Urteil des BPatG vom 26.11.2001

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BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 91/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
26. November 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die angegriffene IR-Marke 663 013
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 26. November 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dr. Buchetmann, der Richterin Winter und des Richters Schramm
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 19. Dezember 2000 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus
der Marke 2 048 690 bezüglich der Waren "Vêtements de protec-
tion contre les accidents, les irradiations et le feu; vêtements" zu-
rückgewiesen worden ist.
Insoweit wird wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Mar-
ke 2 048 690 der IR-Marke der Schutz in Deutschland verweigert.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
SECUFABS
"Vêtements de protection contre les accidents, les irradiations et le
feu. Fibres textiles et matières textiles fibreuses brutes. Tissus
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et produits textiles non compris dans d’autres classes. Vête-
ments".
Für diese Marke ist die Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland be-
antragt. Die Marke wurde am 21. Januar 1997 in MINT veröffentlicht.
Widerspruch erhoben hat am 17.
April
1997 die Inhaberin der seit dem
4. November 1993 für
"Bekleidungsstücke; Bekleidungsstücke für Arbeitskleidung"
SECUCLAS
ren vor dem Patentamt am 11. November 1998 bestritten worden ist. Die Wider-
sprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch wegen fehlender Glaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen;
den vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht entnehmen, ob die Waren innerhalb
des maßgeblichen Benutzungszeitraums mit der Widerspruchsmarke ge-
kennzeichnet worden seien.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und weitere Unterlagen zur
Glaubhaftmachung der Benutzung eingereicht. Sie hält mit näheren Ausführungen
die Benutzung für glaubhaft gemacht und die Verwechslungsgefahr angesichts der
weitgehenden Markenübereinstimmungen für gegeben.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß des Deutschen Patentamts vom
19. Dezember 2000 aufzuheben und der IR-Marke den nachge-
suchten Schutz zu verweigern.
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Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält mit näheren Ausführungen die Benutzung nicht für glaubhaft gemacht und
darüberhinaus Verwechslungsgefahr nicht für gegeben. Der Bestandteil "SECU-"
sei im Bereich der Arbeitskleidung wegen des Hinweises auf "security" kennzeich-
nungsschwach; unter diesen Umständen seien die Abweichungen im übrigen aus-
reichend, um der Gefahr von Verwechslungen zu begegnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf
die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache zum Teil Er-
folg. Bezüglich der Waren "Vêtements de protection contre les accidents, les irra-
diations et le feu; vêtements" kann die Zurückweisung des Widerspruchs durch
den angefochtenen Beschluß keinen Bestand haben.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wech-
selbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der
Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit
der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen wer-
den kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20
- Canon; BGH MarkenR 1999; 297 - HONKA; BGH MarkenR 2001, 204, 205 -
REVIAN/EVIAN).
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Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke
SECUCLAS
halten, daß es sich bei den derart gekennzeichneten Kleidungsstücken um Si-
cherheitskleidung handelt (security = Sicherheit). Dies führt aber für das Gesamt-
zeichen, bei dem die einzelnen Wortelemente noch hinreichend phantasievoll zu-
sammengefügt erscheinen, noch nicht zu einer ins Gewicht fallenden Schwäche.
Bei der Entscheidung über den Widerspruch sind nur die Waren der Wider-
spruchsmarke zu berücksichtigen, für die eine Benutzung glaubhaft gemacht wor-
den ist (§ 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG). Im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtbenut-
zungseinrede durch die Markeninhaberin war die Widerspruchsmarke bereits län-
ger als fünf Jahre in dem Register eingetragen, so daß die Voraussetzungen der
Einrede mangelnder Benutzung gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG erfüllt waren.
Demnach oblag es der Widersprechenden, die rechtserhaltende Benutzung der
Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen und zwar für den Zeitraum der letzten
fünf Jahre vor Verkündung dieser Entscheidung (26. November 2001). Dies ist ihr
gelungen. Nach den in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn
W… vom 25. April 2001 in Verbindung mit den ebenfalls eingerichten
Abbildungen von mit Etiketten versehenen Arbeitskleidungsstücken (Overalls,
Latzhosen, Arbeitshosen und Arbeitsjacken, Berufsmäntel, Vorbindeschürzen)
sind mit diesen Arbeitskleidungsstücken, gekennzeichnet mit der Marke
SECUCLAS
bis … DM erzielt worden. Damit ist von einer ernsthaften Markenbenut-
zung für "Bekleidungsstücke für Arbeitskleidung" im maßgeblichen Benutzungs-
zeitraum auszugehen. Zwar weist die Inhaberin der IR-Marke zutreffend darauf
hin, daß die Widerspruchsmarke auf den abgebildeten Etiketten in einer von der
Eintragung abweichenden Form verwendet wird. Dies gilt indessen auch als Be-
nutzung der Marke, soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter nicht
verändert, § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG. Das ist hier der Fall. Die Verwendung der
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Marke unter Hinzufügung eines (nur schmückenden) Bildbestandteils (Stern) be-
läßt dem Wortbestandteil seine Kennzeichnungskraft.
Zwischen diesen Waren der Widerspruchsmarke und den Waren der Klassen 9
und 25 der IR-Marke besteht Identität bzw enge Ähnlichkeit. Bezüglich der Waren
der Klasse 9 ergibt sich dies vor allem daraus, daß auch bei Arbeitskleidung ein
Schutzzweck stark im Vordergrund steht. Bezüglich der Waren der Klasse 25 er-
gibt sich dies vor allem aus Übereinstimmungen bei den Herstellerbetrieben und in
der stofflichen Beschaffenheit (ständige Rechtspr, vgl Richter/Stoppel, Die Ähn-
lichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, Stichwort "Bekleidungsstücke"
mwN).
Im Bereich der Waren der Klasse 22 und 24 läßt sich indessen keine Ähnlichkeit,
auch keine sogenannte "mittelbare Ähnlichkeit" feststellen. Zwar ist der Grundsatz
der Unähnlichkeit von Vor- und Fertigprodukten von der Rechtsprechung in Aus-
nahmefällen durchbrochen worden. Danach können Vorprodukte und daraus her-
gestellte Halbfertig- und Fertigerzeugnisse ähnlich sein, wenn die Vorprodukte
nach der Verkehrsauffassung maßgebliche Eigenschaften und die Wertschätzung
der (Halb)Fertigerzeugnisse bestimmen sowie die Marke der Vorprodukte auch
den Abnehmern der (Halb-)Fertigerzeugnisse gegenübertritt. Dies kann neben
anderen Werbemaßnahmen insbesondere dadurch erreicht werden, daß das
Kennzeichen als sogenannte "begleitende Marke" nicht nur für das Vorprodukt,
sondern auch in den weiteren Fertigungsstufen bis zum Enderzeugnis verwendet
wird (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG § 9 Rdn 71 mwNachw). Für den hier auf-
grund der Benutzungslage allein maßgeblichen Bereich der Arbeitskleidung läßt
sich indessen ohne weiteres nicht feststellen, daß Eigenschaften und Wertschät-
zung der Fertigware durch das Vorprodukt bestimmt werden und die Verwendung
der Marke des Vorprodukts in den weiteren Fertigungsstufen branchenüblich ist.
Es besteht deshalb kein Anlaß, in dem Bereich der Waren der Klassen 22 und 24
von der Rechtsprechung, die insoweit teilweise Warengleichartigkeit verneint hat,
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grundsätzlich abzuweichen. Selbst wenn nämlich noch Warenähnlichkeit festzu-
stellen wäre, bestünde jedenfalls ein sehr deutlicher Warenabstand.
Die angegriffene Marke muß danach nur in Bezug zu einem Teil ihrer Waren einen
deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke einhalten, um Verwechslungen
auszuschließen. Das ist bei den im Tenor genannten Waren nicht der Fall. Inso-
weit sind die beiden Markenwörter noch zu ähnlich. Entgegen der Auffassung der
Markeninhaberin ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Bestandteil
"SECU-" auch zu berücksichtigen. Zwar kommt insoweit beschreibenden bzw
schutzunfähigen Bestandteilen in rechtlicher Hinsicht eine geringere Bedeutung zu
als reinen Phantasiebestandteilen. Daß "SECU-" abstrakt betrachtet auf "security"
(= Sicherheit) hinweisen kann, nimmt diesem Bestandteil aber nicht jede Kenn-
zeichnungskraft. Denn "SECU-" ist keine allgemein geläufige Abkürzung von Se-
curity und ist zudem auch nicht etwa in einer Vielzahl von (benutzten) Drittmarken
enthalten. Der von der Inhaberin der angegriffenen Marke insoweit vorgetragene
Rollenstand lässt keine Rückschlüsse auf die Benutzung dieser Drittmarken zu
und ist somit kein ausreichender Beleg für die Behauptung, das Publikum sei an
Marken mit dem Bestandteil Secu bereits in so erheblichem Umfang gewöhnt,
dass es diesem Bestandteil kennzeichenrechtlich kaum noch Bedeutung beimes-
se (vgl dazu Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 145). Im Gesamt-
klang sind die Marken durch ihre Übereinstimmungen am besonders beachteten
Wortanfang und am Wortende ziemlich angenähert. Die abweichenden Konsonan-
ten stehen an eher unauffälligerer Stelle und verändern das Klangbild nicht sehr
stark. In Bezug auf die im engeren Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren wird da-
her der Schutzbereich der Widerspruchsmarke noch tangiert.
Der Beschwerde der Widersprechenden, gerichtet auf vollständige Löschung der
angegriffenen Marke, ist somit teilweise stattzugeben; im übrigen ist sie zurück-
zuweisen, da hier der Warenabstand jedenfalls ausreichend deutlich ist.
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Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen
Anlaß, § 71 Absatz 1 MarkenG.
Dr.
Buchetmann
Winter
Richter Schramm ist wegen
Krankheit verhindert zu unter-
schreiben.
Dr. Buchetmann
Hu