Urteil des BPatG vom 06.12.2005

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, zeichen, klasse, see, beschwerde, kennzeichnungskraft, verkehr, prüfung, grund)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 95/06
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 25 454
hat der 25.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
1. Oktober 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems sowie der
Richterin Bayer und des Richters Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 20. Juni 2002 angemeldete farbige Marke
ist am 7. Februar 2002 unter der Nummer 302 25 454 in das Markenregister ein-
getragen worden und u. a. für die Waren
„Medienträger und Werbeartikel, nämlich Bekleidungsstücke,
Schuhwaren, Kopfbedeckungen“
geschützt.
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Die Inhaberin der am 29. Mai 1998 u. a. für die Waren
„Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren, sämtliche
Waren der Klasse 25 insbesondere als Sportbekleidungsstücke für
Zweiradfahrer
eingetragenen Wortmarke Nr. 398 18 695
LAKES
hat dagegen Widerspruch erhoben, welcher sich gezielt gegen die oben genann-
ten Waren der angegriffenen Marke richtet.
Die Markenstelle für Klasse
41 des DPMA hat in zwei Beschlüssen vom
6. Dezember 2005 und vom 28. Juni 2006, von denen letzterer im Errinnerungs-
verfahren ergangen ist, die angegriffene Marke im beantragten Umfang, nämlich
hinsichtlich der Waren „Medienträger und Werbeartikel, nämlich Bekleidungs-
stücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ gelöscht.
Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und
sich identisch gegenüberstehenden Waren, müsse ein deutlicher Markenabstand
eingehalten werden, um betriebliche Herkunftsverwechslungen zu vermeiden.
Diesen Anforderungen werde das jüngere Zeichen nicht gerecht. Es sei auf den
jeweiligen Gesamteindruck abzustellen. Bei der klanglichen Verwechslungsgefahr
sie der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr beim Zusammen-
treffen von Wort- und Bildbestandteilen meist dem Wort als kürzeste Bezeich-
nungsform prägende Bedeutung beimesse. Auch wenn man im Textilbereich eher
von einem Kauf auf Sicht ausgehe, dürfe eine mögliche klangliche Verwechs-
lungsgefahr nicht gänzlich vernachlässigt werden. Die angegriffene Marke werde
von rechtserheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise nach ihrem
Wortelement „Lake“ (= engl. See) benannt. Die eher weniger bekannte Bedeutung
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von „Lake“ im Sinne einer Salzbrühe zum Einlegen von Fleisch, Fisch u. s. w.
dänge sich nicht auf. Selbst wenn der Schriftzug in eine blaue und hellblaue Flä-
che, die Wasser stilisieren solle, eingebettet sei, werde das Zeichen optisch ein-
deutig von dem Wortelement beherrscht. Der Wortbestandteil der angegriffenen
Marke sei vollständig in der Widerspruchsmarke enthalten. Selbst wenn der zu-
sätzliche Konsonant „s“ auf Seiten der Widerspruchsmarke als sogenanntes
„scharfes S“ in Erscheinung trete, könne die eher geringfügige Abweichung ange-
sichts der deutlichen Übereinstimmungen im Lautbestand nicht für eine ausrei-
chende Differenzierung sorgen, zumal der Verkehr die Wörter regelmäßig nicht
gleichzeitig nebeneinander wahrnehme. Schließlich wirke der weitgehend über-
einstimmende Begriffsinhalt von „Lake“ / „Lakes“ (Singular- und Pluralform von
„See“) kollisionsverstärkend. Bei hochgradiger klanglicher Markenähnlichkeit,
durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und möglicher Warenidentität sei die Ge-
fahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen gegeben. Im registerrechtlichen Wi-
derspruchsverfahren könnten die Einwendungen des Inhabers der angegriffenen
Marke außerhalb des formellen Markenrechts, wie eine Vorbenutzung der ange-
griffenen Marke, die Kollision mit anderen Schutzrechten wie dem Werktitelschutz
und sonstige Fälle des Rechtsmissbrauchs nicht geltend gemacht werden.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat dagegen Beschwerde eingelegt. Anträge
hat er nicht gestellt.
Seiner Ansicht nach ist eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht gegeben, da
die Marke der Widerspruchsführerin im Gegensatz zur Marke des Anmelders mit
einem scharfen „s“ ausgesprochen werde. Hinzu komme, dass die Marke des
Anmelders Niederdeutsch auszusprechen sei mit einem langgezogenen „a“ und
nicht mit einem gedehnten „e“ gemäß der englischen Aussprache, wie es bei der
Marke der Widerspruchsführerin der Fall sei. Bereits vor der Markenstelle habe er
auf den norddeutschen Charakter der Musikgruppe „Lake“ hingewiesen. Zu Un-
recht unterstelle die Behörde, es komme hier auf keine schriftbildliche Ähnlich-
keitsprüfung an. Eine optische Verwechslungsgefahr scheide aus. Nach der
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Rechtsprechung des BGH sei kein Erfahrungssatz ersichtlich, nach dem der Ver-
kehr auch bei rein visueller Wahrnehmung einer Wort-/Bildmarke in erster Linie die
Wörter in sein Erinnerungsbild aufnehme. Es müsse der Bildcharakter der ange-
griffenen Marke angemessen berücksichtigt werden. Die einzigartige und charak-
teristische Bilddarstellung der angemeldeten Marke mit den deutlich ins Auge
springenden Farben grenze diese klar von der Widerspruchsmarke ab und verhin-
dere eine Verwechslungsgefahr. Auch vom Bedeutungsgehalt her scheide eine
Verwechslungsgefahr aus. Angesichts der völligen Verschiedenheit der Branchen
der Parteien (Musikband und Fahrradladen) sowie auf Grund der Unähnlichkeit
beider Marken unterlägen die angesprochenen Verkehrskreise keiner Verwechs-
lungsgefahr.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Waren seien identisch. Allein die graphische Ausgestaltung des Schriftbildes
reiche regelmäßig nicht aus, eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr zu verhin-
dern. Zu der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr trete eine klangliche Ver-
wechslungsgefahr der Vergleichsmarken hinzu. Insoweit sei regelmäßig der Wort-
bestandteil maßgebend. Die Wörter unterschieden sich nur in dem Buchstaben „s“
am Wortende der Widerspruchsmarke. Die angegriffene Marke stelle das engli-
sche Wort für „See“ dar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass eine
niederdeutsche Aussprache der angemeldeten Marke der Prüfung zugrunde zu
legen sei und zu Gunsten der Musikgruppe „Lake Musikgruppe“ ein „Vorbenut-
zungsrecht“ bestehe, könnten nicht überzeugen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat in der Sache
keinen Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hin-
sichtlich der mit dem Widerspruch angegriffenen Waren besteht.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Um-
stände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -
PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. - Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich
nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der
Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind
zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wech-
selwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein geringerer Grad
eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden
kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26).
Die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren „Medienträger und Werbeartikel,
nämlich Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ werden von den
„Bekleidungsstücken, Kopfbedeckungen, Schuhwaren, sämtliche Waren der
Klasse 25 insbesondere als Sportbekleidungsstücke für Zweiradfahrer“ umfasst,
so dass sich die Zeichen bei identischen Waren begegnen können. Für die
Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der angegriffenen Waren kommt
es nicht darauf an, ob eine Musikgruppe und ein Fahrradladen branchenfremd
sind, da nicht die konkreten Betriebe des Anmelders und der Widersprechenden
zu vergleichen sind, sondern vielmehr die Schutzrechte mit ihren sich gegenüber-
stehenden - hier identischen - Waren.
Die Widerspruchsmarke weist eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf, da
weder für deren Stärkung noch für deren Schwächung Anhaltspunkte vorliegen.
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Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Marken kommt es
maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen an (Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 111). Eine Markenähnlichkeit kann in klanglicher, (schrift-
)bildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei für die Feststellung einer
markenrechtlichen Verwechslungsgefahr in aller Regel ausreichend ist, wenn nur
in einer dieser Richtungen ausreichende Übereinstimmungen bestehen (vgl. auch
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 123 und Rnd. 124).
Die Marken sind klanglich so ähnlich, dass bei identischen Waren und
durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mit erheblichen
Verwechslungen zu rechnen ist.
Auch wenn die Waren der Klasse 25 häufig auf Sicht gekauft werden, kann schon
allein deshalb eine klangliche Ähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründen,
weil die Waren z. B. auch telefonisch geordert oder mündlich beworben und
weiterempfohlen werden können. Auch in einem Verkaufsgespräch spielt die
mündliche Benennung eine erhebliche Rolle. Ob die Zeichen daneben auch
schriftbildlich oder begrifflich verwechselbar ähnlich sind, kann dahingestellt
bleiben, da jedenfalls in klanglicher Hinsicht eine die Verwechslungsgefahr be-
gründende Ähnlchikeit besteht.
Weite Verkehrskreise werden den Wortbestandteil der angegriffenen Marke eng-
lisch aussprechen, da sie das englische Wort “lake” für “See” kennen und der
Verkehr daran gewöhnt ist, dass gerade auch auf dem vorliegenden Warengebiet
der Klasse 25 häufig englischsprachige Zeichen verwendet werden. Zwar gibt es
im Deutschen das Wort “Lake” im Sinne einer Salzlösung zum Einlegen, jedoch
verhindert dies nicht, dass erhebliche Verkehrskreise das Zeichen als englischen
Ausdruck verstehen und aussprechen. Verstärkt wird die Neigung des Verkehrs
zur englischen Aussprache durch die graphische Ausgestaltung, da das Wort
“Lake” in blauer Farbe gehalten ist und mit einer Art Luftbläschen verziert ist, so
dass der Begriff “Lake” (See) assoziiert wird. Bei dieser Aussprache unterscheiden
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sich die Zeichen lediglich durch den zusätzlichen Buchstaben “s” am Wortende
der Widerspruchsmarke. Auch wenn es sich bei englischer Aussprache beider
Wörter um Kurzwörter handelt, reicht der Unterschied am Zeichenende nicht aus,
eine Verwechslungegefahr bei identischen Waren zu verhindern, zumal das “s” im
Englischen die Pluralform bildet, so dass zumindest aus der Erinnerung heraus mit
erheblichen Verwechslungen zu rechen ist.
Selbst für den Teil des Verkehrs, der das englische Wort “Lake” und seine Plural-
form nicht kennt bzw. die beiden Zeichenwörter nicht als englische Wörter sondern
nach deutschen Ausspracheregeln ausspricht, besteht auf Grund der Überein-
stimmung in Silbenzahl, Vokalfolge, dem Sprech- und Betonungsrhythmmus und
den am Zeichenanfang und Zeichenmitte identischen Lauten “lake” eine so große
klangliche Ähnlichkeit, dass mit rechtserheblichen Verwechslungen zu rechnen ist.
Der zusätzliche Laut “s” am Ende der Widerspruchsmarke tritt im Gesamtklangbild
selbst bei einer scharfen Aussprache dieses Buchstabens nicht so deutlich hervor,
dass Verwechslungen zumindest aus der Erinnerung heraus ausgeschlossen
wären.
Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat daher keinen Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
Kliems Merzbach
Bayer
Na