010
übermittelten Unterlagen belegen. Aus diesen Unterlagen ergibt sich beispielswei-
se im Bereich von "Jeans", dass der Begriff "comfort fit" dort bereits ein nahezu
fest definierter Fachbegriff im Sinne von "bequem geschnitten - gerade Beine" ist.
Unabhängig davon, dass von dieser Praxis ausgehend ein beschreibendes Ver-
ständnis im Sinne von "komfortabel passend" bzw. "bequeme, komfortable Pass-
form" auch bei "Windeln" sehr naheliegend ist, wird die Wortfolge aber auch bei
Windeln schon entsprechend verwendet, wie die weiteren, der Anmelderin mit der
Terminsladung übermittelten Unterlagen belegen, wobei hier auch Wortfolgen wie
"active fit" für "gute Passform bei aktiven Kindern" und "comfort stretch" etwa "für
bequeme/komfortable flexible Bündchen" beschreibend verwendet werden. Dies
zeigt, dass die Markenwörter auch in anderen Wortverbindungen in diesem Wa-
renbereich eine Eigenschaften dieser Waren glatt beschreibende Funktion haben.
Auch wenn es sich bei den hier beanspruchten Waren nicht um Bekleidungsstü-
cke wie Jeans, Hemden oder Schuhe handelt, und auch wenn ferner man davon
ausgeht, dass, wie die Anmelderin unter Vorlege von Belegen im Termin am
22. Juli 2010 vorgetragen hat, die Wortfolge "comfort fit" kein Fachterminus für die
Bezeichnung der Größe von Windeln, Windeleinlagen, Höschenwindeln und Saug-
vorlagen ist, so ändert dies nichts daran, dass diese Wortfolge Eigenschaften die-
ser Waren in einer für die angesprochenen Verkehrskreise äußerst naheliegenden
Weise beschreibt. Denn eine "komfortable, bequeme Passform" ist auch hin-
sichtlich dieser Waren neben einem Höchstmaß an Nässe- bzw. Feuchtigkeits-
schutz und auch einem Höchstmaß an Geruchshinderung eine wesentliche Eigen-
schaft, die die angesprochenen Verkehrskreise von diesen Waren erwarten und
wünschen. Dies gilt zum einen für Inkontinenzkranke, die nicht in besonderer Wei-
se pflegebedürftig, aber auf die Benutzung der beanspruchten Waren z. B. auch
für eine Teilnahme am sozialen Leben angewiesen sind und für die nicht nur der
vorgenannte Schutz, sondern auch die Passform von Belang ist. Zum anderen gilt
dies aber insbesondere auch mit Blick auf die Pflege von Personen, die in ihrer
- 8 -
Mobilität eingeschränkt oder sogar bettlägerig sind, weil eine "komfortable, be-
queme Passform" der hier beanspruchten Waren der Klasse 5 gerade für diesen
Personenkreis mehr als bloße Bequemlichkeit ist, sondern zur Linderung einer für
Inkontinenzpatienten oft nur schwer erträglichen Lebenssituation beitragen kann.
Nach alledem drängt es sich für diese Verkehrskreise sofort und ohne weiteres
Nachdenken auf, in der Bezeichnung "comfort fit" einen zwar schlagwortartigen,
aber dennoch glatt beschreibenden Hinweis auf diese gewünschten Eigenschaften
der vorgenannten Waren und keinen Hinweis auf deren betriebliche Herkunft zu
sehen.
Auch in Bezug auf die weiteren beanspruchten Waren, nämlich die der Klasse 10
zuzurechnenden "Krankenunterlagen und Unterlagen für Inkontinente" wird der
Verkehr in der Wortkombination "comfort fit" keinen Hinweis auf deren betriebliche
Herkunft sehen, da die Bezeichnung "comfort fit" insoweit zumindest einen engen
beschreibenden Zusammenhang aufweist (vgl. BGH 2006, 850, 854, Tz. 19 -
"FUSSBALL WM 2006"). Denn bei pflegebedürftigen, bettlägerigen Personen ist
zur Linderung der Folgen ihrer Krankheit erforderlich, dass ihre Unterbringung,
insbesondere das jeweilige (Kranken-) Bett in allen Bestandteilen nach Möglichkeit
keine Unbequemlichkeiten aufweist, die den Aufenthalt dort über das schon krank-
heitsbedingt gegebene Maß hinaus beeinträchtigen und ggf. zu weiteren gesund-
heitlichen Nachteilen führen können. Dann ist aber bei den hier beanspruchten
Waren der Klasse 10 neben dem Inkontinenzschutz auch die bequeme und kom-
fortable Passform dieser Unterlagen insbesondere in Bezug auf (Kranken-) Betten
eine wesentliche Eigenschaft dieser Produkte.
Aus den vorgenannten Gründen spricht aus einiges dafür, dass dem angemelde-
ten Zeichen insbesondere in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 5
auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht. Da dieses
Zeichen aber bereits nicht die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unter-
scheidungskraft aufweist, kann dies dahingestellt bleiben.
- 9 -
Die Beschwerde bleibt nach alledem ohne Erfolg.
Knoll
Merzbach
Metternich
Hu