Urteil des BPatG vom 20.02.2008
BPatG (beschreibende angabe, marke, rom, beschwerde, eintragung, verkehr, unterscheidungskraft, eugh, bezeichnung, neuerung)
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 133/07
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 304 23 028.6/6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 20.
Februar
2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Stoppel, der Richterin Werner und des Richters Schell
BPatG 152
08.05
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Angemeldet ist die Wortmarke
neoClips
für die Waren
„Schlauchschellen für Kabel und Schläuche“.
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die ange-
sprochenen Verkehrskreise würden in ihr im Zusammenhang mit den bean-
spruchten Waren lediglich einen unmissverständlichen Sachhinweis auf „neu-
gestaltete Schlauchschellen“ entnehmen, sie jedoch nicht als betrieblichen Her-
kunftshinweis werten. Ob an der Marke auch ein Freihaltungsbedürfnis bestehe,
könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie trägt vor, die Mar-
kenstelle habe die Marke einer zergliedernden Betrachtungsweise unterworfen
und aus dem beschreibenden Bedeutungsgehalt der einzelnen Wortelemente
unzulässiger Weise auf die mangelnde Unterscheidungskraft des Gesamtbegriffs
geschlossen. Dies widerspreche aber den Vorgaben der Rechtsprechung, nach
der nur die konkret angemeldete Marke Gegenstand der markenrechtlichen
Prüfung sei. In ihrer Gesamtheit könnten der Marke „neoClips“ aber keine
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absoluten Schutzhindernisse entgegen gehalten werden, da sie eine Wort-
neubildung darstelle und der Begriff vom Verkehr nicht in seine einzelnen
Bestandteile zerlegt und analysiert werde, wie dies die Markenstelle getan habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die angemeldete Marke als
beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG von der Eintragung
ausgeschlossen ist.
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Eintragung einer
Marke entgegen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die
im Verkehr zur Bezeichnung wesentlicher Merkmale der beanspruchten Waren
dienen können. Fremdsprachige Begriffe unterliegen dem Ausschlusstatbestand
des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dabei nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass
ihre beschreibende Bedeutung von den angesprochenen, inländischen Ver-
kehrskreisen ohne weiteres erkannt werden wird.
Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung ist stets die angemeldete Marke in ihrer
Gesamtheit. Dieser Grundsatz macht es für die zuständigen Stellen aber nicht
entbehrlich, zunächst die einzelnen Wortelemente einer Kombinationsmarke zu
prüfen (vgl. hierzu EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 - BioID). Ohne
eine solche Vorgehensweise wäre es auch schlicht unmöglich, den semantischen
Gehalt neuer Wortkombinationen zu ermitteln. Ergibt dieser Prüfungsschritt, dass
den einzelnen Wortbestandteilen der Marke ein beschreibender Bedeutungsgehalt
zukommt, stellt dies zwar einen gewissen Anhaltspunkt dafür dar, dass ihre
Kombination für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen ebenfalls be-
schreibend ist, selbst wenn es sich dabei um eine sprachliche Neuschöpfung
handelt (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681, Rdn. 39 - BIOMILD). Trotzdem kommt
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es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit entscheidend darauf an, in einem
weiteren Schritt zu prüfen, ob die Wortkombination als Ganzes tatsächlich zur
produktbezogenen Beschreibung dienen kann, oder ob zwischen der Wort-
verbindung in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe ihrer beschreibenden
Bestandteile möglicherweise ein merklicher Unterschied besteht, etwa aufgrund
vorhandener syntaktischer oder semantischer Besonderheiten (vgl. EuGH GRUR
2004, 943, 944, Rdn. 28 - SAT 2; sowie Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG,
8. Aufl., § 8 Rdn. 261 m. w. N.).
Die angemeldete Marke setzt sich aus zwei auch im Inland verwendeten Wort-
elementen zusammen, wie dies die Markenstelle zutreffend dargelegt hat. Dem
sowohl in der englischen wie auch in der deutschen Sprache gebräuchlichen
Präfix „neo“ kommt der Bedeutungsgehalt „neu, erneuert“ zu (vgl. Duden -
Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM] sowie Duden-
Oxford - Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM]; vgl. weiter
BPatG 28 W (pat) 044/98 - NEOFLON / NOWOFLON; sowie HABM R0994/01-3 -
NEODENT / NEVADENT, beide Entscheidungen veröffentlicht auf PAVIS PROMA
CD-ROM). In der Kombination mit einem nachgeordneten Substantiv drückt die
genannte Vorsilbe dabei aus, dass es sich bei dem fraglichen Sachzu-
sammenhang um eine Neuerung bzw. eine Weiterentwicklung bereits bekannter
Zusammenhänge handelt. In diesem Sinne ist sie Bestandteil zahlreicher Fach-
begriffe aus den unterschiedlichsten Bereichen. Lediglich beispielhaft seien hier
die Bereiche Politikwissenschaft („Neofunktionalismus“, „Neo-Institutionalismus“,
„Neokonservatismus“), Volkswirtschaft („Neo-Faktorproportionentheorie“), Medizin
(„Neoplasma“), Psychologie („Neopsychoanalyse“), Religion („Neo-Tantra“), Philo-
sophie („Neo-Kantianismus“, „Neo-Platonismus“), Kunst („Neoplastizismus“), Lite-
ratur („Neo-Realismus“, „Neo-Avantgarde“), Film („Neoformalismus“, „Neo-
Western“, „Neo-Noir“), Mode („Neo-Romantik“), Musik („Neo-Soul“, „Neo-Rock-’n’-
Roll“, „Neo-Psychedelic“) oder Esoterik („Neo-Feng-Shui“) genannt.
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Das weitere Wortelement „Clips" steht im Englischen für „Klammer, Schelle,
Klemme“ (vgl. nochmals Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch. 3.
Aufl.
Mannheim 2005 [CD-ROM]) und ist auch im Inland mit diesem Bedeutungsgehalt
in die Fachsprache gebräuchlich. So weist etwa auch die Anmelderin in ihrer
Produktbeschreibung von Schlauchschellen darauf hin: „
“ (vgl. unter http://www.neolab.de/nshop-
artdetails.do?kgrpId=2699).
In ihrer Kombination eines Sachbegriffs („Clips“) mit einem vorangestellten, auf
diesen Sachbegriff bezogenen Adjektivs („neo“) ist das Markenwort auch völlig
sprachüblich gebildet. Der Wortverbindung lässt sich somit ohne weiteres die
Sachaussage „neue Klammern, neue Schellen“ zuordnen, wobei sich dieser
Begriffsgehalt den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar erschließen wird,
da beide Wortelemente im inländischen Sprachgebrauch gebräuchlich und
dementsprechend allgemein bekannt sind.
In dem dargestellten Bedeutungsgehalt ist die angemeldete Marke zur Merk-
malsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr.
2 Marken geeignet, indem sie im
Zusammenhang mit den fraglichen Waren diese als „neue“, also innovative
Produkte beschreibt und ihnen damit die Eigenschaft einer Neuerung bescheinigt.
Auch wenn die Sachaussage „neoClips“ dabei für die angesprochenen Ver-
braucher möglicherweise relativ vage bleibt, indem sie keine konkreten Hinweise
darauf gibt, worin die Neuerung bzw. der innovative Aspekt bei den fraglichen
Produkten zu sehen ist, steht dies der Eignung zur Produktbeschreibung nicht
entgegen (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt).
Ebenso wenig vermag der Gesichtspunkt, dass die angemeldete Marke lexikalisch
nicht nachgewiesen werden kann bzw. dass die Anmelderin diese Bezeichnung
bisher als einzige verwendet, die angefochtene Zurückweisung der Anmeldung in
Frage zu stellen. Bereits aus der Formulierung „“ des § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG ergibt sich unzweideutig, dass es lediglich auf die Eignung einer
Bezeichnung ankommt, als beschreibende Angabe verwendet werden ,
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nicht dagegen auf eine bereits nachweisbare tatsächliche Verwendung im Verkehr
(vgl. nochmals Ströbele a. a. O., § 8 Rdn. 260 m. w. N.).
Als bloße Aneinanderreihung zweier beschreibender Wortelemente, aus der sich
wiederum eine beschreibende Gesamtbezeichnung ergibt, steht der Eintragung
der Marke ein berechtigtes Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Ver-
wendbarkeit entgegen (vgl. hierzu auch BPatG 30 W (pat) 178/99 - neoTips,
veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM).
Auch die konkrete Schreibweise mit einem Binnenversal vermag der ange-
meldeten Marke den beschreibenden Charakter nicht zu nehmen. Derartige
Schreibweisen in einem einheitlichen Wort zählen seit langem zur allgemein
üblichen Werbepraxis (st.
Rspr., vgl. hierzu die Nachweise in PAVIS zum
Stichwort „Binnengroßschreibung“). Ein neuer, über die bloße Summe der
beschreibenden Bestandteile hinausgehender Begriff entsteht dadurch im vor-
liegenden Fall nicht, zumal die beiden Wortelemente durch den vorhandenen
Binnenversal für den Verkehr gerade besonders leicht erkennbar bleiben.
Ob die angemeldete Marke auch wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, lässt der Senat
dahingestellt.
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Diese Entscheidung konnte im schrift-
lichen Verfahren ergehen, nachdem eine mündliche Verhandlung von der Be-
schwerdeführerin nicht beantragt wurde und auch nach Wertung des Senats nicht
sachdienlich gewesen wäre (§ 69 MarkenG).
Stoppel Werner Schell
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