Urteil des BPatG vom 18.10.2000

BPatG (bezeichnung, verkehr, stadt berlin, werbung, unterscheidungskraft, marke, medien, stadt, software, gebiet)

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 279/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 26 537.2
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 18. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Meinhardt, die
Richterin Pagenberg und den Richter Guth
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Bezeichnung
Stadtbummel
soll für die Waren und Dienstleistungen
"Erstellen von Datenverarbeitungs-Programmen, Werbung"
als Wortmarke in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 hat die Eintragung gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2
MarkenG zurückgewiesen, weil es sich bei der angemeldeten Marke hinsichtlich
der beanspruchten Dienstleistungen um einen unmittelbar beschreibenden Begriff
handele. In der aktuellen Tagespresse würden bereits Begriffe wie "virtueller
Stadtrundgang" oder Online-einkaufsbummel verwendet. Unter Hinweis auf wei-
tere Beispiele, auf die Bezug genommen wird, weise die angemeldete Bezeich-
nung für den Verkehr unmittelbar beschreibend darauf hin, daß die erstellte Soft-
ware einen (virtuellen) "Stadtbummel" ermögliche bzw daß die Werbung im Rah-
men eines (virtuellen) "Stadtbummels" erfolge.
Hiergegen hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.
Er beantragt,
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den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Zur Begründung macht der Anmelder geltend, daß nach der Begründung zum
Markengesetz und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jede noch so
geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis zu überwinden.
Unter dem Wort "Stadtbummel", das bereits sehr lange im deutschen Sprachge-
brauch existiere, verstehe man im allgemeinen etwas Gemütliches wie Schau-
fenster ansehen, Kaffeetrinken etc. Bei den beanspruchten Dienstleistungen han-
dele es sich aber um Tätigkeiten, die im Zuge von Computern und den übrigen
neuen Medien entstanden seien. Der Verkehr werde die bei dem Begriff
"Stadtbummel" üblichen Assoziationen haben, die jedoch in keinem Zusammen-
hang mit den beanspruchten Dienstleistungen stünden. Es liege ein erheblicher
phantasievoller Überschuß vor. Der Verkehr werde keinen beschreibenden An-
klang in der angemeldeten Bezeichnung finden, für die eine Vielzahl theoretischer
Deutungsmöglichkeiten existiere. Außerdem fehle es an konkreten Anhaltspunk-
ten für ein bestehendes oder künftiges Freihaltebedürfnis.
II
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der angemeldeten Marke steht das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 1
MarkenG entgegen, da ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Die Unterscheidungskraft ist einer als Wortmarke angemeldeten Bezeichnung
- wie der Anmelder zutreffend anführt - zwar nicht abzusprechen, wenn ihr kein für
die in Rede stehenden Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreiben-
der Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein
gebräuchliches Wort handelt, das - etwa auch wegen einer entsprechenden Ver-
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wendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungs-
mittel verstanden wird (st. Rspr. BGH MarkenR 1999, 351, 353 - FOR YOU). Auch
bei Anlegen des nach der Begründung des Gesetzgebers und der höchstrichterli-
chen Rechtsprechung gebotenen großzügigen Maßstabs weist die angemeldete
Bezeichnung einen die beanspruchten Dienstleistungen beschreibenden Begriffs-
inhalt auf.
Einen beschreibenden Sinngehalt besitzen auf einem Gebiet, das dem Abnehmer
der Dienstleistung "Erstellen von Datenverarbeitungs-Programmen" wenig Sicht-
bares oder Greifbares bietet, nicht nur technische Daten, Fachausdrücke oder
sonstige fachspezifische Begriffe, sondern auch solche allgemein geläufigen
Ausdrücke, die die Art oder die Wirkungsweise des zu erstellenden Soft-
ware-Programms eindeutig und leicht verständlich veranschaulichen. Auch bei
einer Dienstleistung wie der Werbung wird häufig auf vertraute Wörter zurückge-
griffen, um mit deren Sinngehalt die Art und Weise der Werbeleistung näher zu
beschreiben.
Für den angesprochenen Verkehr steht mit dem Wort "Stadtbummel" die be-
schreibende Aussage im Vordergrund, daß das Programm so beschaffen ist, daß
es einen entspannten Rundgang durch eine virtuelle Stadt nach eigenem Zeitmaß
wie bei einem realen Stadtbummel ermöglicht und ein geruhsames oder gar ge-
mütliches Betrachten von Auslagen, Angeboten an Waren, Dienstleistungen und
Sehenswürdigkeiten oder von Informationen über sonstige Attraktionen, Einkaufs-,
Genuß- und Unterhaltungsmöglichkeiten zuläßt, ohne in die Stadt fahren zu
müssen und sich etwa der Hektik oder dem Gedränge in belebten Einkaufsstraßen
aussetzen zu müssen. Zu dieser Annahme besteht um so mehr Veranlassung, als
in den zahlreichen Zeitungsberichten, die die Markenstelle herangezogen hat,
mehrfach von "Streifzügen durch virtuelle Städte, von einem virtuellen
Stadtrundgang, von virtuellen Messehallen, einem virtuellen Marktplatz, von virtu-
ellen Online-Reisen durch Ferienorte und Hotels, von virtuellen Einkaufstouren,
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Warenhäusern, Rathäusern sowie vom virtuellen München und der virtuellen Stadt
Berlin" ua gesprochen wird.
Die Markenstelle ist auch zu Recht von einem unmittelbaren Bezug der angemel-
deten Bezeichnung zu der Dienstleistung "Werbung" ausgegangen. Sie besteht
darin, daß die Werbeleistung im Rahmen eines (virtuellen) Stadtbummels erfolgt
bzw in einer Weise integriert ist, daß sie beispielsweise beim Durchstreifen von
selbst, in Sprechblasen oder auf ein Anklicken mit der Maus hin erscheint. Es gibt
bereits Konzepte für Programme auf Chips, die z.B. in Einkaufswagen angebracht,
beim Passieren entsprechender Produkte die gewünschte Werbeaussage
aktivieren. Vergleichbare verkaufsfördernde Maßnahmen und Einsatzmöglichkei-
ten beim echten wie beim virtuellen Stadtbummel in Kombination mit Programmen
für Handys, Internet und sonstigen Medien liegen im Trend der Zeit.
Der Begriffsinhalt der angemeldeten Bezeichnung, wie er vom Anmelder zutref-
fend mit "Spaziergang durch die Stadt" wiedergegeben wird, ist eindeutig. Die
Vielfalt theoretischer Deutungsmöglichkeiten oder einen vagen Bedeutungsinhalt
vermag der Senat nicht zu erkennen. Sie sind vom Anmelder auch nicht weiter
erläutert worden. Soweit die vielfältigen inhaltlichen Möglichkeiten gemeint sind,
die Anlaß und Gegenstand eines (realen wie virtuellen) Stadtbummels sein kön-
nen, ist dies für die Beurteilung der Schutzfähigkeit unerheblich (vgl BGH WRP
2000, 1140 - "Bücher für eine bessere Welt").
Ebensowenig ist die Verwendung des Wortes "Stadtbummel" auf dem Gebiet von
Computerprogrammen oder der neuen Medien als phantasievoller Überschuß zu
bewerten. Ähnlich wie bei den Wörtern "Datenautobahn, Papierkorb, Einkaufskorb,
Virus, Menü etc." erscheint es dem angesprochenen Verkehr gerade auf dem
vorliegenden Gebiet nicht ungewöhnlich oder eigenartig, Begriffen aus dem
täglichen Sprachgebrauch zur unmittelbar bildlichen Verdeutlichung von
Sachinformationen zu begegnen. Denn es handelt sich bei der angemeldeten Be-
zeichnung um einen geläufigen, keinesfalls veralteten oder auf die Vergangenheit
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bezogenen Begriff, dem der Verkehr in Verbindung mit Werbung, Software und
neuen Medien ohne weiteres Nachdenken oder analytische Betrachtung lediglich
beschreibende Sachhinweise entnimmt und keine kennzeichnende Wirkung bei-
mißt.
Aber selbst wenn mit dem Anmelder unterstellt wird, der Verkehr verbände mit der
angemeldeten Bezeichnung allein die Vorstellung an einen traditionellen Stadt-
bummel, so fehlte der angemeldeten Marke doch jede Unterscheidungskraft. Denn
dann versteht der Verkehr das geläufige Wort stets nur als solches und hat auch
noch weniger Veranlassung, an ein Kennzeichen zu denken, weil die angemeldete
Bezeichnung begrifflich in einer Weise besetzt wäre, die Gedanken an ein
betriebliches oder ein produktidentifizierendes Unterscheidungsmerkmal
überhaupt nicht aufkommen ließe. Hinzu kommt, daß sich die Dienstleistungen in
erster Linie an Auftraggeber und Abnehmer richten, die der Erschließung neuer
Markt-, Absatz- und Informationsstrategien aufgeschlossen gegenüberstehen und
Metaphern vertrauter Verhaltensmuster ohne weiteres als beschreibende Aussage
auffassen.
Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die angemeldete Marke dar-
über hinaus auch gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung auszu-
schließen war, wofür die den genannten Zeitungsberichten zu entnehmenden
konkreten Anhaltspunkte sprechen.
Meinhardt
Pagenberg
Richter Guth ist durch
Urlaub verhindert zu
unterschreiben.
Meinhardt
Cl