Urteil des BPatG vom 06.03.2006

BPatG: stand der technik, firma, teilung, patentanspruch, einspruch, film, rücknahme, patentfähigkeit, druck, zusammensetzung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
15 W (pat) 357/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. März 2006
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 44 47 348
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 6. März 2006 unter Mitwirkung …
- 2 -
beschlossen:
Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten gemäß den Ansprü-
chen 1 bis 6 und der Beschreibung Spalten 1 bis 3, jeweils über-
reicht in der mündlichen Verhandlung.
G r ü n d e
I.
Auf die am 31. Dezember 1994 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche
Patent- und Markenamt das Patent 44 47 348 mit der Bezeichnung
„Siebfüllmittel für Textil-, Film- und Siebdruckschablonen“
erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 15. Mai 2003.
Dagegen hat die Firma A… GmbH in B…, DE, mit Schriftsatz vom
13. August 2003, eingegangen per Fax am 13. August 2003, Einspruch erhoben
und beantragt, das Patent mangels Neuheit und mangels erfinderischer Tätigkeit
zu widerrufen. Hilfsweise hat sie mündliche Verhandlung beantragt.
Sie stützt ihren Einspruch auf folgende Druckschriften:
(1) Informationsbroschüre
„AIRVOL“, Firma Air Products 1990.
(2) Informationsbroschüre
„ELVANOL“, Firma DuPont 1993.
(3) US 3 324 057
(4) Technisches
Informationsblatt „Härtemittel HP“, Firma Kissel
& Wolf GmbH, 5/1994 i. V. m. Sicherheitsdatenblatt.
- 3 -
(5) Informationsschrift „Die Siebdruckform: Verfahren und
Materialien für die Herstellung“, Bundesverband Druck 1990.
Insbesondere führt sie aus, dass aus (1) bereits sämtliche Merkmale des Patent-
anspruchs 1 des Streitpatents insofern bekannt seien, als das Handelsprodukt
„AIRVOL“, das ua zur Herstellung von ablösbaren Beschichtungen auf Papier-
oder Textiloberflächen mittels dem Siebdruckverfahren diene, Polyvinylalkohol in
wässriger Lösung enthalte, das mit einem Dialdehyd wie beispielsweise Glyoxal
vernetzt sei. Entsprechendes gelte für die wässrige Lösung des Polyvinylalkohol-
haltigen Produkts „ELVANOL“ aus (2), der die Zweckbestimmung für Textil-, Film-
und Siebdruckschablonen zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen sei, wobei die-
sem Produkt zur Steigerung der Wasserbeständigkeit Dialdehyde beigemischt
werden.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2003 hat die Einsprechende den Einspruch zu-
rückgenommen.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 15. Juni 2004 beantragt, das Patent in
der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten und das Verfahren nach Rücknahme des
Einspruchs einzustellen, hilfsweise einen Zwischenbescheid zu erlassen, weiter
hilfsweise mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Nachdem der Vertreter der Patentinhaberin am 5. Juli 2005 fernmündlich mitgeteilt
hat, dass er die Sache nach Rücknahme des Einspruchs zunächst im schriftlichen
Verfahren weiterverhandeln möchte und daher einen Zwischenbescheid erbitte,
wurde die Terminsladung für den 6. Oktober 2005 aufgehoben und in der Zwi-
schenverfügung vom 26. Juli 2005 ausgeführt, dass nach vorläufiger Prüfung der
Einspruchsgründe der Inhalt der Druckschriften (1), (2) und (4) der Patentfähigkeit
des Gegenstands der Patentanspruchs 1 entgegenstehe.
- 4 -
Mit Schriftsatz vom 25. November 2005 hat die Patentinhaberin mitgeteilt, dass sie
weiterhin die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung beantragt.
Daneben hat sie drei Hilfsanträge vorgelegt und erneut hilfsweise mündliche Ver-
handlung beantragt.
In der mündlichen Verhandlung am 6. März 2006 hat die Patentinhaberin die Tei-
lung des Patents erklärt.
Betreffend das Verfahren des Stammpatents überreicht sie neue Patentansprü-
che 1 bis 6 sowie eine daran angepasste Beschreibung. Die Patentansprüche ha-
ben folgenden Wortlaut:
„1. Siebfüllmittel für Textil-, Film- und Siebdruckschablonen, da-
durch gekennzeichnet, dass es enthält 8 bis 14 Gew.-% Polyvinyl-
alkohol
0,1 bis 1 Gew.-% Dialdehyd
0,2 bis 1 Gew.-% Diäthanolamin
0,8 bis 1,5 Gew.-% Propylenglykol
0,1 bis 0,5 Gew.-% Antischaummittel
Farbstoff
Rest auf 100 Gew.-% Wasser.
2. Siebfüllmittel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
der Dialdehyd Glyoxal ist.
3. Siebfüllmittel nach Anspruch 1 oder 2, gekennzeichnet durch
eine Säure als Härter.
4. Siebfüllmittel nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass
der Härter eine starke Säure, insbesondere Schwefelsäure ist.
- 5 -
5. Siebfüllmittel nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekenn-
zeichnet, dass der Härter getrennt vom Siebfüllmittel konfektioniert
ist.
6. Siebfüllmittel nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet,
dass der Härter zusammen mit dem Siebfüllmittel konfektioniert
ist.“
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten gemäß den Ansprü-
chen 1 bis 6 und der Beschreibung Sp. 1 bis 3, jeweils überreicht
in der mündlichen Verhandlung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren auf Grund mündlicher Verhandlung
in entsprechender Anwendung von § 78 und § 147 (3) PatG, nachdem die Paten-
tinhaberin Terminsantrag gestellt hat (vgl. auch BPatG 34. Senat, Mitt. 2002, 417).
III.
Die Teilungserklärung ist zulässig und, indem sie in der mündlichen Verhandlung
zu Protokoll gegeben wurde und damit der geforderten Schriftform genügt, auch
wirksam.
- 6 -
Der zulässige Einspruch hat teilweisen Erfolg und führt zur Aufrechterhaltung des
Stamm- bzw. Restpatents in beschränktem Umfang.
1.
rung hinsichtlich einer eindeutigen gegenständlichen Teilung sind mit der Ent-
scheidung des BGH Mitt. 2002, 526 - Sammelhefter hinfällig und zwar insofern, als
bei der Teilung eines Patents eine Verdoppelung desselben nicht durch inhaltliche
Anforderungen an die Teilungserklärung, sondern allein durch entsprechende
Anforderungen an die jeweils zu gewährenden oder aufrecht zu erhaltenden Pa-
tentansprüche zu vermeiden ist und demzufolge die Teilung des Patents insoweit
nicht anders behandelt werden soll als die Teilung der Patentanmeldung (vgl.
a. a. O. Leitsatz sowie S. 529 li. Sp. Abs. 1).
Damit wird für die Teilanmeldung die Zuständigkeit des Deutschen Patent- und
Markenamts begründet (BGH Mitt. 1998, 422 - Informationsträger).
2.
betreffend das Restpatent/Stammpatent (vgl. hierzu BGH Mitt. 2003, 388 - Basis-
station) ist dem Antrag der Patentinhaberin auf Aufrechterhaltung des Streitpa-
tents in eingeschränktem Umfang stattzugeben. Denn ein Siebfüllmittel mit den
Merkmalen des nunmehr vorgelegten, geänderten Patentanspruchs 1 ist gegen-
über dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht demge-
genüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bezüglich der Offenbarung der neu vorgelegten Patentansprüche 1 bis 6 bestehen
keine Bedenken. Sie ergeben sich aus den ursprünglichen Unterlagen (vgl.
a. a. O. Anspr. 1 bis 5 i. V. m. S. 6 Beispiel; Anspr. 6 bis 9) sowie aus den erteilten
Unterlagen (vgl. DE 44 47 348 C2 Anspr. 1 bis 6 i. V. m. Sp. 2 Z. 49 bis 57;
Anspr. 7 bis 10).
- 7 -
Patentanspruch 1 der geänderten Anspruchsfassung betrifft ein Siebfüllmittel für
Textil-, Film- und Siebdruckschablonen, welches folgende Merkmale aufweist
(1) 8 bis 14 Gew.-% Polyvinylalkohol
(2) 0,1 bis 1 Gew.-% Dialdehyd
(3) 0,2 bis 1 Gew.-% Diethanolamin
(4) 0,8 bis 1,5 Gew.-% Propylenglykol
(5) 0,1 bis 0,5 Gew.-% Antischaummittel
(6) Farbstoff
(7) Rest auf 100 Gew.-% Wasser.
Die Neuheit des nunmehr in seiner stofflichen und zahlenmäßigen Zusammenset-
zung eingeschränkten Siebfüllmittels ist anzuerkennen, da aus keiner der im Ver-
fahren befindlichen Druckschriften ein Siebfüllmittel mit sämtlichen Merkmalen 1
bis 7 hervorgeht.
Der Gegenstand der Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tä-
tigkeit.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen,
ein Siebfüllmittel bereitzustellen, das ohne besonderen Belichtungs- oder Nachbe-
handlungsvorgang in chemischer Reaktion schnell aushärtet und insbesondere
auch nach Kontakt mit einschlägigen organischen und anorganischen Lösungs-
mitteln, Farbresten etc. zusammen mit einer fotochemisch gehärteten Schicht in
einem einheitlichen manuellen und/oder maschinellen Arbeitsgang mühelos ent-
schichtet werden kann (vgl. DE 44 47 348 C2 Sp. 1 Z. 44 bis 51).
Die Lösung dieser Aufgabe durch ein Siebfüllmittel gemäß dem geänderten Pa-
tentanspruch 1 mit den Merkmalen 1 bis 7 ergibt sich nicht aus dem von der Ein-
sprechenden vorgebrachten Druckschriften.
- 8 -
Die Eignung von Glyoxal als Bestandteil eines Mittels zum Nachhärten von Direkt-
siebdruckschablonen ist aus dem Technischen Informationsblatt „Härtemittel HP
der Firma Kissel & Wolf GmbH, 5/1994 i. V. m. dem Sicherheitsdatenblatt (4) be-
kannt, wobei die Polyvinylalkohol-haltigen Kopierschichten durch die Behandlung
mit dem Härtemittel HP weitgehende Wasserbeständigkeit erlangen. Ebenso ist
aus der Informationsbroschüre der Firma Air Products „AIRVOL“ 1990 (1) bekannt,
dass Polyvinylalkohol unter anderem mit Dialdehyden wie beispielsweise Glyoxal
vernetzt werden kann (vgl. (1) Blatt 8 li. Sp. Abs. 2). Davon unabhängig werden in
(1) als Zusatzstoffe zu Polyvinylalkohol-Lösungen unter anderem auch Entschäu-
mer, Biocide sowie Glykole als Weichmacher in unterschiedlichen Anteilen emp-
fohlen (vgl. (1) Blatt 7 li. Sp. vorle. Abs. sowie Blatt 12 mi. Sp. i. V. m. Blatt 10
Tab. 2), und schließlich wird darin als Anwendungsgebiet für partiell hydrolysierte
Polyvinylalkohol-Produkte unter anderem auch der Siebdruck erwähnt (vgl. (1)
Blatt 15).
Einen Hinweis oder eine Anregung dahin, Polyvinylalkohol zusammen mit einem
Dialdehyd sowie den Additiven in stofflicher und zahlenmäßiger Zusammenset-
zung gemäß den Merkmalen 3 bis 6 des Streitpatents als Siebfüllmittel bereitzu-
stellen, ist jedoch weder aus (1) noch aus (4) zu entnehmen und ergibt sich dar-
aus somit auch nicht in naheliegender Weise.
Eine Anregung hierzu ist auch nicht den übrigen im Verfahren befindlichen Druck-
schriften zu entnehmen.
In der Informationsbroschüre „Elvanol“ der Firma DuPont, 1993 (2) werden Eigen-
schaften und Anwendungen verschiedener, unter der Marke Elvanol am Anmel-
detag des Streitpatents im Handel befindlicher Polyvinylalkohole, unter anderem
auch als Bindemittel für Farbstoffe, beschrieben (vgl. (2) nicht numeriertes Blatt 2
re. Sp. Abs. 2, Blatt 4 re. Sp. Abs. 1). Des weiteren geht daraus hervor, dass
wässrigen Polyvinylalkohol-Lösungen unter anderem Ethylenglykol und niedrige
Polyethylenglykole als Weichmacher, Glyoxal als Vernetzer in gefärbten Systemen
sowie Antischaummittel beigegeben werden können (vgl. (2) S. 5 re. Sp. le. Abs.
bis S. 7 re. Sp. vorle. Abs.). Anhaltspunkte für die Bereitstellung einer gefärbten
- 9 -
wässrigen Polyvinylalkohol-Lösung als Siebfüllmittel, welches neben einem Dial-
dehyd als Vernetzer auch noch Diethanolamin, Propylenglykol sowie Anti-
schaummittel in den Anteilen gemäß den Merkmalen 1 bis 5 enthält, finden sich in
(2) dagegen nicht. Zwar wird darin ausgeführt, dass sich neben Polyhydroxyver-
bindungen wie Glycerin und Ethylenglykol auch Amine einschließlich Ethanolami-
nen und Ethanolamin-Salzen als Lösungsvermittler für Polyvinylalkohol eignen
(vgl. (2) S. 1 re. Sp. vorle. Abs. bis S. 2 li. Sp. Abs. 1, insbes. S. 2 li. Sp. Z. 1 bis
6). Um hieraus auf die Verwendung von Diethanolamin-Base als Komponente ei-
nes Siebfüllmittels zu schließen und damit zum Gegenstand des Streitpatents mit
den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung zu
gelangen, bedarf es nach Ansicht des Senats jedoch einer unzulässigen ex-post
Betrachtung.
Die US 3 324 057 (3), welche alkalische Zusammensetzungen aus Dialdehyd-
Stärke, Polyvinylalkohol und Ton betrifft, sowie die Informationsschrift „Die Sieb-
druckform: Verfahren und Materialien für die Herstellung, des Bundesverbands
Druck 1990 (5) liegen ferner ab und vermögen daher die Patentfähigkeit eines
Siebfüllmittels mit den Merkmalen 1 bis 7 gemäß Patentanspruch 1 in der vertei-
digten Fassung auch nicht in Frage zu stellen.
Gewährbar sind damit auch die Unteransprüche 2 bis 6, die bevorzugte Ausfüh-
rungsformen eines Siebfüllmittels gemäß Patentanspruch 1, auf den sie mittelbar
oder unmittelbar rückbezogen sind, betreffen.
gez.
Unterschriften